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Freitag, 21. August 2009

Skandal Munch

Im Folgenden möchte ich auf den Fall Munch des Jahres 1892 eingehen, der einer der Auslöser für die Gründung der Berliner Sezession war. Dieser Fall wurde vielfach beschrieben, meiner Meinung nach aber viel zu einseitig.

Unterlegt habe ich das Ganze mit Bildern beider Seiten, um nicht nur im Trockenen zu schwimmen. Leider kann ich aufgrund der 70 Jahre Sperrgrenze keine Bilder Munchs zeigen, aber die zeitlich zulässigen Expressionisten stehen ihm in nichts nach und werden ernsthaft in Museen als besonderes beachtenswert gezeigt. Als ein Fortschritt der Malerei unter dem Primat der Ästhetik, wie eine der hohlen Floskeln heißt.

Unbekannter Maler

Aufgrund einer Empfehlung des Malers Adelsteen Normann lud der Verein Berliner Künstler dessen norwegischen Landsmann Edvard Munch nach Berlin ein, vielleicht um einen weiteren skandinavischen Maler die Chance zum Aufstieg in Deutschland zu geben.

Adelsteen Normann - Fischerhafen in Nordnorwegen (1880)

So, wie es Normann selber, Hans Dahl, Adolph Tidemand und anderen vergönnt war.

Adolph Mandel Tidemand - Die Andacht der Haugianer (1848)
Öl auf Leinwand (143 x 181 cm)

Munchs Bilder waren fast allen Mitgliedern des Vereins unbekannt und so vertrauten sie voll und ganz auf den Rat ihres Kollegen. Man wollte den Berliner etwas Besonderes bieten, etwas Neues. Was jedoch genau auf sie zu kam, wusste außer Normann keiner so genau.

Hans Dahl - In Erwartung seiner Rückkehr

Hoffnung

Die Ausstellung wurde mit der Umschreibung Ibsenscher Stimmungsbilder mit Tiefgang, eines genialen norwegischen Malers, umworben. Dies suggerierte eine intime, realistische Bilderwelt in der Art des in den 90er Jahren aufkommenden Naturalismus oder Symbolismus, gepaart mit skandinavischen Einflüssen. Leon Lhermitte, Jules Bastien-Lepage, Fernand Khnopf oder Anders Zorn fallen einem ein. Diese malten manchmal mit dem breiten Pinsel der Impressionisten, aber immer in der meisterhaften akademischen Tradition mit feinen Details und gekonntem Bildaufbau.

Anders Zorn - Lappings of the waves (1887)
Aquarell (254 x 167,64 cm)

Realität

Die Spannung war groß. Als jedoch die Show mit 55 Bildern eröffnete, fuhr mit einem Schlag ein Zug der Entrüstung durch den Berliner Blätterwald und den Verein Berliner Freunde. Und so kam es nicht überraschend, dass nach der ersten der geplanten zwei Wochen die Ausstellung wieder geschlossen wurde.

Paul Adolf Seehaus - Leuchtturm mit rotierenden Strahlen (1913)
Öl auf Leinwand (49 x 45,5 cm)

Warum?

Warum war die Ablehnung groß? War dies wirklich unberechtigt? Welche Rolle spielte Anton von Werner hierbei? Und war die Kunstfreiheit in Gefahr? Dies sind Fragen, die einem in den Sinn kommen.

Urteil 1. Instanz

Die offizielle Geschichtsschreibung findet hier schnell eine Antwort. Das große, revolutionäre Neue des norwegischen Malers wurde verkannt und Anton von Werner war der Buhmann, der alles einfädelte. Dies ist im Wikipedia-Artikel zu Munch, auf der Geschichtsseite des Vereins Berliner Künstler und an vielen anderen Stellen in diesem Sinne zu lesen zu.


Ernst Ludwig Kirchner - Taverne (1909)
Öl auf Leinwand (71,8 x 81,3 cm)

Revidiertes Urteil

Schön wäre die Welt, wenn sie immer so einfach wäre. Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite, und diese möchte ich hier etwas genauer erläutern.

Inhalt

Das Besondere an den neueren Gemälden Munchs (so waren auf jeden Fall von seinen neueren Werken Der Kuss, Melancholie, Verzweiflung, Vision vertreten) war seine Fixierung auf die melancholisch, einsame, verlorene Seite der Menschen. Seine Bilder boten keine Hoffnung, was ungewöhnlich für diese Zeit war.

Fernand Khnopff - Die Klausnerin (I lock my door upon myself) (1891)
Öl auf Leinwand (72 x 140 cm)

Diese inhaltliche Komponente spielte aber bei der Ablehnung Munchs, soweit ich das den Zitaten entnehme, keine wirkliche Rolle.

Form

Der Grund der Ablehnung lag vielmehr in der Art der technischen Umsetzung. Und diese war für die damalige Zeit einfach lachhaft. Hier sollten Gemälde, die höchstens als einfache, ungeschickt gemalte Studien gelten konnten, als meisterhafte Werke dem Publikum angepriesen werden.

Marianne von Werefkin - Herbst (Schule) (1907)
Der Möbelwagen ist bepackt, die fünfundfünfzig Studien des Norwegers sind aufgeladen (Zitat Frankfurter Zeitung)
Dies war eine Beleidigung der großen Künstler der Vergangenheit und Gegenwart, die sich durch ihr großes Können von den normalen Zeitgenossen unterschieden. Ein Raffael, Caravaggio, Rubens, Rembrandt oder Tiepolo gelten als Große der Kunst nicht wegen ihres thematischen Inhalts (meist religiöse Bilder, Sagen oder Allegorien, deren genaue Bedeutung den heutigen Betrachter nicht mehr wirklich berührt oder direkt bekannt ist), sondern wegen ihrer technischen Brillanz und ihrem Können, welches sie von ihren Zeitgenossen unterschied.
Dies sollte nun mit einem Male nicht mehr von Interesse sein?


Jules Bastien-Lepage - Joan Of Arc (1882)
Öl auf Leinwand(254 x 279 cm)

Nein, diese Vorstellung war absurd. Vielleicht nicht für die Ohren eines modernen Kunstjünger, der mit der Vorstellung aufwächst, dass alles Kunst und jeder Künstler ist und für den der Expressionismus (meine Meinung dazu hier) das höchste der Gefühle darstellt.
Dieser Unsinn war jedoch zur damaligen Zeit wenig verbreitet und macht die Reaktion umso verständlicher.

Klare Verhältnisse in der Küche

Vielleicht hilft es, den Sachverhalt nochmal auf neutralerem Boden zu verdeutlichen.

Niemand würde sich über Folgendes wundern:

Ein angesehenes Restaurant lädt für jeweils zwei Wochen Gastköche ein, um seinen Kunden einen Blick in die Kochtöpfe anderer Länder zu ermöglichen. Einer dieser Köche war ein ungeschriebenes Blatt, aber aufgrund einer Empfehlung eines Bekannten eingeladen worden. Sein Kommen wurde mit hochlobenden Worten in der Zeitung beworben.

Man freute sich auf das neue Geschmacksfeuerwerk und der Andrang war groß. Jeder wollte mal kosten.

Jedoch als die ersten Gäste ihre gefüllten Teller sahen, war das Erstaunen groß.
Dieser Mensch kochte ganz anders als man dies kannte. Alles war roh, nichts gekocht, gegrillt oder gewürzt. Mit einer revolutionären Ausnahme. Sand wurde als besonderes Geschmackserlebnis allem beigegeben. Dies war bodenständig, billig, neuartig und für jeden machbar.

Geschmeckt hat es Niemanden und deswegen gab es einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten. Dieser Koch war eine Beleidigung für jede Küche und er konnte nicht weiter geduldet werden. Wenn kochen so schnell und einfach wäre, warum gab es dann diese lang ausgebildeten und hart arbeitende Sterneköche. Dann wäre jeder ein Meisterkoch.

Paul Gauguin - Armer Fischer (1896)

Léon Lhermitte - Löhnung der Erntearbeiter (1882)
Öl auf Leinwand (215 x 272 cm)

So kam es, dass im Restaurant darüber abgestimmt wurde, ob man dem Koch seine vollen, vorher versprochenen zwei Wochen geben sollte oder ob er im hohen Bogen aus der Küche fliegt. Die Mehrheit war dafür, aus dem Fehler der Einladung zu lernen und diesen dilettantischen Pseudokoch zu feuern, ehe der Ruf des Restaurants und der Kochwelt noch mehr Schaden nahm. Und so geschah es.

Zum Glück aus meiner Sicht. Denn wenn es um unsere Küchen so schlecht bestellt wäre wie um unserer Museen mit ihren dilettantischen expressionistischen und abstrakten Nichtskönnerwerken, die nur aufgrund ihrer Signatur Bedeutung haben, dann hätten unsere Mägen nichts mehr zu lachen.

Anton von Werners Rolle

Von Werner sah die Bilder, wie sollte es anders sein, als Hohn für die Kunst und wahre Künstler an.

Otto Mueller - Knabe vor zwei stehenden und einem sitzenden Akt

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals am 1 Oktober 1903 (1908)
Ausschnitt mit Adolph Menzel
Öl auf Leinwand (230 x 280 cm)

Aber er war nicht alleine auf schmaler Front. Die Schließung war kein Einzelakt, sondern wurde nach einer hitzigen Debatte durch eine breite Abstimmung im Verein beschlossen. 120 gegen 105 Stimmen für die Variante der direkten Schließung, die durch Professor Eschke beantragt wurde.
Also nicht Anton von Werner allein, sondern 120 Mitglieder des Vereins Berliner Künstler stimmten für das direkte Ende. Anton von Werner als Vorsitzender und vehementer Verfechter wirklicher Kunst war hierbei natürlich in exponierter Lage und wird deshalb wohl immer wieder als alleiniger Übeltäter betrachtet.
Oder, wie ich es formulieren würde, als unbeugsamer Kämpfer für die jahrhundertealte große Tradition der Malerei.

