Montag, 18. Februar 2013

Donato Giancola - Und der Sieger ist...

Wettbewerbe sind so alt wie die Menschheit selber. Es gibt sie in allen Variationen. Gesucht ist der stärkste Mensch, das schnellste Auto, der beste Fußballer, die schönste Frau oder der virtuoseste Klavierspieler. Die bildende Kunst spielt hierbei natürlich keine Ausnahme. Als Beispiel hierfür sei nur die Geschichte aus dem Altertum über den Vorhang des Pharassios genannt.

Wie es der Zufall will, findet gerade der größte Malwettbewerb unserer Zeit statt. Eine Pflichtveranstaltung, an der jeder Künstler automatisch mit all seinen Bildern teilnehmen muss. Der Juror wählt ein Bild, welches er als das Beste unserer Generation ansieht. Das Gemälde mit den meisten Stimmen wird Sieger dieses Wettbewerbs sein.

Säßest du auf den Richterstuhl, könntest du dich entscheiden? Ich schon, auch wenn ich mit meiner Wahl allein auf weiter Flur stehen würde. Denn nicht nur eine Jury, sondern auch der Maler selber fällt mir in den Rücken. Warum, werden wir später sehen.

Donato Giancola - Mystic and Rider II (2005) - Öl auf Papier auf Leinwand (55,9 x 76,2 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Meine Wahl

Meine Wahl fällt auf ein Bild des US-amerikanischen Malers Donato Giancola, der mir freundlicherweise erlaubt hat, seine Bilder zu verwenden.

Aufstieg

Der 1967 geborene Künstler fand, wie so viele seiner Vorgänger, den Weg zur Malerei erst im zweiten Anlauf. Schon als Kind war seine Zuneigung zur Kunst offensichtlich, er zeichnete und bastelte für sein Leben gern. Doch wollte er zuerst etwas 'vernünftiges' lernen und begann ein Studium der Elektrotechnik.
Nach zwei Jahren reifte jedoch der Entschluss, seinem Leben eine ganz andere Richtung zu geben. Er wollte Maler werden. Keiner dieser Idealisten, die nur von Liebe und Luft für ihre Passion leben, sondern sein Künstlerleben sollte auf soliden Beinen stehen. Deshalb strebte er den Magister-Abschluss einer Universität an, um danach sein Glück als Buchillustrator zu finden.

Er widmete seinem Traum die volle Energie und sog alles auf, was er über Malerei lernen konnte. Sei es durch Selbststudium, die geliebten Museumsbesuche oder durch Assistenz des Künstlers Vincent Desiderio. 8 bis 10 Stunden malen am Tag war keine Seltenheit und Schritt für Schritt verbesserten sich Giancolas Fähigkeiten. Die ersten Aufträge für Buchcover-Illustrationen trudelten ein, und der Aufstieg zu einem der weltweit bekanntesten und gefragtesten Illustratoren für Science-Fiction und Fantasy begann.

Donato Giancola - Joan of Arc (2012) - Öl auf Papier auf Masonite (61 x 106,7 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Diese und viele Informationen mehr kann man seiner Webseite http://www.donatoart.com entnehmen. Dort tritt er als selbstbewusster Künstler auf, der an sein Revers geheftet hat, die Malerei der alten Meister, kombiniert mit modernen Einflüssen, ins 21. Jahrhundert zu hieven. Kein geringer Anspruch, aber die Marketing-Trommel muss im Haifischbecken des Kunstmarkts gerührt werden.
Ein besonderes Anliegen ist ihm, sein Wissen den nachfolgenden Generationen zu vermitteln. So unterrichtet er aktuell an zwei Kunstschulen, veröffentlicht Lehr-DVDs und ist Gast bei vielen Workshops.

Medienblindheit

In Deutschland würde Giancola in den Medien entweder ignoriert oder verrissen werden. Denn mit ihm verbindet man vieles, was diese sogenannten Fachleute verachten. Drei Punkte möchte ich als Beispiel nennen. Illustration, Fotografie und Detailarbeit. Das sind alles Schlagwörter, die als sicheres Kriterium gelten, keine (große) Kunst vor sich zu haben.
Ein Illustrator wird von seinen Auftraggebern gelenkt und hat keine Freiheit, sein künstlerisches Ich zu entfalten.
Die Maler haben den Wettkampf mit der Fotografie verloren und müssen andere Ausdrucksmöglichkeiten finden.
Detailarbeit vernichtet das spontane, lebendige Empfinden.

