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Dienstag, 23. Dezember 2014

'Ich wünschte mir' - Ausstellung

Zurück

Nach vielen Jahren hatte es mich heute mal wieder ins Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum gezogen. Damals wurde die wunderbare Ausstellung Ilja Repin und seine Malerfreunde präsentiert. Aktuell wollte ich Pissarro, dem Vater des Impressionismus, näher kommen. Ganz gelungen ist dies nicht, da meine typische Bewegung in der Ausstellung ein Schritt zurück, nicht einer nach vorne war. Und das lag nicht nur an den übereifrigen Wächterinnen, welche die Gemälde wie ihre jungen Küken hüteten.

Studienunterschiede

Die meisten Werke der Impressionisten sind bei Betrachtung aus kurzem Abstand einfach enttäuschend, wenn man nicht gerade ein besonderes Faible für groben Farbauftrag und fehlende Zeichnung hat. Es sind eben Studien, die von den Künstlern als fertig deklariert worden sind.

Dies ist im Grunde nichts verwerfliches, denn von großen Malern gibt es fantastische Studien. Bei Adolph von Menzel zum Beispiel schätze ich diese höher ein als seine vollendeten Gemälde.
So ging vor ein paar Wochen eine Menzel-Studie für 3,5 Millionen Euro über den Tisch. Rekordergebnis des kleinen Adolphs.

Adolph Menzel - Stehende Rüstungen (1866) - Gouache und Bleistift auf braunem Papier (45 x 57,9 cm)

Im Gegensatz dazu sieht man bei den meisten Impressionisten in der Nahsicht sofort, warum ihre Ergüsse der Zugang zu den Salonausstellungen verwehrt blieb. Sie waren, schlicht und einfach, im Vergleich zu ihren großen akademischen Zeitgenossen, nur zweit- oder drittklassige Maler. Vom Impressionismus beeinflusste Größen wie Sargent, Boldini oder Sorella bestätigen als Ausnahmen diese Regel.

Highlights

Von den 130 Werken Pissarros in der Ausstellung haben nur ein paar einen positiven Eindruck hinterlassen. Zwei Schneelandschaften, ein Mädchen mit Hut, ein paar Landschaftsbilder aus den 70er Jahren und ein Frühwerk in romantischer Tradition. Dann noch einzelne Ölgemälde, bei denen der pastose, kreuz und quer verteilte Auftrag eine gewisse Dynamik erzeugt, die vom langweiligen Bildinhalt ablenkt. Das war's.

Camille Pissarro - Zwei Frauen plaudern an einer Bucht, St. Thomas (1856) Öl auf Leinwand (27,7 x 41 cm)
Camille Pissarro - Straße im Schnee, Louveciennes (circa 1872) - Öl auf Leinwand (43,2 x 65.4 cm)
Camille Pissarro - Junges Mädchen, einen Strohhut tragend (1881) - Öl auf Leinwand (73,3 x 59,5 cm)
Camille Pissarro - Landschaft in der Nähe von Louveciennes (1870) - Öl auf Leinwand
Zur Verdeutlichung seines Umfelds waren einzelne Bilder anderer Künstler, meist aus der Wuppertaler Sammlung, zu sehen. Neben Durchschnittskost traten hier vor allem zwei Bilder Zandomeneghis hervor, welche mehr als die Pissarros beeindruckten. Eines der Gemälde ist ähnlich zu dem hier abgebildeten, für Zandomeneghi typischen Werk:

Federico Zandomeneghi - Die ersten Falten - Öl auf Leinwand (73 x 60 cm)