Zitate

Die Stimmen für die Fortführung der Ausstellung waren übrigens nicht mit der Begeisterung für die Kunst selber verbunden, sondern mit dem Glauben, sein Wort halten zu müssen.
In einem von 48 Berliner Künstlern verfassten Rundschreiben ist unter anderem folgendes zu lesen:
... und deshalb verurteilen wir, ohne zu der in den Munchen'schen Bildern ausgesprochenen Kunstrichtung irgendwie Stellung nehmen zu wollen, die Schließung der Ausstellung als eine dem üblichen Anstand zuwiderlaufende Maßnahme.
Die Bilder selber waren hart Tobak auch für wohlgesonnene Zeitgenossen:
unserem Auge so ungewöhnlich, daß man sich auf den ersten Blick kaum in diesem bunten Farbenspiel von violetten und grünen Farbflecke zurechtfindet
Da hatte es ein Kritiker wie Adolf Rosenberg schon einfacher. Er erklärte:
Über die Munch'schen Bilder ... ist kein Wort weiter zu verlieren, weil sie mit Kunst nichts zu tun haben
Kunstfreiheit in Gefahr?

Und da sind wir direkt bei der letzten Frage, ob mit solch einer Entscheidung nicht die Kunstfreiheit auf's schwerste verletzt wurde?

Meiner Meinung nach Nein, da die Werke Munchs aufgrund fehlenden Könnens wenig mit Kunst zu tun haben.

Hier ist nichts verletzt worden, sondern der Notanker geworfen. Wenn bei einer Mathematiker-Konferenz ein Hochstapler auftritt, der nicht mal bis 10 Zählen kann, gäbe es Null Aufregung, wenn man diesem den Ton abdreht.


Egon Schiele - Neugeborenes (1910)

Aber in der Kunstwelt ist ja heutzutage Toleranz gefragt. Denn ohne diese wäre der Müll, der in unseren modernen Museen hängt, nicht zu erklären.

Der dilettantische Realist unserer Zeit, der die simpelst nachzumalenden Munchs kopiert (Bildersuche im Web liefert dafür genügend Beispiele), fragt sich natürlich, was hat eigentlich dieser Munch und die anderen jüngeren Künstler in den Museen, was ich nicht habe, außer dass sie zuerst kamen? Meine Antwort ist Glück. Ansonsten nichts.

Hermann Stenner - Grüne Frau mit gelbem Hut I (1913)
Öl auf Pappe (42,5 x 38 cm)


Ein Meisterwerk Viberts, Rembrandts oder von von Werner, um ein paar Beispiele zu nennen, wird niemals ein Laie kopieren können, weil ihnen dazu jede Fähigkeit fehlt. Deshalb sind diese drei vorher genannten große Künstler, ein Munch jedoch nicht.

Jehan Georges Vibert - The Fortune Teller
Öl auf Leinwand (68,6 x 101,6 cm)

Um die Schattenseiten des Menschen und der Menschheit zu malen, muss man seine Kunstfertigkeit nicht, wie Munch oder Picasso, ablegen. Aber dazu ein andermal mehr...

Freitag, 7. August 2009

Anton von Werner (Teil 6)

Auf geht es zu den letzten vier Jahren der Biografie Anton von Werners, Erlebnisse und Eindrücke von 1870 bis 1890 und dem einmaligen Einblick in diese Zeit mit den Augen eines bedeutenden Künstlers.


Anton von Werner - Fünf Kopf - Studie zum Reichstagsbild (1889)
Öl auf Malpappe (51 x 70 cm)

1886

Arbeit ohne Ende

Über zu wenig Arbeit konnte sich von Werner nicht beklagen. Anfang des Jahres beendete er Bismarcks Version der Kaiserproklamation, arbeitet an der Krönung König Friedrich I für das Zeughaus und zeichnete Illustrationen zu Scheffels Werken, unter anderem seinem Gaudeamus. Außerdem waren Studien für ein neues Bismarck-Porträt notwendig. Langeweile kam also, wie immer, nicht auf.

Damen der Gesellschaft

In dieser Zeit lernte er zwei Schwestern kennen, die in den Wintermonaten ganz Berlin verzückten. Die Malerin Marie Kirschner und ihre Schwester Aloisia, welche unter dem Pseudonym Ossip Schubin bekannt war. Die Abende bei diesen Damen lockte von Werner und viele andere der kulturellen Elite Berlins an.


Anton von Werner - Ossip Schubin (1886)
Zeichnung

Weiterhin war die Donnerstagsgesellschaft bei Kaiserin Augusta ein Muss für den Künstler. In diesen Kreisen fühlte er sich wohl und verbrachte seine Abende mit Musik und Diskussionen. Die nachfolgende Skizze zeigt, mit welcher meisterhaften Leichtigkeit Anton von Werner mit nur wenigen Strichen die Atmosphäre solch eines Abends darstellen kann.

Anton von Werner - Donnerstag-Soiree bei Kaiserin Augusta (1886)
Zeichnung

Todesnachricht

Ein trauriges Ereignis überschattete diese glückliche Zeit. Sein langjähriger Freund Victor von Scheffel verstarb im April. Dessen Tod war ein schwerer Schlag für von Werner.
Zu diesem traurigen Anlass klangen ihm die Worte im Ohr, die Scheffel zum Tode seines Freundes Friedrich Eggers schrieb:
Es ist mir, als wäre ein Stück von mir selber begraben, denn wir haben unsere Studienjahre in idealer Liebe zur Kunst und idealer persönlicher Freundschaft verlebt.
100 Jahre ist es her

Dieser Verlust schlug mit voller Wucht auf die Psyche des Künstlers und von Werner war Wochen nicht in der Lage, dem anstehenden Großereignis seine normale, gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
Es galt, die Hundertjahrfeier der akademischen Ausstellungen in Berlin zu organisieren, denn vor exakt hundert Jahren hatte Friedrich II kurz vor seinem Tod diese öffentliche Ausstellung in Berlin ins Leben gerufen. Zu diesem Anlaß sollte die Ausstellung nicht nur künstlerisch hochklassig werden, sondern auch in einem angemessenen Rahmen stattfinden.

Man errichtete ein neues, prunkvolles Ausstellungsgebäude, welches der Vorderseite des Zeustempel von Olympia samt großer Freitreppe glich. Verfeinert wurde das Ganze mit
Reliefs und einem Halbrundbild von Pergamon.

Dieses glänzende Äußere zog bekannte Künstler des Auslands an, allen voran die Riege der englischen Malerelite, Frederic Leighton, John Everett Millais, Valentin Cameron Prinsep, Philip Hermogenes Calderon, Walter Crane, Edward Burne-Jones, Walter William Ouless, Edward Poynter, George Frederic Watts, James McNeill Whistler oder Lawrence Alma-Tadema.

Lawrance Alma Tadema - Expectations (1885)
Öl auf Leinwand (66,1 x 45 cm)

Walter William Ouless - Porträt des Maler Edward Armitage (1886)

Anton von Werner beteiligte sich mit drei Gemälden, Der Kongress in Berlin, Moltke vor Paris und Kriegsgefangen. Die Ausstellung zog die Massen an, so ist von 10000 bis 12000 Personen täglich die Rede.

Pergamonfest


Pergamonfest (1886) - Foto

Der Höhepunkt in den Herzen der Berliner Künstler war aber wohl ein anderes Ereignis, welches Stadtgeschichte schrieb.
Das große Pergamonfest des Vereins Berliner Künstler, an dem 1300 Kostümierte mitwirkten, um den Triumphzug des Königs Attalos und die Darbringung der Dankopfer auf der Terrasse vor dem Olympia-Zeustempel darzustellen. Die malerischen Massenbilder bei strahlendem Sonnenschein schwebten noch lange in den Köpfen der Beteiligten und sogar finanziell war dem Ganzen ein kleiner Erfolg beschieden.

Leighton, Mann von Welt


Edward von Steinle - Frederic Leighton und Enrico Gamba (1852)

Zum Ende der Ausstellung lernte er den großen Engländer Lord Frederic Leighton kennen, den er als Künstler hochschätze und als Mensch bewunderte.

Frederic Leighton - And the sea gave up the dead which were in it (1891-1892)
(228.6 cm)

Hier Anton von Werners Worte:
Bei dem ... anschließenden Festmahle machte ich die Bekanntschaft des berühmten Präsidenten der Londoner Royal Academy, Sir Frederic Leighton, der ... einen Trinkspruch ... in ebenso fließendem und dialektfreiem Deutsch erwiderte, wie ich es später noch öfter in seinen deutsch an mich geschriebenen Briefen zu bewundern Gelegenheit hatte.
Er war vor 44 Jahren in die Berliner Akademie eingetreten, dann längere Zeit Schüler von Eduard Steinle gewesen und gehörte zu den Bevorzugten, denen die Vorsehung zu dem höchsten Glück der Erdenkinder, einer bezaubernden
Persönlichkeit, und zur künstlerischen Begabung auch noch die köstliche Gabe der mühelosen Beherrschung mehrerer Sprachen in den Schoß geworfen hatte.
Leighton' ideal schöner Männerkopf, der so gar kein englische-nationales Gepräge trug, wird jedem, der ihn damals gesehen hat, unvergeßlich sein.
...
und besuchte ihn auch in London in seinem prächtigen Jungessellenheim im Holland-Park Road Nr.2 im Sommer 1891. In der Royal Academy Exhibition war
sein "Schlangenbändiger" in Marmor ausgestellt, und bei dem üblichen großen Empfang in der Akademie hatte ich die Gelegenheit, den Meister, den ich längst in seinen Werken als Maler und Bildhauer hochschätzte, nun auch in seiner Würde als Präsident zu bewundern, wie er mit der vollendeten Vornehmheit und Grazie eines Grandseigneurs die Honneurs der Akademie für die vornehme Welt Londons und zahllose Fremde machte.

