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Montag, 8. Februar 2016

Der starke Buchser

Drei Säulen begrenzten die Welt meines Opas. Couch, Taubenschlag und Bank. Hier fühlte er sich wohl, hier war er glücklich. Andere Städte, Länder oder Kulturen interessierten ihn nicht. Von seinen mühsam verdienten Kohlen, er war Bergmann, noch etwas für Reisen abzuzweigen, kam ihm nie in den Sinn.

Aus ganz anderem Holz war da der Schweizer Maler Frank Buchser (1828-1890) geschnitzt. Als Sohn einer Bauernfamilie sollte ihn eigentlich die heimatliche Scholle anziehen, aber die Abenteuerlust trieb ihn immer wieder von zu Hause fort. Das Buchsermuseum in Bettlach bietet auf ihrer Internetseite eine detaillierte Aufzählung jeder einzelnen Station, fast 70 an der Zahl. Erstaunlich für das 19. Jahrhundert, als Reisen bei weitem nicht so bequem, sauber und gefahrlos wie in unserer Zeit war.

Die Informationen dieses Berichts habe ich dem wunderbar geschriebenen, mit Anekdoten und Zitaten vollgepackten Buch des Gottfried Wälchli, Frank Buchser 1828–1890. Leben und Werk, entnommen. 

Buchser war eine spannende Persönlichkeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein Leben ist filmreif, verpasst hat er nichts.

Frank Buchser

Persönlichkeit

Buchser polarisierte. Er verachtete Autoritäten, aber duldete selber keinen Widerspruch. Kompromisse waren ihm stets zuwider, nicht immer zur Freunde seiner Mitstreiter, die einen gemäßigteren Weg gehen wollten.

Sein aufbrausendes Temperament brannte manches mal mit ihm durch. So beendete bezeichnenderweise ein Glaswurf an den Kopf eines Kontrahenten seine kurze politische Karriere.
Handgreifliche und blutige Vorfälle schildert Wälchli mehrere und so wundert es nicht, das Buchser-Stark sein Spitzname war. Ein Name, der seiner Eitelkeit schmeichelte und den er selber gerne verwendete.

Der Maler war gesellig und liebte den Wein und die Frauen. Er war sein Leben lang unverheiratet, aber kostete, wie es Wälchi im zurückhaltenden Ton sinngemäß formulierte, die weiblichen Früchte jedes Landes. An einer Stelle wurde der Autor erstaunlich explizit, als er einen Brief aus Marokko an des Künstlers Bruder zitiert. Buchser schwärmt hier von der traumhaften Auswahl der weiblichen Begleitungen und den unterschiedlichen Preisen, je nach ihrer Herkunft.

Frank Buchser - Nackte Sklavin mit Tamburin (1880)

Auch das Zechen war, typisch für das 19. Jahrhundert, oft in Vereinen organisiert. So gründete Buchser den von deutschsprachigen Künstlern gerne besuchten Goldklub in Rom, zum gemeinschaftlichen Besäufnis zu abendlichen Stunden, nach des Tages Werk. Ein schönes Loblieb auf den Goldklub und sein Oberhaupt sei hier zitiert:
Wo Buchser regiert, da ist gut wohnen,
drum kommen sie auch aus allen Zonen
zu trinken den Wein, den goldenen Wein
und sich des goldnen Humors zu freun:
Von Süd und Nord
und Ost und West.

Wer die Kneipe kennt,
der hält dran fest.

Drum lebe die Kneipe! Ein Vivat dem Buchser!
Zum Teufel die finsteren Federfuchser!

Er war ein Macher und Organisator, Verfasser von Petitionen, Vorreiter im Kampf für ein professionelleres Umfeld in der Schweiz.

Buchser war liberal und freiheitsliebend. Erzogen im streng katholischen Glauben seiner Mutter, warf er die Fesseln des Glaubens, wie er sie empfand, früh ab. Noch am Sterbebett hatte seine Magd den Auftrag, jeden Versuch einer letzten Salbung des sterbenden Künstlers zu unterbinden.

Reisen

Frank Buchser - Der Kuss (1878) (101 x 70 cm)
Die Schweiz war in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Drittweltland für die Kunst. Kein strukturiertes Ausbildungssystem, keine Akademien, keine ausreichende staatlichen Subventionen. Nichts. So war es nur natürlich, dass alle berühmten Maler wie Gleyre, Böcklin, Vautier oder Anker ihr Glück im Ausland suchten, vor allem in Frankreich und Deutschland.