Wunschkonzert

Ich wünschte mir immer wieder, dieses oder jenes von einem anderen Künstler umgesetzt zu sehen:
  • Porträts von akademischen Malern, statt der bescheidenen Versuche Pissarros, in diesem Zweig der Malerei.
Camille Pissarro - Bäuerin (1880) - Öl auf Leinwand (73 x 60,4 cm)
William Bouguereau - Kleine Mahlzeit (1901) - Öl auf Leinwand (88,5 x 55,8 cm)
  • Hochgelobte Pariser Ansichten Pissarros sind eher einfacher Natur, was offensichtlich ist, wenn man sie mit Bérauds oder Gilberts Werken vergleicht.
Camille Pissarro - Avenue de l'Opera: Sonnenschein am Wintermorgen (1898) - Öl auf Leinwand (73 x 91.8 cm)
Victor Gabriel Gilbert - Markttag (1878) - Öl auf Leinwand (88,5 x 55,8 cm)
Jean-Georges Béraud - Boulevard Poissonniere im Regen (1885)
  • Die in der Ausstellung gezeigten Zeichnungen und Studien sind ohne Reiz, wenn man schon mal Landschaftsstudien eines Schirmer oder thematisch ähnliche Werke von Lessing gesehen hat. Leider finde ich keine Zeichnung der Ausstellung online. Deshalb hier eine, die in der Qualität den gezeigten Werken entspricht.
Ein Mann mit einem Esel im Wald
Carl Friedrich Lessing - Wasserburg (um 1838) - Bleistift und Feder (54,9 x 66,3 cm)
Camille Pissarro - Weg mit Apfelbäumen in der Nähe von Osny, Pontoise (1874) - Öl auf Leinwand (54 x 73 cm)
Oswald Achenbach - Römische Landschaft mit Pilger

Fazit

Dieses Jahr habe ich unter anderem die Staatliche Kunsthalle in Karlsruhe und die Hamburger Kunsthalle besucht. Die Eindrücke von dort sind noch zu frisch. Deshalb war die Messlatte für Pissarro wohl zu hoch, er konnte nur verlieren.

In den Sammlungen der großen Museen gehen die Impressionisten unter, da der Unterschied im Können zu den akademischen Meistern des 19. Jahrhunderts zu gewaltig ist. Meine Hoffnung war, in einer Ausstellung nur mit impressionistischen Werken, nicht von diesem Gefühl übermannt zu werden. Aber mir ist es nicht gelungen, mein Wissen über die wahren Meisterwerke der Malerei auszuschalten. Diese hatte ich immer im Hinterkopf.

Die Werke Pissarros und anderer Impressionisten wirken auf dem Monitor in kleiner Auflösung besser als in der Realität. Und das ist kein gutes Zeichen.

Kuhfladen

Ist meine Beurteilung gerecht? Vielleicht nicht ganz. Aber wenn in einem Raum Pissarros späte Zeichnungen als wahrlich meisterhafte Werke (so ähnlich war die Formulierung) angepriesen werden, und man dann auf der Wand nur ein paar dilettantische Skizzen sieht, kann ich nicht anders. Man muss nicht jeden Bullshit, wie der Engländer treffend sagen würden, glauben, nur weil er immer wieder monoton vorgekaut wird. Denn wenn Pissarro eines mit Sicherheit nicht war, dann ein Meister der Zeichenkunst.

Donnerstag, 31. Dezember 2009

Wilhelm Bernatzik und die Kunst des Vergessens

Lauf der Zeit
Das Leben ist vergänglich. Altes macht Platz für Neues. Was heute noch beliebt und bekannt war, ist morgen vergessen. Für Manchen ist das ein schwer zu akzeptierender Lauf der Geschichte, aber das Rädchen lässt sich nicht zurückdrehen. Wir heute lebenden Normalsterblichen sind in ein, zwei, maximal drei Generationen schon wieder vergessen.

Vergessene Künstler
Doch nicht nur uns widerfährt dieses Schicksal, auch zu ihrer Zeit bekannte und relativ bedeutende Menschen sind bald im  dunklen Teil der Geschichte verschwunden.
Die Kunstwelt macht da natürlich keine Ausnahme. Was gerade noch große Mode war, gilt kurze Zeit später als veraltet und vergilbt.

In wohl keiner Epoche folgten die Stufen so krass aufeinander wie Ende des 19, Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Jahrhunderte alte große Tradition der in langjähriger Arbeit ausgebildeten Meister fand ihr jähes Ende mit dem Aufkommen modernerer Richtungen, bei denen das Können immer weniger Bedeutung hatte. Große Meister ihres Pinsels, die zu anderen Zeiten ruhmreich verstorben wären, sahen ihr Lebenswerk durch die Vergötterung des Nichtskönnertum zerstört.

Tod und Wiederauferstehung
Ein filmreifes Paradebeispiel ist hierfür das Leben des Malers John William Godward. In einer Kunstwelt, in der die Spielereien eines Picasso als Geniestreiche gepriesen wurden, sah er keinen Platz mehr für sich und seine Kunst und beendete vorzeitig sein Leben.
Die Kunst der Dilettanten konnte seinen Ruhm jedoch nicht für immer unterdrücken. In den letzten Jahrzehnten erlebte sein Werk eine Renaissance und seine Gemälde erzielen heutzutage wieder stattliche Preise. Sein Leben ist bestens dokumentiert und frei im Web nachzulesen. Siehe zum Beispiel hier.

