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Montag, 29. Dezember 2014

Hamburger Kunsthalle - Teil 3

Studien des 19. Jahrhunderts 

Heute möchte ich einige Studien aus dem 19. Jahrhundert vorstellen. Sie alle waren nie als eigenständige Bilder gedacht, sondern galten entweder der Fingerübung, als Vorbereitung eines ausgeführten Gemäldes oder sie waren einfach nur ein schöner Zeitvertreib für die Künstler. Dass sie jemals in einem Museum ausgestellt werden, war für die Maler undenkbar.

Moritz von Schwind (1804 - 1871):
Moritz von Schwind war bestimmt nicht der beste Maler seiner Generation, aber einer der beliebtesten. Seine Illustrationen zu den Märchen und Sagen deutscher Sprache waren in jedem Haushalt zu finden. Die unvollendete Studie war vielleicht als kleines Geschenk für seinen Lehrmeister Carolsfeld gedacht. Man kann gut den Entstehungsprozess solch eines Werks, mit Untermalung in Grisailles, erkennen.

Moritz von Schwind - Die fünf Ältesten Kinder des Malers Julius Schnorr von Carosfeld (1838 - 40)

Franz von Lenbach (1836 - 1904): 
Dieses kleine Bild Lenbachs ist ein Pendant zu dem ähnlichen Bild des Hirtenjungen in der Schaak-Galerie (siehe hier). In jungen Jahren zog es den Malerfürsten oft in die Natur, wie die schöne Freilichtstudie einer Heuernte zeigt. Später war er eher ein malerischer Stubenhocker, der sich fast ausschließlich auf Porträts konzentrierte.

Franz von Lenbach - Der rote Schirm (um 1860)

Johan Christian Clausen Dahl (1788 - 1857):
Eine typische Landschaftsstudie mahlte Dahl vom Neustädter Elbufer seiner Wahlheimat Dresden. Sie wird an einem frühen Abend am Fluss selber entstanden sein. 

Johan Christian Dahl - Elbe und Neustädter Ufer in Dresden im Abendlicht (1837)

Gotthardt Kuehl (1850 - 1915):
Von Gotthardt Kuehl sind viele Kirchen-Innenansichten erhalten. Welchen Status er den beiden Studien der Hamburger Kunsthalle beimaß, weiß ich nicht. Ich vermute, dass es Fingerübungen waren, denen kein größeres Gemälde folgte.

Gotthardt Kuehl - Innenansicht der St. Katharinenkirche in Hamburg (1890)
Gotthardt Kuehl - Innenansicht der St. Michaelis-Kirche in Hamburg (1890)

Adolph Menzel (1815 - 1905): 
Menzel kann mit Fug und Recht als Großmeister der Studien angesehen werden. Diese wurde nach seinem Tod stapelweise in seinem Nachlass gefunden. Nur ausgewählten Freunden zeigte oder schenkte er mal hier und dort eine seiner kleinen Kostbarkeiten, aber für die Öffentlichkeit waren sie nicht bestimmt. Das Widersprach seinem Kunstverständnis, welches erst im detailvollendeten Gemälde seinen Sinn fand.

Adolph Menzel - Atelierwand (1872)
Adolph Menzel - Aufbahrung der Märzgefallenen (1848)
Adolph Menzel - Die Ruine des Nymphenbads im Dresdener Zwinger
Adolph Menzel - Schwester Emilie Menzel (um 1848)

Camille Corot (1796 - 1875):
Menschen spielten in den Landschaftsgemälden Corots nur eine untergeordnete Rolle. In Studien war dies jedoch ganz anders. Dort holt er sie gerne in den Mittelpunkt des Bildes. So auch in den beiden hier abgebildeten kleinen Werken, welche mit den verschiedensten Abstufungen der Farbe Braun spielen.

Camille Corot - Das Mädchen mit der Rose (um 1865)
Camille Corot - Der Mönch (1874)

Wilhelm Kaulbach (1805 - 1874):
Freundschaftsbilder von Malerkollegen waren im 19. Jahrhundert sehr beliebt und gehörten zum Beispiel bei den Düsseldorfern des Schadow-Umkreis zum Pflichtprogramm. Da Kaulbach selber an der Hochschule dort studierte, ist es kein Wunder, dass er diese Tradition übernahm. Diese Studie scheint aber eher eine Vorstudie zu einem großen Gemälde und kein typisches, zweckfreies Freundschaftsbild zu sein.

Wilhelm von Kaulbach - Porträt des Malers Heinlein als Ritter Schellenberg

Sammelsurium des 19. Jahrhundert

Bevor wir im nächsten Bericht zum Makart-Saal kommen, hier noch ein paar schöne Bilder, welche nicht ganz in die vorherigen Kategorien passen.


Eines der berühmtesten Gemälde des 19. Jahrhunderts ist das Porträt Goethes von Tischbein. Seine Bilder sind in der Regel zu klassizistisch steif komponiert. Dem Kinderbildnis der zukünftigen Hamburger Bürgermeisterfrau kann man dies aber nicht vorwerfen. Es hat einen lieblichen Charme und ist technisch hochwertig umgesetzt.

Wilhelm Tischbein - Cornelia Wilhelmine Amsinck (1805)

Vom vielleicht besten deutschen Architekturmaler des 19. Jahrhunderts ist eine Berliner Stadtansicht in der Kunsthalle ausgestellt, welche im Detail den damaligen Straßenzustand wiederspiegelt. Der Rahmen ist übrigens einer der schönsten der Sammlung, wie ich finde.

Eduard Gaertner - Blick auf das Kronprinzenpalais und das Königliche Schloß von der Neuen Wache aus (1849)

Schroedter war bekannt für seine humoristischen Darstellungen, in denen er gerne den ein oder anderen aufs Korn nahm. Die Geschichten des Münchhausen sind für ihn ein gefundenes Fressen. Der Lügenbaron zieht mit seiner Erzählung alle Blicke auf sich. Technisch ist der Lichtschein der Lampe meisterhaft umgesetzt.

Adolph Schroedter - Münchhausen erzählt seine Jagdabenteuer (1842)

Die Gemälde von Carl Spitzweg sind zeitlos. An den kleinen Anekdoten, skurrilen Personen oder heiteren Gesellschaften kann man sich auch heute noch erfreuen. Der Einsiedler war ein gerne verwendetes Thema Spitzwegs und die Neuland erobernden Touristen haben nichts an Aktualität verloren.

Carl Spitzweg - Einsiedler im Gebirge
Carl Spitzweg - Touristen in den Bergen

Schmitson war ein östereichischer Tiermaler, der schon in jungen Jahren an einer schweren Nierenkrankheit verstarb. Überraschenderweise gibt es von ihm keinen Wikipedia-Eintrag. Dabei ist sein Leben, wie man dem Link oben entnehmen kann, gut dokumentiert. Die wenigen Bilder, welche man online von Schmitson findet, als auch das Hamburger Gemälde, deuten auf einen talentierten Maler hin, der sich autodidaktisch bildetet.

Teutwart Schmitson - Die Kuh des Armen
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gehört es für die oberen Zehntausend zum schicken Ton, einmal vom Münchener Malerfürsten porträtiert worden zu sein. Nach Hamburg hat es ein Bild Franz Lists geschafft. Lenbach-typisch werden, trotz ihrer großen Bedeutung für den Komponisten, die Hände überhaupt nicht beachtet. 

Franz Lenbach - Der Komponist Franz Liszt (1884)

Oppenheim malte den zwei Jahre älteren Heinrich Heine in dem Jahr der Auswanderung des Dichters nach Paris. Angst scheint er keine vor der ungewissen Zukunft, die vor ihm liegt, zu haben. Er schaut uns selbstbewusst und direkt an. Man fühlt sich vor dem Bild eher als Objekt der Betrachtung, denn als Betrachtender. Ob die beiden Männer Freunde waren, vielleicht aufgrund ihrer gemeinsamen jüdischen Herkunft, kann ich leider nicht sagen.

Moritz Oppenheim - Der Dichter Heinrich Heine (1831)

Wilhelm Leibl (1844 - 1900):
Leibl war nicht mit dem großen Talent eines Anton von Werner gesegnet, sondern musste seine Erfolge hart erarbeiten. Die Schwierigkeiten bei der Komposition von Gemälden konnte er nie ablegen, die saubere Perspektive war ein ewiger Kampf. Aber der urwüchsige Rheinländer gab nicht auf. So arbeitete er über drei Jahre an dem in der Kunsthalle ausgestellten berühmten Gemälde der drei Frauen in der Kirche, bis er auch mit der letzten kleinen Ader zufrieden war.

Wilhelm Leibl - Drei Frauen in der Kirche (1778 - 1881)
Wilhelm Leibl - Rosine Fischler, Gräfin Treuberg (1877 - 1878)

Arnold Böcklin (1827 - 1901):
Von Böcklin sind drei ausgezeichnete Gemälde im Museum ausgestellt. Zwei persönliche Porträts (Selbstbildnis und Verwandter) und die mythische Prozession zu einem heiligen Hain, ein Meisterwerk der symbolistischen Malerei.

