Montag, 26. Januar 2009

Nanna und ihre Männer

Beim Stöbern in meinen Kunstbüchern entdeckte ich eine Gemeinsamkeit von Lord Frederic Leighton, Anselm Feuerbach und Ferdinand Keller, die sich für einen kleinen Bericht gut eignet.

Gemeinsame Könner
Ich meine nicht das Offensichtliche, dass sie Maler waren. Große angesehene Könner dazu. Professoren an renommierten Kunstakademien.
  • Leighton an der damals hoch angesehenen Royal Academy of Art, deren Geschicke er über viele Jahre (1878-1896) als Präsident leitete. Er war somit nicht nur einer der besten, sondern auch einer der einflussreichsten britischen Maler des 19. Jahrhunderts.
  • Feuerbach für kurze Zeit (1873-1876) Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, jedoch aufgrund einer brisanten Mischung seines nachdenklich, depressiv und gleichzeitig egomanen Naturell nicht als Lehrer geeignet.
  • Und, last but not least, der wehrte Ferdinand Keller, stolze 40 Jahre (1873-1913) Professor für Historienmalerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe.

Gemeinsam unbedeutend
Nein, dies meine ich nicht.

Dass alle drei eben erwähnten Akademien heute nur noch ein trauriges Bild abliefern und keine Verbindung mehr zu den großen Meistern des 19. Jahrhunderts aufweisen, auch nicht.

Leighton, Feuerbach (mit Einschränkungen, dies hat aber, aus meiner Sicht, weniger mit seinem Werk als mit seiner Person zu tun) und Keller werden von der modernen Kunstgeschichtsschreibung als langweilige, penible Akademiker verlacht oder ignoriert.

Aber dies ist auch nicht das Gesuchte.

Gemeinsamer Geschmack
Was denn? Okay, ich will es verraten.

Es hat damit zu tun, dass alle drei mehr oder weniger lange Zeit in der großen, geschichtsträchtigen Stadt Rom lebten. Und ihnen dort eine Frau begegnete, deren Antlitz sie für die Ewigkeit festhielten.

Ob diese Dame eine Berühmtheit war wie heutige Model a la Heidi Klum oder Naomi Campbell, weiß ich nicht. Aber ihr Name klang den Ohren eines Kunstkenners des späteren 19. Jahrhunderts bestimmt wohlvertraut.

Anna Risi
Anna Risi, oder Nanna Risi, oder Nanna genannt.

Eine große (sie soll mehrere Köpfe größer als Feuerbach gewesen sein, aber vielleicht war Feuerbach auch nur so klein...), schwarzhaarige Italienerin mit einem melancholisch wirkendem Gesicht und vornehmer Statur. Ihr dichtes, zu einem Mittelscheitel gekämmtes, oft hochgestecktes langes schwarzes Haar, ihre ausgeprägte Nase und ihre großen Augen sind neben ihrer Größe die hervorstechendsten Merkmale.

Heutzutage würde sie vielleicht aufgrund ihrer Nase nicht mehr in die erste Riege der Topmodel aufsteigen, aber für den noch nicht von der Bilderflut des 20. Jahrhunderts überwältigten Nordeuropäer des 19. Jahrhunderts war sie bestimmt eine selten gesehene exotische Schönheit.

Leightons Nanna
'Entdeckt' hat sie wohl Leighton, der den Winter 1858/1859 mal wieder in Rom verbrachte. Vielleicht ist sie ihm vorgestellt worden. Oder aber, wie es von Feuerbach heißt, zufällig auf dem Weg zu seinem Studio entdeckt.

Begeistert war er auf jeden Fall von ihr, da Leighton in dieser kurzen Zeit gleich eine kleine Serie von mindestens fünf Bildern von ihr malte.

Frederic Leighton: Pavonia(1858-1859)
Öl auf Leiwand - 53 x 41,5 cm

Drei Gemälde sind mir bekannt, alle in halb oder dreiviertel-Ansicht. Auf allen dreien trägt sie eine weiße Perlenkette und ein weißes Hemd, welches auf Brusthöhe von einem durchgehenden, dickeren Stoff, wohl einem Kleid, umwickelt ist. Diese Art der Kleidung ist auch auf den Bildern der anderen Künstler zu sehen, wird also wohl eine zeitgenössische Tracht gewesen sein.


Frederic Leighton: A Roman Lady (La Nanna)_(1858-1859)

Auf diesem, wie auch dem vorherigen Porträt, schaut Nanna den Betrachter selbstbewusst an. Dieser direkte Blickkontakt findet sich auf keinem der Gemälde Feuerbachs (habe später doch ein einziges entdeckt) oder Keller wieder, die eine andere, in Gedanken versunkene Nanna zeigen wollten.


Frederic Leighton: Bildnis Nanna Risi(1858-1859)

Leighton reichte Bilder dieser Serie zur großen Londoner Ausstellung des Jahres 1859 ein. Drei wurden akzeptiert und ernteten viel Lob.
Der Kritiker der einflussreichen Zeitung Athenaeum schrieb, dass Leighton, nach einer kleinen Durststrecke, mit diesen Bildern wieder zurück auf der Bühne der großen Kunst sei.
Seine Köpfe der italienischen Damen dieses Jahres sind eines jungen Altmeisters würdig, - so begeisternd, etwas gefühlvolleres, beherrschendes oder eine kühle Schönheit ausstrahlendes, haben wir seit längerer Zeit nicht mehr gesehen.

Feuerbachs Nanna



Anselm Feuerbach: Foto um 1849

Im Jahre 1860 tritt Anselm Feuerbach in ihr Leben. In diesem Zusammenhang erfährt man mehr über Anna Risi selber.

Sie wird wohl Mitte bis Ende der 30er Jahre des 18. Jahrhunderts geboren sein. Nanna ist verheiratet mit einem Schuster aus dem Handwerkerviertel Trastevere (auch die Geliebte von Feuerbachs Vorbild Raffael, Margharita Luti, soll aus diesem Viertel stammen) und soll Mutter mehrerer Kinder sein (an anderer Stelle ist von einem Kind die Rede). Sie lebt in Rom und arbeitet gelegentlich als Model für ausländische, gutbetuchte Maler.


Anselm Feuerbach: Nanna Profil nach links (1861)
Öl auf Leinwand - 73,5 x 55,5 cm



Soweit, so gut. Aber ihr Leben wird komplett umgekrempelt, als sie Feuerbach kennenlernt.

Anselm Feuerbach: Foto um 1870

Dieser gut aussehende (laut dem digitalen Katalog der Staatsgalerie Stuttgart soll Feuerbach eher unansehnlich gewesen sein und sie ihn unter anderem deswegen später verlassen haben. Die beiden Fotos zeigen, dass dies Quatsch ist), gebildete, oft über seine Verhältnisse lebende Dandy, erblickt in ihr die klassisch zeitlose römische Schönheit, welche er für seine Gemälde bisher vergeblich suchte. Er verliebt sich, überhäuft sie mit Geschenken, sie ist fasziniert von ihm (und vielleicht seinem Geld...) und wird seine Geliebte.

1861 verlässt Anna Risi ihren Mann und ihre Kinder und zieht zu Feuerbach. So die Kunstgeschichtsschreibung aus Sicht Feuerbachs. Aus Sicht ihres Mannes wäre sie wohl eher als Rabenmutter bezeichnet worden, die ihren Mann und ihre Kinder wegen eines reichen Schnösel aus dem Norden, der ihr das blaue vom Himmel versprach, verlässt. Wie dem auch sei, zurück zur Kunstgeschichte.


Anselm Feuerbach: Nanna Profil nach links (1861)Öl auf Leinwand - 74,5 x 62 cm

Ihr Anblick bezauberte nicht nur Feuerbach. So berichtet sein Freund Julius Allgeyer von der ersten Begegnung mit ihr:
Die Frau, eine Erscheinung von geradezu imponierender Hoheit, mochte Mitte der zwanzig sein. Eine Last von dunklen Haaren umrahmte die strenge, von einem melancholischen Ausdruck gemilderten Züge, deren Schnitt von der reinsten römischen Abstammung zeugte.

Anselm Feuerbach: Nanna Profil nach rechts (1862)Öl auf Leinwand - 99,3 x 73,7 cm

Feuerbach war fasziniert von ihr. Er malte Nanna, wie er sie nannte, immer und immer wieder. Eine Quelle erwähnt 28 Gemälde.


Anselm Feuerbach: Iphigenie 1 Fassung (1862)Öl auf Leinwand - 249 x 174 cm

Dargestellt ist sie sowohl auf mythologischen-, religiösen-, literarisch,- klassischen Erzählungen, als auch auf unzähligen Porträts.


Anselm Feuerbach: Nanna Profil nach links (1861)Öl auf Leinwand - 64 x 51 cm

So klagt seine Förderer Adolf Friedrich Graf von Schack:
wieder dasselbe Gesicht wie auf der Pieta und der Francesca

Anselm Feuerbach: Nanna mit Perlenkette und Fächer (1862)
Öl auf Leinwand - 101 x 82,3 cm

Auf fast jedem dieser Gemälde ist sie in Profil zu sehen, mit nach unten gesenktem oder in die ferne gerichteten Blick.