Dies kam dem Forscherdrang Buchsers sehr entgegen. Er packte seine Koffer und machte sich auf nach Italien, Frankreich, Spanien, Belgien, Holland und England. Im Laufe dieser Jahre erwarb er eine solide künstlerische Ausbildung und erhaschte Eindrücke von der internationalen Kunst.

Sein erster Romaufenthalt war eine spannende Zeit. Er trat in die Schweizer Garde ein, um seine Studien zu finanzieren. Dies war jedoch nicht der erhoffte Zuckerschlecken, denn die Wächter des Papstes wurden von den Italienern verachtet. Der Job verlor deshalb schnell seine Attraktivität für den im vollen Saft stehenden Schweizer Jüngling. Für seine überbrodelnde Energie fand er aber bald ein passenderes Betätigungsfeld. Buchser schloss sich den Freiheitskämpfern Garibaldis an und focht manch Gefecht an ihrer Seite.

Frank Buchser - Kapuzinerschule (1864 - 1871) (63 x 100 cm)

Die Gier nach neuen Abenteuern zog den Schweizer in die noch nicht ausgetretenen Pfade des Tourismus. Der warme, bunte Süden faszinierte ihn sehr. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts tauchte man in Spanien noch in eine Welt ein, die noch nicht eingeholt war vom Einheitsbrei der Moderne. Dies ändert sich jedoch bald. Schon in den 80er Jahren verdrängte die europäische Standard-Kleidung, wie Buchser in einem Brief wehmütig klagte, die bunten Volkstrachten aus dem Straßenbild.

Frank Buchser - Das Almosen (1860) (113 x 85 cm)

Von Andalusien war es nur ein Katzensprung nach Marokko. Er wollte dieses afrikanische Land als einer der ersten deutschsprachigen Maler für die Kunst entdecken. Ob Buchser Delacroixs frühere Reise auf ähnlicher Route kannte, ist mir nicht bekannt. Nach Marokko führte es ihn jedenfalls zum einen als Schlachtenmaler eines spanischen Expeditionsherres (Riffkrieg 1859-1860), zum anderen bereiste er das Land auf eigene Faust. Die Wege waren für Ausländer nicht immer gefahrlos, deshalb verkleidete sich Buchser als Geistlicher und heuerte einen einheimischen Begleiter an. So machte er sich auf den Weg ins Innere Marokkos. Sein südländisches Aussehen, mit dichten schwarzem Bart, half ihm, nicht als Fremder erkannt zu werden. Dieses Land und seine Kultur bewunderte er. Sein Leben lang war er von dem Glauben an die im Paradies wartenden Jungfrauen (Huris) fasziniert. Die auf dem Selbstbild abgebildete schwebende nackte Frau symbolisiert wahrscheinlich diese Fantasie.

Frank Buchser - Kritik (Selbstbildnis) (1888) (153 x 103 cm)

Bewegend ist seine Beschreibung eines Juden in Fez, dessen Gang durch die Gassen eine tägliche, mit aufrechter Würde ertragene Tortur war. Die Juden wurden von den Einheimischen verachtet, beschimpft, geschlagen und bespuckt. Diese Szene hielt er in einer kleinen Skizze fest.

Frank Buchser - Ein Jude in den Straßen von Fez (1858) ) (30 x 22 cm)

Buchser sprach aufgrund seiner langjährigen Auslandsaufenthalte fünf Sprachen perfekt. Deutsch, Italienisch, Französisch, Englisch und Spanisch. Seine privaten Schreiben sind deshalb das ein oder andere Mal ein heilloses Durcheinander verschiedener Sprachen, manchmal alle fünf gleichzeitig in einem Brief. Die Empfänger scheinen damit kein Problem gehabt zu haben und waren wohl ebenso sprachbegabt wie er.