Arnold Böcklin - Augusto Fratellei, ein Vetter der Frau (um 1864)
Arnold Böcklin - Selbstbildnis (1873)
Arnold Böcklin - Heiliger Hain (1886)

Dante Gabriel Rossetti (1828 - 1882):
Rossetti war Dichter, Maler und führender Kopf der Präraffaeliten. Seine Bilder können technisch nicht mit denen Millais mithalten und meinem Geschmack treffen sie nicht ganz. Aber seinen verträumten, sinnlichen Frauen ist ein gewisser Reiz nicht abzusprechen. Die hier abgebildete Fanny Cornforth war ein Geliebte des Künstlers und auf vielen Werken zu sehen. Ihre Hände sind besonders gut gelungen.

Dante Gabriel Rossetti - Helena von Troja (1863)
Ernest Meissonier (1815 - 1891):
Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts war Meissonier der weltweit gefragteste zeitgenössische Maler. Sein Alleinstellungsmerkmal waren die kleinformatigen Bilder mit tausend Details. Die Kunsthalle besitzt (mindestens) eine Studie und zwei solcher Meisterwerke der Miniaturmalerei. Der Rahmen des Schachspieler-Bildes ist großer als das Gemälde selber. Eine Besonderheit, die man nicht jeden Tag sieht.

Ernest Meissonier - Schachspieler (1856)
Ernest Meissonier - Reiters Rast (1876)
Ernest Meissonier - Der Schildermaler (1872)

Samstag, 17. Oktober 2009

Ideenklau und intime Küsse


Keine Angst vor bärtigen Römern


Im deutschsprachigen Internetraum gibt es fast keine Seite, die sich mit den wahren Meistern der Kunst des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Dieses Problem haben englischsprachige Leser nicht. Ein empfehlenswerter Blogs ist sicherlich beardedroman.com. Dort werden häufig wenig bekannte akademische Künstler und ihre Geschichten vorgestellt. Immer in einer Art geschrieben, die den verdienten Respekt vor der Arbeit und Leistung dieser Meister entlockt. Hier ist keine trockene Ansammlung von Fakten zu finden, sondern eine leicht zu lesende, kenntnisreiche Beschreibung der damaligen Zeit.

Etwas für Erbsenzähler

Nur bei einem Bericht, der sich mit Adolph Menzel beschäftigt, habe ich Erbsenzähler was zu korrigieren, da es über die Hauptakteure interessanten Klatsch zu verbreiten gibt.

Ernest Meissonier - Selbstportät

Menzels Werdegang wird treffend beschrieben, nur sein Bezug zu Frankreich wird verzerrt dargestellt. So wird seine Freundschaft mit Ernest Meissonier und die regelmäßigen Besuche der französischen Hauptstadt hervorgehoben. Das wirkt fast so, als ob ein lebenslanger Kontakt zwischen den beiden bestanden hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. In Frankreich war Menzel nur dreimal im Rahmen der großen Ausstellungen 1855, 1867 und 1868 in Paris. Und der Freundschaftsbegriff wird in Bezug auf Meissonier auch etwas arg strapaziert. Vielleicht übersetzt ich es auch falsch, und der Autor meinte eher ein freundschaftliches Verhältnis. Wie dem auch sei, lassen wir mal die Fakten sprechen.

Kleine Riesen

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert war besagter Meissonier nicht irgendwer, sondern der bestbezahlte Künstler weltweit. Bewundert von seinen Kollegen fiel sein Name immer dann, wenn Vergleiche im ganz großen Maßstab anstanden.

Sein kleineres Pendant im deutschsprachigen Raum war Adolph Menzel. Und klein ist hier bestimmt das richtige Wort. Denn beide, sowohl Menzel als auch Meissonier, konnten kaum über eine höhere Tischkante blicken. Menzel war nur 1,40 groß und der Franzose maß auch nicht sehr viel mehr und wurde auch mal spöttisch als 'ein rechter Gnom' bezeichnet.


Adolph Menzel - Foto

Beide wurden von Außenstehenden, die sie nicht näher kannten, als grimmig, abweisend und nur mit Vorsicht zu genießende Zeitgenossen beschrieben. Nach persönlichem Kennenlernen sah das dann oft nicht mehr ganz so schlimm aus.

Es gab jedoch auch Unterschiede.

Menzel galt als Meister der Zeichnung, Lithographie, Gouache und was weiß ich nicht alles, jedoch war seine Ölmalerei und Farbgebung teilweise umstritten. Meissonier war ohne Frage der König der kleinformatigen, minutiös detaillierten Ölmalerei.


Ernest Meissonier - Das Portät des Sergeanten (1874)
Öl auf Leinwand (73 x 62 cm)

Meissonier war verheiratet, hatte zwei Töchter (soweit ich mich erinnere, vor kurzem gelesen zu haben) und verbrachte viel Zeit mit Sport. Schwimmen, Fechten und Reiten waren seine Metiers. Alles Dinge, für die der ganz für seine Kunst lebende, unverheiratete Menzel, kein Auge und keine Zeit hatte.
Adolph Menzel - Atelierwand (Studie)

Die beiden kleinen Männer waren jedoch in der Kunstwelt Riesen. Und im Reich der Zwerge können sich Riesen nicht auf Dauer übersehen. So wundert es also nicht, dass sich ihre Wege kreuzten.

Perfektionist

Meissonier war Perfektionist. So wie Menzel. Meissonier war bekannt dafür, dass seine Bilder nicht nur einfach ein Ereignis einer vergangenen Zeit beschreiben, sondern bis ins kleinste Kostümdetail den historischen Gegebenheiten gerecht werden. Für die Schnellschüsse unserer Zeit ist das natürlich überflüssiger pedantischer Schnickschnack, aber für den an Geschichte interessierten Betrachter ist dies ein zusätzlicher Bonus, der den Blick auf die kleinste Nebensächlichkeit locken kann, und das Bild noch bewundernswerter macht.

Ernest Meissonier - Die Kartenspieler (1872)
Öl auf Leinwand (40 x 30,5 cm)

Aus dem Nähkästchen

1862 trafen beiden Maler erstmals aufeinander. Diese und die folgende Begegnung 1867 werden wunderbar von Paul Meyerheim beschrieben, der uns einen Blick hinter die Kulissen der beiden Maler gewährt. Meyerheim war selber ein Meister des Pinsels. Jedoch, aufgrund der Verehrung der größten expressionistischen Dilettanten, welche kaum eine gerade Linie zeichnen können, sind seine liebevollen, unterhaltenden Kunstwerke fast in Vergessenheit geraten. Schade.


Paul Meyerheim - In der Tierbude (1894)

Jedenfalls beschreibt er manch lustige Eigenheit der beiden Künstler. Das Menzel ein Original der speziellen Sorte war, ist mir bekannt. Aber das Meissonier ebenfalls ein schräger Vogel war, wusste ich nicht.

Schlacht mit falschem Ausgang

Meissonier plante 1862 ein Bild über 'Napoleons' Schlacht bei Leipzig. Er reiste deshalb nach Berlin, um sich dort mit alten Uniformen einzudecken. Nachfolgend wollte er dann nach Leipzig reisen, um einer Truppenübung an den Originalschauplätzen beizuwohnen. Nichts Ungewöhnliches für die damalige Zeit, wie man ähnlich zum Beispiel im Bericht zu Anton von Werner nachlesen kann. Das besondere ist jedoch, dass laut Meyerheim der Franzose etwas naiv war, und erst in Berlin erfuhr,
daß die Franzosen die Schlacht bei Leipzig so recht eigentlich nicht gewonnen hätten.
Erste kraftvolle Berührung

Man kann halt nicht alles wissen und solche Nebensächlichkeit erst gar nicht.

Eines wusste Meissonier aber. Nämlich,
daß er, wenn er nicht Meissonier wäre, gerne Menzel sein würde.
Wenn das kein Lob ist, dann weiß ich es nicht. Aber wie sah Menzel das Ganze?
Um es vorwegzunehmen, nicht ganz so euphorisch. Aber er war trotz allem zeitlebens voller Hochachtung vor dem künstlerischen Schaffen des berühmten Franzosen.

So war die erste Begegnung der beiden Künstlerpersönlichkeiten im Rahmen von Meissoniers Besuch 1862 in Berlin recht skurril. Menzel hasste die französische Sprache und beherrschte sie kaum, und so bestand ihre Unterhaltung,
wenn gerade niemand zum Dolmetschen bereit war, gewöhnlich darin, daß einer dem anderen auf den Rücken klopfte.
Dreister Ideenklau

Menzel hatte zu dieser Zeit sein nie vollendetes Bild Friedrich der Große mit seinen Generälen vor der Schlacht bei Leuthen auf der Staffelei. Ein Bild, welches Meissonier voller Bewunderung betrachtet haben soll.

Adolph Menzel - Friedrich der Große mit seinen Generälen vor der Schlacht bei Leuthen (Unvollendet)
Öl auf Leinwand

Und, wie Meyerheim andeutet, nicht nur betrachtet, sondern auch zu eigen gemacht. Denn direkt von Berlin zu Hause angekommen, begann Meissonier mit seinem weltberühmt gewordenen Gemälde, Napoleon auf dem Rückzug 1814, welches vielleicht nicht nur zufällig Parallelen zu Menzels Werk zeigt.