Anselm Feuerbach: Poesie 2te Fassung (1863)
Öl auf Leinwand - 62 x 50 cm

Somit hebt Feuerbach weniger ihr 'kalte Schönheit', wie Leightons Bilder beschrieben wurden, sondern eher die sinnierend, melancholische Seite hervor.
Ihr melancholischer Anblick kann jedoch eine ganz reale Ursache haben. Eine schwere Herzkrankheit. Zitat Feuerbach:
Mein armes Model hat eine unheilbare Herzkrankheit, weswegen ich das Rauchen gelassen habe, und es ist anzunehmen, dass ich der Letzte vielleicht bin, dem es vergönnt ist, die Züge nachzubilden. Sie kommt gerne zu mir, und ich mache immer viele Späße, um sie aufzuheitern und aufzuscheuchen aus dem Ernst an den Gedanken eines unvermeidlichen Unterganges.

Anselm Feuerbach: Nanna als Virginia oder Schwarze Dame (1861)
Öl auf Leinwand - 118,5 x 97,5 cm

Feuerbach war kein einfacher Liebhaber. Er raste ewig vor Eifersucht und war aufgrund seiner egomanen Züge nicht länger für Nanna ertragbar. So verließ ihn Anna Risi Ende 1865 und machte sich mit neuem Liebhaber, einem reichen Engländer, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, in Richtung Süden auf.

Der Verlust schmerzte Feuerbach anfangs sehr, aber schon im Jahre 1866 konnte ein neues Model Namens Lucia Brunacci seiner Vorstellungen von zeitloser, klassischer Schönheit entsprechen.
Als Ende 1868 Anna Risi bettelnd zu ihm zurückkam, das Abenteuer mit dem Engländer hatte sich wohl zerschlagen, wies er sie in seiner typischen Art ab:
So wird es allen gehen, die sich an meinem Genius versündigt haben.

Kellers Nanna
1869 trat für kurze Zeit ein anderer deutscher Maler auf die Bühne ihres Lebens.
Ferdinand Keller. Dieser reiste im November 1867 nach Rom und verweilte dort, bis auf kurze Reisen in die Heimat, bis ins Jahr 1870 hinein.
Keller befreundete sich in Rom mit Anselm Feuerbach, in dessen Bann er in dieser Phase zeitweise stand.
Zitat Anton von Werner aus seinen Jugenderinnerungen:
Dennoch schloß er sich in Rom Feuerbach an und war ihm auch an seinen Bildern als Mitarbeiter behilflich.

Ferdinand Keller: Bildnis Nanna Risi (1869)
Öl auf Leinwand - 114,5 x 75,5 cm
Wie und wo er Anna Risi kennen lernte, wusste Ferdinand Keller selber nicht mehr. Wohl nicht über Feuerbach, dies wäre naheliegend gewesen und hätte Keller bestimmt behalten.
Vielleicht durch jemand aus dem erweiterten Freundeskreis Feuerbachs. Das Verhältnis von Nanna zu Feuerbach war jedenfalls abgeschlossen, aber gedanklich für Nanna nicht wirklich beendet. So berichtet Keller:
Diese noch immer schöne, königliche Erscheinung, die Feuerbach um mehrere Kopflängen überragte, hat mir von der Leidenschaft ihres verflossenen Freundes viel berichtet. Ehe sie von der ebenso schönen Lucia Brunacci als Modell und Geliebte Feuerbachs abgelöst wurde, hätte sie, aus Furcht vor seiner grenzenlosen Eifersucht, nie gewagt, mein oder irgend ein anderes Atelier zu betreten.

Keller wurde später bekannt als badischer Makart. Zu dieser Zeit war er wohl noch auf der Suche nach seinem Stil.


Ferdinand Keller: Bildnis Nanna Risi schräg von hinten(1869)
Öl auf Leinwand - 60,5 x 48,5 cm

Die Porträts der Anna Risi entstehen noch unter dem Einfluss Feuerbachs. Die Profildarstellung, mit in der Ferne schweifenden Blick, könnte auch von Feuerbach stammen.


Ferdinand Keller: Nanna Risi als Ariadne (1869)
Öl auf Leinwand - 224,3 x 135,5 cm

Das letzte Bild Kellers, Nanna Risi als Ariadne, ist unvollendet geblieben, da er vor allem bei der Komposition der Figur nicht sein glücklichstes Händchen bewies und so wohl keinen Sinn sah, das Gemälde fertig zu stellen.

Dunkel der Zeit
Im Laufe der Jahre wurde Anna Risi noch von anderen Künstler gerne als Model gewählt.
So ist aus dem Jahre 1866 ist eine Studie von Albert Hertel bekannt und ein Porträt von Nathanael Schmitt aus dem Jahre 1874.
Was später mir ihr geschah, ob sie zum Beispiel früh an ihrer Herzkrankheit erlag, konnte ich keiner Quelle entnehmen.

Ihr Antlitz ist jedenfalls durch Porträts drei großer Maler verewigt worden. Und wer kann dies schon von sich behaupten.

Nachtrag
Dieser Artikel ist im Januar 2009 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Wikipedia-Artikel oder ähnliches über sie. Dank der großen Ausstellung Nanna. Anselm Feuerbachs Elixier einer Leidenschaft des Museum Wiesbaden im Jahr 2013 hat sich dies geändert und Nanas Leben ist nun wissenschaftlich dokumentiert. Das hier Beschriebene gilt aber weiterhin und wurde nur durch nebensächliche Details ergänzt.

Montag, 19. Januar 2009

Gebhardt entdeckt Boris Beckers Vorfahr

Van Gogh verschwindet in den Akten

Vincent van Gogh: Selbstbildnis (1887)

Boris Beckers leichte Ähnlichkeit mit Vincent van Gogh ist wohl bekannt.
Aber alle Spekulationen, dass er ein Vorfahr von ihm sein soll, können nun getrost beendet werden.

Vorfahr gefunden
Denn ich bin einer ganz anderen heißen Fährte gefolgt und habe DEN Vorfahren von Boris Becker entdeckt. Es ist nicht irgendjemand zu irgendeiner Zeit. Nein. Er ist ein Zeitgenosse und Anhänger Jesus gewesen. Ja, wirklich. Dies kann ich belegen. Bitte folge mir. Und wer die ketzerische Frage stellt, was ein rothaariger Deutscher zu Beginn unserer Zeitrechnung in Palästina zu suchen hat, auch dem sei das Weiterlesen empfohlen.

Dokument gesichtet

Eduard von Gebhardt: Die Auferweckung des Lazarus (1896)
Öl auf Holz - 117 x 160 cm

Wie bin ich an dieses Dokument gekommen? Ganz einfach. Ich entdeckte den Vorfahren auf einem Gemälde von Eduard von Gebhardt, "Die Auferweckung des Lazarus" aus dem Jahre 1896.

Eduards Bio
Gebhardt ist ein typischer Vertreter der zu Unrecht von der modernen Kunstgeschichtsschreibung ignorierten akademischen Maler des 19. Jahrhunderts.

Eduard von Gebhardt wurde 1838 als Sohn eines Pfarrers in St. Johannes(Järva Jaani), dem heutigen Estland geboren, welches damals deutsches Gebiet war. Dort wurde er im strengen protestantischen Glauben erzogen, den er Zeit seines Lebens behielt.
Deshalb wundert es nicht, dass sein Hauptwerk religiösen Inhalts war.
Nach seiner Schulzeit in Reval besuchte er drei Jahre die Akademie in St. Petersburg, unternahm mehrere Studienreisen und landete 1860 in die Stadt, der er den Rest seines Lebens verbunden blieb. Düsseldorf.
Dort wurde er 1860 Schüler Wilhelm Sohns und nach einigen Erfolgen 1873 selber Professor an der Kunstakademie. Nach einem langen Künstlerleben verstarb er 1925 in Düsseldorf. Soweit seine Kurzbiografie.

Die Tausend Auferstehungen des Lazarus
Nun zu dem Bild selber.

Dargestellt ist eine dramatische Geschichte aus dem Johannesevangelium, die Auferweckung Lazarus.

Diese Szene ist im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gemalt worden (Linksammlung).
Mehr oder weniger bekannte Berühmtheiten wie Giotto, Del Pimbo, Caravaggio, Rembrandt oder eben Gebhardt haben dies Bibelstelle als Bildthema geschätzt.

Sebastiano del Piombo: Die Auferweckung des Lazarus (1519)

Rembrandt van Rijn: Die Auferweckung des Lazarus (um 1630)

Mir gefällt von allen Fassungen Gebhardts Version am besten. Grund ist die feine, individualisierende Darstellung wirklicher, mit Blut gefüllter Menschen. Nicht, wie zum Beispiel bei den Nazarenern, eine eher 'ideale' (wessen Ideal dies auch immer sein mag), oft leblos wirkende Natur, sondern Menschen mit klar erkennbaren Fehlern und Schwächen. Diese Art von Realismus bestimmte schon zu Lebzeiten Gebhardt die Kritik, aber für jemanden, der mit den religiösen Werten selber nichts verbindet, ist dies kein Hinderungsgrund.