Der weiter oben erwähnte Zwischenfall mit dem Glaswurf zog übrigens ein Gerichtsverfahren nach sich, welches zwar glimpflich ausging, aber seinem Ruf schadete. Zum Glück für den Maler bot sich gerade da die wunderbare Gelegenheit an, für einige Zeit von der Bildfläche zu verschwinden. Denn man kam in der Schweiz auf die glorreiche Idee, eine der kahlen Wände des neuen Bundeshauses mit einem Gemälde zur Verherrlichung des Sieges der freiheitlich, liberalen Nordstaaten im gerade erst beendeten Sezessionskrieg zu schmücken. Realisiert wurde diese schon zu Beginn von nationalen Kräften mit Kopfschütteln bedachte Idee nie, aber das wusste der mit höchsten Empfehlungsschreiben ausgestattete Buchser zum diesen Zeitpunkt natürlich noch nicht. In den USA wurde der Schweizer Staatskünstler freundlich empfangen und malte mehrere offizielle Porträts, sowohl des Präsidenten als auch von Führern der Nord- und Südstaaten.

Frank Buchser - Deutscher in Detroit (1868) (85 x 70 cm)

Buchser wurde das Privileg zuteil, den noch unberührten Wilden Westen kurz vor Erschließung durch die Eisenbahn im Tross des Generals Sherman zu bereisen. Eine schöne Anekdote beschreibt Wälchli. Der Maler sitzt in der freien Natur an seiner Staffelei und wird plötzlich von neugierigen Indianern umringt, die solch Zauberpinsel wohl noch nie sahen. Mit seinem Malstock weist er ihnen den richtigen Abstand zu, um in den vollen Genuss seines Werkes zu kommen.

Im letzten Jahrzehnt seines Lebens zog es den Schweizer Weltenbummler nach Griechenland. Eine Hassliebe, wie man seinen Äußerungen entnehmen kann. Die Griechen selber erachtete er in einem Brief als die verrohteste Sippe, die ihm je auf Reisen begegnet war. Diebstahl, Betrug und ein Überfall samt schwerer Verwundung scheinen diese Meinung geformt zu haben. Andererseits war er aber von den schönen Landschaften, wie in Korfu, verzückt.

Kunst 

Laut Buchsers eigenen Aussagen hatte er circa fünf Jahre an den verschiedensten Akademien studiert, eher er sein eigener Herr wurde. Positiv hervorgehoben hat er die Zeit beim belgischen Maler Gustave Wappers, ähnlich wie der ansonsten sehr kritische Anselm Feuerbach, der ebenfalls Anfang der 50er Jahre Schüler Wappers war.

Frank Buchser - Selbstportät (1852) (63 x 53 cm)

Wie schwer es in der damaligen Zeit für Schweizer Künstler in ihrer Heimat war, wird immer wieder von Buchser in seinen Briefen betont. Er selber sah sich als Prophet, der im eigenen Land nichts galt. Im Ausland konnte er gewisse finanzielle Erfolge und Ansehen gewinnen, vor allem mit seinen Porträts, aber in der Schweiz waren die Absatzmöglichkeiten doch sehr bescheiden. So bittet und bettelte er ihm nahestehende Schriftsteller und Journalisten immer wieder um wohlwollende Kritiken an. Doch sein Flehen wurden nicht immer erhört, auch wenn es sich, wie im Falle des berühmten Gottfried Keller, um einen guten Freund handelte. Die Ausstellung seiner Bilder zu jeder sich bietenden Gelegenheit war selbstverständlich, teilweise sogar in selbst organisierten Shows, die nur mit seinen Werken bestückt waren.

Frank Buchser - Porträt des Peter Bohren (1873) (75 x 63 cm)

Das Hauptanliegen Buchsers war eine Professionalisierung der Rahmenbedingungen in der Schweiz. Der damalige Zustand trieb viele große Maler ins Ausland, da es in heimatlichen Gefilden nichts zu verdienen gab. Sein Ziel war zum einen eine jährliche, kantonübergreifend koordinierte Ausstellung, entsprechend dem großen Pariser Salon. Zum anderen eine großzügigere finanzielle Förderung der Künstler durch den Schweizer Staat, samt Bau einer Akademie. Die offiziellen Gelder flossen zu dieser Zeit in der Tat spärlich. Im Tausender-Bereich, wohingegen Millionen in Frankreich vom Staat ausgegeben wurden. Diese Bestrebungen leitete er maßgeblich ein mit Gründung einer Interessenvertretung und offizieller Petition. Wälchli widmete den Kämpfen und Streitigkeiten um das richtige Vorgehen ein ganzes Kapitel. Auch wenn das Ergebnis nicht ganz den Wünschen Buchsers entsprach, kann man ihn ohne großen Widerspruch als einen der Väter des modernen Schweizer Kunstwesens anführen.