Ernest Meissonier - Napoleon auf dem Rückzug 1814 (1864)

auf der zerstampften und zerfahrenen Schneedecke sieht man in der Ferne fast nur Silhouette gegen den grauen Himmel die Armee vorüberziehen. Vorn stehen, in dicke Mänteln eingehüllt, mit verfrorenen Gesichtern...
Es gab viele Spekulationen, warum Menzel sein Leuthen Bild nie vollendete. Die Erklärung Meyerheims war einfach:
Der wahre Grund aber, weshalb es nicht vollendet wurde, ist wohl der, daß vorzeitig Meissonier alle Pointen dieses Bildes 'nachempfunden' hatte, um sein allerdings schönstes Bild zu malen.
Intime Küsse

Ihre nächste Begegnung im Rahmen der Weltausstellung 1867 war wieder eine nicht ganz gewöhnliche. Rückenklopfen wie bei ihrer ersten Begegnung war Vergangenheit, diesmal stürzte Meissonier, als er den kleinen Adolph sah, auf ihn zu, umarmte ihn heftig und küsste ihn, Achtung, auf die Ohrläppchen. Richtig gelesen, Ohrläppchen. Merkwürdig für uns naive Mitteleuropäer des 21. Jahrhunderts, aber vielleicht normal für die damalige Zeit. Wer weiß...

Adolph Menzel - Der Palastgarten von Prinz Albert (1846)
Öl auf Leinwand

Der Grund für die intime Begrüßung war jedenfalls ein schöner. Denn Meissonier beglückwünschte Menzel für die gerade bekanntgegebene Auszeichnung im Rahmen der großen Preisverkündgung. Jedoch hatte Menzel nichts von alldem im lauten, hektischen Trubel der Veranstaltung mitbekommen.


Adolph Menzel - Friedrich und die Seinen bei Hochkirch (1856)

Ein Orden für sein Hochkirch-Bild, nein, davon wusste er nichts. Mühsame Überzeugungsarbeit Meissoniers war notwendig, um Menzel von seinem Glück zu überzeugen:
denk dir (sagte Menzel), ich bin noch im tiefen Schlaf, da klopft es heftig an meine Tür; ich wache auf, besinne mich, daß ich in Paris bin, nehme mein ganzes Französisch zusammen und frage: qui est la(wer ist da)?
Da antwortet es draußen: Monsieur Meissonier, und ich, im Halbschlaf, erwidere, ce n'est pas ici(er ist nicht hier).
Als mir die Sache klar wurde, stand wirklich Meissonier vor mir, um mir mitzuteilen, daß alles richtig sei, daß er beim Minister gewesen, daß ich wirklich den großen Orden erhalten und daß wir abends bei ihm essen sollten.
Heimliche Differenzen

Ganz so harmonisch, wie man vermutet, war dieser Abend dann doch nicht verlaufen.
So berichtet Meyerheim von einer Begebenheit, in der Menzel das noch unvollendete Napoleonbild begutachtete und nach längerem Betrachten, währenddessen Meissonier ungeduldig die Vorzüge seines eigenen Bildes anpries, Menzel auf Napoleons Arm mit dem Hut verwies und sagte :
"Das bleibt wohl noch nicht so?" Qu'est-ce qu'il a dit(was hat er gesagt) raunte mir Meissonier zu; ich versuchte, die Worte in milder Form zu übersetzen.
Das Ende der schwierigen Unterhaltung war, daß Menzel auf einem Blättchen Papier hinzeichnete, wie der Arm mit dem Hut sein müsse, und auch noch mit ein paar
Strichen den Kaiser hinzufügte. Von dieser Zeichnung war Meissonier ganz begeistert.
In seinem anderen Atelier hatte Meissonier ein kleineres Bild auf der Palette und nach einigem sinnieren schlug Menzel eine Änderung vor, die der Franzose direkt, in Anwesenheit seiner Schwester und des ebenfalls eingeladenen Malers Ricard, umsetze. Und genau diese Szene hatte Menzel einige Jahre später in einem kleinen Ölbild festgehalten, welches nachfolgend abgebildet ist.


Adolph Menzel - Meissonier in seinem Studio in Poissy (1869)
Öl auf Leinwand (21 x 29 cm)

Das war es aber dann auch mit den Liebeswürdigkeiten. Andeutend, aber nicht auf Details eingehend, schreibt Meyerheim:
Der weitere Verlauf des Tages war weniger amüsant. Viele gute Haare wurden an den berühmten Zeitgenossen nicht gelassen.
Letzte Begegnung

Ein letztes Mal trafen sie sich im Rahmen von Menzels Besuch der großen Pariser Ausstellung 1868. Bei dieser Gelegenheit erhielt er als Geschenk von Meissonier eine Photographie von dem Gemälde "Mann am Fenster" (das nachstehende Bild ist wohl gemeint), welches einen ehrenvollen Platz an Menzels Atelierwand fand.

Ernest Meissonier - Mann am Fenster

Kriegsfolgen

Seit Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 vermied Meissonier jeden Kontakt mit deutschen Künstlern, und so kam keine weitere Begegnung dieser beiden großen Maler zustande. Der Stachel, den die deutschen Eroberer in Frankreich hinterlassen hatten, saß bei Meissonier zu tief:
Kein Deutscher hat seit dem Krieg seinen Fuß in mein Haus gesetzt und wird es künftig tun.
Ernest Meissonier - Die Belagerung von Paris (Studie)

Ordensreiter und Spachtelfink

Der Respekt war weiterhin vorhanden, aber ein kleiner Seitenhieb klingt im nachfolgenden kräftig mit.


Ernest Meissonier - Die Arthusage

Es war Menzel  eine besondere Freude, dass er einen höheren französischen Orden als Meissonier besaß. Und von Meissonier stammt die kritische Prophezeiung über den Wert Menzels grobspachteliger, impressionistischer Ölgemälde:
Meine Herren, warten Sie es nur ruhig ab, ich glaube, von uns allen hier wird Menzel einmal der einzige sein, der mit seiner abscheulichen Ölmalerei Recht behält.
Man dankt!

Adolph Menzel - Bildnis einer Dame (evtl. Friederike Arnold)

Wirkliche Freunde waren die beiden Maler nie, aber die Kunstgeschichte wäre ohne ihre Begegnung um einige Anekdoten ärmer.

Montag, 9. März 2009

Anton von Werner (Teil 3)

Die Lehrjahre Anton von Werners waren beendet und in dem folgenden Jahrzehnt, den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, erlebte die deutsche Kunstwelt Werners rasanten Aufstieg zum bedeutendsten Künstler des Reichs.

 Foto Anton von Werner (1871)

Dies ist im Folgenden anhand der Memoiren Anton von Werners "Erlebnisse und Eindrücke 1870-1889" beschrieben, eines einzigartigen Einblicks in die Kunst und Zeitgeschichte dieser Jahre.
Dieses prachtvolle Buch ist sehr übersichtlich strukturiert, reichlich bebildert und bietet ein zuverlässiges Personenverzeichnis.
Viele der Bilder zeigen eine andere Facette Anton von Werners, der vor allem wegen seiner chronistischen Gemälde Berühmtheit, für manche eine anrüchige, erlangt hat.
In dem Buch sind unzählige Skizzen, Bleistift- oder Tuchzeichnungen und Aquarelle zu finden, welche zur Vorbereitung der offiziellen Aufträge, für den Freundeskreis oder das private Vergnügen entstanden sind. Sie zeugen von den brillanten Fähigkeiten eines großen Meisters des 19. Jahrhunderts, der die ganze Bandbreite malerischer Felder spielend abdeckte. Mit ein paar Strichen erweckt er Personen zum Leben. Die Bilder zeigen, dass Alltagsszenen zu dieser Zeit nicht das Exklusivrecht der Impressionisten waren, wohl aber, sich auf diese zu beschränken.

Anton von Werner: Auf dem Balkon bei Professor Ad. Schroedter in Karlsruhe (Mai 1870)

Da ich Anton von Werner sympathisch und faszinierend finde und als einen der Großen der Malerei ansehe, ist der folgende Bericht viel zu ausführlich geraten für einen Blog. Aber den Blick hinter die bekannte Fassade der Hauptakteure der damaligen Zeit, ihre Äußerungen und Eigenarten, konnte ich einfach nicht fallen lassen.

1869-1870
Zurück in der Heimat

Seine Reisezeit in Frankreich und Italien war beendet und Anton von Werner zog es 1869 wieder ins winterliche Karlsruhe zu seiner künftigen Frau und seinen Freunden.
Illustrationen für den 'Trompeter von Säckingen', zwei Ölbilder, 'Don Quixote bei den Ziegenhirten'

Anton von Werner: Entwurf Don Quixote bei den Ziegenhirten (1869)
Bleistift laviert

und 'Irregang' und die Fortführung der schon in Rom begonnenen Vorarbeiten für die Wandgemälde des Kieler Gymnasiums standen an.
Die preußische Regierung hatte ihm den Auftrag zu den halbrunden Wandgemälden 'Luther vor dem Reichstag in Worms'

Anton von Werner: Luther vor dem Reichstag in Worms (1870)
Aquarellskizze

und 'Die nationale Erhebung von 1813' erteilt.