Auf der Welle und dann für immer unter ihr
Das Wiederauferstehen des Ruhms ist vielen anderen jedoch nicht vergönnt. Ein besonders bemerkenswertes Beispiel, über den ich im Folgenden berichten möchte, ist der österreichische Maler Wilhelm Bernatzik. Einer jener verlorenen Generation, die ich an anderer Stelle erwähnt habe.

Dieser Maler schwamm auf der Welle des Zeitgeists. Er errang mehrere Medaillen und seine Bilder verkauften sich gut. Doch nicht nur das. Er war eine historisch wichtige Figur an der Schnittstelle zwischen Impressionismus und Sezession. Eigentlich war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort, aber nicht mal als kleines Rädchen ist er in die Kunstgeschichte eingegangen.

Wilhelm Bernatzik - Das Begräbnis (1880)

Minimale Infos
Die paar Bilder und Informationen, die im Internet zugänglich sind, habe ich alle in diesem Artikel eingebaut. Wahrlich nicht viel. Das Problem ist, dass sein Leben von anderen Köpfen, speziell Gustav Klimt, überschattet wird, die Bernatziks Nachruhm in den Boden der Vergessenheit versenkten, aus dem er bis heute nicht emporgehoben wurde.

Verkörperung des Wandels
Aus kunstgeschichtlicher Sicht ist dies, so meine Meinung, nicht zu begründen, da er den Wandel vom technisch versierten, klassisch ausgebildeten akademischen Maler zum Impressionisten deutschsprachiger Prägung und Begründer des Jugendstils (keine einheitlich Kunst- eher eine Zeitströmung) in Österreich wie kein Zweiter verkörpert. Ein Zeitgenosse beschrieb dies als Wandlung vom Saulus(~Akademiker) zum Paulus(~Impressionist). Ich würde dies natürlich genau andersherum sehen.

Akademische Grundlagen
Wie dem auch sei. Bernatzik hatte Talent. Und so wundert es nicht, dass er eine angestrebte juristische Ausbildung unterbrach, um seinem wahren Naturell, der Kunst, Gehör zu verschaffen.
In Wien und Düsseldorf wurde die Basis gelegt und in Paris, beim weltberühmten Léon Bonnat, einen der besten Porträtisten seiner Zeit, holte er sich den letzten Schliff.
Eine Ausbildung, von der heutige Maler nur träumen können. Alles war vorbereitet für eine stattliche Karriere und die ersten Lobesworte und Medaillen trudelten ein.

Die beiden nachfolgenden Bilder zeigen, soweit es die kleinen Abbildungen zulassen, gut die akademisch geschulte feine Zeichnung, Malweise und Bildkomposition, welches vieles weitere erhoffen lies.

Wilhelm Bernatzik - Die Vision des Heiligen Bernhard (1887)
Öl auf Leinwand (105 x 201 cm)

Wilhelm Bernatzik - Klosterwerkstätte

Impressionismuswalze
Aber im Hintergrund wälzte der Impressionismus seine Bahnen und ließ auch den Österreicher, der in Paris hautnahen Kontakt mit den Anfängen der Bewegung hatte, nicht unbeeindruckt. Das Malerische, wie es damals bezeichnet wurde (ich würde eher sagen studienhafte), zog ihn an. Nicht aus mangelnder Alternative, sondern aus Überzeugung.

Deutsche Art
Und mit seiner Art von Impressionismus, die er später entwickelte, kam er den deutschsprachigen Kritikern sehr entgegen. Ein Hecheln nach den neusten Trends aus Frankreich war vielen ein Graus.
Das deutsche Reich hatte zwar den Krieg gewonnen, aber an künstlerischem Selbstvertrauen mangelte es umso mehr. Wo war das Tiefsinnige und Nachdenkliche, welche die Deutschen, und wohl auch die Österreicher, damals als ihre Eigenschaften betrachteten?
Diese oberflächliche, nur dem ersten Schein/Impression dienende Malerei, war vielleicht dem Franzosen innewohnend, aber nicht zum deutsch, naiv, männlichen Gemüt passend.
So oder ähnlich waren die Formulierungen zur damaligen Zeit. Wenn schon Impressionismus, dann sollte die Themen ernster, poetischer, eben deutscher sein.