Frederic Leighton - Music Lesson (1877)
Öl auf Leinwand (92,8 x 118,1 cm)

Wieder mal in Wannsee

Die Sommermonate verbrachte der Künstler wieder einmal in Wannsee.

Anton von Werner - Vor dem Seglerhaus in Wannsee

Neben seinen künstlerischen Arbeiten (Studien zu einem großen Porträt der Familie Mannheimer und dem Reiterporträt für Graf Douglas, wahrscheinlich ist dieser gemeint) erfährt man hier einiges über die aufblühende Region. Zu dieser Zeit errichteten viele Künstler, wie im Folgejahr auch von Werner selber, ihre Villen in dieser malerischen Gegend. Motor-Droschken und Autos gab es noch nicht, so dass eine himmlische Ruhe herrschte. Den Weg in die Stadt erleichterte die neu errichtete Bahn, was dazu führte, dass eine ganze Kompanie der arbeitenden Bevölkerung morgens gemütlich zum Bahnhof pilgerte, um ihrer Arbeit im hektischeren Berlin nachzugehen. Unter ihnen gelegentlich auch von Werner, wenn er seinen Urlaub aufgrund von dienstlichen Terminen in der Stadt unterbrechen musste.

Anton von Werner - Der 70. Geburtstag des Kommerzienrats Valentin Mannheimer (1887)
Öl auf Leinwand (101 x 143 cm)

1887

Reichstag

Zu Beginn des Jahres war von Werner mehrfach im Reichstag zu Gast, um die Gelegenheit zu nutzen, Studien für ein Porträt Bismarcks zu zeichnen.

Anton von Werner - Fürst Bismarck am Bundesratstisch (1888)
Öl auf Leinwand (155 x 115 cm)

Eine kleine Version dieses Porträts wurde später dem noch heute existierenden deutschen Club in Melbourne, im Rahmen der Weltausstellung 1888, geschenkt.

Macher


Wie kaum ein zweiter Künstler wurde von Werner als Macher angesehen, der das volle Vertrauen seiner Kollegen besaß. So wurde ihm 1887 der Vorsitz des Vereins Berliner Künstler und der Deutschen Kunstgenossenschaft angetragen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war er somit der wichtigste Künstler im deutschen Reich. Nicht angebiedert oder hochgeschleimt hat er sich, sondern wegen seiner brillanten Fähigkeiten als Organisator und Redner in diese Positionen gedrängt.

Verein gestärkt

Seine Zielsetzung im Verein Berliner Künstler war keine bescheidene. Er wollte das Mitspracherecht des Vereins gegenüber der Akademie stärken, die Ausstellungen besser vermarkten, die Verluste der letzten Jahre in Gewinne umwandeln und für den Verein bessere Räumlichkeiten finden.
All diese Ziele konnten unter seiner Schirmherrschaft in den folgenden Monaten und Jahren realisiert werden. Nicht immer mit vollem Beifall der Mitglieder, aber immerhin. So wurde das Vereinsvermögen 1891 aufgrund der vom Verein Berliner Künstler erstmals organisierten Akademieausstellung verdoppelt, seine Wiederwahl zum Vorsitzenden im nächsten Jahr jedoch mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossen.
Einige Jahre später legte er dann, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen, mit ruhigem Gewissen den Vorsitz des rundum professionalisierten Vereins nieder, den im Folgejahr 1895 Ernst Koerner antrat.

Das Ende der Welt kann kommen

Seine erste Arbeit als Vorsitzender der deutschen Kunstgenossenschaft war die Vorbereitung der Kunstabteilung der Weltausstellung in Melbourne im kommenden Jahr 1888. Eine Mammutaufgabe, die er, wie immer, mit Bravour bewältigte. So war am Eröffnungstag der Weltausstellung
der Zudrang des Publikums so stark, daß die metallenen Schutzstangen vor den Bildern eingedrückt wurden.
Jugendliche 90

Das Land stand Kopf. Der von vielen verehrte Kaiser Wilhelm I wurde 90 Jahre alt. Die Berliner Künstlerschaft war selbstverständlich voller Eifer beteiligt. Die Fassade der Akademie wurde geschmückt, Skulpturen errichtet, Friedrich Geselschap malte einen passenden Fries dazu. Das Architektenhaus schmückte ein Transparentgemälde Die Geburt Kaiser Wilhelms nach einem Entwurf von Ludwig Knaus und der Verein Berliner Künstler sendete eine von Anton von Werner gezeichnete Glückwunschadresse und ehrte den Tag mit einem ihrer Feste.


Anton von Werner - Glückwunschadresse des Vereins Berliner Künstler
zum 90 Geburtstag Kaiser Wilhelms (1887)

Königliches Bild

Zu dieser Zeit wandten sich in England lebende Deutsche an von Werner, um sein malerisches Können auch für das britische Empire zu gewinnen. Denn das 50-jährige Jubiläum der Thronbesteigung Königin Victorias stand im Juni an. Als Geschenk wünschte man sich ein Gemälde, dessen Inhalt die älteste Tochter Königin Victorias, Kronprinzessin Victoria
bestimmte.
... wie Prinz Heinrich mit seiner Braut im Familienkreise am Morgen des 22. März (Hinweis: dem Geburtstag seines Onkels Kaiser Wilhelm I) vom Kaiser empfangen wird.
Da die schlauen Herrschaften reichlich spät auf die Idee zu diesem Geschenk kamen, konnte Anton von Werner zu den Feierlichkeiten im Juni nur eine, wie er es nennt,
flüchtige Aquarellskizze des Bildes anfertigen, wobei alle Anforderungen an historische Richtigkeit der Kostüme und der Örtlichkeit unbeachtet bleiben musste, weil zu den nötigen Studien gar keine Zeit war.
Anton von Werner - Verlobung des Prinzen Heinrich am 90. Geburtstag Kaiser Wilhelm I - Farbskizze (1887)
Aquarell über Bleistift (63,0 x 92,5 cm)

Die notwendigen ausführlichen Studien wurde später nachgeholt

Anton von Werner - Figurenstudie Kronprinzessin Victoria (1887)
Bleistift und Rötel (46,2 x 30,6 cm)

und das vollendete Gemälde nach einigem hin und her und gewünschter Korrekturen erst im April 1889 vollendet werden.

Anton von Werner - Verlobung des Prinzen Heinrich am 90. Geburtstag Kaiser Wilhelm I - Farbskizze (1889)
Öl auf Leinwand (203 x 261 cm)

Delegiertentag

Als neuer Vorsitzender musste Anton von Werner natürlich zum Delegiertentag der deutschen Kunstgenossenschaft nach München reisen. Eine Aufgabe, die er zur Auffrischung seiner Kontakte mit befreundeten Malern nutzte.
So besuchte er Friedrich August von Kaulbach in seinem Atelier und bewunderte unter anderem dessen Fächermalereien und die unkomplizierte Art des Prinzregenten Luitpold, der zur gleichen Zeit das Atelier des Künstlers besuchte.

Friedrich August von Kaulbach - Oskar von Miller Porträt (1912)

Doch auch andere Kollegen wollten besucht sein.
Ich hatte noch Zeit gefunden, außer F.A. von Kaulbach auch Defregger, Albert Keller und J. Wenglein in ihren Ateliers zu besuchen, Bruno Piglheins Panorama "Golgatha" zu bewundern und einem höchst amüsanten Kellerfest der Kunstgenossen auf dem Hofbräuhaus beizuwohnen.
Bruno Piglhein - Jerusalem Panorama Ausschnitt (1886)

Bayerischer Urlaub

Als Urlaubsziel wurde dieses Jahr der südöstliche Zipfel der heutigen BRD auserkoren, Berchtesgaden.

Anton von Werner - In der Sommerfrische in Berchtesgaden (1887)
Zeichnung

Diese schöne Gegend sollte nicht nur Erholung bieten, sondern sein Skizzenbuch mit malerischen Motiven füllen. Und das tat es auch.

Anton von Werner - Berchtesgaden - Studie (1887)
Bleistift
Der malerisch-landschaftliche Reichtum der ganzen Gegend ist geradezu erdrückend. Es war in dieser Jahreszeit zwar alles noch zu üppig grün und reizte nicht gerade zum Malen, aber das Skizzenbuch war wenigstens auf allen Ausflügen, die ich mit den Meinen an den Königs- und Untersee, in die Ramsau, die Wimbach- und Ambachklamm, auf die Scharitzelalp und andere Ausflugspunkte täglich unternahm, stets zur Hand und füllte sich schnell, obgleich mein Aufenthalt mehr der Erholung als der Arbeit gewidmet sein sollte.

Anton von Werner - Kinderstudie in Berchtesgaden (1887)
Zeichnung

Da Chiemsee nicht allzu weit von Berchtesgaden entfernt war, nutze er die Gelegenheit zum Besuch des Schlosses Herrenchiemsee
Was ich hier in dem an einzelnen Stellen leider schon wieder zerfallenden Wunderbau an prachtvoller Überbietung des Versailler Originals sah, war geradezu verwirrend, blendend und ein glänzendes Zeugnis für die Leistungsfähigkeit der Münchener Künstler und Handwerker, die hier ganz im stillen ein Wunderwerk geschaffen hatten.
Weiter nach Frauenchiemsee,
dem allbekannten Studienplatz der Münchener Künstler, vor allem C. Raupps, der den Chiemsee und seine Leute in allen Stimmungen verherrlicht hat,

Karl Raupp - Ein sonniger Morgen am Chiemsee (76 x 139 cm)

begrüßte ich die Maler Felix Poffart, Wopfner, Beer und Koken, und auf dem Rückweg begegnete ich auf dem Landungssteg dem Prinz-Regenten in Begleitung seiner Schwester, der Herzogin von Modena, der mich in seiner gütig leutseligen Weise ansprach und mir die Verleihung des Maximilianordens, für den ich vom Ordenskapitel an Stelle des am 21. Juli 1886 verstorbenen Direktors C. v. Piloty vorgeschlagen war, ankündigte und dazu gratulierte.
Die Rückreise führte die Familie von Werner noch nach Salzburg, wo er neben der wundervollen Aussicht das Museum, die Burg und die Kirchen,
die mit ihren Barockaltären Adolf Menzel Stoff zu so vielen seiner meisterhaften Gouachen gegeben haben.
Kaiserliche Studien für Victoria

Das Gemälde für die Königin Victoria sollte, wie schon beschrieben, perfekt gelingen. Dazu wurden Anton von Werner im Oktober Studien bei Kaiser Wilhelm I in Baden, dem Kronprinzen in Baveno und dem badischen Großherzog in Darmstadt gewährt.