Anton von Werner: Die nationale Erhebung von 1813 (1870)
Aquarellskizze

Nachdem die Vorarbeiten (Kartons und Farbskizzen) beendet waren, reiste er in den ersten Julitagen 1870 mit seinem damaligen Schüler G. Urlaub nach Kiel. Die Wandgemälde wurden in Wachsfarbe umgesetzt.

In diesen für von Werner glücklichen, arbeitsreichen Tagen trat das Ereignis ein, welches die deutsche Geschichte in kurzer Zeit komplett neu schreiben sollte.
Die Nachricht der Kriegserklärung Frankreichs erreichte Anton von Werner bei der Arbeit an dem Kopf Luthers. Die direkten Auswirkungen dieses Ereignisses waren jedoch in Kiel nicht sehr groß, so näherten sich die Arbeiten an dem Wandgemälde zügig dem Ende.

Auf zur Front

Die Meldungen von der Front sorgten im ganzen Lande für große Euphorie. Da wollte auch der junge Maler nicht fehlen, da man, ähnlich wie 1866 gegen Österreich, mit einem schnellen Sieg der preußischen Armee rechnetet. So kam ein Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Kunstverein zu einem Gemälde 'General Moltke vor Paris' mehr als gelegen.

Anton von Werner: Moltke vor Paris (1870) (Studie)

Dieser Auftrag war die erwünschte Veranlassung zur Begründung meines Gesuches, mich in das Zentrum der kriegerischen Ereignisse zu begeben.
Also ging es bald darauf von Karlsruhe aus Richtung Kriegsschauplatz. Mit einem Empfehlungsschreiben ausgestattet von der Großherzogin von Baden für den Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, dem Führer der 3. Armee, standen dem keine größeren Hindernisse mehr im Weg.
Anton von Werner: Ansicht von Straßburg nach der Beschießung (1870)

Es ging über das zerschossene Straßburg, welches vor neugierigen Touristen nur so wimmelte, Richtung Paris.

Anton von Werner: In der Zitadelle von Straßburg (1870)

Anton von Werner hatte das Glück, sich aufgrund seines Empfehlungsschreiben einer Proviantkolonne bis kurz vor Versailles anzuschließen zu dürfen.

Anton von Werner: An der Brücke von Neuilly (1871)

Anton von Werner: Schwere Artillerie auf dem Wege nach Paris (1870)

Neben einfachsten Unterkünften mit Schlafmatte auf dem Boden übernachte der Künstler aber auch in feinen Landhäusern, so einem schönen Schlösschen in Brunoy.

Anton von Werner: Das Schlösschen Brunoy (1870)

Die dort erlebten Eindrücke führten Jahre später unter anderem zu dem Gemälde 'Im Etappenquartier vor Paris' aus dem Jahre 1894.

Bei der 3. Armee

Anton von Werner: Trainsoldaten in Monroux bei der Abrechnung (1870)

In Hauptquartier der 3. Armee angekommen, begann er rasch mit seiner eigentlich Arbeit. Erste Studien und Entwürfe wurden für das Moltkebild ausgeführt. Im Rahmen dieser Arbeiten lernte von Werner den Kronprinzen Friedrich Wilhelm und den legendären Generalfeldmarschall Moltke näher kennen. Mit diesen verband ihn bald eine freundschaftliche Beziehung.

Anton von Werner: Moltke in seinem Arbeitszimmer zu Versailles (1870)

Moltke, als schweigsam verrufen, war während der Sitzungen und im privaten Gespräch manches Mal ein kunstinteressierter Gesprächspartner. Neben den offiziellen Studien malte der Künstler von ihm noch ein weiteres kleines Bild, 'Moltke in seinem Arbeitszimmer zu Versailles', welches 1872 in der Berliner Ausstellung gezeigt wurde.

Die folgenden Wochen werden, außer dem gelegentlichen Donnerhall der Kanon, als relativ unberührt vom noch laufenden Kriegsgeschehen beschrieben.
Ein kleine, heile Welt bauten die deutschen Besatzer zeitweise in diesem Hauptquartier auf.

Anton von Werner: Oberstleutnant v. Berdy du Bernois (1870)

Von den zu allen Zeiten 'normalen' Auswüchsen und Gräuel solch einer Besatzung wird nur ganz am Rande im Zusammenhang mit dem General der Infanterie, Jakob von Hartmann erwähnt.
Im Billardzimmer seines Quartiers hing eine Reihe Bilder von Boulanger aus dem Leben des Marschalls Pelissier, die der General aus den Händen seiner Soldaten vom Feuertode gerettet hatte.
Anton von Werner: Soldatenbegräbnis auf dem Kirchhof in Versailles (November 1870)

Werner traf in Versailles auf viele alte Bekannte, wie die Schlachtenmaler Georg Bleibtreu und Feodor Dietz, oder seinen Freund Ludwig Pietsch, der als Korrespondent vom Geschehen berichtete.

Ein kleine witzige Geschichte bezüglich Feodor Dietz sei hier zitiert:
Herzog Ernst II von Coburg...wünschte, dass Bleibtreu ihn malen sollte, wie er in der Schlacht bei Wörth sein Coburger Regiment, die 95er, begrüßte, eine Szene, die aber in Wirklichkeit nie stattgefunden hatte. Bleibtreu lehnte deshalb die Aufgabe ab und ich, als sich der Herzog deshalb an mich wandte, auch, und er seufzte: "Ja, ja, wenn jetzt Feodor Dietz hier wäre, der würde das schon machen!" Dieser hatte ihn schon 1849 hoch zur Roß bei der Beschießung des Christan VII und der Gesion dargestellt, wo er aber nicht gewesen sein soll, wie Bleibtreu sagte.
Arbeiten in Karlsruhe

Die Vorarbeiten für das Moltkebild waren abgeschlossen und so ging es Ende November zurück Richtung Karlsruhe. Eine inoffizielle Nachfrage zur Nachfolge Professor Schroedter an die Akademie lehnte er in weiser Voraussicht ab, da noch ein weiterer Preuße in Karlsruhe unerwünscht war.

Über Langweile konnte sich Anton von Werner trotzdem nicht beklagen. Schon prasselte der nächste große Auftrag auf ihn nieder. Der preußische Minister Mühler (genau der, der Hübner ins Handwerk pfuschte. Um es vorweg zu nehmen, bei Werner hielt er sich zurück...) erteilte ihm Ende 1870 den Auftrag zu einem monumentalen Gemälde zur Ankunft Kaiser Wilhelms in Saarbrücken.

1871

In geheimer Mission

Doch die Geschichte hatte größeres mit von Werner in Sinn. Am 15. Januar 1871 erreichte ihn ein geheimnisvolles Schreiben des Hofmarschall August zu Eulenburg:

Geschichtsmaler v Werner, Karlsruhe. S.K.H der Kronprinz läßt Ihnen Sagen, daß Sie hier Etwas Ihres Pinsels Würdiges erleben würden, wenn Sie vor dem 18. Januar hier eintreffen können.

Ein verlockendes Angebot, welches kein deutscher Maler hätte ablehnen können und zum Glück dem Besten von Ihnen zuteil wurde.

Eingepfercht in einer vollbesetzten Postkutsche ging es eiligst zurück nach Paris. Dort waren all die bedeutenden Generäle und Offiziere des siegreichen Krieges anwesend. Und ein Zivilist, der eigentlich nichts dort zu suchen hatte, wie sein späterer Freund und Gönner, Hofmarschall Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky meinte.

Anton von Werner: Generalleutnant Graf Bothmer (1871)

Undankbare Aufgabe

Was er hier sollte, das dämmerte nun auch Anton von Werner. Nichts weniger als die Proklamierung des Deutschen Kaiserreichs wurde gefeiert. Aus Sicht Anton von Werners ein wenig malerisches Geschehen welches ihn jedoch in den folgenden Tagen, Wochen und Jahren ausgiebig beschäftigten sollte.