Ansonsten beeindruckt aus meiner Sicht nur noch die düstere Version Rembrandts.

Worum gehts?
Zur Handlung. Die Geschwister Marta, Maria und Lazarus sind Freunde Jesus. Marta ist die geschäftigere, häuslichere der beiden Schwestern. Maria eher dem Glauben und der Andacht Jesus verhaftet. Eines Tages erkrankt ihr Bruder schwer und sie schicken Jesus die Botschaft, schnell zur Hilfe zu eilen. Er erscheint, jedoch zu spät. Vier Tage ist Lazarus schon tot. Die Vorwürfe der Schwestern, dass er ihren Bruder hätte retten können, wenn er früher erschienen wäre, lassen Jesus nicht unberührt.
Sie gehen gemeinsam zu dem Grab, eine mit einem Stein verschlossene Höhle. Dort waren viele Menschen versammelt, die um den Toten trauerten. Jesus ließ den Stein entfernen und bewirkte das Wunder der Auferstehung. Soweit die Geschichte in einfacher Kurzform. Wer genaueres zu diesem Thema erfahren möchte, kann dies zum Beispiel unter folgendem Link vertiefen.

Zeitspiele
Eduard von Gebhardt packte dieses Thema in einer für ihn typischen Art an. Er versetze die Szene in die Zeit der Reformation in deutsche Lande. Diese künstlerische Freiheit begründeter er mit

Wir lesen die heilige Geschichte in Luthers Sprache; sollten wir die heiligen Gestalten nicht auch in der Tracht aus Luthers Zeit darstellen dürfen?

Dies ist nichts Außergewöhnliches, da zu allen Zeiten Künstler Szenen der Vergangenheit mit Personen ihres Zeitalters und der Kleidung ihrer Region gestaltetet haben. So auch Gebhardt.

Wir sehen keine Höhle im Fernen Osten, sondern einen Friedhof in einer typisch deutschen Landschaft.
Ein glühender Himmel hüllt die Szene in ein magisches Gewand. Es herrscht Ruhe unter den Trauernden, welche das gerade geschehene Wunder verarbeiten müssen.
Nur Jesus steht selbstbewusst im Zentrum des Bildes, mit dem Finger in den Himmel weisend.
Er ist der Mittelpunkt der Komposition. Die Spitze der Pyramide, welche Maria, Jesus und die beiden vorderen Helfer bilden. Außerdem ist Jesus der Kreuzpunkt der links und rechts auf ihn zulaufenden Diagonale, welche durch die beiden Personengruppen gebildet wird.

Malerische Detailvielfalt
Malerisch sind die verschiedenen Gesichtszüge und Gesten der Anwesenden auf höchstem Niveau dargestellt.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Das ängstliche, kleine Mädchen links, welches Sicherheit am Rockzipfel seiner Mutter sucht.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Die Männer und Frauen der Gruppe neben ihr sind voller Leben dargestellt. Einer der Männer ist geblendet von dem Licht des Wunders. Er schützt seine Augen. Es ist nicht irgendwer, sondern der Maler selber.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Vor Jesus niederkniend die beiden Schwestern Marta und Maria. Maria, mit langem Haar, weinend vor religiöser Verzückung und Glück.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Marta, hinter ihr, noch fassungslos Jesus erblickend. Auch sie ist keine Unbekannte, da Gebhardt seine zu diesem Zeitpunkt todkranke Frau als Marta ein letztes Denkmal setzte.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Der gerade neu zum Leben erweckte Lazarus (eine gewisse Ähnlichkeit zu der MAD Figur Alfred E. Neumann ist ihm nicht abzusprechen, aber das ist eine andere Geschichte...), der nicht weiß, wie ihm geschieht, ist sehr gelungen gemalt. Ich habe noch nie eine Leiche nach vier Tagen gesehen, vor allem keine neu zum Leben erweckte. Aber sie sieht, im Vergleich zu den anderen im Web zu findenden Lazarusdarstellungen, realistischer aus. So stelle ich mir dies auf jeden Fall vor.

Der fehlende Boris

Halt, fast hätte ich es vergessen. Es geht hier doch um den Vorfahren des berühmten Boris Becker.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Et voilà, hier ist er: Als ob man den jungen Boris leibhaftig vor sich hätte. Also, habe ich zu viel versprochen?

Eingeständnis
Leider muss ich jedoch eingestehen, mit dem Alter des Becker-Vorfahren um 1900 Jahre geflunkert zu haben. Er ist leider ein Zeitgenosse des späten 19. Jahrhunderts, verkleidet in einem Kostüm der Lutherzeit, darstellend einen Zeitgenossen Jesus.

Nicht ganz so beeindruckend ist dies, aber immerhin kannte ihr Vorfahr den großen Maler Eduard von Gebhardt. Und das ist doch auch schon was, oder Herr Becker?

Nachtrag
Wer Augen hat der sehe. Und ich habe ihn nicht gesehen, aufmerksame Betrachter im Internet schon. Denn links von Boris Becker ist auch noch der junge Günther Jauch zu finden. Sachen gibts...

Samstag, 17. Januar 2009

5000 qm für Joseph Beuys

Dass Joseph Beuys nach meinen Kriterien wenig mit Kunst zu tun hat, wird den Leser wohl kaum verwundern.

Was mich aber verwundert ist, dass in Berlin, laut eines Zeit-Berichts, 5000 qm Ausstellungsfläche für ihn bereit gestellt werden. 5000 qm für richtige Künstler, da würde ich nicht meckern, aber so werde ich den Bericht doch mal etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Der Autor beweist für seine Zunft überraschend klaren Kunst-Blick. Aber nicht immer. Also weiter im Text...

Problem des Autors

Wie wir vom Autor erfahren, ist Beuys, der König der Anti-Künstler, immer noch aktuell.
Das Problem ist hierbei natürlich, dass Beuys keine wirklichen Kunstwerke geschaffen hat. Der Autor also, wenn er als Kunstkenner dastehen möchte, sich etwas anderes überlegen muss. Dabei hat er eine richtige Idee, welche er aber nicht konsequent reifen lässt.

Die Idee nämlich, dass die Person Beuys alles war, seine Werke nichts!

Beuys also gar nichts im Abschnitt Kunst zu suchen hat. Dass seine Kisten, Stifte, Fette, Anzüge, welche als Kunst gepriesen werden, eigentlich wertlos sind. Das Beuys eine Figur der Zeitgeschichte war, aber nichts in den Kunstgeschichtsbüchern verloren hat.

Jedoch bemüht sich der Autor weiterhin, Beuys Status als Künstler zu erhalten.

Versuch der Rechtfertigung

Der Autor stellt die Frage, wie man Werke eines Künstlers ausstellen kann, der vor allem durch seine Aktionskunst definiert wird.

Gar nicht, würde ich ihm zurufen, da Aktionskram alles andere ist, aber mit Sicherheit keine Kunst.

Sein Credo "Jeder ist ein Künstler“ gilt nicht für die Inszenierung seiner Werke. Beuys ohne Beuys, das ist ein bisschen wie Milch auf Sojabasis, ein Ersatz.

Das ist, bei klarem Blick, viel mehr. Kunst kommt von Können und das besitzt nun mal nicht jeder. Wohin das "Jeder ist ein Künstler" Geschwafel geführt hat, kann man mit Schaudern in den modernen Museen bewundern. Alles ist machbar, alles ist austauschbar, keiner der Dilettanten hat den Vorrang vor dem anderen.

wo Beuys nicht ist, gibt es schlimmstenfalls gar nichts zu bestaunen.

Warum hat der Autor diesen Gedanken nicht konsequent weiter betrachtet. Schade. Er erwähnt die Kritik an Beuys Werk und bringt sie mit Begriffen wie Mythisierung und Stilisierung in Verbindung.
Jedoch braucht dies gar nicht so abgehoben betrachtet zu werden. Was wirklich kritisiert wird, auf jeden Fall von mir, ist einfach und simpel. Seine Werke haben nichts mit Kunst zu tun. Die Zeichnungen haben meiner bescheidenden Meinung nach das Niveau eines 6-Jährigen und die Objektkunst keinen Wert, da sie nichts mit Können zu tun hat und jeder sie nachahmen kann.