Anton von Werner - Studie Prinzess Margarethe und Sophie (1887)

Zur angenehmeren Gestaltung des Modellstehens sprachen der Künstler und sein Kaiser über Gott und die Welt und so alltäglich-menschlichem wie
, daß er in letzter Zeit einige Male über den Teppich gestolpert oder auf dem glatten Parkett ausgeglitten und hingefallen sei, aber ohne Schaden davon zu tragen, "das letzte Mal, obgleich ich den Degen an der Seite trug", und wie er mit Humor hinzufügte "weil ich von der Tournüre der Erbprinzessin von Meinigen, die ja jetzt glücklicherweise Mode sind, aufgehalten wurde und sanft abglitt, ehe ich den Boden erreichte".
oder er informierte den Kaiser mehr oder weniger über die neusten Gemälde und Denkmäler, die sein Antlitz tragen, wie zum Beispiel Rudolf Siemerings Siegesdenkmal für Leipzig
Bei dem mir wohlbekannten realistisch-militärischen Feingefühl des Kaisers hatte ich es vermieden, ihm zu berichten, daß er selbst an dem Denkmal sitzend, in einem in Wirklichkeit für den Deutschen Kaiser nicht vorhandenen Krönungs- oder Kaiserornat barhäuptig, mit einem Reichsapfel in der Hand, dargestellt sei, ich war überzeugt, daß ich ihm diesen Tag damit gründlich verderben würde.

Rudolf Siemering - Leipzig Siegesdenkmal (Foto von 1900)

Im Schlafgemach des Kaiser im Hotel Messmer verabschiedete man sich
als ich den Kaiser bat, sich in das nebenan befindliche Schlafzimmer zu bemühen und mir dort noch einige Augenblicke für die ganze Figur zu posieren. Es schneite und war im Arbeitszimmer des Kaiser sehr dunkel geworden, im Schlafzimmer war es noch etwas heller; das Zimmer war aber sehr schmal, so daß sich der Kaiser dicht vor seinem Bett stellen mußte, was mir übrigens für den Fall, daß seine Majestät unversehens ermüdete, eine große Beruhigung war, Er stand aber ganz stramm in etwas vorgebeugter Stellung, wie es für das Bild nötig war, während ich natürlich in fliegender Hast zeichnetet, und er war sehr überrascht, als ich schon nach kurzer Zeit mit der Meldung, daß ich fertig sei, meinen Dank aussprach.
Heisere Zeichen

Zur Erholung weilte der schon angeschlagene Kronprinz Friedrich mit seiner Familien in Baveno. Dort wurde er mit größtem Respekt als Ehrengast verehrt.

Anton von Werner - Villa Clara in Baveno (1887)
Zeichnung

So beschreibt von Werner seine Ankunft in Baveno am Tage des Geburtstags des Kronprinzen. Es war schon dunkel,
Pallanza, Intra und Baveno waren dem kronprinzlichen Geburtstage zu Ehren festlich illuminiert, Feuerwerk und Musik in allen Orten, glänzend erleuchtete mit Laub und Teppichen dekorierte Barken glitten unter den Klängen von Musik und Gesang an der Küste von Baveno hin und her, übertönt von dem Zischen und Prasseln der Raketen, Feuerräder und den Böllerschüssen des Feuerwerks, die ganze Natur, die Menschen, alles, alles jubelte, - und da oben von der Villa Clara in Baveno aus sollte der Liebling, der Siegfried des deutschen Volkes, diesem Jubel als ein dem Tode vorzeitig Geweihter zuschauen, in dem sicheren Bewußtsein, unrettbar dem unerbittlichen Verhängnis zuzueilen?! Ein furchtbarer Gedanke, der mich erschauern machte!
Wie es wirklich um dessen Gesundheit bestellt war, drang nicht nach außen. Er war braun gebrannt und gesund aussehend, nur eine starke Heiserkeit wurde von von Werner beunruhigend bemerkt, aber das dies Geschwür dem Kronprinzen im nächsten Jahr das Leben kosten sollte, glaubte er noch nicht. Warum auch, die besten Ärzte dieser Zeit waren uneinig, wie die Behandlung durchzuführen sei.

Anton von Werner - Figurenstudie Kronprinz Friedrich Wilhelm(1887)
Schwarze Kreide, gewischt und Rötel (35,1 x 24,9 cm)

Hoffnung schöpfte von Werner aufgrund früherer Erfahrungen zweier Kollegen. Hier ein Auszug aus einem Brief an seine Frau:
"Ja, wenn er nur annähernd so leidend wäre, wie seinerzeit Professor Bracht, so könnte man besorgt sein, - aber was schade im schlimmsten Falle selbst eine heisere oder belegte Stimme? Der alte Professor Eduard Bendemann ist Jahre lang vollkommen heiser gewesen und hat nach und nach seine Stimme wieder bekommen und Herr v. Hülsen (der Generalintendant) war immer heiser." Der Vergleich mit Professor Bracht fiel mir ein, weil dieser, als er vor fünf Jahren nach Berlin kam, an Halsentzündungen längere Zeit so schwer gelitten hatte, daß er sich in einer Nacht nur dadurch, daß er mutvoll einen Teelöffel in den Schlund hinabführte, vor dem Ersticken hatte bewahren können.
Anton von Werner war auch in Italien ein gern gesehener Gast der Kronprinzenfamilie und auf Wunsch der Kronprinzessin ließ er sein Cello (und verschiedene Akten, denn der fleißige Akademiedirektor fand auch dort keine Ruhe...) aus Berlin kommen, um die musikalischen Abende mit seinen Klängen zu verfeinern.

Den Zauber der Region beschreibt er mit einem kleinen Seitenhieb auf die moderne Kunstkritik seiner und leider auch noch unserer Zeit
Die Natur erstrahlte in der richtigen so oft gemalten und besungenen italienischen Abendbeleuchtung, die in moderner Zeit gern als "Kitsch" im Künstlerjargon bezeichnet wird und verpönt ist, - die liebe Natur kann es ja auch nicht jedermann recht machen.
Erzfeind in Aktion

Sein Erzfeind Max Jordan hatte wieder mal etwas Besonderes ausgeheckt. Zusammen mit Friedrich Geselschap stellte er im Senat der Akademie den Antrag einer Untersuchung über den ihrer Meinung nach verdächtig hohen Zuwachs der Schülerzahl der Hochschule der bildenden Künste. Diese sollten von 350 auf 250 reduziert werden. Natürlich nicht nach Meinung von Anton von Werner, der den Sachverhalt folgendermaßen sah:
Mich ekelte, und ich überließ es dem Direktorialassistenten Teschendorff, die Angelegenheit zu behandeln, deren Ergebnis war, daß die Schülerzahl zwangsweise herabgesetzt wurde und z.B. der Bestand von Brachts Landschafter-Abteilung, der im Jahresbericht von 1886/87 mit 44 Schülern fungiert, in dem von 1887/88 mit 16 erscheint.
Daß Geheimrat Jordan im Ernst annahm, durch die Maßregel der bedrohlichen Zunahme der deutschen Künstlerschaft für die Zukunft Einhalt tun zu können, fällt mir schwer zu glauben, denn er war doch ein kluger Mann und konnte nicht darüber im unklaren sein, daß diejenigen, die auf der Berliner Kunstakademie keinen Platz fänden, ihre Ausbildung an anderen Kunstakademien suchen würden oder in Privatateliers, wo der Nachweis genügender Begabung zudem nicht gefordert wird. Auch mußte er sich sagen, daß man wohl bei mangelhaftem Besuch einer Unterrichtsanstalt nach den schädlichen Ursachen dafür forscht, daß dies aber in dem entgegengesetzten Falle, bei stärkerem Besuch doch als etwas ungewöhnlich erscheinen mußte. Da überdies eine Schülerzahl von 350 für die Kunstakademie einer Millionenstadt wie Berlin, die in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufschwung nach allen Richtungen bin genommen hatte, nicht gerade überwältigend oder unerklärlich war, so erschien mir die Sache als eine jener kleinen Neckereien, mit denen mich Geheimrat Jordan im Laufe seiner amtlichen Tätigkeit wiederholt beglückt hat, einer Annahme, die er später selber bestätigte.

Anton von Werner - Geheimrat Dr. Max Jordan

Zum versöhnlichen Abschluss kam es zwischen diesen beiden bedeutenden Berliner Kunstfiguren, als Anton von Werner den Geheimrat,
dessen Kenntnisse und Fähigkeiten ich niemals unterschätzt habe
, kurz vor dessen Tode auf dem Bilde Der Enthüllung des Richard-Wagner Denkmals porträtiert hat.