Anton von Werner: Der Kronprinz abends vor dem Kamin in Villa Les Ombrages mit Bismark und Moltke im Gespräch (1874)

Vor Ort machte er endlose Notizen, Skizzen und Studien der Räumlichkeiten, Zeichnungen der Kleider und beteiligten Personen.
Diese Art der chronistischen Malerei war ganz anders, als alles, was er bisher geschaffen hatte. Seine künstlerische Freiheit war begrenzt und er berichtet von den damit zusammenhängenden Problemen und Schwierigkeiten dieser wenig dankbaren Aufgabe:

Ich empfand.., daß es doch etwas anderes sei, einen historischen Vorgang, dem man beigewohnt hat, im Bilde zu verarbeiten, als ein nur nach malerischen Grundsätzen aufgebautes Bild aus dem Inneren heraus ohne äußeren Zwang zu schaffen...Die Offiziere standen im Saale dicht gedrängt...Nichts von den phantastisch lebhaften Gebärden, die der Maler gewöhnlich braucht, um in solchen Fällen Enthusiasmus auszudrücken...Hier sollten nun Schwierigkeiten bewältigt werden, wie gegebene Kostüme, deren Lokalfarbe nicht willkürlich zu ändern war...
und ich musste eine große Menge von Porträtstudien machen, noch ehe es möglich war zu bestimmen, ob sie auch gerade so und in der Pose in dem zu schaffenden Bilde zu verwenden waren.
Anton von Werner: Der Kronprinz empfängt General Hann von Weyhern in Versailles (1870)

Gleiche Probleme gab es bei der Zeichnung des Saals. Er konnte nur eine kleine Aquarellskizze, ein paar Details und Messungen durchführen. Grund war, dass der Saal schon ein paar Tagen nach der Kaiserproklamation als Lazarett umgebaute wurde und das Gestöhne der Verwundeten nicht auszuhalten war. Als er einige Jahre später das Versäumte in Versailles nachholen wollte, war das Zeichen im Spiegelsaal für ihn verboten.

Französische Künstler

Ein trauriges Ereignis für Anton von Werner war die Nachricht des Todes des ihm aus Rom bekannten, hochgeschätzten Maler Henri Regnault in einem der vielen Gefechte vor Paris
Henri Regnault war der bedeutendste unter den damaligen jüngeren französischen Künstlern, mit einer glänzenden Zukunft vor sich...Während der Belagerung von Paris war er in eines der nur oberflächlich militärisch ausgebildeten Freiwilligen-Bataillone eingetreten, hatte sich beim Rückzug der französischen Truppen ganz unnötig exponiert und war einer preußischen Kugel zum Opfer gefallen.

Eine kleine Geschichte mit Jean-Léon Gérôme sei hier auch nicht unerwähnt. Der große französische Künstler wandte sich an den für sein Entgegenkommen auch bei den Franzosen bekannten Kronprinzen mit der Bitte,
aus seinem irgendwo innerhalb unserer Linien gelegenen Atelier seien Studien und Skizzen zu retten, was der Kronprinz, soweit möglich, auch veranlasst hat.

Auch an Werner wandten sich französischen Künstler. So wurde das Atelier von Thomas Coutures von der Militär-Verwaltung als Schneiderei und Schusterei genutzt. Dies war dem Künstler natürlich nicht recht.
Ich brachte sein Gesuch dem General v. Blumenthal vor, der zwar lachte und sagte: "Wenn die Franzosen nach Berlin kämen, würden Sie es mit Ihrem Atelier gewiß nicht anders machen.", aber nach einigen Tagen war zum Glücke Coutures doch ein geeigneteres Gebäude gefunden.
Anton von Werner: Gottesdienst am 18. Januar 1871 (1871)

Seit dem Waffenstillstand waren viele Gebiete auch für die Künstler zugänglich.
... und es bot sich so viel des Malerischen... daß ich nur bedauern mußte, nicht alles skizzieren zu können.
Anton von Werner: Villa Les Ombrages (1871)

Studien vor Ort

Die Kapitulation Frankreichs beendetet den Krieg und in Folge dessen zogen die deutschen Truppen, in Anlehnung an Napoleons Einzug in Berlin, zur Parade in die Hauptstadt Paris auf dem Longchamps ein.

Anton von Werner: Bismark und General v. Hartmann nach der Parade auf dem Longchamps (1871)

Anton von Werner nutze die noch verbleibende Zeit, möglichst viele der bei der Kaiserproklamation Anwesenden zu porträtieren. Die Abende waren gefüllt mit Dinner, Empfängen und Musik. Werner, falls es die Situation erlaubte, mit seinem Cello beteiligt. Mit gewissen musikalischen Talent ausgestattet soll er laut eigener Aussage auch mit Geige und Bratsche keine schlechte Figur abgegeben haben.

Umzug befohlen!

Für seine Zukunft wegweisendes wurde unterdessen vom Kronprinz Friedrich Wilhelm beschlossen.
Sobald Sie nach Berlin kommen, sehen Sie sich im Schloß den besten Raum für ein derartiges Bild an und malen es für diesen Raum. (Kronprinz)
So war der noch offene Umzug wie selbstverständlich durch den Kronprinz entschieden.

Bei der Heimreise nach Karlsruhe erfährt er von seinem Reisepartner, dem Großherzog von Baden, interessantes über den Badenser Maler Anselm Feuerbach. Der Großherzog wollte diesen gerne an die Karlsruher Akademie holen, aber, anders als in Feuerbachs Memoiren 'Vermächtnis' scheint das Problem weniger an den Umständen, denn an Feuerbach selber gelegen zu haben.
...wenn seine Friedensbedingungen, wie der Großherzog lächelnd bemerkte, nur nicht gar zu harte gewesen wären.
Beispielsweise forderte Feuerbach die Entlassung aller nicht badischen Künstler wie Carl Friedrich Lessing und Adoph Schroedter, als auch, dass er zu keinerlei Gegenleistung, wie Unterricht erteilen oder dergleichen, verpflichtet wäre.

Anton von Werner: Auf der Schießwiese in Karlsruhe (1871)

Privat in Berlin

Im weiteren Verlauf des Jahres 1871 bereitete von Werner den Umzug nach Berlin vor. Die Einrichtung des neuen Hauses und seines Ateliers musste voran kommen.

Zeit zum Knüpfen private Kontakte bestand natürlich trotzdem. Ein Besuch beim Kronprinzen und seiner malerisch talentierten Frau festigte die Freundschaft zwischen ihnen dauerhaft. So beschreibt Anton von Werner eine Situation, bei der er mit dem Kronprinzen auf dem Boden robbte, um die Zeichnungen und Aquarelle seiner Frau zu begutachten. Deshalb kam es nicht von ungefähr, dass Jahre später die Kronprinzessin Taufzeugin bei der Geburt von Werners erstem Sohn war.
Das die Kronprinzessin Victoria künstlerisch begabt war, erwähnt von Werner mehrfach.
So ist auch eine kleine Bleistiftskizze in dem Buch abgebildet, welches dies veranschaulichen soll:

Kronprinzessin Victoria: Hofdame
Bleistiftzeichnung

Künstlerisch stand vor dem Proklamationsbild, welches als Überraschungsgeschenk für Kaiser Wilhelm I zu dessen 80 Geburtstag (1877) gedacht war und noch offiziell genehmigt werden musste, die Vollendung der beiden Moltkebilder und weitere Illustrationen zu Scheffels Trompeter von Säckingen an.

Einzug in Berlin

Foto: Die Siegesstraße Unter den Linden am 16. Juni 1871

Zum großen feierlichen Einzug der siegreichen Truppen in Berlin sollten fünf große Velarien (Leinwandtücher) zur Preisung der deutschen Nation, symbolisiert durch die Germania, gemalt werden. Anton von Werner übernahm das größte (20 Fuß zu 18 Fuß) 'Deutschlands Kampf gegen Frankreich' der fünf Velarien. In der unglaublichen kurzen Zeit von nicht mal zwei Wochen, aus Zeitgründen ohne jegliche Modellstudien, zauberte der brillante Künstler dieses große Bild aus dem Hut. Vom langweiligen, uninspirierten Chronisten, wie von Werner von blinden Laien heutzutage öfter denunziert wird, kann keine Rede sein. Dieses kann nur ein großer Meister seines Fachs leisten.

Anton von Werner: Kampf und Sieg (1871)
Verlarium
... und ganz besonders wurde es angestaunt, daß ich mein Bild mit Benutzung der Laufleiter malte, an die ich von meiner Stubenmaler-Lehrzeit her gewöhnt war

Nicht nur wegen dieser viel bewunderten Aktion kam Anton von Werner trotz längeren Abwesenheit von Berlin in engen, freundschaftlichen Kontakt mit vielen der alteingesessenen Künstler. Die Maler Adolph Menzel, Friedrich Eduard Meyerheim und Paul Meyerheim, Wilhelm Gentz, Georg Bleibtreu, Gustav Richter, Carl Becker oder die Bildhauer Friedrich Drake und Albert Wolff standen im regen Kontakt mit dem umgänglichen von Werner.

Trauung

Die Trauung in Erlenbad mit seiner Verlobten, der Tochter Adolf Schroedter, stand an. Als ihre Trauzeugen waren Carl Friedrich Lessing, Hans Gude und Josef V. Scheffel auserkoren.
Die Hochzeitsreise führte das frisch vermählte Paar nach Italien.

Anton von Werner: Im Garten von Erlenbad (1871)


Problemfall Siegessäule

Zurück in Berlin trudelte Ende 1871 schon der nächste große Auftrag für Anton von Werner ein. Er sollte für den Erbauer der Siegessäule, Hofbaurat Heinrich Strack, einen Entwurf für ein den Kern der Siegessäule umringendes Fries malen.
Als Motiv hatte der Kaiser "Die Rückwirkung des Kampfes gegen Frankreich auf die Einigung Deutschlands" bestimmt.