Kunstausstellung ohne Kunst

Besonders gut gefällt mir der Hinweis auf die 50 Videofilme, die im Rahmen der Ausstellung zu sehen sind. Ja, 50 Filme, aber kaum Zeichnungen und Skulpturen. Gerade die Werke, anhand deren man seine künstlerische Leistung beurteilen könnte, fehlen also. Lustig. Aber immerhin ist es sogar den Kuratoren aufgefallen, dass sie dem kritischen Auge mit den lächerlichen Bildern und Skulpturen wohl mehr Anreiz zur Heiterkeit, statt zum Kunstgenuss bieten würden.
Sein erweiterter Kunstbegriff, die soziale Plastik, seine politischen Aktionen sind zum Allgemeinplatz verkommen. Tausendfach kopiert, ein Teil des Marktes.
Ja. Aber viel wichtiger ist, dass sie auch ohne Allgemeinplatz und tausend Kopien kunstlos sind und keinen Museumswert besitzen. Wenn, wie der Autor so schön formuliert, ein kurzer Augenblick der Ruhe auf dem Kunstmarkt einzieht, dann wird hoffentlich erkannt, dass Nichts auch nichts wert ist.

Joseph B auf der Suche nach der Kunst

Eben fiel mir das Märchen ein, von einem, der auszog, um Künstler zu werden. Nennen wir ihn Joseph B.

König der Dilettanten

Dieser Joseph B war der Star der DocumentO, einer Show der Lächerlichkeiten und Langeweile. Er galt als König des Dilettantenreichs. Er hätte glücklich sein können, aber jeden Abend, als er gemütlich aber unruhig in seinem warmen Bettchen lag, träumt er immer den gleichen Traum.
Er wollte ein Künstler sein. In seinem Dilettantenreich wusste niemand mehr, wie man dies werden konnte. Das Wissen war schon vor langer Zeit verloren gegangen. Der letzte, der die Kunst kunstvoll beherrschte, ist vor vielen Jahren gestorben, verlacht und ignoriert von den Bewohnern des Dilettantenreichs.

Die Suche beginnt


Deshalb machte sich unser Joseph B auf, um den Ort zu suchen, wo noch richtige Künstler zu finden sind. Zum Glück begab es sich zu dieser Zeit, dass gerade eine der großen Weltausstellungen ihre Tore öffnete. Dort wird auch das Häuschen der Künstler sein, dachte er. Also geschwind seine wichtigsten Werke eingepackt und auf ging's in Richtung dieser Zauberwelt. Nach langem Fußmarsch erreichte er glücklich und voller Freude sein sehnsüchtig erwartetes Ziel.

Am Ziel seiner Wünsche

Er schlich zu einem der großen Fenster des Häuschens und spähte hinein. Da waren sie also versammelt. Große Meister der wahren Kunst, bewunderte Könner ihres Fachs. Sehr viele fehlten dieses Jahr, doch die Anwesenden erkannte er doch. Bis zur Präsentation des nächsten Gemälde war eine unerwartete Verzögerung eingetreten, da die Träger verzweifelt versuchten, das 53 Quadratmeter große Monumentalgemälde "Die Seeschlacht von Salamis" von Wilhelm von Kaulbach durch die kleine Hintertür zu quetschen.

Illustre Runde

Joseph B hatte also noch genügend Zeit, in Ruhe das Geschehen im Inneren zu beobachten.

Er sah den in Gedanken versunkenen Peter Paul Rubens, der über ein geschicktes Vorgehen bei seinen nächsten Friedensverhandlungen nachdachte. Neben ihm nahm Rembrandt van Rijn gerade einen kräftigen Schluck vom köstlichen Rotwein, während Anselm Feuerbach selbstverliebt sein eigenes Spiegelbild betrachtete.
Jehan Georges Vibert skizzierte eine Idee zu einem Gemälde des gern von ihm karikierten Papst Benedetto Ratzinger der Xte.

Und es waren noch andere versammelt.

Unser Joseph B sah den kleinen Adolph Menzel, wie immer zeichnend in seinem Notizbuch versunken. Menzel hatte die Unterbrechung wegen Kaulbachs Gemälde gar nicht registriert, da er damit beschäftigt war, den Stuhl zu zeichnen, auf dem vor ihm William Bouguereau saß.
Dieser wunderte sich, warum in dieser heiteren Männerrunde keine Frau anwesend war. Der Grund war einfach. Frauen hatten zu dieser Zeit noch keinen Zugang zu den Akademien. Und er beschloss, dies für seine Académie Julian und später für die École des Beaux-Arts zu ändern.
Anton von Werner sorgte unterdessen mit seinem gekonnten Cellospiel für einen angenehmen Zeitvertreib.
Zuletzt erblickte Joseph B noch hinten links den verschmitzt lächelnden Carl Theodor von Piloty. Dieser dachte gerade drüber nach, welches Unglück er wohl als Nächstes zur Leinwand bringen solle, als die Hoffnung in ihm aufkam, vielleicht das in Tränen aufgelöste Gesicht Kaulbachs malen zu können, falls er seine in mehrere Teile zerbrochene Seeschlacht erblickt, welche die Träger vor der Tür noch immer verzweifelt beschäftigt.

Hoffnung

Joseph B hatte genug gesehen. Er war begeistert von dieser illustren Runde und klopfte vorsichtig vorne an der Pforte an, dass ihm Einlass gewährt werde. Ein südländisch aussehender Mann namens Caravaggio öffnete ihm. Dieser war bekannte für seine anpackende Art und wurde deshalb jedes Jahr als Türsteher auserkoren.

"Was ist euer Begehr?", fragt er unseren Joseph B.

Seine Kunst wolle er vorzeigen, zum Beispiel diese Zeichnungen hier, antwortete er.

"Was, Zeichnungen sollen das sein. Das ist wohl ein schlechter Scherz, guter Mann. Diese paar zittrig ungeschickt hingeschmierten Linien nennt ihr Zeichnung? Geht damit besser nicht zu dem Häuschen der Höllenmaler dort hinten, denn diese werden nicht so zivilisiert sein wie unsereins, sondern dich, wegen solcher talentloser Kritzeleien, achtkantig herauswerfen. Habt ihr nichts anders vorzuweisen, werter Herr?"

"Doch, natürlich.", sagte Joseph B und zog aus seinem Gepäck Zitronen, Fettbeutel und manch anderes Lebensmittel mehr.

"Guter Herr", antwortete Caravaggio. "Ich hatte nicht nach ungenießbaren Lebensmitteln gefragt, bin noch halbwegs gesättigt, sondern wollte wissen, ob ihr nichts vorzuweisen habt, was euch als Künstler ausweist."

Da ging unser Joseph B zu seinem Karren und brachte einen Haufen kaputter, alter, dreckiger Möbel mit. Seine letzte Trumpfkarte. Tische, Regal, Stühle, Kisten und vieles mehr war zu sehen. "Diese werden in meiner Dilettantenwelt hoch bewundert und verehrt, Herr Caravaggio."

Abweisung

Dessen gute Laune schwand langsam aber sicher.
Er sagte: "Packt euren Müll wieder ein oder bringt ihn zur Müllhalde, dort, wo er hingehört. Nichts, aber auch gar nichts haben eurer Werke mit Kunst und Können zu tun, deshalb wird euch so nie Einlass in unsere Hallen gewährt. Aber ich erkenne, ihr seid wohl ein Meister in der Kunst, aus Müll Gold zu machen. Deshalb möchte ich euch einen letzten Rat mit auf den Weg geben. Geht zu der glänzenden Hausattrappe hinten rechts. Dort versammeln sich die Immobilienhaie, Börsenspekulanten, Alchemisten und sonstige Blender. Da seid ihr besser aufgehoben. Viel Glück und passt auf euch auf!".

The End

Und so endete der Besuch des Joseph B bei den wahren Künstlern leider ohne Happy End.

Montag, 12. Januar 2009

Deutscher Kunstexport

Die deutsche Malerei ist stark

So die Überschrift eines Artikels heute in der FAZ. Stark was? Stark peinlich? Stark dilettantisch?

Lassen wir uns überraschen, wie der Autor dies sieht.

Es geht um eine spanische Galerie, welche ein Programm zeigen soll, welches als jung und ehrgeizig beschrieben wird.
Gut zu wissen, dass die Künstler jung und ehrgeizig sind, aber über die Qualität der Kunst sagt dies natürlich nichts aus.

Wild Horses nennt sich die Ausstellung der deutschen Maler und soll einen Einblick in die Welt der Künstler liefern. Auf diese Welt bin ich gespannt. Wilde Pferde lässt Cowboys, Salon und Whiskey erwarten.
Das hört sich gut an. Da kommen zur Eröffnung viele Leute, die einen kostenlosen Drink erhoffen. Cleverer Marketingfuchs.

Weiter im Text.

Reduktionen

Ich erfahre gerade, dass die reduzierte Formensprache das aktuelle große Schlagwort ist. Gut, dann werde ich mir die Meisterwerke dieser Reduktionskünstler mal ansehen, sie sollen ja besonders stark sein.

Warte..

Au, Au, Au.

Meine Augen schmerzen. Was soll das wieder sein? Ich kann nichts, aber auch gar nichts erkennen, was nur eine Spur von malerischer Stärke und Schönheit zeigen würde.
Bin ich denn so blind? Meine Augen sehe nur Kindergartenniveau, simpelst nachmachbar (wobei ich niemandem empfehlen kann, seine Zeit damit zu verschwenden), reduktioniert bis zur Bedeutungslosigkeit.