Buchser wurde als Realist betrachtet, weil sein Streben nicht der Darstellung höherer Ideale galt, sondern er Themen aus dem wirklichen Leben bevorzugte. Seine Lieblingsmotive waren Außenseiter der Gesellschaft. Bettler, Banditen, Straßenkinder, Schwarze. Die Kritik überspannte dementsprechend alle Facetten. 

Frank Buchser - Art Student (1878) (72 x 101 cm)

Vom Lob der auf eine menschliche Stufe emporgehobenen benachteiligten Personen, über Hinweise auf die Showeffekte der übertrieben verdreckten Kleidung, bis zu der für die damalige Zeit typischen, offen rassistischen Kritik, wie sie im folgenden zitiert sein soll:
... meinte selbst ein deutscher Kritiker, es sei "die unästhetische Negerwelt am wenigsten geeignet, dem darstellenden Künstler eine würdige Ausbeute zu liefern", sie schließe "die Schönheit völlig aus und biete noch weniger Objekte für die rein humane Auffassung und Repräsentation", ein Neger lasse sich "in der Kunst nur als Staffage oder in der Zusammenstellung und im Kontrast mit edleren Menschenerscheinungen verwerten".
FrankBuchser - As sweet as watermelons (ca. 1869) - Ol auf Leinwand (54,5 x 40 cm)

Wegen dieser Inhalte war seinen Bilder oft kein finanzieller Erfolg beschieden. Inhaltlich vielleicht akzeptiert, aber zu Hause an der Wand, nein, das war für die potentiellen Bildkäufer noch unvorstellbar.

Fazit 

Buchser war eine faszinierende Persönlichkeit und ein guter Maler. Seine Zeichnung war solide, aber nicht auf höchstem Niveau.

Frank Buchser - Im Indianerreservat bei St-Mary (1868) )30,3 x 58,1 cm

Die Kompositionen sind zu oft Stückwerk und es fehlt ihnen das harmonische Ganze. Man schaue sich nur sein großes Frühwerk Askese und Lebenslust an, bei dem die einzelnen Figurengruppen unnatürlich zusammengeschustert sind.



Frank Buchser - Askese und Lebenslust (1865) (102 x 153 cm)
Perspektive-Probleme sieht man öfter, zum Beispiel im Bild Der göttliche Schweinhirt, bei dem die Proportionen der einzelnen Figuren nicht zu ihrer räumlichen Gliederung passen.

Frank Buchser - Der göttliche Schweinehirt (1882) (64 x 110 cm)

Den Figuren fehlt meinem Geschmack nach häufig das Blut in den Adern, sie leben nicht. Nicht das sie schlecht wären, aber den Vergleich zu den Porträts der großen akademischen Maler können sie nicht standhalten. Das nachfolgend abgebildete Gemälde General Sutters ist eines der besten und bekanntesten Porträts Buchsers.

Frank Buchser - Johann August Sutter (1866)

Ich war zu Beginn jedoch überrascht, wie früh seine Palette leuchtete, noch vor dem Siegeszug des Impressionismus. Nach Abschluss des Buchs war das natürlich nicht mehr ganz so überraschend, wenn man in Betracht zieht, welch lange Zeit der Maler im sonnigen Süden verbrachte.

Frank Buchser - Malerin im Sonnenschein (1862) (34 x 25 cm)

Buchser selber sah übrigens Mary Blane (basierend auf einem damals bekannten Volkslied)

Frank Buchser - The Song of Mary Blane (1870) (103,5 x 154 cm)

und den Markt von Tanger als seine Hauptwerke an.

Frank Buchser - Markt von Tanger (1880) (64,5 x 112 cm)

Dem Marktreiben wurde zwar von Seiten der Kritik vorgeworfen, keine Benutzerführung zu bieten, weil die zentralen Blickfänge fehlen. In meinen Augen ist dies nicht wirklich von Belang. Die brütende Hitze und geschäftiges Treiben sind wunderbar festgehalten, so dass dieses Werk auch aus meiner Sicht das Magnum Opus des Malers ist.

Nachtrag

Habe gerade online einen Zeitungsbericht über die Eröffnung des Buchser-Museums gefunden. Beeindruckend ist das Engagement, die Begeisterung und der bewundernswerte private Einsatz des Herrn Leimer für einen der interessantesten deutschsprachigen Künstler aller Zeiten!