Anton von Werner: Studienkopf Generalfeldmarschall E v Manteuffel (187x)
Daß die Aufgabe, auf der zylindrischen, von der Säulenhalle umgebenen, hinter den Säulen sichtbaren Fläche des unteren Teiles der Siegessäule ein stets nur
nur unvollkommen erscheinendes Bild zu malen, für den Maler, schon vom technischen Gesichtspunkte aus, eine überaus verlockende gewesen wäre, läßt sich nicht behaupten, ebensowenig wie die malerische Darstellung des vom Kaiser verlangten. Doch ... ich ging mit jugendlicher Begeisterung an die Arbeit.
1872

Das Jahr 1872 ging arbeitsreich weiter. Ein vom Kronprinzen gefordertes Aquarell zur Feier des hohen Ordens vom Schwarzen Adler musste erstellt werden.

Kaiser und sein Untertan

Das nicht immer alles so glatt lief wie bisher, zeigt eine Episode bezüglich des Siegesdenkmalfries.

Anton von Werner: Probestück zum Siegesdenkmalfries (1872)

Anton von Werners erste Entwürfe, welche wiederum die volle Zustimmung des früher erwähnten Kultusminister Mühler fanden, wurden dem Kaiser zur Begutachtung vorgelegt. Dieser war mit gewissen Details unzufrieden.
Werner reichte daraufhin eine Beschreibung seiner Ideen ein. Der Kaiser war noch
immer nicht zufrieden und forderte Änderungen. Von Werner gab darauf hin zeitweise die Arbeit ganz ab, weil er seine künstlerische Freiheit zu weit eingeschränkt sah.

Anton von Werner: Studien für den Siegesdenkmalfries (1873)

Aber es geht nicht, daß man dem Kaiser so ohne weiteres einen Korb gibt.
Auf Vermittlung seines Gönners, des Großherzogs von Baden, der gleichzeitig Schwiegersohn des Kaisers war, kam jedoch ein für alle Seiten akzeptabler Kompromiss zustande.
Der Kaiser erschien ohne Adjutanten, ganz allein...Der Kaiser begrüßte mich in der ihm eigenen schalkhaft-liebenswürdigen Weise lächelnd mit den Worten: "Nun, wir haben einige kleine Differenzen miteinander, wollen mal sehen, ob wir uns einigen können."
Ich weiß nicht, ob der Leser es sich deutlich vorstellen kann, wie mir, dem
jugendlichen Anfänger, gegenüber dem fast 80 jährigen Heldengreis bei dieser Anrede zumute war, und wie ich am liebsten gesagt hätte: "Euer Majestät Liebenswürdigkeit ist zu siegreich! Ich male alles, was Sie wollen, - selbst wenn es der größte Unsinn wäre!
Doch das war nicht nötig, da nach einigem hin und her letztendlich beide Seiten zufrieden waren.

Anton von Werner: Karton für den Siegesdenkmalfries (1872)

Einfallsreichtum und Geschick

Diese Mammutaufgabe forderte natürlich in den nächsten Monaten seine ganze Kraft, Können und Einfallsreichtum. Und dies nicht nur rein malerisch:
...die 75 Fuß lange Leinwand für den Siegesdenkmalfries in meinem Atelier vor dem Proklamierungsbilde, daß 25 Fuß breit und 14 Fuß hoch war, aufstellen. Es geschah, da mein Atelier am Karlsbad 21 hoch nicht groß genug war, um einer solchen Fläche Raum zu bieten derart, daß das Bild auf zwei Walzen rechts und links aufgerollt wurde und jedesmal, wenn ich mit der Fläche von 25 Fuß fertig war, diese nach links weiter auf die linke Walze gerollt und von der rechten Walze die unbemalte Leinwand
herausgezogen wurde.
Wow. Die Idee von Werner war es übrigens, dass das Siegesdenkmalfries auf Mosaik ausgeführt wurde, da dies das einzig witterungsbeständige Medium ist. Und er hat recht behalten. So erstrahlt der Fries heute noch in vollem Glanz. In den nächsten Wochen standen jeweils 12 Stunden Arbeitstage ohne Mittagspause an und so kam es nicht überraschend, dass er völlig ausgebrannt und urlaubsreif zur Erholung nach Kiel fuhr.

Anton von Werner: Am Strande von Stubbenkammer auf Rügen (ca 1873)

Professur abgelehnt

In diesem Jahr wurde dem aufstrebenden Superstar mal wieder eine Professorenstelle angeboten. Früher in Karlsruhe, nun Weimar. Aber er sah sich noch als Lernender, nicht als Lehrer. Von der mangelnden Zeit ganz zu schweigen. So war noch eine Tuchzeichnung zum Dürerfest des Vereins Berliner Künstler samt Festprogramm als Lithographie abzuliefern.

Anton von Werner: Künstler-Festkarte (1872)

1873

Nicht nur Tusch und Bleistiftzeichnungen, Aquarelle, kleine und große Ölgemälde, Velarien, Wandgemälde und Friesgemälde beherrschte der große Meister.

Dekorateur

Anfang 1873 tobte er sich in seinem neuen Heim als Innenausstatter und Dekorations-Maler aus. Dass er auch dies mit großen Können und viel Liebe umsetze, war selbstverständlich.
Im Kinderzimmer malte ich en grisaille die drei Märchen vom Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen an die Wand in romanischen Bogenstellungen, die Decke blau mit goldener Sonne und Sternen, so daß die Kinder von ihren Wiegen aus immer die Bilder und das Himmelszelt vor Augen hatten.
Anton von Werner: Aschenputtel aus dem Kinderzimmer meines Hauses (um 1874)

Seine Kleinen werden sich mit Sicherheit wohlgefühlt haben.

Die dekorative Malereien führte er in der Folge auch in anderen Häusern aus, manchmal gemeinsam mit seinen Atelierschülern oder Kollegen. Vom heute zerstörten Cafe Bauer wird noch die Rede sein.

Anton von Werner: Eheglück Aus dem Bilderzyklus am Hause R Pringsheim - Karton (1873)

Anton von Werner: Was ihr wollt - Skizze für eine Wanddekoration (187x)

Berliner Gesellschaft

Zu dieser Zeit ging nicht nur Anton von Werner in den Kreisen der Hofgesellschaft ein und aus. Auch Adolph Menzel, Oskar Begas, Albert Hertel oder Paul Meyerheim waren häufig gesehen Gäste.
Das Salonleben blühte. Das Haus des Kronprinzen wechselte mit dem Salon der Gräfin Schleinitz, dem Helmholtzen Salon oder den Abenden in dem Rathschen Haus ab. Es bestand ein sehr enger Kontakt zwischen den bildenden Künstlern, den Musikern, Theaterleuten oder den Gelehrten wie Rudolf Virchow und Herrmann Helmholtz. Auch Offiziere wie Moltke nahmen gelegentlich die Einladungen an, so bei einem Herrendiner im Hause von Werners zu Ehren Andreas Achenbachs, bei dem neben anderen auch Reinhold Begas, Gustav Richter, Wilhelm Gentz und Paul Meyerheim zu Gast waren.

Anton von Werner: Studienkopf General Moltke (1871)
Da mit Rücksicht auf Moltke keinerlei Reden gehalten wurden, so bereitete es allgemeine Überraschung, als der große Schweiger sich plötzlich erhob und mit verbindlicher Verneigung gegen Achenbach und die anwesenden Künstler gewandt, den kurzen Trinkspruch ausbrachte: "Meine Herren, ich trinke auf das Wohl derer deren Werke reden."
Bei den Musikabenden war nicht nur Werner beteiligt, sondern
so vor allem Professor C.Becker als temperamentvoller Violinspieler, Reinhold Begas und Paul Meyerheim als wohlgschulte Cellospieler, Albert Hertel war ein Sänger mit prächtiger Stimme und urwüchsiger dramatischer Kraft begabt, auch Oskar Begas und Gußmann-Hellborn spielten Geige und Bratsche.
An anderer Stelle werden noch anderer Maler erwähnt, die regelmäßig an diesen Abenden teilnahmen. E. Teschendorff, Albert Begas, Ludwig Knaus oder Heinrich von Angeli als Sänger.

Musikzimmer in meinem Hause (Nach einem Aquarell von W Granzow)

Eine der wenigen öffentlichen Auftritt der Künstlerschar war auch von Kaiser Wilhelm und seiner Gemahlin besucht worden.
Willst du den Herren nicht auch etwas Freundliches sagen?" worauf der Kaiser lächelnd erwiderte: "Ich verstehe zwar nichts davon, aber ich freue mich, daß die Herren vom Pinsel auch so gut mit dem Bogen umzugehen wissen."
Das Ereignis des Jahres der Berliner Gesellschaft waren immer die Hofbälle mit bis zu 1700 Personen. Dieses sehr malerische Ereignis war bestimmt für den gekonnten Pinsel Anton von Werner.