Holzleiste für 16.000 Euro
Normal. Sie ist ja bemalt, das sind schon mal 6000 Euro. Dann hat der große Künstler sie auch noch frei schweben lassen. Nochmal 10000 Euro drauf, Materialkosten werden nicht berechnet. Zu diesem Schnäppchenpreis gibt es noch etwas ganz tiefgründiges spendiert.
Wie der Autor meint, eine
starke Senkrechte verbunden mit einer Horizontalen bildet eine filigrane Kreuzform
Das nenne ich Tiefgang, das provoziert. Kreuze ecken immer an. Da steckt Leiden hinter. Das Leiden des Künstlers? Wer weiß dies schon?

Düstere Aussichten
Noch mehr im Angebot.
Düster-farbige Gemälde sollen zu sehen sein. Mein Auge sieht jedoch nur ein paar besonders lustlos hingeschmiert dunkle Farbkleckse. Ich kann diesen Farbklecks stundenlang anschauen, aber mir gelingt es nicht, im Gegensatz zum Autor, einen schwarzen Diamanten zu erblicken, welcher uns frech aus der Leinwand kommend anlächelt. Ich kann auch beim besten Willen nicht erkennen, warum dieses mal für das bisschen Farbe, welche nach meiner Schätzung in einer Minute auf die Leinwand geschmiert wurde, 19300 Euro verlangt werden. Von den Tausendern für die bemalte Zeitung ganz zu schweigen.

Die restlichen Werke sind vom gleichen Kaliber. Der Autor bemüht sich sehr, diese schmackhaft zu machen. Dies hat aber aus meiner Sicht nichts, aber auch gar nichts mit der Qualität der Sachen zu tun, welche hier als Gemälde bezeichnet werden.

Kunstblabla
Jetzt folgt noch eine Lehrstunde des typischen Kunstblabla, um einen künstlerischen Wert vorzutäuschen:

besessen von Oberflächen
,
deren kreisförmige Farbsphären verheißungsvoll wirken
,
die sich mit geometrischen Formen auseinandersetzen
,
kräftige unverbrauchte Malweise
und so weiter, und so fort.

Wo sind die wilden Pferde?
Ich kann nicht mehr. Was das alles mit wilden Pferden zu tun haben soll, ist mir unbegreiflich.
Man kann den Künstlern (nach meinen Kriterien haben sie überhaupt nichts mit Kunst zu tun) nur wünschen, dass sie ein paar Erfolge in Spanien einheimsen, denn wenn sich wieder Qualität und Können auf dem Kunstmarkt durchsetzt, sehe ich schwarz für sie.

Berichtslos
Wer wirklich starke Werke von jungen Talenten sehen möchte, denn kann ich auf die gerade veröffentlichten Gewinner des diesjährigen ARC-Stipendium 2008 (und des kommenden ARC Salon 2008) verweisen. Aber leider wird in den deutschen Medien über wahre Kunst nicht berichtet. Schade :-(

Sonntag, 11. Januar 2009

Expressionismus Light oder Macke vs. Bauernfeind

Das Wunder des Expressionismus

Habe eben den Artikel in Wikipedia zum Expressionismus gelesen. Mich schaudert es, wenn ich dieses typische Kunstblabla lese. Und es wundert mich, wenn ich die hochtrabenden Sätze mit der Realität der Bilder vergleiche, wie jemand klaren Sinnes so etwas schreiben und glauben kann.

Bildvergleich

Ich möchte das Geschwafel etwas genauer unter die Lupe nehmen und mit einem Bildvergleich unterlegen. Ich werde hierbei die angeblich ach so großen Orient-Aquarelle des August Macke den dilettantischen Aquarell-Schmierereien eines Gustav Bauernfeind gegenüberstellen.

August Macke

Offizieller Blick

Macke gilt als einer der großen deutschen Expressionisten. Seine Werke haben Eingang in die Geschichtsbücher gefunden, seine Bilder zieren unzählige Jahreskalender. Seine Orient-Aquarelle sollen zu den Meisterwerken der Menschheit zählen. Auf jeden Fall laut The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, dort sind sie nämlich alle zu finden.

Klarer Blick

Ich betrachte dies um einiges nüchterner und sehe zu Beginn seiner Laufbahn einen 4-klassigen Künstler, der ein paar simple, akzeptable Porträts malte, jedoch, aufgrund fehlenden Talents, jeden seiner Pinsel entfernt von komplizierteren Kompositionen hielt.

Schnell ist er wohl zu dem Schluss gekommen, dass mit seinem beschränkten Können der Weg zum Malerfürsten etwas beschwerlich werden könnte. Er hatte jedoch Glück. Jemand flüsterte ihm das magische Geheimnis des Erfolges zu. Nämlich erstens viel Geschwätz über die angebliche Bedeutung seiner Werke verbreiten. Und zweitens das Bild immer schön dilettantisch aussehen lassen, dann wird's was mit der Karriere. An diesen Rat hat er sich den Rest seines Lebens gehalten.

So meine Version des Meisters des dilettantischen Realismus, die sich wohl so mehr oder weniger zugetragen haben mag.

Gustav Bauernfeind

Offizieller Blick

Gustav Bauernfeind (1848-1904) hingegen ist ein nicht erwähnenswerter Langweiler ohne Gefühl und Kunstwert.
Nicht zu Unrecht ist er unbeachtet und vergessen in Jerusalem gestorben. Man könnte ihn, aufgrund seines Könnens, zu den akademischen Malern zählen. Und die waren alle nichts.

Klarer Blick

Bauernfeind wurde als sechstes von neun Kinder eines Stadtapothekers 1848 in Sulm am Neckar geboren. Sein Vater verunglückte früh, so dass Bauernfeind schon mit 17 Jahren selbst für seinen Lebensunterhalt verantwortlich war.

Er schloss trotz dieser widrigen Umstände ein Architekturstudium in Stuttgart erfolgreich ab. Gewann einen Architekturwettbewerb und erhielt den Auftrag, Ansichten von Italien und der Schweiz für einen Verlag festzuhalten (1873/1874).

Diese Reise überzeugte ihn endgültig, dass er zum Maler, statt zum Architekten berufen war. Autodidaktisch bildete er sich weiter. Aufgrund eines Honorars für eine Innenvedute des Bayreuther Festspielhauses konnte er sich den Traum einer Orientreise erfüllen. Dies waren wohl unvergessliche Momente, da in den folgenden Jahren weitere Reisen in den Orient folgten.

1896 verließ seine Familie, wohl auch aufgrund finanzieller Probleme in München (er wohnte dort seit 1876), sein Heimatland und wanderte nach Jerusalem aus. Dort starb er am Heiligen Abend des Jahres 1904. Er wurde in aller Stille auf dem Friedhof der Templergesellschaft in Jerusalem beigesetzt.

Autodidakt

Ich kenne kaum einen Maler (eigentlich fällt mir gerade gar kein anderer ein), weder im deutschsprachigen noch internationalen Vergleich, der als Autodidakt der Malerei zu solchen Höhen der Kunst geschwungenen ist. Großartige, komplexe Kompositionen, feines Farbgefühl, perfekt gemalte Perspektiven kennzeichnen sein Werk. Die exotische, faszinierende Region des Orients spiegelt sich in seinen Bildern wider, wie dies nur wenigen anderen gelungen ist. Bei einem Israel-Urlaub hatte ich manchmal den Eindruck, Teil eines Bauernfeindbildes zu sein. Und dies ist aus meiner Sicht ein großes Lob.

Wikipedia Artikel

Nun zurück zu dem Wikipedia-Artikel und den Aquarell-Orientbildern des großen Expressionisten und denen des unbedeutenden, pedantischen Langweiler.

1. Sein Erlebnis


Das Besondere des Expressionismus soll sein,

dass der Künstler versucht, sein Erlebnis für den Betrachter darzustellen.

Als ob dies etwas Besonderes wäre, etwas großartiges Neues. Ganze Schulen der Landschaftsmalerei oder der Orientmaler, so wie Bauernfeind, haben oft ausschließlich das dargestellt, was sie selber erlebt und gesehen haben. Diese Faszination des Orients ist bei Bauernfeind nicht nur spüren, nein auch zu sehen.

Gustav Bauernfeind: Jude in Jerusalem
Aquarell - 30,8 x 11,7 cm

Gemeint ist jedoch mit "sein Erlebnis" noch etwas anders. Das sich angeblich die psychische Empfindung beim Malen manifestieren muss. In der Praxis heißt das, je schlechter gemalt, desto tiefgründiger sein Erlebnis. Diesen Quatsch muss man jedoch nur als Expressionist glauben.

August Macke: Landschaft bei Hammamet (1914)

Wenn man Mackes ungeschickte Farbkleckse dagegen sieht, schien ihn die Landschaft ziemlich kalt gelassen zu haben. Seine schwammigen, lustlos hingeschmierten Bilder weisen auf Langeweile, denn auf Begeisterung für die fremde Kultur hin.


2. Seelischer Ausdruck
Als Kunst des seelischen Ausdrucks dem Impressionismus (Darstellung der äußeren Erscheinung der Dinge) entgegentrat und diesem somit diametral gegenüberstand.