Schlimmer kommt es immer

Das nach Jordan ein Mann die Museumslandschaft Berlins bestimmen sollte, der im Gegensatz zu Jordan die Nationalgalerie Richtung wertvollen Müllhaufen steuerte, konnte niemand ahnen. Hugo von Tschudi, den von Werner natürlich äußerst kritisch betrachtet.
In den Beratungen der Landeskunstkommission habe ich genügend erfahren, wie hilflos H. v. Tschudi gegenüber den künstlerischen Eigenschaften eines Kunstwerkes und ihrer Abschätzung stets war, und wie er lediglich einer ausgegebenen Parole zu folgen schien, der klassistischen vermutlich ebenso überzeugt wie der naturalistischen, impressionistischen oder futuristischen, wenn sie gerade Mode gewesen wäre. Bei den empfehlenden Äußerungen, mit denen er seine Vorschläge von Ankäufen für die Nationalgalerie begleitete, kam das stets zum Ausdruck, daß die der Kommission angehörigen Maler und Bildhauer den Herrn Galeriedirektor gelegentlich darauf aufmerksam machten, daß sie selbst wüßten, wie es hinter dem Ofen aussehe und seiner Belehrung nicht bedürften. Als er dann durch etwas gar zu tätliches Zugreifen an empfindlicher Stelle die Ankerkennung seiner Unfehlbarkeit zu erzwingen suchte und sich dabei vergriff (Hinweis: Die Werke vieler akademischen Maler kamen ins Depot , dies wurde aber auf kaiserlicher Anordnung hin wieder rückgängig gemacht) , wurde er von der Presse als Held und der eigentliche Schöpfer der Nationalgalerie gefeiert, die er durch Verstümmelung ihres Grundstocks, der Wagner'schen Gemäldesammlung und entgegen den testamentarischen Bestimmungen ihres Stifters beschädigt hat.
Von Tschudi war ein bedingungsloser Verfechter des Impressionismus, aber er tat von Werner am Ende doch ein wenig Leid, als von Tschudi nach dessen Tod von den allerneusten Trends des Kubismus, Futurismus und Expressionismus als einer der Ihren vereinnahmt wurde. Mit den Werken, die heute die Neue Nationalgalerie schmücken (siehe zum Beispiel die offizielle Bilderseite), wird sogar er nicht einverstanden gewesen sein. Werke, an die in einem Bilderladen jeder vorbeigehen würde, wenn sie nicht die Signatur Munchs, Picassos oder Dix tragen würden, werden als große Errungenschaften des frühen 20. Jahrhunderts verehrt.

Statt in Ausstellungen dilettantische Maler wie Ernst Ludwig Kirchner und Konsorten anzupreisen,


Ernst Ludwig Kirchner - Erna (1930)

sollten meiner Meinung nach dort wirkliche Künstler hängen, die aber leider in den Abstellkammern in Vergessenheit geraten sind (Link).

Martin von Feuerstein - Studienkopf (Kohlezeichnung mit Weiß erhöht)


Gabriel von Hackl - Vorbereitung zum Feste


Ludwig Glötzle - Golgatha

1888

Das tragische Jahr jedes treuen Monarchisten hatte begonnen. Die Zeichen ließen das folgende erkennen, aber das im Juni schon der dritte Kaiser den Thron betrat, kam doch überraschend.

Sensenmanns erster Streich

Im Januar war von Werner mit der Untermalung des Bildes für Königin Victoria beschäftigt und ein Berg von Organisationsarbeit für die kommenden drei internationalen Ausstellungen in Melbourne, Wien und München musste abgearbeitet werden.
Sein Verein Berliner Künstler ehrte ihm mit einem Fest, zu dem sein Freund Paul Meyerheim eine ansprechende Tischkarte zeichnetet.

Paul Meyerheim - Festkarte für ein Festessen für Anton von Werner am 4. Februar 1888 (1888)

In diesen ersten Tagen des Jahres war er wieder einmal wegen Studien zu Gast bei den Hohenzollern, dieses mal beim Prinzen Wilhelm.
Da traf die überraschende Nachricht vom Tode des Hohenzollernprinzen Ludwig von Baden ein, den von Werner als frische und liebenswürdige Persönlichkeit bezeichnete.

Sensenmanns zweiter Streich

Dies wurde jedoch überschattet von der rapide sich verschlechternden Situation Kaiser Wilhelm I. Das er nicht mehr lange Leben würde, war allen Beteiligten, auch dem Kaiser selber, klar.
Denn am Morgen des 9. März traf ein eiliger Brief bei von Werner ein, in dem er vertraulich aufgefordert wurde,
baldmöglichst hierher zu kommen, um eventuell eine Skizze anfertigen zu können.
Als er im königlichen Palais ankam, musste er auch schon ans Werk gehen, denn der Kaiser war gerade verstorben.
Dieser Wunsch der Skizze war nichts Außergewöhnliches zu dieser Zeit. So wurde von Werner schon Mitte der 60er Jahre nach Karlsruhe gerufen, um der Nachwelt einen letzten Eindruck von der verstorbenen Großherzogin Sophie zu geben.

In seinen letzten Worten soll der Kaiser sich, Militär und Politiker noch durch und durch, mit selbigen Themen beschäftigt haben. Als von Werner das schlichte Zimmer betrat, herrschte himmlische Ruhe. Er verkroch sich in eine Ecke nahe einer Lampe und zeichnetet den Kaiser auf seinem Totenbett, während im Zimmer die Trauernden des engsten Familienkreises ein und ausgingen.

Zu Hause angekommen begann von Werner direkt mit der Umsetzung einer Farbskizze, um die noch frischen letzten Eindrücke nicht verblassen zu lassen.

Anton von Werner - Kaiser Wilhelm auf dem Sterbelager (1888)

Der Kaiser würde später zur freien Anteilnahme drei Tage im Dom aufbewahrt. Eine extra für diesen Anlass installierte Brücke führte quer durch den Dom und erlaubte es bis zu 7000 Besuchern je Stunde, Abschied von ihrem Kaiser zu nehmen.
Mit der düsteren Dekoration der Kirche war von Werner nicht zufrieden, da ihm die positiven Akzente, die nur in Form der niedergelegten Kränze farblich angedeutet waren, fehlten. So hätte man seiner Meinung nach die Trauer über ein erfülltes, abgeschlossenes Leben, den angemessen, künstlerisch gestalteten Ausdruck verleihen können.

Anton von Werner - Aufbewahrung der Leiche Kaiser Wilhelms im Dom (1888)
Farbskizze

Ein Gothic-Anhänger unserer Tage sähe das wohl ganz anders. Denn der ganze Boden und die Seitenwände bis zu den Chorbrüstungen des Doms waren mit schwarzem Tuch bedeckt und dieser Eindruck einer Gruft wurde noch durch sechs schwarz überzogene Kandelabern verstärkt.

Und der Dritte folgt sogleich

Die Eindrücke der Trauer waren noch nicht verblasst, da erreichte am 14. Juni die Berliner die nächste Ankündigung eines baldigen, weiteren Verlustes. So machte sich Anton von Werner am nächsten Morgen von seinem neu bezogenen Landhaus in Wannsee Richtung Neues Palais auf, um genaueres zu erfahren. Der Sensenmann ließ nicht lange auf sich warten und der neue Kaiser Wilhelm II bat von Werner, seinen gerade verstorbenen Vater Friedrich III auf dem Sterbelager zu zeichnen.
und gab mir dazu einen vom Schreibtisch entnommenen schwarz umränderten Briefbogen und einen Bleistift; Prinz Heinrich meldete zwar, die Kaiserin Friedrich wünsche nicht, daß ihr verschlafener Gemahl jetzt noch porträtiert würde, ich tat es aber dennoch, nur für den Kaiser, und überreichte ihm das Blatt.


Anton von Werner - Kaiser Friedrich auf dem Sterbelager (1888)
Zeichnung

Einem anderen Wunsch der Kaiserin Friedrich musste von Werner aber Folge leisten. Dieses mal sollte er die Aufbewahrung der Leiche im Jaspissaal künstlerisch gestalten. Dekorateur war das Rundumtalent nun also geworden. Und, wie immer, machte er solches ganz oder gar nicht.
Auf Veranlassung des Direktors Dohme hatte man seitens des Hofmarschallamts bereits begonnen die Wände des schönen Raumes ... von oben bis unten mit schwarzem Stoff zu bekleiden, was in Verbindung mit der weißen von heiterem vergoldeten Rokoko-Rankenwerk umzogenen Decke des Saales einen künstlerisch geradezu schauerlichen Eindruck machte. Ich ließ die schwarzen Hüllen entfernen und durch eine andere Dekoration ersetzten, die keinen schauerlichen Eindruck hervorrief, besprach noch das Nötige für die Aufstellung des Sarges, der Pflanzendekoration usw. und zeichnete dann nochmals auf den mir durch Freiherrn v. Reischach überbrachten Wunsch der Kaiserin Friedrich den Verblichenen, der inzwischen einbalsamiert worden war.
Im Gespräch mit der Witwe des gerade verstorbenen Kaiser erfährt von Werner einiges über die Verzweiflung, mit der das Kaiserliche Paar den Attacken der Presse ausgesetzt war.
"Welcher Wahnsinn", rief sie wiederholt, " zu glauben, meine Sympathie für England ginge so weit, daß ich deshalb das kostbare Leben meines Mannes hätte aufs Spiel setzen können!"
Hoffnung am Horizont

Die Hoffnung, die man in den jungen Kaiser Wilhelm II setzte, war groß. Er galt schon früh als Freund und Förderer der Künste und dies sollte sich in seiner neuen Position bestätigen.

Zur Eröffnung des Reichstags lud der Kaiser von Werner ein, ihn in künstlerischer Hinsicht bei den Arrangements zur Seite zu stehen und später diesen historischen Augenblick in einem großen Gemälde festzuhalten.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1888)
Farbskizze- Öl auf Leinwand (103 x 153 cm)
Da die Feierlichkeiten mit allen Pomp vor sich gehen solle, so mußte der Weiße Saal des königlichen Schlosses ein festliches, dem hellen Tageslicht standhaltendes Gewand erhalten, dass zugleich der Trauer um die beiden dahingeschiedenen Kaiser den entsprechenden Ausdruck verlieh. Ich entwarf dafür Skizzen, traf die nötigen Anordnungen und versicherte mich für die Ausführung die Mitwirkung einiger unserer tüchtigsten bei den Akademikerfesten erprobten jungen Künstler, da ich in die Hoftapezierer nicht allzu großes Vertrauen setze.
Einem ersten Aquarell der Räumlichkeiten sollten viele weitere Studien, Entwurfsvarianten und Porträtsitzungen in den folgenden Jahren folgen, bis das Gemälde der Reichstagseröffnung endlich im Jahre 1893 vollendet werden konnte.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1893)
Öl auf Leinwand (387 x 642 cm)

Eines der ersten Porträts zu diesem Gemälde gab ihm der frisch gekürte Kaiser selber und von Werner war laut eigener Aussage damit wohl, nach dem großen Porträtmaler jener Zeit, Heinrich von Angeli, der zweite, dem dieses Privileg geben war.