 

Illustration

Wenn Auftragsarbeiten keine Kunst wären, könnte ein Großteil der Gemälde aus den Annalen der Malerei gelöscht werden. Der berühmteste Illustrator biblischer Geschichten, Michelangelo, würde nach dieser Maßgabe der Antikünstler schlechthin sein. Hineingezwängt in die Pläne seiner Auftraggeber, Hintanstellung eigener Ideen, arbeitend in einem Medium, welches ihn nicht behagte. Trotzdem werden die Fresken in der Sixtinischen Kapelle als Meisterwerke betrachtet.

Warum ist es für viele nur so schwer vorstellbar, dass ein Illustrator ein vorgegebenes Thema als Aufgabe betrachten und zu seinem eigenen machen kann? Auch wenn der grobe Rahmen aufgrund der Handlung eines Buchs vorgegeben ist, gibt es Millionen Wege, diesen zu füllen. Sowohl in der technischen Umsetzung als auch der Darstellung. Welcher Handlungspunkt, welche Personen, welche Perspektive, welche Farbgebung, welche Beleuchtungsregie, welcher Gesichtsausdruck und so weiter und so fort.

Donato Giancola - Eric Bright-Eyes Triptych - Mitte (2001) - Öl auf Leinwand (insgesamt 172,7 x 86,4 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Fotografie

Mich wundert es immer wieder, warum Museen der modernen Kunst dem Foto- und Hyperrealismus Platz einräumen, alle anderen Sparten des Realismus aber ausklammern. Dabei sind doch gerade dort die größten Schätze zu finden. Fotorealismus ist aufgrund des technischen Könnens zwar Kunst, nur langweilt sie aufgrund ihrer zu großen Nähe zur Fotografie.

Diesen 'Fehler' begeht Giancola jedoch nie. Er verwendet fotografische Studien als Arbeitserleichterung, bindet diese aber immer in seine Gesamtkomposition ein. Man hat nie den Eindruck, vor einem Schnappschuss zu stehen, den jemand gerade per Kamera eingefangen hat. So entsprechen seine Porträts selten dem 0815-Standardschema, sondern haben immer etwas Ungewöhnliches, Überraschendes zu bieten, so wie im folgenden Bild die bewegende Kartenlandschaft.

Donato Giancola - Cartographer: Claudia Rodriguez (2005) - Öl auf Papier auf Masonite (55,9 x 43,2 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola


Eine weitere Spezialität Giancolas, die ihn Meilenweit vom trockenen Fotorealisten abhebt, sind die spektakulären und ungewohnten Blickwinkel, mit denen er den Betrachter aus seinem gewohnten Seh-Alltag zerrt und ihn mitten in das Geschehen wirft.

Donato Giancola - Farseekers (1999) - Öl auf Leinwand (68,6 x 81,3 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Manche seiner Bilder sind barock-überladen, das Auge weiß kaum, wo es hinschauen soll, der Kampf ist in vollem Gange.

Donato Giancola - Faramir at Osgiliath (2003) - Öl auf Leinwand (139,7 x 94 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Andere Bilder sind dann jedoch fast kontemplativ, der Sturm ist vorbei und der Künstler zeigt einen kurzen Moment der Ruhe.

Donato Giancola - The Golden Rose (2007) - Öl auf Leinwand (91,4 x 121,9 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Detailarbeit

Die persönlichen Empfindungen des Künstlers sollen bei zu großer Detailarbeit verloren gehen, das Bild wirkt steril. Mit dieser Floskel habe ich im Zusammenhang mit der Malerei noch nie viel anfangen können. Eine Skizze soll spontan sein und Möglichkeiten aufzeigen. Doch Liebe und Begeisterung zeigt sich erst in der Freunde, ein Thema zu vertiefen und es von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Dies kann nicht immer schnell-schnell gehen, sondern verlangt Leidenschaft, Arbeit und Kreativität. Oder, wie es Giancola so schön gewichtet:
51.5% Fantasie, 47.5% Recherche, 1% Diebstahl