Da bin ich ja mal gespannt, wie die lieben Expressionisten ihre Seele auf der Leinwand ausdrücken.
Wenn es kunstvoll geschieht, dann will ich nicht meckern.
Die Intention des Künstlers mag für ihn selber von Bedeutung sein, was als Kunstwerk jedoch zählt, ist das Ergebnis. Wenn dieses dilettantisch ist, dann mag der Mensch seine Seele auf die Leinwand gebracht haben, aber es hat nichts mit Kunst zu tun.
Es kann für seinen Therapeuten von Interesse sein, solange das Werk aber millionenfach in jedem VHS-Kurs gemalt werden kann, hat sein Werk nicht den Vorrang vor diesen Millionen anderen VHS-Dilettanten.

In Museen soll Platz für Kunst und nicht für Kunsttherapie sein!

August Macke: Blick in eine Gasse (1914)

Die Seele Mackes hat scheinbar nicht all zu viel auszudrücken. Ein paar Kleckse, angedeutete Person, fertig.

Gustav Bauernfeind: Die Klagemauer in Jerusalem
Aquarell - 97,1 x 51,4 cm

Bauernfeinds fast ein Meter großes, fantastische Aquarell (es gibt eine identische, noch größere Ölversion dieses Motivs) der Klagemauer mag als Vergleich dienen. Auch ohne Geschwafel über den seelischen Ausdruck des Malers erkennt man, dass er von dieser Region und den Menschen beeindruckt war.

3. Farbe, Dynamik und Gefühl
Die Elemente Farbe, Dynamik und Gefühl lassen sich in nahezu jedem expressionistischen Kunstwerk finden.

Respekt. Farbe ist bei der Malerei schon ab und zu vorhanden. Sehr gut erkannt. Dynamik und Gefühl also auch noch. Gut. Aber wohl doch eher das typische, hohle Geschwätz, welches sich zwar nett anhört, aber keine Entsprechung auf der Leinwand findet.

Jeder VHS Schüler kann soviel Gefühl beim Schmieren seiner Leinwand aufbringen, dass die Butter im Kühlschrank schmilzt. Das Ergebnis wird dadurch aber auch nicht besser.

Der Expressionist kann, wenn er Spaß daran hat, sich den ganzen lieben Tag wie ein blaues Pferd von Franz Marc fühlen. Solange er dies aber nicht gekonnt malt, hat dies nichts mit Kunst zu tun.

August Macke: Markt in Algier (1914)

Farbe hat er wirklich benutzt. Die Töpfe seines Malkastens schön gleichmäßig geleert. Ob er dabei Gefühle hatte, weiß ich nicht. Aber was das ganze mit Dynamik zu tun haben soll, verstehe ich als Expressionismus-Laie mal wieder nicht.

Gustav Bauernfeind: Die Davidstraße in Jersualem 
Aquarell - 49 x 32,7 cm

Er hat nicht nur Farbe benutzt, sondern sie auch gekonnt verwendet. Ob die Maurer und Schreiner dieser Straße Dynamik haben walten lassen, kann ich nicht beurteilen. So lieblos wie die Bilder Mackes wirkt das Resultat auf jeden Fall nicht.

4. Freiheit für Form und Farbe
Der freie Umgang mit Farbe und Form

Heißt übersetzt: kann nichts, hat nichts gelernt, bekommt es besser nicht hin. Freier Umgang heißt im Klartext, jeder Müll soll absichtsvoll erscheinen.

August Macke: Kairouan-3 (1914)

Kann ich nur bestätigen. Perfekter Expressionismus. Farbe und Form sind sehr frei gewählt und haben nichts mit kunstvollem Können zu tun.

Gustav Bauernfeind: Der Teich Bethesda in Jerusalem (1886)
Aquarell - 48,5 x 32,1 cm

Farben hat Bauernfeind auch benutzt, aber sich scheinbar nicht an den freien Umgang gehalten, sondern alles kunstvoll als Gesamtwerk komponiert. So wird das nichts als Expressionist, würde man ihm zurufen, wenn er noch leben würde.

5. Reduzierung ohne Perspektive
Motivreduzierung aufs Wesentlichste und der Auflösung der traditionellen Perspektive.

Passt zum vorherigen. Aufs Wesentliche bin ich schon sehr gespannt. Das Wesentliche muss ein Künstler immer auf die Leinwand bringen, da der Platz nur sehr begrenzt ist. Wesentlich scheint es auf jeden Fall zu sein, so ungeschickt zu sein, dass Perspektive und Komposition schön schief und hässlich sein müssen.

August Macke: Im Basar (1914)

Hier hat er wirklich reduziert. So weit reduziert, dass alles angedeutet ist und nichts klar erkennbar. Augen, Nase, Mund und sonstiges unwesentliches Zeug schön beiseite gelassen.

Gustav Bauernfeind: Eingang zum Tempelplatz in Jerusalem
Aquarell - 48,1 x 32,1 cm

Dieser bedeutende Ort ist mit viel Liebe zum Detail wiedergegeben. Perspektivisch hat der Streber sein Bild perfekt gemalt. Expressionistisch eine Katastrophe.

6. Direkt und Spontan

drückten die Expressionisten ihre eigenen Regungen aus, sie gaben direkt und spontan ein „durchfühltes“ und interpretiertes Motiv weiter.

Direkt und spontan. Gut. Anders habe ich es nicht erwartet. Mit Liebe zu einer Sache hat dies nicht viel zu tun, wenn alles direkt und spontan geschehen muss. Etwas auszuarbeiten und kunstvoll zu gestalten, verlangt mehr, als eine schnelle Skizze. Dies verlangt Können und Passion, welches den ungeschickten Händen der Expressionisten meist völlig fehlt.

Gustav Bauernfeind: Orientalische Straßenszene (Jerusalem)
Aquarell - 29 x 29 cm

Setzen. Sechs, würde der gute Expressionist jetzt sagen. Bauernfeind hat sich wieder an keine Regel dieser großen Schule gehalten. Nicht spontan und direkt hingeschmiert wie der große Macke. Nein, sorgsam ausgearbeitet hat er das Bild. Welch Schande und welch Verbrechen gegen die reine Expressionismuslehre. Zum Glück kannte Bauernfeind diese nicht. Es sei ihm verziehen.

7. Protest
Der Expressionismus richtete sich als Protest gegen die damals bestehende Ordnung und somit vielfach gegen das Bürgertum.

Die guten Expressionisten können Protestieren gegen alles und jeden, solange es ihnen Spaß bereitet. Wenn sie jedoch als Künstler bezeichnet werden wollen, zählt ihr künstlerisches Resultat. Und ich befürchte, dies ist eher grauenhaft schlecht als von Können gezeichnet.

August Macke: In der Tempelhalle (1910-1914)

Stimmt, hier hat Macke wohl gegen den Tempel protestiert. Das aber grauenhaft schlecht.

Gustav Bauernfeind: Kaffeehaus in Jerusalem (1880)
Aquarell - 31,7 x 46,4 cm

Gegen was hat der gute Gustav denn hier protestiert? Wohl gegen das Rauchen verbotener Substanzen im Kaffeehaus. Dies ist aber, außer für Expressionisten, unerheblich. Die Atmosphäre solch eines Hauses ist, auch ohne lebende Staffage, wunderbar wiedergegeben. Das ist Kunst, aber leider kein Expressionismus.

8. Geistige Haltung
Es war mehr die geistige Haltung, die den Expressionismus ausmachte.

Schön für sie. Und was hat das mit Kunst zu tun? Sie können halten was sie wollen.

August Macke: Händler mit Krügen (1914)

Nach allem, was ich von Macke gesehen und gelesen habe, wird seine geistige Haltung 1A gewesen sein.

Gustav Bauernfeind: Motiv aus Damaskus (1889) Aquarell - 37,5 x 26,8 cm

Ein kleiner Winkel Damaskus ist mittels des Meisters Hand zum Leben erwacht. Seine Empfindung hierbei ist egal. Aber, um den Expressionisten zu beruhigen, bei der großen Liebe zum Detail wird er bestimmt eine positive geistige Haltung bewahrt haben.

Sie sollten ihre geistige Haltung auf Seite legen und sich auf die Suche nach der verlorenen künstlerischen Haltung begeben. Zu finden ist sie bei Gustav Bauernfeind!

Samstag, 10. Januar 2009

Auf dem Weg zur abstrakten Ruhmeshalle

Ich habe Glück gehabt. Ein Artikel in der Welt hat mir die Augen geöffnet. Er hat mir gezeigt, wo die abstrakte Kunst gerade ist und wo sie hingehen wird. Ich habe das Zeug zum großen abstrakten Genie. Und dies nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret. Davon bin ich nun fest überzeugt.