Heinrich von Angeli - Rudolf von Slatin Pasha (1895)

Kaiser Wilhelm war von dem Dekorationstalent seines Akademiedirektors überzeugt. So bat er ihn, noch auf die Schnelle Änderungen an der Dekoration der am nächsten Tag stattfindenden Landtagseröffnung durchzuführen.
Von Werner fühlte sich in seiner Position als neuer Hofdekorateur geschmeichelt, auf Dauer wollte er diese zusätzliche Belastung aber nicht tragen.

Kaiserlicher Besuch

Im September ehrte ihn der Kaiser mit einem Besuch in seinem neuen Heim in Wannsee, um die bis dahin erstellten Skizzen zur Reichstagseröffnung bei einem Schwätzchen zu begutachten.

Anton von Werner - Kaiser Wilhelm II - Studie zum Reichstagsbild (1892)
Zeichnung
und äußerte auf meine Frage, welche Reichstagsabgeordnete ich auf dem Bilde anbringen solle, da ja doch für alle nicht genügend Platz sei: "Das überlasse ich Ihnen, Sie wissen darin ja ebenso gut Bescheid wie ich"
Bei von Werner hielt der Kaiser sich also, der sogar das Recht hatte, bei der Akademieausstellung über die Vergabe der Medaillen zu entscheiden, dann doch zurück.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1893) - Ausschnitt
Öl auf Leinwand (387 x 642 cm)

Nebenbei erfährt man ein paar nette Kommentare über einen von Anton von Werner geschätzten Kollegen, Carl Saltzmann.
und erzählte auch von seiner Fahrt nach St. Petersburg und den Studien, die C. Saltzmann dabei gemacht hatte, mit der ihm eigenen frischen Lebendigkeit. Seiner Hochschätzung für den mit urwüchsigem Humor begabten Künstler, der den Prinzen Heinrich bei seiner ersten Weltumseglung auf der "Olga" begleitet hatte und früher auch des Kaisers Lehrer gewesen war, gab er in ebenso lebhafter und liebenswürdiger Weise Ausdruck.

Carl Saltzmann - Magellanstraße mit der Korvette Prinz Adalbert (1888)
Öl auf Leinwand - (100 x 159 cm)

1889

Anton von Werner - Skizze zu eine Deckengemälde im Königlichen Schloss zu Berlin (1889)

Bienenstock

Was zu Beginn des Jahres 1889 auf dem Programm stand, ist nicht zu schwer zu erraten. Vollendung des Jubiläumsbildes für die Königin Victoria, Aufträge zu Porträts der Kaiser des Dreikaiserjahres


Anton von Werner - Standporträt Kaiser Friedrich III (1889)
Öl auf Leinwand (173 x 115 cm)

Anton von Werner - Standporträt Kaiser Wilhelm I (1889)
Öl auf Leinwand (173 x 115 cm)

(eines davon ein Porträt König Wilhelms vor dem Rathaus in Aachen 1865, welches seit kurzem wieder im Aachener Rathaus zu besichtigen ist, nachdem es Jahre unbeachtet im Abstellgleis des Luisenhospital hing)

Anton von Werner - Porträt König Wilhelm vor dem Rathaus in Aachen 1865
Farbskizze

und natürlich Porträtsitzungen für das Reichstagsbild. Sein Atelier war ein Bienenkorb der politischen Akteure des deutschen Reichs. Sie gingen ein und aus, teilweise kamen zwischen den Sitzungen gleich mehrere Abgeordnete zu ihm. So war sein Talent als Schnellmaler mal wieder gefragt. Mitglieder aller Parteien waren auf seinem Bild willkommen, aber für einen streng Konservativen gab es ein Tabu
mit Ausnahme der Sozialdemokratischen natürlich
Anton von Werner - Studie Graf Lerchenfeld-Kösering (18xx)

Eine der interessantesten Personen, die Anton von Werner hierbei kennenlernte, war der Zentrumsführer Ludwig Windthorst. Dieser traute dem Braten nicht ganz und erkundigte sich zu Beginn bei von Werner, ob der Kaiser wirklich nichts dagegen hat, dass er, Windhorst, auf dem Gemälde abgebildet sein durfte. Das hatte er nicht. Diesen Charakterkopf beschreibt von Werner im weiteren so:
Mit vielem Humor erzählte er dann, daß er oft mit Menzel verwechselt werde, mit dem er, soweit seine kleine Figur und sein stark entwickelter Schädel in Betracht kamen, in der Tat einige Ähnlichkeit hatte, und wie er Virchow, als dieser seinen Schädel auszumessen wünschte, erschrocken gefragt habe: "Um Gotteswillen, Herr Kollege, Sie wollen mich doch nicht trepanieren?" Der Windthorst war bekanntlich so kurzsichtig, daß er stets eines Führers bedurfte, natürlich nicht auf dem Gebiete der Politik, sondern nun bei seinen Ausgängen - und so sah er auch nichts von dem großen Bilde, obgleich ich ihn dicht vor die Leinwand gestellt hatte.
Das farbige Bild des Doktors Krüger zeigt beispielhaft die meisterhafte Porträt-Technik von Werners, die zur damaligen Zeit bescheiden als das bezeichnet wurde, was es war, nämlich eine Studie.

Anton von Werner - Figurenstudie Dr Daniel Christian Friedrich Krüger (1889)
Öl auf Malmappe (60 x 42 cm)

Kellers Apotheose

Ein Höhepunkt des Jahres war aus künstlerischer Sicht im Februar die Ausstellung des Monumentalgemälde Apotheose Kaiser Wilhelms des Siegreichen von Ferdinand Keller.
Wie schon im Bericht zu Keller beschrieben, fand dieses Gemälde nicht allseitige Zustimmung, der neue Kaiser war aber mit dem Bild seines Großvaters zufrieden
Seine Majestät äußerte sich sehr anerkennend über die glänzende virtuose Leistung, fand zwar, daß die Gestalten des Kronprinzen, des Prinzen Friedrich Karl, Bismarck's, Moltke's und Roon's in ihren modernen Uniformen seinem Gefühl nach nicht recht in die allegorische Darstellung paßten, befahl aber den Ankauf des Bildes und überwies es der Nationalgalerie.

Ferdinand Keller - Apotheose Kaiser Wilhelm der Siegreiche - Foto

Dem Verein Berliner Künstler war dies Werk eine extra Feier wert und man dankte dem anwesenden Künstler
für die hervorragende künstlerische Leistung.
Den Zeitgeschmack traf er aber nicht mehr mit seiner Apotheose. Kaum 60 bis 80 Besucher wollten dieses Werk im Uhrsaal der Akademie besichtigen. Grund hierfür war laut Kaiserin Augusta, dass die von dem Künstler gewählte Allegorie nicht ganz zu dem schlichten Sinn ihres Gatten passt und dies auch vom normalen Publikum so gesehen würde.

Guter Zweck veraltet

Bei der Beschreibung eines Abends bei der Kaiserin Augusta erfährt man ein interessantes Detail über die karitativen Aktionen der Akademie der Künste.

Früher wurde jährlich zur Weihnachtszeit, besucht vom Kaiserpaar, ein Weihnachtsfest veranstaltet, in dem mittels großer Transparentgemälde eine biblische Geschichte vorgeführt wurde. Die Einnahmen diese Veranstaltung galt den Hinterbliebenen verstorbener Künstler.

Diese extra für diesen Zweck gemalten Transparentgemälde sollen laut von Werner oft eine hervorragende Qualität besessen haben. Er erwähnt als besonders hervorzuhebende Werke Gustav Richter's Erweckung von Jairi Töchterlein, Bernhard Plockhorst's Moses zum Himmel getragen und drei von Adolph Menzel, Christus als Knabe bei den Pharisäern im Tempel, Adam und Eva und Christus, die Händler aus dem Tempel jagend, wobei ersteres
erweckte jedesmal, wenn der Vorhang sich hob, beim Publikum die größte Heiterkeit, wie mir Paul Meyerheim mitteilte, wohl wegen der durchaus nicht idealisierten Erscheinung der Dargestellten.
Die Zeiten wandeln sich und seit Jahren wurde dieses Fest, zum Leidwesen der Kaiserin, nicht mehr veranstaltet, da sich niemand mehr für diese Bilder interessierte und die Einnahmen die Kosten nicht mehr deckte. Dies war mal anders,
in den fünfziger und sechziger Jahre drängte sich das Publikum zu diesen Schaustellungen, ohne die, ebenso wie ohne den Weihnachtsmarkt im Lustgarten und die Weihnachtsausstellung bei Kroll, für den Berliner von damals richtige Weihnachten nicht denkbar waren.
Katastrophale Ausstellung

Nach dem großen Triumph der 1886er Kunstausstellung war den beiden nachfolgenden kein besonderer Erfolg vergönnt. Aber in diesem Jahr waren die Umstände eine Zumutung und die Veranstaltung, wäre es nach den Künstlern des Vereins Berliner Künstler gegangen, ganz abgesagt worden. Denn auf Order des Reichskanzlers Bismarck wurde das Landes-Ausstellungsgebäude einer Unfallverhütungsausstellung zugewiesen und den Künstler blieb nur das alte Kunst-Akademiegebäude unter den Linden. Ein, wie von Werner fand, unwürdiger Rahmen für das moderne Berlin.
Die ausländische Presse zog über die Ausstellung her und ohne die Abstandzahlung der Unfallverhütungs-Ausstellung wäre ein katastrophales Defizit entstanden.