Gerade die minutiöse Detailversessenheit der großen Meister hat oft zu schönen Anekdoten geführt:
  • Während der Entstehung seines Gemäldes The Roses of Heliogabalus kaufte Alma-Tadema täglich eine Unmenge Rosen, um jedem Blatt das frische Leben einzuhauchen.
  • Ein Model Adolf Menzels fiel in Ohnmacht, weil der Meister ihn stundenlang in einer unmenschlichen Position verharren ließ. 
  • Giancola hat zum Glück nur einen Fisch auf seinem Gewissen, der aber zum Glück, so die Gerüchte, schon vorher tot gewesen sein soll. Leider musste er seine letzte Ruhe schwitzend unter einer Wärmelampe, zum Wohle der Kunst, verbringen
Den typischen Entstehungsprozess seiner Illustrationen beschreibt der Künstler in mehreren Interviews detailliert, zum Beispiel hier oder hier.
  1. Fachliche Vorbereitung (Betrachtung des Thema aus vielen Blinkwinkeln)
  2. Grobe Skizzen in Bleistift  (Ideengewinnung zur Beleuchtung und Komposition)
  3. Ein bis drei Skizzen zur Vorlage beim Auftraggeber
  4. Sammeln von Gegenständen, fotografische Referenzen und eigene Aufnahmen
  5. Erstellung einer Zeichnung im Originalformat des späteren Bildes
  6. Kopie der Vorzeichnung auf Baumwollpapier und Befestigung auf einer Mansonit-Platte.
  7. Farbstudien
  8. Umsetzung des Ölbildes und gegebenenfalls Korrektur der Vorlage

Geniestreich

Giancolas Gemälde sollen als eigenständige Kunstwerke unabhängig von der Buchvorlage bestehen.
Dies ist bei seinem Meisterwerk The Archer of the Rose mit Sicherheit auch gelungen. Ich kenne das zugehörige Buch nicht, aber es ist für die Wertschätzung des Bildes auch nicht von Belang.

Donato Giancola - The Archer of the Rose (2008) - Öl auf Papier auf Leinwand (91,4 x 61 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Ich habe das Bild schon viele Male betrachtet und bin immer noch begeistert von der genialen Komposition und Bildwirkung. Jeder Zentimeter dieses Bildes ist mit Leben gefüllt, man spürt förmlich die Energie des Kampfes. Durch die geschickt inszenierte Blickrichtung entlang der Diagonalen wirkt das Bild aber keineswegs chaotisch.

Donato Giancola - The Archer of the Rose - Ausschnitte (2008) - Öl auf Papier auf Leinwand (91,4 x 61 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Donato Giancola - The Archer of the Rose - Studie (2008) Copyright 2013 Donato Giancola

Die aus der Phalanx der glänzenden Schilder herausragenden Kämpferinnen, welche nach rechts oben zum imaginären Feind blicken, sind bewegend gemalt. Es ist der Moment dargestellt, bei dem in all dem Lärm des Gefechts ein Augenblick der Stille herrscht und der hell erleuchtete Pfeil der Bogenschützin den Anführer der Feinde besiegen wird.

Donato Giancola - The Archer of the Rose (2008) - Wechsel zwischen Vorzeichnung und Original            Copyright 2013 Donato Giancola

Geschmacksache

Dieses Bild wurde wohl zum ersten Mal im ARC Salon von 2008-2009 ausgestellt, aber dort als nicht auszeichnungswürdig erachtet. Auch Giancola selber sieht ein ganz anderes Gemälde als sein bedeutendstes Werk an, THE HOBBIT: EXPULSION.
Doch ich stehe hier und kann nicht anders, meine Stimme für das Opus Magnum unserer Generation geht an The Archer of the Rose :-)

Samstag, 2. Februar 2013

Cesar Santos - Gegensätze ziehen sich an, Teil 2

Weiter gehts mit dem zweiten Maler der Gegensätze (er hat mir freundlicherweise erlaubt, seine Bilder zu verwenden), der diese Bezeichnung ausnahmsweise wirklich verdient hat.

Cesar Santos - Out of the Square (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Piet Mondrian

Räumliche Gegensätze

Ich finde die Idee schön, abstrakte und realistische Malerei zusammen in einem Raum auszustellen. Nicht für die ganze Sammlung des Museums, das wäre zu unstrukturiert. Aber in einem einzelnen Bereich die Gegensätze aufeinanderprallen zu lassen, wäre spannend zu beobachten.

Cesar Santos - En Plain Air Painting (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

"Das kann man doch nicht machen", sagt vielleicht mancher Vertreter der modernen Kunst. Das wäre ungerecht, hier Äpfel mit Birnen zu verglichen. "Warum nicht?" wäre meine Antwort, es soll sich doch in beiden Fällen um große, bedeutende Malerei handeln, da braucht doch niemand den Vergleich zu scheuen. Oder doch?

Angst nie gekannt

Jemand, der vor diesem Raum bestimmt keine Angst hätte, ist Cesar Santos. Tauchen wir für einen Moment in seine Gedankenwelt ein.