Anton von Werner: Der Kaiser auf dem Hofball im Kreise seiner Generale (1879)
... ich versuchte häufig, wenn ich vom Hofball nach Hause kam, diese oder jene Eindrücke in Federzeichnungen festzuhalten... Ich habe später drei kleine Bilder als Ergebnis dieser Eindrücke gemalt,..., was mir anscheinend den Ruf als "Höfling und Wadenstrümpler"... eingetragen hat.

Das gesellige Leben war auch wichtiger Teil des Vereins Berliner Künstler, der jedem Kunstinteressierten offen stand. Ähnlich wie viele anderen Kunstvereine (siehe Düsseldorfer Verhältnisse) waren Musikabende und kleine und große Feste mit lebenden Bildern und Umzügen regelmäßig auf der Tagesordnung. Beispiele sind das Dürerfest im Winter 1872 oder den von Werner organisierten Karneval von Venedig des Jahres 1873.

Anton von Werner: Dürerfest des Vereins Berliner Künstler im Saale des Konzerthauses (1872)

Weltausstellung Wien

Höhepunkt des Jahres 1873 war neben der angebotenen Direktorenstelle der Akademie, welche Werner, trotz einiger Zweifel aufgrund seiner früheren Berliner Erfahrung als Studierender, im Jahre 1875 offiziell antrat, die Weltausstellung in Wien.
Die Stadt, die Werner das erste Mal bereiste, machte einen großen Eindruck auf ihn. Er durfte selber zwei Bilder zur Ausstellung senden. Von seinen Mitstreitern beeindruckten ihn vor allem zwei Gemälde stark.
Eines von Ernest Meissonier, (genauso wie 1867 auf der Weltausstellung in Paris) und eines von Hans Makart.
"Meissoniers Bild "1807", das mir als die meisterhafteste künstlerische Tätigkeit der ganzen Ausstellung und als das Vollendetste erschien, was sich vermittels der Kunst über Napoleon und sein Heer überhaupt sagen ließ, und Hans Makarts "Katharina Cornaro".

Ernest Meissonier: Friedland 1807 (ca. 1861-1875)

Hans Makart: Venedig huldigt Caterina Cornaro (1875)

Makart, den er 1869 in Rom als schweigsamen Künstler kennengelernt hatte, scheint
in Werners Augen erst hier in voller Pracht. Voller Respekt und Begeisterung berichtet er von seinem großen Künstlerkollegen und seiner etwas anderen (im Vergleich zu von Werner) Herangehensweise an die Malerei:
...hier aber erschien er mir erst als ein gottbegnadeter Künstler, dem das Malen angeboren war, und der ohne viel Grübeln mit spielender Leichtigkeit all jene glutvollen Farbensymphonien zu Schaffen vermochte, die vor allem das lebensfrohe Wien in einem Taumel von Entzücken versetzten, und die ich mir nur denken kann als Dekoration prächtiger farbiger Prunkgemächer, wo zum Klange heiterer Lieder die Gläser klingen, Prachtgewänder schöner Damen rauschen und Gott Amor sein neckisch-verwegenes Spiel treibt. Um den inneren Gehalt seiner Schöpfungen, um Gedanken machte sich Makart - soweit ich ihn persönlich kennen gelernt habe - keine Sorgen, sein Denken und Empfinden war darauf gerichtet, aber ganz unbewußt, unser Dasein durch künstlerischen Schmuck zu verschönern, und wegen der historischen Richtigkeit seiner Bilder mit historischem Titel hat er gewiß keine schlaflosen Nächte gehabt.
Geiziger Moltke

Ende des Jahres 1873 konnte Anton von Werner die Illustrationen zu Scheffels 'Trompeter von Säckingen' abschließen und begann zwei neue Gemälde, welche erst im folgenden Jahr abgeschlossen wurden.
Zum einen eine Familie, welche bei einem Mittagsmahl mit Martin Luther in Kostümen der Reformationszeit abgebildet werden wollte. Ein Bild in der Tradition der Auftraggeber trifft historische Gestalten Bilder.

Und, wie schon so oft in den letzten Jahren, ein Moltke-Gemälde.

Anton von Werner: Moltke in russischer Feldmarschallsuniform (1873)

Moltke wird in diesem Zusammenhang sympathisch, aber leicht verschroben von unserem Künstler beschrieben:
Kaiser Alexander II von Russland hatte Moltke nach dem Kriege zum rußischen Feldmarschall ernannt und dieser mußte sich nun für den Feldmarschschallsaal im Kaiserschlosse an der Reva in ganzer Figur malen lassen, was dem gar nicht eitlen, aber sparsamen alten Herren, dem die Ausgaben für die russische Uniform schon unangenehm genug gewesen waren, gar keine Freude machte. Er war während der geduldig ertragenen Porträtsitzungen auch durchaus nicht schweigsam, sonder murrte vernehmlich darüber.

1874

Angehender Direktor

Die Berliner Akademie brachte zwar einige große Künstler hervor, aber die Zustände waren, im Gegensatz zu Karlsruhe, Weimar oder München, nach Ansicht Anton von Werners und anderer Maler, wenig zeitgemäß und zukunftsweisend. Die Ausbildung soll tiefgründiger und umfassender werden, das gesamte Umfeld mit professioneller Ausstattung und besser Organisation auf die Höhe der Zeit gehoben werden. An diesen Diskussionen im privaten Kreise waren nicht nur die Berliner Künstler wie Werner, Menzel, Richter oder Becker beteiligt, sondern auch Carl Friedrich Lessing aus Karlsruhe oder Julius Hübner aus Dresden.

Anton von Werner: Studie Spreewälder Amme (1874)

Als Direktor der Akademie sollte Anton von Werner diese Professionalisierung später, auch gegen viele Widerstände und mit Kompromissen gespickt, umsetzen.
Sein Ziel war es, den Schülern all das zu vermitteln, was erlernbar war. Also eine umfassende handwerkliche und fachwissenschaftliche Ausbildung. So führte er später unter anderem einen Kurs für die Freilichtmalerei und einen für Ornamentik ein. Die Ornamentik lag ihm besonders am Herzen, da sie sein Steckenpferd während seiner Ausbildung als Stubenmaler war. Die weisen Worte Anton von Werners seinen jedem jungen Künstler ans Herz gelegt:
Für die Malerei waren mit dem Ende des achtzehnten oder Anfang des neunzehnten Jahrhunderts die bis dahin noch bekannten Werkstatt-Traditionen - akademische Rezepte und Schablonen, wie sie törichterweise von denen genannt werden, die keine Ahnung davon haben, was in der Kunst überhaupt gelehrt werden kann - verloren gegangen, und sie mußten wieder gefunden oder dafür Ersatz geschaffen werden. Der Schüler will und muß zunächst lernen, wie es gemacht wird, das war in den Meisterateliers von Rafael und Rubens genau so wie in den alten Zünften und Gilden, und dazu gehören zu seinem eigenen Besten Zwang, Regeln und Rezepte. Mit seiner Individualität, der Freiheit der Kunst, mit Realismus und Idealismus hat das nicht das Geringste zu tun, es handelt sich einfach um das Erlernbare.
Anton von Werner: Studie Graf Seckendorff (1874)

Mitte des Jahres 1874 waren die Arbeiten am eigenen Heim soweit fortgeschritten, dass das Malen am Proklamierungsbild im eigenen, neuen Atelier fortgeführt werden konnte.

Foto: Mein Atelier Potsdamerstrasse 113

Anton von Werner: Blick aus meinem Atelier - Potsdamer Strasse 113 (um 1874)

Weihnachtsgeschenke

Für einen Künstler wie von Werner war es selbstverständlich, zur Weihnachtszeit an Freunde und Bekannte das ein oder andere kleine Bild zu verschenken. Die zur damaligen nur als Skizzen angesehenen Werke übersteigen heutzutage die Möglichkeiten der meisten Künstler. Solch eine kleine Skizze ist nachfolgend abgebildet:

Anton von Werner: Generalfeldmarschall Graf Moltke in meinem Atelier(1874)

Einen Auszug aus dem treffenden Dankesschreiben Graf Moltkes vom 2. Januar 1875 sei hier nicht verschwiegen:
Vielen freundlichen Dank, bester Herr von Werner, für Ihr schönes Weihnachtsgeschenk. Es ist reizend, wie Sie die Eigentümlichkeiten der Menschen
im flüchtigen Blick aufzufassen wissen, so daß man sie selbst wenn sie den Rücken zukehren, sogleich erkennt. (Moltke)
1875

Widerspenstiger Kaiser

Werner, dessen offizielle Ernennung zum Direktor der Akademie im Laufe des Jahres nur noch Formsache war, sollte als Sprecher einer Deputation zum Neubau eines Akademiegebäudes dem Kaiser Wilhelm I vorsprechen. Angelegenheiten der Kunst waren zu dieser Zeit Sache des Oberhaupts der Nation. Die wohlüberlegten Pläne wurden vom Kaiser mit den Worten abgelehnt:
Diesen Platz habe ich allerdings schon für die Denkmäler der Generäle des letzten Krieges bestimmt", und entließ uns lächelnd mit den Worten:
"Aber ich werde für Ihr Projekt eine schlaflose Nacht opfern. (Wilhelm I)
Der kleine große Menzel

Das künstlerische Ereignis des Jahres 1875 war das große Gemälde 'Eisenwalzwerk' von Adolf Menzel.