Nachdenken mit großen Titeln
Und in dieser Kerbe schuf Bernatzik seine Bilder. Nicht den tausendsten, einfach nur schön wirkenden Seerosenteich in der Art eines Monet wollte er schaffen. Nein, seine Bilder sollten Tiefgang haben, den Betrachter ansprechen und zum Nachdenken bringen. Dies trifft auf sein 1903/1904 gemaltes und nachfolgend abgebildetes Gemälde Eingang zum Paradies mit Sicherheit zu.

Wilhelm Bernatzik - Eingang zum Paradies (1903-1904)

Impressionistisch grober Farbauftrag gepaart mit einem bedeutungsvollen Titel.
Dies war mehr als ein 'nett, schön anzusehendes' Bild. Der Betrachter sollte über den Sinn des Lebens und das für uns alle kommende Ende nachdenken. Ein Werk, wie es den Kritikern im Deutschen Reich und Österreich-Ungarn bestimmt gefallen hat.

Eventmanager
Wilhelm Bernatzik war nicht nur als Künstler vom Impressionismus beeinflusst, auch als Organisator der ersten, allumfassenden Impressionismus-Ausstellung im deutschsprachigen Raum, 1903 in den Räumen der Wiener Sezession, schuf er bemerkenswertes. Zusammen mit dem Berliner Kunstkritiker Julius Meier-Graefe stellte er eine Show auf die Beine, welche die Impressionismus-vernarrten Kritiker jener Zeit begeistert aufnahmen.
Das ist eine der wertvollsten Ausstellungen, die bisher in Wien veranstaltet wurden.
Erstaunlich ist die Reichhaltigkeit der Ausstellung, die Vollständigkeit, mit welcher der große evolutive Kunstmoment, der unsere Epoche charakterisierte, dargestellt ist.
Hier waren aufgrund der guten Kontakte Bernatzik nach Frankreich, Holland und Belgien nicht nur die großen Köpfe Monet, Renoir, Sisley oder Pissarro vertreten. Mehr noch. Die gesamte Bandbreite von Manet, Corot, Rodin, van Gogh und Vorläufern wie Goya oder Velázquez war zu sehen.
Ein neuerlicher Höhepunkt war die 16. Secessionsausstellung vom 17. 1. bis 1. 3. 1903, die durch Reisen des Präsidenten Wilhelm Bernatzik nach Amsterdam, Den Haag, Brüssel und Paris vorbereitet worden war und nach schwierigen Verhandlungen vor allem mit privaten Leihgebern realisiert werden konnte.

Wilhelm Bernatzik - Motiv aus Weissenkirchen an der Donau
Öl auf Leinwand (50 x 80 cm)

Trennungen und Strahlemann
Organisiert werden konnte dies von Bernatzik nur, weil er genau in diesem Jahr, von 1902 bis 1903, Vorsitzender der Wiener Sezession war. Jenem Bund, den er als Abtrennung vom offiziellen akademischen Betrieb als einer der wenigen 'Alten' mitbegründet hatte. Diese Vereinigung wird heute meist nur mit einem Namen verbunden, der alle anderen überstrahlt. Gustav Klimt.
Zu Klimt wird man an allen Ecken und Enden mit Büchern, Abbildungen und Informationen erschlagen. Auf ihn haben sich alle Kunstinteressierten gestürzt und bis zur Farbe seiner Bettwäsche ist wohl alles bekannt.
Aber Bernatzik wird, auf jeden Fall in dem Buch, welches ich über Klimt habe, mit keinem Wort erwähnt. Dabei war Bernatzik ein Weggefährte Klimts. Beide beteiligten sich an vielen Ausstellungen der Sezession und bestimmten ihre Marschrichtung. Einer Marschrichtung, die jedoch nicht ganz unumstritten war. Denn schon acht Jahre später trennten sich Künstler um Klimt und Bernatzik von der Wiener Sezession und gründeten 1905 ihre eigenes Grüppchen. Trennung von der Trennungsgruppe also. Warum auch nicht, Jedem das Seine.

Wilhelm Bernatzik - Schäfer am Lagerfeuer - Öl auf Leinwand (95 x 73 cm)

Totenstarre
Lange währt die Trennungsfreude jedoch nicht. Denn schon im drauf folgenden Jahr, im November 1906, verstarb der zu Lebzeiten hoch angesehene Maler. Nach einer großen Gedenkausstellung 1907, die seine Wiener Freunde ihm widmeten, wurde es schnell still um Bernatzik. Seitdem hat ihn kein deutscher/österreichischer Kurator oder Kunsthistoriker mehr aus der Versenkung geholt.