Cesar Santos - Babysitter (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Wer bist du? Wie ist dein Leben verlaufen? Warum ist es so verlaufen? Wo waren die Wendepunkte? Wer hat dich beeinflusst? Welche Kräfte waren im Spiel?
Um diese Fragestellungen dreht er sich immer wieder und die Antwort darauf hat, wie wir sehen werden, auch seine Kunst maßgeblich beeinflusst.

Mehr Sein als Schein

Der Maler wurde Anfang der 80er in Kuba geboren und lebt heute in den USA. Wie sich sein Leben und seine Kunst entwickelte, beschreibt er ausführlich in einem Vortrag, der bei YouTube in 6 Teilen zu sehen ist (wer es gerne kurz und prägnant hat, hier ein anderes Video).

Cesar Santos - Dancing With Mr. Bacon (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Francis Bacon

Es tritt einem ein Mensch entgegen, der auf den ersten Blick typische Klischees eines Künstlers bedient (Zotteliger Bart, philosophische Aura, bestimmt in seiner eigenen Welt lebend), diese Bedenken jedoch schnell mit einem schelmischen Blick beiseite schiebt. Und siehe da. Man hat einen sehr sympathischen, mit beiden Beinen im Leben stehenden Maler vor sich, der seinen Werdegang Schritt für Schritt seziert.

Die Gegensätze, mit denen er konfrontiert wurde, werden hierbei schnell deutlich. Man sieht, dass er diese verschiedenen Strömungen nicht bekämpft, sondern versucht hat, zu vereinen. Syncretism ist das Schlagwort, mit dem er dies beschreibt. Hört sich hochtrabend an, aber hiermit ist etwas ganz einfaches gemeint: Die Kombination sich auf den ersten Blick ausschließender Aspekte. Und damit hat er in seinem Fall den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen.

Cesar Santos - Mazazo de gracia (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Was tun sprach Zeus

Schon in frühster Kindheit zeigte sich seine Leidenschaft fürs Zeichnen und Malen. Gefördert wurde er von seiner Mutter und einem Onkel, ein in Kuba sehr bekannter Maler abstrakter Gemälde. So wie er sollte Cesar malen und keine Zeit mit seinen so geliebten, naiv realistischen Versuchen verschwenden.

Cesar Santos - Farfalline della Notte (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: sein Onkel (Name?)

Dies hörte er immer wieder, es konnte ihn aber nie ganz überzeugen. Er wollte Dinge nicht nur andeuten, sondern sie in ihrem ganzen Glanz darstellen. Die technischen Fähigkeiten fehlten ihm noch, aber die Motivation blieb trotz Widerstände bestehen.  
Das alles interessierte seinen Vater aber wenig. Er hatte andere Pläne mit seinem Jungen. Cesar war zu weich und sollte Boxer werden, um den harten Realitäten des Alltags wie ein Mann entgegentreten zu können.

Was tun sprach Zeus, dachte der Kleine wohl manches Mal und ahnte selber nicht, dass er letztendlich allen Genüge tat und doch seinen eigenen Weg ging. Er wurde professioneller Künstler, malte wie sein Onkel manches Mal abstrakt (aber zum Glück, wie wir sehen werden, ist er kein abstrakter Maler) und stieg gelegentlich in den Boxring.

Cesar Santos - The Fixed and The Mobile (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Kazimir Malevich

Wanderer zwischen den Welten

Damit er eine bessere Schulbildung genießen konnte, wanderte seine Familie in die USA aus. Zu Hause waren die Möglichkeiten für den kleinen Sprössling zu beschränkt. Die Aussichten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war einfach zu verlockend. So machten sich die Santos auf in den Norden.

Cesar Santos - Figure re-Kline-ing (Ausschnitt)
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Franz Kline
Hier kam er zum ersten Mal mit den Gemälden der großen Meister in Berührung und es reifte die Entscheidung, diesen nachzustreben. Seine Familie verkaufte ihr Haus, um Cesar eine Ausbildung in Europa zu ermöglichen. Die bekannte Angel Academy of Art durchlief er im Rekordtempo, besuchte das Repin-Institut in St-Petersburg, unterrichtete später u.a ein Jahr in Stockholm und zog am Ende seiner Reise wieder zurück in die Staaten nach New York. Die Wurzeln zu seiner Heimat Kuba hat er, wie man den Äußerungen entnehmen kann, während der ganzen Zeit nie verloren.