Rat gefragt

Seine Ferien verbrachte der Meister mit Illustrationen zu Scheffel's Ekkehard, jenem Projekt, welches nie seine Vollendung erfahren wird.
Von Werner wurde oft als Berater in Fragen der Kunst engagiert, so auch zu dieser Zeit, als er einen Ausflug ins schöne Lübeck mit seiner Beurteilung einer dekorativen Ausmalung eines Treppenhauses im Rathaus kombinieren konnte. Abgelehnt wurde das ganze Vorhaben, da von Werner die Beleuchtung des Raumes für ein Mosaikbild als gänzlich ungeeignet erachtete.

Technisches Wunder

Die Weltausstellung, zum wiederholten Male in Paris, zog die Menschen wegen eines Projekts in ihren Bann, welches alle Anderen bei weitem überschattete. Der Eiffelturm. Dieser gigantische Turm beeindruckte auch von Werner und er beschrieb ihn als
in seiner Basis gigantischen Ungeheuers, das sich nachher mit seiner Spitze elegant wie eine zehnfach verlängerte Nadel der Cleopatra, ich möchte sagen heiter lächelnd in den blauen Himmel erhob.
Das Deutsche Reich nahm in diesem Jahr aus politischen Gründen nicht an der Weltausstellung teil, nur einzelne deutsche Künstler stellte auf eigene Faust ihre Werke aus. Von deren künstlerischer Qualität und den gebotenen Räumlichkeiten war von Werner nicht gerade begeistert.
unter ihnen Fritz v. Uhde, Walter Firle, Leibl und Franz Skarbina, sich bewogen gefühlt, in einem kleinen etwas dunklen Raum auszustellen, der aber ihren als neueste Errungenschaft des Pleinairismus bezeichneten Schöpfungen wenig zugute kam, denn die Bilder sahen alle trübe, schwarzgrau aus.

Fritz von Uhde - Heideprinzesschen (1889)
Öl auf Leinwand (140 x 111 cm)

Ebenfalls wenig gelungen erschien ihn das extra zu dieser Weltausstellung geschaffene Panorama le sciele 1789-1889 von Alfred Stevens und Henri Gervex, da ihm diese künstliche Zusammenstellung der Berühmtheiten und Ereignisse eines ganzen Jahrhunderts ungeeignet für ein Gemälde erschien.

Henri Gervex und Alfred Stevens - Ausschnitt zum Panorama
Geschichte des Jahrhunderts (1889)
Öl auf Leinwand

Von den Malern begeisterten ihn neben den bekannten Gesichtern der Franzosen und Spanier besonders
Dagnan-Bouveret mit seinen meisterhaft tiefempfundenen Bildern aus dem Volksleben der Bretagne

Pascal-Adolphe-Jean Dagnan-Bouveret - The Pardon in Brittany (1886)
Öl auf Leinwand (114,6 x 84,8 cm)

Arbeit oder Grippe

Daheim angekommen, begann er mit dem Aufzeichnen des Reichtagsbildes und der Arbeit an einem Porträt des Landschaftsministers Dr. Lucius von Ballhausen. Von diesem hörte er erstmal von der zu dieser Zeit in Europa kursierenden, durch das Wort Influenza bekannt gewordene Grippe. Diese soll laut Aussage des Ministers allein in St. Petersburg 130000 Menschen erfasst habe und in Deutschland waren Anfang Dezember 100000 Personen befallen.

Auch von Werner steckte sich an und musste seine Arbeit unterbrechen. Er war mit seinen 56 nicht mehr Jüngste und sein Arbeitspensum zollte immer öfter seinen Tribut. So berichtet er von einem durch Überanstrengung herbeigeführten Schreibkrampf, der ihn nach einigen Jahren zwang, das Zeichnen, besonders mit der Feder, für längere Zeit einzustellen. Aber noch lief alles glimpflich ab und er überstand die Grippe ohne Folgeschäden.
Weniger Glück hatte da ein guter Bekannter seiner Familie, der Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, Eduard Bendemann. Er erlag Ende Dezember dieser Krankheit.

1890

Weitere Verluste

Die Grippe machte auch vor dem Hohenzollernhaus nicht halt und nach kurzer Krankheit verstarb Kaiserin Augusta. Oder, wie von Werner im melancholischen Ton den Kreislauf der Zeit beschrieb:
Die Generation, die das neunzehnte Jahrhundert mitgeschaffen hatte, ging nach und nach zu Grabe, und die sich ihr gegenüber bis dahin als Junge gefühlt hatten, wurden nun die Alten.
Einen politischen Verlust bedeutete für manche die Entlassung Fürst Bismarcks als Reichskanzler. So auch für den Verein Berliner Künstler, der dem Kanzler ein Fest samt Glückwunschadresse zu seinem 75 Geburtstag widmete. Diese Entlassung war Tagesgespräch bei den Porträtsitzungen zum Reichstagsbild und von Werners
Kenntnis diplomatischer-staatsmännischen Waltens bereicherte und erweiterte sich dadurch nicht unwesentlich.
Grenzen überschreitendes Gemälde

Im April des Jahres begann von Werner mit der Fertigstellung des schon im Vorjahr mit den ersten Studien begonnenen Gemälde Kronprinz Friedrich Wilhelm an der Leiche des Generals Abel Douay, zu dem ihm der Kronprinz noch vor seinem Tod in Baveno schriftliche Notizen erstellt hatte.
Aufgrund der guten Vorbereitung gelang es von Werner, dieses Bild schon im Juli zu vollenden und zur Berliner Akademieausstellung einzureichen.

Anton von Werner - Teilstudie zum aufgebahrten General Abel Douay (1887)
Bleistift (24,5 x 32,8 cm)

Die Vorbereitungen reichten hierbei soweit, dass dem Künstler mit der Vermittlung eines französischen Offiziers von der Familie des verstorbenen Generals ein Porträt zur Verfügung gestellt wurde.

Mit welcher erfolgreichen Recherche er den anwesenden Militärarzt malte, sei hier genauer zitiert
Edouard Detaille teilte mir auf meine Anfrage in liebenswürdiger Weise, durch sorgfältige Handzeichnungen erläutert, das Nähere über die Uniform des französischen Militärarztes mit, der zugegen gewesen war, als der Kronprinz mit seinen Offizieren in das Zimmer trat, wo man die Leiche des gefallenen Generals niedergelegt hatte. Der Kronprinz und Mischke hatten mir Gesicht und Figur des Arztes, soweit sie diese in der Erinnerung hatten, beschrieben, ich hatte danach gemalt und war nicht wenig erstaunt, als ich nach vielen Jahren aus dem Inneren Frankreichs einen Brief erhielt, in welchem der Absender unter Beifügung seiner Photographie aus dem Jahre 1870, mir mitteilte, daß er der Arzt sei, der damals dabei gewesen war. Aus der Photographie ersah ich zu meiner Überraschung, daß sich diese mit seiner Erscheinung auf meinem Bilde ziemlich deckte, nur hatte ich einen Fehler gemacht, auf den er besonders hinwies: ich hatte ihm nur zwei Goldschnüre am Ärmelaufschlag gemalt, während er auf drei Anspruch hatte, weil er damals schon Oberarzt war! Im übrigen wünschte er von mir die Namen der den Kronprinzen begleitenden Offiziere zu erfahren, deren er sich genau erinnerte, welchem Wunsche ich gern entsprach.
Anton von Werner - Kronprinz Friedrich Wilhelm an der Leiche des Generals Abel Douay (1890)
Öl auf Leinwand (117 x 167 cm)

Die Kritik dieses Gemälde war zwiespältig, denn der Zeitgeist konnte mit solchen Erzählungen immer weniger anfangen. Das Bild wurde im Pariser Figaro oder im Berliner Tageblatt gelobt, in anderen Zeitungen aber gehörig verrissen,
weil es eine gemalte Novelle war und deshalb einige Berliner Blätter fachgemäß erklärten, "daß das Publikum wegen seiner Geschmacklosigkeit zu bedauern sei, weil es in dichten Haufen das Bild umstände, was freilich nicht erstaunlich sei, denn "Die Gartenlaube" habe ja auch Hundertausende von Abonnenten"
...
Die Kunstkritik stand in diesen Jahren übrigens im allgemeinen - mit wenigen Ausnahmen - auf dem Standpunkt des Nörgelns und des Witzemachens ... und es schienen nicht gerade Kräfte von der überlegenen Auffassung Paul Lindaus ... zu sein, die das von keinerlei Sachkenntnis getrübte Richteramt ausübten.
Reinfall und Hoffnung

Die Kunstausstellung des Jahres 1890 war wieder mal ein Reinfall, die Motivation unter den Künstler bestand jedoch, im kommenden Jahre alles besser zu machen und eine internationale Ausstellung auf die Beine zu stellen. Der Senat der Akademie lehnte dies ab und so stellte der Verein Berliner Künstler mit nur einer Gegenstimme den Antrag, auf eigenes Risiko dieses Mammutprojekt auf die Beine zu stellen. Voranschreitend natürlich Anton von Werner, der vorsorglich die Unterstützung des Kaiser gesichert hatte.

So konnte die Planung beginnen, welche alle bisher in Angriff genommenen Projekte des Vereins bei weitem überragte. Aber man war optimistisch und wollte seinem hohen Ansehen gerecht werden. Ein Ansehen, welches man im Jahre 1890 festigte, beispielsweise durch ein großes, öffentliches, orientalisches Kostümfest mit 2000 Beteiligten oder der vereinsinternen Nachfeier des 60 Geburtstag des hochverehrten Mitglieds Ludwig Knaus, zu der Adolph Menzel eine äußerst gelungen Tischkarte mit Motiven Knauscher Bilder gezeichnet haben soll.