Zurück zum Lebenden

Wilhelm Bernatzik - Selbstbildnis - Kohlezeichnung

Zur Beschreibung seiner Person muss man schon auf zeitgenössische Quellen zurückgreifen:
Er hatte vor allem Begeisterung und die Brüder gehörten zu den vielen jungen Wienern, die seinerzeit zu Fuße nach Bayreuth pilgerten. Seine derbkräftige Anlage gestattete ihm das; er war auch später immer zu physischer Anstrengung aufgelegt und insbesondere ein leidenschaftlicher Radler, als solcher in etwas abenteuerlich grobem Dreß eine bekannte Figur. Auch sein mächtiger Kopf, mit den
tiefgefurchten Zügen, ließ nicht ahnen, daß er ein fein gestimmtes Gehirn barg. (Ludwig Hevesi - Kunstchronik und Kunstmarkt)
Vom selben Autor stammt eine Schilderung der von Impressionismus und Freilichtmalerei beeinflussten Malweise Bernatziks.
Seine eigene Malerei vertiefte und beseelte sich in der Wechselwirkung dieser Gemeinschaft von Jahr zu Jahr. Gleich seine ersten Bilder ließen es erkennen und fanden sämtlich Käufer.
Meist grüne, durchfeuchtete Bilder, mit einem leuchtenden Schwall von Wasser und purpurglühenden Blumen; Märchenschauplätze gleichsam. Dann warf er sich ins Gegenteil und malte in Neunkirchen am Steinfelde die staubtrockenen, staubgrauen Dämmerungen dieser für Wien sprichwörtlichen Einöde, aber auch die lauschige
Abendstille in den ländlichen Gäßchen mit ihren einsamen Laternen, die ein irisfarbener Hof umgibt. Gelegentlich stieg er sogar zu einem Weihnachtstableau mit geflügelten Engeln auf. Und zuletzt sah man von ihm ein ganzes Gemach, auf Gelb gestimmt, mit landschaftlichen Panelen von rosig-violettem Farbenhauch, denen man übrigens den Einfluß der Klimtschen Landschaften ansah.

Wilhelm Bernatzik - Das Paradies - Tryptychon (1904)

Er war ohne Zweifel in steter Vertiefung und Vergeistigung begriffen,
man durfte da noch viel Gutes erwarten.