Adolf Menzel: Eisenwalzwerk (1875)

Dieses Bild wurde von Werner sehr bewundert:
genialer Schöpfung... stand mit den "Modernen Zyklopen", wie das Bild vom Publikum getauft wurde, auf der Höhe seines Schaffens und seines Ruhmes.
Das Bild soll Jahre später auf der Weltausstellung 1878 das Highlight der deutschen Kunstabteilung gewesen sein und in Meissonier seinen größten Bewunderer gefunden haben. Und dies nicht zum ersten Mal. Auch schon 11 Jahre vorher wurde Menzels Hochkirch-Bild auf der Weltausstellung 1867 vom großen Franzosen sehr gelobt.
Anton von Werner bewunderter Menzel schon seit frühster Jugendzeit. Während seiner Ausbildungszeit in Berlin Anfang der 60er Jahre vermied von Werner jedoch aus Furcht vor den Marotten des großen Meisters den Kontakt. Erst 1867 auf der Weltausstellung in Paris lernten sie sich persönlich kennen.
Eines Abends war auch der belgische Maler Alfred Stevens dort, und ich fungierte als Dolmetscher zwischen beiden, weil Menzel nur wenig Französisch verstand. Stevens befragte Menzel u.a. um seine Meinung über Henry Leys, der in der belgischen Abteilung hervorragend mit Wiederholungen seiner Antwerpener Rathausbilder in kleinerem Format vertreten war. Mit einer originellen schraubenartigen Handbewegung antwortete Menzel: "C'estl deuxieme main;" er meinte damit die Nachahmung der Malweise verschiedener Meister, die Leys' Spezialität war, und die Menzel nicht schätzte.
Vor der unbarmherzigen, ehrlichen Kritik Menzel fürchtete Werner sich noch längere Zeit. Erst nach den ersten ausführlicheren persönlichen Kontakten 1875/76 entspannte sich das Verhältnis zu dem alten Meister. Anton von Werner war in späteren Jahren einer der wenigen, die Menzel in seinem Atelier besuchen durfte, wovon er jedoch selten Gebrauch machte.
Das Menzel, dessen Werke als einer der wenigen Salonmaler der damaligen Zeit heute noch in Buchhandlungen zu sehen sind, kein Freund des aufstrebenden Nichtskönnertums war, mit dem er heute als geistig verwandt in Verbindung gebracht wird, zeigt folgendes Zitat Anton von Werners:
Ein andermal, als es sich um den Orden pour le merite für A. Böcklin handelte, wurde er aber wild und die Worte überstürzten sich, als er zornig ausrief:
"Dieser Mensch ist an dem ganzen Unfug Schuld, der jetzt in der Malerei getrieben wird!"
Mobbing

Im April 1875 wurde Anton von Werner nun offiziell zum Direktor der Akademie ernannt, um sogleich die weiter oben skizzierten Veränderungen anzugehen. Das dies nicht immer reibungslos verlief, ist offensichtlich. Mobbing würde man das wohl heute teilweise nennen. Aber seine tiefste Überzeugung der Richtigkeit der notwendigen Maßnahmen und Fürsprecher in höchsten Ämtern, ließen ihn nicht beirren. So blieb er bis zu seinem Tod in dem wohl wichtigsten Amt der damaligen Zeit und ließ sich auch von freundschaftlichen Hinweisen auf die nutzlose Kraftverschwendung, die diese Position innehat, nicht abhalten. Auch von Adolph Menzel nicht:
Sagen Sie mal, beabsichtigen Sie wirklich, Ihre Kräfte hier länger zu vergeuden? Sie sind doch wirklich zu Schade dafür! (Menzel)
Venedig

Nachdem von Werner in München mit Hans Thoma und einigen anderen Geburtstag feierte, ging es Richtung Venedig.

Anton von Werner: Im Klosterhof von San Gregorio in Venedig (1875)
Aquarell


Grund dieser Reise war die Fertigstellung des Siegessäulenfries. Das Gemälde von Werner sollte in Mosaik umgesetzt werden. Da war die weltbeste und bekannteste Firma nur Recht. Das Stabilimento Salviati (1880/81 zum Beispiel das Kuppelmosaik im Aachener Dom), welche die Glasbläserkunst (Murano Gläser) und die Glasmosaiktechnik wiederbelebt und zu neuen Höhen geführt hat. Deren Fortschritte an seinem Fries wollte von Werner begutachten.
Die Persönlichkeit des Firmengründers Dr. Antonio Salviati beschreibt unser Künstler so:
Ich hatte den überaus rührigen und lebhaften Herrn, der von Fach Advocat war, schon einige Jahre früher gelegentlich der Ausführung des Mosaikfrieses am Pringsheim'schen Hause in Berlin kennen gelernt; er beherrschte und sprach mit derselben Lebhaftigkeit wie seine Muttersprache die deutsche, englische und französische Sprache, was ihm bei seinen geschäftlichen Verhandlungen sehr zustatten kam.

In Venedig begleitete von Werner, der zu dieser Zeit noch brauchbares Italienisch sprach, das Kronprinzenpaar auf ihren Empfängen und Erkundungen. Eine Szene, wenn man von Werner glauben schenken mag, beschreibt die sympathische Kronprinzessin Victoria treffend:
"Wenn es abends zur Rückfahrt ging, wurde der Ruf laut: "Ecco le gondole pei fumatori!", und es wollte dann niemand in die Gondel zu den kronprinzlichen Herrschaften steigen, weil in der Nähe der Frau Kronprinzessin natürlich nicht geraucht werden durfte. Die hohe Frau aber rief lachend: "Kommen Sie nur, Sie können hier auch rauchen, nur rauchen Sie nicht von meines Mannes Zigaretten, die taugen nichts.

Abwechslungsreicher Ausklang

Auf der Rückreise Richtung Berlin besuchte von Werner bei einem Zwischenhalt in München das Atelier Franz von Lenbachs. Dieses wird als ziemlich schmucklos beschrieben. Aber die meisterhaften Porträts sind ihm trotzdem in Erinnerung geblieben.

In Berlin malte er an dem Treppenhausbild für die Villa Behrens in Hamburg 'La Festa',

Anton von Werner: Farbenskizze zu La Festa (1874)

führte einige kleinere dekorative Arbeiten durch und kümmerte sich um seine ersten Atelierschüler (Albert Schwarz, Ernst Tepper, Fischer Görlin, Karl Hochhaus, L.Manthe, Philipp Fleischer und Max Koner).

Wie im Vorjahr war von Werner wieder in Radolfzell bei seinem Freund Scheffel zu Gast.

Anton von Werner: Kloster Oberzell auf der Insel Reichenau (1878)

Die Zeit wurde unter anderem für erste Vorarbeiten zur Illustration des 'Ekkehard' genutzt. Einem Mammutprojekt, welches Trotz langjähriger Arbeit nie beendet wurde. Auch nach dem Tode Scheffels 1886 zeichnete von Werner noch gelegentlich die ein oder andere Illustration dazu, aber, da es immer nebengleisig lief, war die Aufgabe nicht zu bewältigen und wurde irgendwann ganz eingestellt.

Anton von Werner: Audifax und Hadumoth auf dem Hohenkrähen (ab 1875)

Ende des Jahres 1875 starb nach langer Leidenszeit sein Schwiegervater, Professor Adolf Schroedter in Karlsruhe, der, wie von Werner es formulierte,
...aber bis zum letzten Hauch künstlerisch tätig...
Der Höhepunkt des Jahres war für Anton von Werner die Enthüllung des Siegessäulenfries in Gegenwart des Kaisers. Das zugehörige Originalbild wurde 1877 in der Münchener Kunstausstellung ausgestellt und dann dem Breslauer Museum vermacht.

Oben angekommen

So endete die erste Hälfte der 70er Jahre mit einem großen Triumph für Anton von Werner. Er hatte sich in den letzten fünf Jahren vom noch relativ unbekannten Preußischen Maler zum wichtigsten Künstler des deutschen Reichs entwickelt. Das Jahrhundertbild der Kaiserproklamation war in Arbeit, das Siegessäulenfries enthüllt. Er hatte freundschaftliche Bekanntschaft mit den Herrschern des Landes geknüpft, die Aufträge flogen ihm nur so zu.
Nun auch noch Direktor der bedeutenden Berliner Akademie.
Eine unglaubliche Karriere für einen jungen Mann Anfang 30. Dies brachte natürlich auch Neider auf den Plan. Aber Können setzte sich oft durch, so auch in von Werners Fall.

Abschließend noch ein kleines 'Problem', mit denen von Werner häufiger zu kämpfen hatte:
...fragte einer der eingeladenen Gäste, als ich zur Erwiderung der Begrüßungsrede das Wort erbeten hatte, seinen Nachbarn, den Professor Max Michael: "Warum läßt der neue Direktor eigentlich seinen Sohn für sich reden?
Weitere große Aufgaben standen an. Dazu ein andermal mehr...