Anfangs war ich noch skeptisch. Der Autor meint, die abstrakte Kunst soll weg gewesen sein und ist erst jetzt wieder zurückgekommen.
Davon hatte ich gar nichts gemerkt. Habe sie gar nicht gehen sehen. Und so weit weg war sie auf jeden Fall nicht, denn die abstrakte Kunst begegnete mir an jeder Ecke, in jeder Galerie, in jedem Museum, in den Medien. Sie lief mir immer und überall über den Weg. Nur bin ich nie drauf gekommen, sie zu greifen. Depp.

Aber vielleicht war sie auch nur aus der Sicht des Autors weg. Aber wenn sie nun, wie es scheint, zu ihm zurückgekehrt ist, ist es auch okay. So soll es denn sein.

Die Wanderschaft beginnt

Jedoch wird sie wieder auf Wanderschaft gehen. Nicht nur mir unbekannte Künstler wie Reyle, Abts und Kraus sollen die Szene mit neuem kreativem Blut bereichern.
Nein, auch ich werde wie Phönix aus der Asche nach ganz oben durchstarten. Meine Wenigkeit wird der neue Stern am Szenehimmel sein. Man wird meine abstrakten Meisterwerke vergöttern und verehren. Das wird der erhoffte Boom sein, spätere Generationen werden es als Wiedergeburt der Abstraktion preisen. Ich gehe als Grindcore Star in die Geschichtsbücher ein, da leider der Heavy Metal Star, laut einem anderen Welt-Artikel, schon vergeben ist.

Gefahr

Jedoch Achtung! Es wird vor einer Gefahr gewarnt. Die abstrakten Meisterwerke gelten bei kleinster Unachtsamkeit nur noch als dekorative Wohnzimmer Tapete ohne Sinn.

Gut zu hören. Das wird nämlich meine Marktlücke sein. Meine Tapete wird Sinn haben.
Dekorativ ist das gewöhnliche, abstrakte Werk nun wirklich nicht. Die besseren schon, aber der meiste Müll ist einfach Müll. Nicht mal als Wohnzimmer Tapete zu gebrauchen. Unsere Wände schmückt bisher auf jeden Fall noch kein verbeultes Blech des genialen Lori Hersberger.

Lori kenne ich natürlich nicht. Genauso wenig wie fast alle anderen in diesem Artikel erwähnten Genies. Noch nie gehört, obwohl die abstrakte Kunst sich immer in meiner Nähe aufhielt.

Aber wer aus verbeulten Blech Geld macht, den sollte man als aufstrebender, abstrakter Meister vielleicht doch kennen. Werde ihm mal eine Mail schreiben.

Mit Streifen zum Erfolg

Doch es ist auch von anderen Übermenschen die Rede. So von einem gewissen Reyle mit seinen Streifenbildern. Dieser soll in sensationeller Weise in den letzten Jahren die Geldbeutel der edlen Auktionskäufer nur so klimpern lassen.
Respekt dem Herrn Reyle. Das ist wirklich eine Sensation, wenn scheinbar simpelste Farbkleckse einen Käufer finden. Unglaublich, aber scheinbar wahr. Wir wollen jedoch nicht lachen, da er aufopferungsvoll die unmenschliche Arbeit auf sich nahm, sie als Streifen zu platzieren.
Auf den Zug werde ich aufspringen. Werde in brillanter Weise, ganz innovativ, farbige Querstreifen und Längsstreifen kombinieren. Diese werde ich von rechts unten nach links oben auf die Leinwand zaubern. Das wird für Furore sorgen. Vielleicht ist dies schon der ganz große Durchbruch!?

Abschaffung ohne mich

Was? Macht mir keinen Kummer. Die Wiederbelebung der abstrakten Malerei soll es eigentlich gar nicht geben.
Warum nicht geben? Ich wollte doch gerade eine große Karriere starten. Gemusterte Tapete als Moderne Kunst für 150000 Euro die Rolle anpreisen. Das war mein erstes Top-Werk.

Schließlich waren es gerade Vertreter der abstrakten Kunst, die ihre Werke zum Schlusspunkt einer formalen Entwicklung erklärt hatten. Mit diesem sollte gleich die ganze Kunstgeschichte ihre Erfüllung finden.

Au, au, Schmerz lass nach. Da platzt die Konkurrenz ja vor Selbstvertrauen und will meinen Durchbruch verhindern. Kunst am Ende. Das ist ja lächerlich, als ob jemand, der gerade bis 5 zählen kann, die ganze Mathematik abschafft.
Nein Freunde, nicht mit mir.

Heiß und Kalt

Wow, da hatte einer aber mal eine Idee. Es ist von einem Hersberger die Rede, der seine Skulpturen erhitzt hat. Da war aber einer clever. Neues zu schaffen ist ja ganz wichtig, wie mir scheint. Skulpturen (wobei ich selber dieses Wort für solche Gebilde nicht gebrauchen würde) zu erhitzen, darauf ist noch keiner gekommen. Respekt. Kein Wunder, das er ein ganz Großer der Szene ist, das nenne ich Innovation. Immerhin lässt er mir noch die Lücke offen, die Skulpturen mit Eis zu kühlen. Hoffentlich kam da keiner vor mir drauf. Schnell weg vom Laptop, erstmal Wasser ins Eisfach des Kühlschranks kippen.

So, erledigt. Eis ist im Kühlfach. Skulptur mit Eis wird eine runde Sache.
Weiter im Text.

Ernsthaft Vergessen

Nachfolgend ist von
Dogmas,
Doppelstrategien,
Aneignen und Infragestellen
die Rede. Das muss ich mir merken. Aneignen und in Frage stellen. Lernen und Vergessen kann ich jetzt schon perfekt. Ist ja so ähnlich wie Aneignen und in Frage stellen. Ich bin scheinbar schon auf dem richtigen Weg zur großen Kunst.

Was kann ich noch vom Autor lernen. Ernsthafte Kunst. Gut. Ernsthaft ist der abstrakte Künstler heutzutage. Ernsthaft kann ich auch sein. Das ist machbar.

Baustelle im Hinterhof

Was lese ich noch.

Ausstellen muss man seine kantigen Quader in Hinterhöfen. Na ja, wenn es sein muss. Dann wird halt der Hof zubetoniert und ein wunderbarer Hinterhof entstehen.
Das müsste ich im Familienrat durchsetzen können. Der Weg zum großen abstrakten Künstler ist steinig und hart. Beton ist hart. Also kann das nicht verkehrt sein.
Damit werde ich den Familienrat überzeugen.

Eitelkeit schadet

Eitel darf man neuerdings als abstrakter Künstler nicht sein. Auch kein Hindernis für mich. Werde den Hof im Schweiße meines Angesichts selber zubetonieren. Eitle Leute würden das bestimmt nicht machen. Gebongt, kriege ich hin.

Papierflieger machen reich

Weiterhin kann ich, wie es scheint, als angehendes Genie noch einiges von der erfahrenen Katja Strunz lernen. Referenziell muss mein Werk werden. Und konkret. Genauso wie ihre metallenen Pfeile oder Papierflieger.
Konkret kann ich versprechen, aber referenziell verstehe ich Einfaltspinsel natürlich wieder nicht.

Leider konnte ich früher Papierflieger nicht gerade gut bauen, aber irgendwie werde ich das schon meistern. Natürlich nicht aus Stahl, sondern aus Papier. Ja, wirklich. Aus Papier!
Da muss man erstmal drauf kommen. Papierflieger aus Papier.

Das wird irritieren, das nenne ich neue Bescheidenheit. Nicht auf dicke Hose mit Stahl und Eisen machen, sondern schön bescheiden bleiben mit einfachem Papier. Keine Eitelkeit aufkommen lassen. Damit komme ich bestimmt ganz groß raus.

Konkret unkonkret

Halt, es geht noch anders. Da habe ich ja noch mehr Möglichkeiten. Unkonkret kann man also auch sein, so wie der geniale Matthias Bitzer.

Gut zu hören, das kann ich auch. Kriege ich hin, wenn es sein muss. Kann sein, kann nicht. Manchmal ja, manchmal nein. So, aber auch anders.
Wenn das nicht unkonkret war, dann weiß ich es nicht.

Aber etwas fehlt mir zugegebenermaßen noch. Der Meister selber redet von
diffuse Signale,
Unterbewussten,
Emotion
Das sind große Worte, da bin ich noch zu unerfahren, um meine genialen Meisterwerke mit solchen Begriffen zu beschreiben.

Dröge ist hier niemand

Was muss ich nun lesen. Die abstrakte Kunst wird als dröge verschrien?

Dröge ist hier bestimmt nichts. Hier wird gehämmert, gebogen, betrogen und getäuscht, dass sich die Balken biegen.
Halt! Ein bisschen mehr Respekt für die abstrakten Meister. Bin ja bald auch einer von ihnen. Meine abstrakten Freunde verteidige ich hier mit ganz viel Gefühl. Das lasse ich mir nicht absprechen. Gefühl scheint ja auch wichtig zu sein.

Deuten ist erlaubt
"Die gegenständliche Malerei verweist dagegen nur auf eine spezifische Situation und bleibt darin verhaftet. Bei der ungegenständlichen Kunst ist die Bandbreite der Assoziationen viel größer", sagt Anselm Reyle.