Ludwig Knaus - Tanz unter den Lindenbäumen (1881)
Der Saal war durch junge Birken und entsprechende Dekorationen in das hessische Dorf Wittinghausen, dem Lieblingsstudienplatz des gefeierten Künstlers, umgewandelt worden, die Teilnehmer waren vorwiegend in hessischer Tracht erschienen, Julius Lohmeyer hatte ein hübsches Festspiel geschrieben und lebende Bilder wechselten mit Gesang und Tanz, es war eine Feier ganz dem schlichten Sinne des großen Künstlers und seinem Gefühle für häusliches Leben und Behagen entsprechend.
Im Weiteren ist von dem enormen Aufwand der auch politisch nicht ganz unbrisanten internationalen Ausstellung die Rede, dem diplomatischen und persönlichen Hin- und Her, vor allem in Bezug auf die französischen Künstler, welche aufgrund politischen Drucks aus Paris doch nicht teilnehmen durften.
Trotzdem war die Ausstellung im Jahre 1891 ein voller Erfolg und das Vermögen des Vereins verdoppelt. So konnte aus diesen Gewinnen endlich ein eigenes Künstlerhaus gebaut werden.

Professorenroulette

In diesem Jahr verlor Anton von Werner einen, wie er ihn nannte, treuen, aufrichtigen Freund, den Orientmaler Wilhelm Gentz, der sich bei seinem letzten längeren Studienaufenthalt in Tunis mit dem tödlichen Influenzavirus angesteckt hatte.

Wilhelm Gentz - Ein arabisches Lager -Ausschnitt (1870)
Öl auf Leinwand (57,5 x 103,5 cm)

Aufgrund von Rücktritten waren einige Professoren in diesem Jahr zu ersetzen, einer von ihnen wird in den höchsten Tönen von Anton von Werner gelobt. Es ist die Rede von einem seiner ersten Atelierschüler, dem Maler Max Koner
der sich als genialer Porträtmaler einen unvergeßlichen Namen gemacht hat
Max Koner - Kaiser Wilhelm II (1891)

Weniger schön war da die Beinahe-Entlassung des Professor der Aktklasse, Max Michael. Dem Kultusminister Gustav von Goßler war nahegelegt worden, die Entlassung dieses Professor zu fordern, da er einen nicht näher bezeichneten ungünstigen Einfluss auf die Schüler habe und sowieso zu alt sei. Dies konnte von Werner Gerechtigkeitssinn natürlich nicht stehen lassen
einen unserer ausgezeichnetsten und unermüdlichen Lehrer ... Ich konnte keinen Grund für diese überraschende Zumutung finden, weil sich die bei Professor Michael gemalten Akte einer allgemeinen Wertschätzung, auch im Ausland erfreuten, und ich auch nicht annehmen konnte, der Umstand, daß Professor Michael Jude war, haben den vorurteilsfreien Minister beeinflußt.
Da ich der vielleicht nicht ganz unzutreffenden Ansicht war, daß ich wohl der zunächst Berechtigte und Verpflichtete sei, der über den Einfluß der Professoren auf ihre Schüler ein Urteil haben müsse, so erklärte ich, ich würde die statuenmäßige Ausstellung der Schülerarbeiten so lange geöffnet lassen, bis der Herr Minister sie besichtigt und sich von dem erwähnten schlechten Einfluß überzeugt habe. Aber es kam wieder ganz anders. Denn ohne zu wissen, welche Arbeiten er vor sich habe, erging sich der Minister in den aufrichtigen Lobesäußerungen über die vielen nackten Männer und die vortrefflichen Kopien nach alten Meistern, die von Professor Michael's Schüler da ausgestellt waren.
Dies überzeugte den Minister Goßler und er nahm die Entlassung zurück.

Überbringer an die Nachwelt

Anton von Werner - Kultusminister von Goßler - Studie zum Reichstagsbild (1889)
Zeichnung

Vielleicht auch als Dank dafür positionierte von Werner ihn auf dem Reichstagsgemälde in günstiger Position, wofür er sich 1896 in einem Brief auf sehr nette Art bedankte:
... und ich bin auch sehr damit einverstanden, daß ich als ein Opfer ihres Pinsels der Nachwelt übermittelt werde. Sie und Fritz Werner sind m. W. die einzigen Maler, welche mich kunstgerecht zur Stecke gebracht haben. Bei F.W. erscheine ich auf dem Bild (Enthüllung des Luisendenkmals) in nebelhafter Ferne, Sie habe ich aber auf Ihrem Reichstagsbild wohlwollend in den Vordergrund geschoben und mir ein herrliches Gewand angezogen - was selbstverständlich meinen Familienmitgliedern sehr zusagt. Sie tragen also die Verantwortung für die Gestalt, in welcher ich der Nachwelt überliefert werde.
Helgoland anno dazumal

Seinen Urlaub verbrachte von Werner dieses Jahr auf Helgoland, jener Insel, die gerade erst an Deutschland abgetreten wurde. Zu jener Zeit war noch nichts von der hektischen Betriebsamkeit unserer Tage zu sehen. Kein Kurhaus weit und breit und die gesamte Insel erst in den Anfängen des Tourismus stehend.

Anton von Werner - Auf dem Oberland von Helgoland (1890)
und wie schön war es damals, durch den spärlichen Kartoffelacker da oben zu wandern, wo man sich wie auf dem Decke eines Riesenschiffes befand, rings umher, bis zum fernen Horizonte nur Luft und Wasser sah, in der Nähe höchstens einige angepflogte Schafe, und neben der alten Kirche die Gasse mit den niedlichen kleinen Häusern. Die Dächer konnte man mit der Hand erreichen, und man fragte sich staunend, wie und wo die Riesengestalten ihrer Bewohner durch die niedrige Haustüre kämen und überhaupt in diesen Liliputhäuschen Platz fänden.
Moltke

Der 90 Geburtstag des Generalfeldmarschall Moltke stand vor der Tür und, wie selbstverständlich, trat der Kaiser an Anton von Werner heran, um ihm den Auftrag zu einem Gemälde der kommenden Feierlichkeiten zu erteilen. Von Werner machte sich auf, um den Ort zu studieren und zeichnete während der Veranstaltung unzählige Skizzen.

Anton von Werner - Figurenstudie Moltke und Wilhelm II zu Moltkes 90 Geburtstag (1896)
Öl auf Malpappe (59 x 48 cm)

Er malte in den nachfolgenden Monaten und Jahren Porträts der beteiligen Personen.

Anton von Werner - Admiral Max von der Goltz -
Porträtstudie zum Bild des 90. Geburtstag Moltkes

Doch nicht nur das. Der Einfluss und das Vertrauen in von Werner war so groß, dass er die Dekoration des Saals delegieren und mal so nebenbei 30 Offiziere als Probeobjekte einteilen durfte
...., mit dem Rücken gegen die Fensterfront aufgestellen dachte, so daß ihre Gesichter vollkommen im Schatten lagen und eine Porträtdarstellung nahezu unmöglich wurde. Ich machte Graf Waldersee hierauf aufmerksam und schlug ihm vor, aus einer der nächsten Kasernen 30 Mann zu beordern, mit denen eine Probeausstellung gemacht werden könne. Graf Waldersee meinte: "Das können wir viel einfacher haben, so viele Offiziere haben wir hier im Hause, warten Sie einen Augenblick", und gab einer Ordonnanz den Auftrag. Nach wenigen Minuten eilten oder stürzten in sichtlicher Erregung die gewünschten dreißig Offiziere in den Saal, anscheinend die Verkündigung der Order zur Mobilmachung oder eines anderen wichtigen Ereignisses erwartend, einen Augenblick der Spannung, der sich in allgemeine Heiterkeit auflöste, als die Herren den Zweck ihrer Berufung erfuhren und in die Probestellungen einrückten.
Anton von Werner - Moltkes 90. Geburtstag (1896)
Öl auf Leinwand (320 x 497 cm)

Von Moltke war der Anblick des vollendeten Gemäldes nicht mehr vergönnt, da er im April des folgenden Jahres starb. Und wieder wurde von Werner erwählt, den Verstorbenen in seinem Totenbett zu zeichnen. Und so geschah es auch.

Anton von Werner - Generalfeldmarschall von Moltke auf dem Sterbelager (1891)

Enttäuschender Abschluss

Von Werner endet seiner Memoiren der Jahre 1870 bis 1890 mit einem Rückblick auf das von ihm und der Berliner Künstlerschaft Erreichte. Ihm war bewusst, das neue Zeiten angebrochen waren, die seine Kunst nicht mehr schätzten. Aber er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er lesen könnte, wie respektlos sein geliebter Verein Berliner Künstler heute über ihn redet (guckst du hier).

Hier also die abschließenden Worte eines der letzten großen, begnadeten Maler der deutschen Kunstlandschaft, einem Meister auf vielen Gebieten, vor dessen Pinsel die Dilettanten unserer Zeit, die keine gerade Linie zeichnen können, ehrfurchtsvoll aufblicken sollten, da er eine Fähigkeit besaß, die sie nicht besitzen. Mit wenig oder vielen Strichen kleine und große Dinge zu erzählen.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1893) - Ausschnitt
Öl auf Leinwand (387 x 642 cm)

Anton von Werner - Studien Pferdeköpfe (1884) - Skizzenbuch
Möchten sich diese Einrichtungen und Errungenschaften für die Berliner Künstlerschaft in dem Sinne bewähren, in welchem sie beabsichtigt waren und geschaffen wurden: zur Stärkung des Standesbewußtseins der Künstlerschaft als Träger idealer Bestrebungen und zu gegenseitiger Förderung auf materiellem Gebiete, - Gedanken und Ziele, die mir stets am Herzen lagen und für die ich allzeit eingetreten bin, so weit es in meinen Kräften stand.