Ich brauche mehr Details
Für die Statistiker zuletzt ein tabellarischer Lebenslauf, soweit es die im Internet verfügbaren Informationen hergeben:
  • 1853: Geboren am 18. Mai 1853 in Mistelbach (Niederösterreich). Bruder des Staatsrechtlehrers Hofrats Prof. Dr. Edmund Bernatzik.
  • 18xx: Beginn eines Jurastudiums in Wien
  • 1873: Abbruch, um an der Akademie der bildenden Künste Wien unter Eduard Peithner von Lichtenfels die Spezialschule für Landschaftsmalerei zu besuchen
  • 1875: Erhielt er die goldene Füger-Medaille für eines seiner ersten Werke Kain erschlägt seinen Bruder Abel
  • 187x: Großes Bild Sturm an der Küste von Istrien
  • 1875 - 1878: Studium an der Düsseldorfer Akademie, wo er vor allem Wald- und Sumpflandschaften malte
  • 18xx: Gemälde Jahrmarkt in Lundenburg
  • 1878 - 188x: Studium bei Léon Bonnat in Paris. Porträt und Figurenmalerei
  • 1880: Ab diesem Jahr war er Mitglied im Wiener Künstlerhaus bis zur Gründung der Sezession 1897
  • 1880: Ausstellung Künstlervereinigung Wien; Zeichnung mit dem Titel Landschaft
  • 1881: Prozession in Dürnstein an der Donau
  • 1884: Gemälde Der alte Prokop in seinem Obstgarten
  • 1885: Zyklus der vier Jahreszeiten (Frühling - Spiel der Jugend, Sommer - Schweiße harter Arbeit, Herbst - Ermüdet von der Last des Lebens, Winter - Im Tode), wobei mindestens der Herbst später mit geringen Abweichungen kopiert wurde
  • 1887: Gemälde Die Heilsboten
  • 1887: Gemälde Die Vision des heil. Bernhard im Kreuzgang des alten Stifts Heiligenkreuz gemalt, welches für die kaiserliche Galerie erworben wurde. Dort wurde ebenfalls, vielleicht zur gleichen Zeit, sein eine Madonna anmalender Mönch, Klosterwerkstätte, gemalt.
  • 1888: Silberne Staatsmedaille (wo?)
  • 1889: Bronze Medaille Weltausstellung Paris
  • 18xx: Gemälde Abenddämmerung, Franz Josefs-Quai, Träumerei
  • 18xx: Viele Bilder, Skizzen und Zeichnungen der Umgebung Lundenburgs, die er vielfach besuchte und dort vom Fürsten Wohnräume in dessen Schloss zur Verfügung gestellt bekam
  • 1891: Internationale Kunstausstellung Verein Berliner Künstler
    Bilder: Heiligenkreuz bei Baden in Österreich, Auf dem Kreuzwege und Der Versehgang
  • 1893: Teilnahme Weltausstellung in Chicago. Medaille(welche?) für sein Gemälde Vision des heiligen Bernhard
  • 1894: Teilnahme an der Internationalen Ausstellung in Brüssel
  • 1894: Teilnahme an der Internationalen Ausstellung in Antwerpen. Medaille 2ter Klasse
  • 1894: Juror bei der 3 Internationalen Kunstausstellung in Wien
  • 1897: Gründungsmitglied(insgesamt 40 Personen) der Wiener Sezession am 3 April. Austritt aus dem Künstlerhaus.
  • 189x-19xx: Bilder für die Vereinszeitschrift Ver Sacrum.
  • 1898: Teilnahme 1 Sezessionsausstellung und Kommissionsmitglied
  • 1898: Ausstellung 50jähriges Kaiserjubiläum in Troppau
  • 1898: Dämmerungsbilder
  • 1899: Teilnahme Sezessionsausstellung
  • 1899: Gemälde Märchensee wurde direkt an das Hofmuseum verkauft
  • 1899: In den Ausschuss der Generalversammlung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs gewählt
  • 1900: Teilnahme Sezessionsausstellung
  • 1902: Teilnahme Sezessionsausstellung
  • 1902: Gemälde Die Flamme(Felsenschlucht, vier bläulich verschleierte Frauen beschwören gelblich loderndes Feuer)
  • 1902-1903: Präsident der Wiener Szcession
  • 1903: Große Impressionismus-Ausstellung zusammen mit Josef Engelhart und Julius Meier-Graefe organisiert
  • 1903-1904: Gemälde Eingang zum Paradies
  • 190x: Gemälde für das Naturhistorische Hofmuseum in Wien. Goldgewinnung in Nevada und Goldbergbau von Vorospatak, Siebenbürgen.
  • 1904: Im Rahmen der Sezessionsausstellung ein eigener, künstlerisch eingerichteter Raum. Gelbe Wände mit violett-rosigen Gemälden.
  • 1905: 14. Juni Abspaltung von der Wiener Sezession mit Klimt und anderen Künstlern
  • 1906: Nach längerer Krankheit (mehrere schwere 'Anfälle') gestorben am 25. Nov. 1906 in Hinterbrühl in der Villa seines Schwagers Marx an der Thalstrasse nach Gaaden.
  • 1907: Große Gedächtnisausstellung in der Galerie Miethke.

Wunsch

Wilhelm Bernatzik - Weiher (um 1900) (100 x 71 cm)

Ich würde mir wünschen, mehr von diesem akademisch geschulten Maler zu sehen. Vor allem große, farbige Aufnahmen. Erst dann kann man Bernatzik Leistung und Können wirklich beurteilen. Auch wenn ich kein begeisterter Anhänger des Impressionismus bin, bietet die poetische Malerei, wie es seine Zeitgenossen formulierten, bestimmt einen angenehmen Kontrast zu den alles überstrahlenden Köpfen Klimt, Monet oder Renoir.

Sonntag, 4. Januar 2009

Megaseller und Bohlen's 'Das Supertalent'

Top 2008

Der Kunstmarkt hat, wie man mal wieder anhand der Liste der teuerst verkauften Bilder des Jahres 2008 sehen kann, nichts mit wahren Kunstwerken am Hut. Gekauft werden die Akteure, die von sogenannten Fachleuten in den Himmel gepriesen werden.