Da bin ich ganz beim weisen Heavy Metal Star Reyle.
Meine Papierflieger darf jeder deuten wie er will. Da bin ich lässig und großzügig.
Für bescheidene 10000 Euro das Stück werden sie zu haben sein.
Wenn das kein Reiz ist. Dafür kriegt der Käufer auch schöne,
uneindeutige(n) Analyseangebote
serviert.
Und wenn er keine Lust mehr auf eine tiefer gehende Beschäftigung mit meinem Papiermeisterwerk hat, ist mir das, im Gegensatz zu den anderen abstrakten Meistern, schnurzpiepegal. Da sehe ich, im Gegensatz zum Autor, keine Gefahr.

Keller aufräumen

Ein letzter Ratschlag gibt der Autor mir noch mit auf den Weg. Lacke, Folie, Räder. Alles ist zu gebrauchen. Das ist gut, das macht den Einkauf billiger. Da wird schon noch was Brauchbares im Keller zu finden sein.
Nicht das alte Fahrrad einfach so als Kunstwerk preisen, sondern immer mit ernsten, stolzen Blick ein
Wechselspiel von Zuneigung und Ironie, Nähe und Distanz
schaffen.

Ich muss jedoch zugeben, noch nicht ganz in die Tiefe gedrungen sein, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Aber wenn es das alte Fahrrad kunst- und wertvoll macht, soll es mir egal sein.

Fazit
Dem Autor meinen Dank für den Einblick in diese, mir bisher verschlossene Welt. Der abstrakte Weg wird mich leiten und zur Erkenntnis führen. Ein richtiger Künstler kann ich nie werden, da meiner ungeschickten Hand einfach das Können und das Geschick fehlt. Aber den Gipfel der abstrakten Malerei kann scheinbar jeder erreichen. Können wird nicht benötigt, nur das entsprechende Glück in der Lotterie des In- oder Out-Sein.

Freitag, 9. Januar 2009

Signaturproblem

Auf den Seiten der FAZ ist ein Artikel zu finden, der sich mit der Bedeutung und den Problemen der Signatur beschäftigt.

Ein Künstler signiert, so wie ich das sehe, in der Regel sein Werk
  • aus Stolz über seine Leistung,
  • als Erkennungs- und Versionierungsmerkmal. So kennzeichnete Alma-Tadema schon relativ früh seine Gemälde mit fortlaufender Werksnummer. Oder
  • als Urkunde zur Bekräftigung der Urheberrechte
  • oder Hemmschuh für andere, seine Leistung zu kopieren. Nicht, weil die Signatur so schwer zu fälschen wäre, bei richtiger Kunst ist die Signatur meist das einfachst zu fälschende, sondern weil eine Kopie mit nachgemachter Signatur rechtliche Probleme bereitet, wenn nicht klar erkennbar und verdeutlicht wird, dass es sich um eine Kopie handelt. Genaueres sei an dieser Stelle den Juristen überlassen.
Dies wird teilweise auch in dem Artikel erwähnt. Was mich jedoch sehr stört, ist, dass die Bedeutung der Signatur seit dem 19. Jahrhundert (in modernen Kreisen) laut Autor stark und scheinbar plötzlich angestiegen ist, ohne jedoch in dem Beitrag die offensichtliche Ursache dafür zu benennen.
Dabei ist die Signatur vor allem seit dem 19. Jahrhundert eine wesentliche Grundlage, ja geradezu ein Fetisch für das Ideal künstlerischer Individualität und Authentizität
Signaturfetisch

Es werden Beispiele von Personen beschrieben, die nach meiner Definition nichts oder wenig mit Kunst am Hut haben (zum Beispiel Andy Warhol, Joseph Beuys oder Gerhard Richter), jedoch der Signatur eines Werks offensichtlich eine besondere Bedeutung beimessen.

Es werden
  • fremde Werke mit eigener Signatur oder
  • eigene Werke mit fremder Signatur versehen,
  • Signaturstempel verwendet,
  • Werke erstellt, die nur Signaturen enthalten(was natürlich, wenn die Signaturen nicht kunstvoll sind, nichts mit Kunst zu tun hat)
  • und so weiter und so fort.
Kann gut sein, dass die 'Modernen' nichts anderes zu tun haben.

Merkwürdig finde ich jedoch, wenn das Beispiel der Aneignung als
Mit dieser geradezu revolutionären künstlerischen Praxis wurde die herkömmliche Verwendung der Signatur quasi auf den Kopf gestellt.
gekennzeichnet wird. Ich als naiver Laie sehe darin keine revolutionäre künstlerische Praxis, sondern billige Täuschung oder Betrug. Da wird nichts auf den Kopf gestellt, da wird keine Kunstwelt revolutioniert. Wenn Kunst noch mit Können zu tun hätte, würde dies niemanden, außer den Betroffenen, interessieren.

Wo geht die Crux hin?

Der wahre Grund der Crux, wie der Autor dies nennt, warum in der modernen Kunst soviel Lärm um die Signatur gemacht wird, ist er aber schuldig geblieben.

Dabei ist die Antwort doch so trivial wie offensichtlich.

Hier ist sie

Der Lärm hängt vor allem damit zusammen, dass vielfach keine Kunst gekauft und gepriesen wird, sondern dilettantische Werke ohne Können, welche nur aufgrund der aktuellen Markteinschätzung des jeweiligen Pseudokünstlers einen Wert besitzen.

Es wird der größte Müll als Kunstwerk angepriesen. Das Werk ist nichts, die Signatur alles.

Dies geht natürlich nur mit Verweis auf den jeweils aktuell ruhmreichen Pseudokünstler. Ohne diesen Verweis wäre der Wert gleich dem Materialwert.
Ein wirkliches Kunstwerk, bei dem Können die oberste Voraussetzung ist, hat seinen Wert jedoch auch ohne Signatur.

In Zeiten klareren Blicks wurde um solche Nebensächlichkeiten viel weniger Wind gemacht. Da dilettantische Kritzeleien, Schmierereien oder Basteleien nicht als Kunst betrachtet wurden, musste sich niemand die Mühe machen, diesen einen Wert zu verleihen. Seit das Nichtskönnertum Einzug in die Kunstwelt erhalten hat, ist die Signatur wohl erst zur Crux geworden.

Fehlende Gemeinsamkeit

Bevor ich es vergesse. Lächerlich finde ich den üblichen Kunstblablatrick, die 'modernen Großen', welche ich beim besten Willen nicht als Künstler bezeichnen kann, in eine Reihe mit Künstlerriesen der Vergangenheit zu setzen.

Cranach, Rubens und Rembrandt bis hin zu Warhol, Jeff Koons und Olafur Eliasson

Die Verbindung soll aufgrund der Werkstattarbeiten bestehen, die mit ihren Namen verbunden sind. Diese Verbindung ist jedoch mehr als an den Haaren herbei gezogen. Etwas gegessen haben sie alle auch schon mal ab und zu, aber deswegen einen Pseudozusammenhang aufzustellen, halte ich für sehr gewagt.

Der Autor scheint sich wenig um den bedeutenden Unterschied zu scheren, dass die Alten Meister, im Gegensatz zu den anderen Personen, ihr Handwerk so brillant beherrschten, dass sie größer waren als die Summe ihrer Angestellten.
Sie waren meist fähiger als ihre Schüler, Lehrlinge und Gehilfen und hätten die Kunst, bei genügend Zeit, noch besser und schöner alleine herstellen können. Aus Zeitmangel konnten sie manche Werke jedoch nur im kleinen Format vorbereiten und das Endergebnis mit dem letzten Feinschliff versehen.
Dieses Können sehe ich bei den drei letztgenannten Personen nicht.

Top oder Flop


Adolf Hölzel: Abstraktion II (1915/16)

So ist beispielsweise das angeblich große Werk des bedeutenden Maler, Wegbereiter und Pionier Adolf Hölzel, um nur einen Ausschnitt der Internet-Lobpreisungen zu zitieren, ohne Signatur völlig wertlos.

J.J. Wiertz: The Assassination of Marat By Charlotte Corday (1880)

Das zweite Gemälde aus dem 19. Jahrhundert hat seinen Museumswert, auch wenn der Künstler unbekannt wäre. Nicht, dass er wirklich unbekannt ist, nur ich kenne ihn nicht. Weiß jemand genaueres? Laut einer Internetseite ist dieses Bild von J.J. Wiertz, gemalt im Jahre 1880. Da ich zwar schon etwas von Antoine Joseph Wiertz gesehen habe, aber von J.J. Wiertz noch nie was gehört oder gelesen, weiß ich nicht, ob dies stimmt. Vielleicht ist es sein Sohn?

Die theatralischen Gesten, welche die Erfassung der Mörderin Marats, Charlotte Corday, begleiten, entsprechen zwar nicht mehr dem heutigen Geschmack; meinem auch nicht ganz. Aber das Gemälde beeindruckt immer noch aufgrund des großen Könnens, welches hier offensichtlich ist.