Große Kunst darf man hierbei natürlich nicht erwarten, Können ist aufgrund dessen fehl am Platz. Ein Blick auf die Liste in der FAZ macht dies mehr als deutlich.

Kasimir Malevich: Suprematistische Komposition (1916)Öl auf Leinwand - 88,5 x 71 cm

Wer 53 Millionen Dollar zu viel hat, um diese gegen ein paar bunte Linien eines Malevich einzutauschen, hat eine äußerst merkwürdige Art, sein Geld zu verpulvern. Aber er muss genug davon haben, deswegen sollten wir uns nicht allzu große Sorgen um diesen Geldhahn haben.

Mit diesem abstrakten Geniestreich möchte ich mich diesmal nicht beschäftigen, sondern mit der Staffel 'Das Supertalent' 2008. Wieso das, wo soll denn da der Zusammenhang sein? Ich glaube, ich muss ausholen.

Bewegte 33 Millionen Dollar

Edgar Degas: Danseuse au repos (um 1879)
Pastell auf Papier, 59 mal 64 cm

Platz 10 der Megaseller 2008 war für läppische 33 Millionen Dollar zu haben. Erworben hätte man damit ein Pastel-Bild, „Danseuse au repos“, um 1879, von Edgar Degas (1834-1917).

Degas gilt als einer der großen Maler des 19. Jahrhunderts. Bewegung soll er meisterhaft gemalt haben. Völlig zu Unrecht in meinen Augen, da seine Bilder dort aufhören, wo große Kunst anfängt.
Er ist kein typischer Impressionist, wird eher aufgrund seiner Bekanntschaft mit diesen in eine Verbindung gebracht. Gemeinsam ist natürlich, dass das malerische Können nicht ihrer Stärke ist.
Schlecht finde ich Degas nicht, teilweise gefallen mir seine Werke, aber als großen Künstler, der Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat, kann man ihn nicht gelten lassen. Dort gehören andere hin.

Suppenwerk

Sein Top 10 Werk ist eigentlich eher eine Studie. So wäre es in früheren Zeiten auch bezeichnet worden, bis jemand auf die schlaue Idee kam, diese halbgaren Werke als impressionistisch beendet zu erklären. Gerade hier, wo das Können und die Liebe zur Malerei beginnt, endet der Dilettant sein Werk.
Dies ist wie eine Suppe, zu der man die Zutaten wie gekauft in einen großen Topf wirft. Bisschen Wasser rein, fertig. Die Mühe des Schälens und die Kunst des Würzens lässt man besser ganz sein, da man dies als Dilettant nur falsch machen kann. Gibt ja genug Einfaltspinsel, die auch solch eine kalte Suppe kaufen. Und siehe da, ein weiterer Impressionist ist geboren.

Ratte mit gebrochenem Bein

Sein angebliches Meisterwerk ist von solch einer Kategorie. Schnell ein paar braune und weiße Pastelpinselchen auf die Leinwand geschmiert, Boden und Wand angedeutet, hier etwas Grün, damit alles schön farbig wirkt, zwei Beine und Arme unten dran und fertig ist die kleine "Ratte", wie die jugendlichen Ballett-Tänzerinnen damals manchmal genannt wurden. Gelungen sind einzig die glänzenden Haare.
Ansonsten schmerzt der Anblick der schiefen Beine. Das verdrehte, rechte Bein der armen Ratte wird in den nächsten Sekunden brechen. Für uns eine schauerliche Vorstellung. Aber dem lieben Maler machte dies wohl weniger aus. Nur keine Korrektur, sagte er sich, da mache ich nur noch mehr Baustellen auf. Alles bloß so lassen hat man mir gesagt, in 100 Jahren ist dies große Kunst.

Das Supertalent

Und was hat das mit "Das Supertalent" zu tun?

Noch immer nichts direkt, aber wir nähern uns.

Der wohl bewegendste Auftritt in der Show war jener, mit der ätherisch, schwebenden Stimme Lisa Gerrards unterlegte Auftritt, des Derwisch-Tänzer Shinouda Ayad.

Was ein Derwisch sein soll, wird vorher nicht jeder gewusst haben. Aber mit seiner hypnotischen Vorstellung und dem endlos um die eigene Achse drehen, hat er es dem Publikum näher gebracht.

Lebloser Akademiker

Jean-Léon Gérôme: Die wirbelnden Derwische (1899)
Öl auf Leinwand - 72,5 x 94 cm

Mir war dies als Liebhaber der akademischen Meister des 19. Jahrhunderts nicht ganz unbekannt, da mir das Ölgemälde 'Die wirbelnden Derwische' (1899), ein Bild Jean-Léon Gérômes (1824-1904), noch vor Augen schwebte.

Gérôme war ein Zeitgenosse von Degas und galt zur Recht als einer der ganz großen Meister im 19. Jahrhundert. Heutzutage wird er als lebloser, akademischer Techniker vom Mainstream verlacht oder ignoriert. Dass die großen Akademiker natürlich Bewegung genauso oder besser als der angeblich so beachtenswerte Degas darstellen, zeigen die folgenden Bilder. Dies ist nicht verwunderlich, da bei Beherrschung der Grundlagen und dem nötigen Talent alles gemalt werden kann. Denn ohne Können keine Kunst.

Was bei diesem Bild Gérômes überrascht, ist seine Größe. Es ist fast genauso groß wie das von Degas (Degas 59 x 64 cm, Gérôme 72,5 x 94 cm), wirkt aber zehnmal größer. Ein Effekt der detaillierten, kunstvollen Öl-Malerei.

Derwische überall

Dargestellt ist ein Tanzritual der Derwische. Als Derwisch wird jemand bezeichnet, der der mythischen Tradition des Islam, der Sufi, angehört, welche durch Gebet, Mediation, Askese oder gemeinsamen Zeremonien samt Tanz und Musik, eine ekstatische Annäherung an Gott erreichen will.
Solch eine Zeremonie kann mehrere Stunden dauern. Der monotone Gesang und die Musik können zu tranceartigen, hypnotischen Zuständen führen. Jemand steht auf und beginnt sich zu drehen. Und er dreht sich und dreht sich und dreht sich. Immer und immer wieder. Je nach Alter langsam oder schnell. Genau dieses permanente Drehen wurde beim Auftritt in der TV Sendung Das Supertalent 2008 gezeigt.
Und auf dem Meisterwerk Gérôme ist solch ein drehender Derwisch ebenfalls dargestellt.

Gérôme bewegt

Im Gegensatz zu Degas Megaseller ist dies ein vollendetes Bild, man fühlt sich als Zuschauer dieser Zeremonie. Nach einer ersten Skizze wurde das Bild nicht für vollendet erklärt, sondern hier begann erst die Kunst. Gérôme ist für seine sorgsam ausgearbeiteten Gemälde bekannt. Er hatte bestimmt solch eine Veranstaltung vorher besucht und die Eindrücke in vielen kleinen Studien und Skizzen festgehalten. Erst als er zufrieden mit seiner Komposition war, konnte das Ölgemälde beginnen.

Man kann einen beliebigen Ausschnitt aus dem Bild wählen und hat immer ein kleines Meisterwerk vor sich.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Ansammlung der Turbane grenzen den Halbkreis um den Tänzer ein und wirken zum Greifen nah.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Musiker ergäben ein wunderbares eigenes Bild.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Bewegung des tanzenden Derwisch ist in Perfektion dargestellt. Im Gegensatz zum ach so großen Meister Degas, ist hier die Bewegung wunderbar gelungen. Jeder Pinselstrich sitzt. Der Wind des drehenden Rocks weht einem scheinbar entgegen.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die hypnotischen, in Trance gefallenen Gesichter sind vielfältig und ausdrucksstark dargestellt. So auch die Bewegungen und Körperhaltungen dieser Personen.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Stoffe glänzen und die Personen leben.

Die Darstellung verzeiht keine Fehler und zeigt hier den großen Meister.
Und dies ist mit Sicherheit nicht Degas oder die sonstigen Megaseller, sondern der große Gérôme!


Nachtrag:
Mir fällt gerade eine weitere Verbindung zwischen Gérôme und dem Auftritt in der Fernsehsendung Das Supertalent auf. Dies ist die brillante Musik von Lisa Gerrard. Und zwar ist der Zusammenhang folgender:
Der Film Gladiator wurde nach Aussagen von Ridley Scott von Gérômes Gemälde Pollice Verso inspiriert. Und siehe da. Sowohl der Gladiatorfilm als auch der TV Derwisch wurden von ihrer Musik begleitet.
Soweit ein weiteres Kapitel der Reihe, Wissen, welches die Welt nicht braucht.