Stilfindung

Die notwendigen handwerklichen Fähigkeiten hat er auf diesen Reisen perfektioniert, doch wie findet man seinen eigenen Stil, wie findet man sich selber? Da gibt es keine Hilfe von außen, das muss von innen kommen. Und Santos fand seinen Stil, den er so treffsicher mit Synkretismus beschreibt. Sein Leben war von Gegensätzen bestimmt
  • Kuba - <-> USA,
  • Kunst - <-> Boxen, 
  • Abstrakt -<-> Realistisch, 
warum soll er diese nicht auf seine Kunst übertragen.

Cesar Santos - Restorers (Ausschnitt)
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Im wahren Leben hat er diese Gegensätze akzeptiert und gemeistert. Und so kam er auf die simple aber geniale Idee, abstrakte und realistische Malweise in einem Bild zu vereinen. Mit 'abstrakt' ist in diesem Zusammenhang nicht nur die abstrakte Malerei an sich gemeint, sondern alle Strömungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, welche das handwerkliche Können immer weniger schätzten und Skizzen in den Status fertiger Bilder hoben. Hierbei zitiert er Werke berühmter (natürlich aus meiner Sicht bei den meisten völlig unverdient) Maler wie Picasso, Malevich, Kline, van Gogh, Warhol, Mondrian, um sie in vielfältiger Weise in seine Bilderwelt zu verweben.

Vincent van Gogh - Sternennacht (1889)


Cesar Santos - Aftermath (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Vincent van Gogh und Pablo Picasso

Unverkennbar

Er war nicht der Erste, der dies umsetzte (siehe z.B. Norman Rockwells Bild The Connisseur). Aber keiner war so konsequent wie Cesar Santos, der es zu seinem Markenzeichen erhob. Ein schlauer Schachzug, denn seine Bilder haben einen Wiedererkennungswert, wie ein Künstler ihn sich nur wünschen kann.

Happy End

Die Bilder sind unter anderem so beeindruckend, weil sie zeigen, dass ein Maler mit großen technischen Fähigkeiten alles malen kann. Das handwerkliche Können ist kein Fluch, sondern ein Segen. Und teilweise gewinnen auch die Originale ein wenig Charme. Van Goghs finde ich normalerweise als halbgare Skizzen viel zu langweilig.

Vincent van Gogh - Vincents Schlafzimmer in Arles (1889)

Aber eingebettet in ein 'richtiges' Bild, wie es Cesar Santos so brillant umsetzt, besänftigen sie sogar mein sonst so kritisches Auge.
Jedenfalls beim werten van Gogh... :-)

Cesar Santos - Juliet
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Vincent van Gogh

Gegensätze ziehen sich an, Teil 1

Sackgasse

Trau keinem, der die Kunst in einer Sackgasse stehen sieht. Nein, sie lebt und springt fröhlich hin und her. Fast wie in den guten alten Zeiten. Gerade hat sie eine kurze Pause eingelegt, um zwei ihrer Sprösslinge zu betrachten. Das ist unsere Chance, einen näheren Blick zu ergattern. Zoomen wir unauffällig etwas ran, wer diese Menschen wohl sind. Man sieht einen jüngeren US-Kubaner und einen im Zenit seiner Karriere stehenden Deutschen. Beide haben sich mit den großen Werken der Moderne auseinandergesetzt und sind dafür bekannt, scheinbar unversöhnliches nebeneinander zu stellen. Wie wir sehen werden, der eine etwas besser, der andere etwas schlechter.

Die Nummer 1

Fangen wir mit dem Zweiten an. Ich bin durch Zufall auf seine Internetseite gestoßen. Schaue mich kurz dort um und denke, naiv wie ich bin, einen 0815-Hobbymaler vor mir zu haben, der keinerlei technische Ausbildung genossen hat. Seine Figuren zeigen keine Stofflichkeit, ich finde keine Komposition, nichts, was nach Leben aussieht. Bemüht ist er bestimmt, aber den Bildern fehlt alles, was ich mit Kunst verbinde. Wenn man sehr großzügig urteilt, könnten aufgrund der kräftigen Farbgebung ein paar Werke in einem Kinderbuch verwendet werden. Der größte Teil der Ergüsse wäre jedoch, wenn er von dir stammen würde, völlig wertlos und würde niemanden interessieren.

Unscheinbar

Der Künstler selber wirkt, wie man dem Foto auf der Startseite entnehmen kann, nett und bescheiden. Ein lieber Großvater bestimmt. Erinnert mich irgendwie an einen Bekannten. Ich wünsche ihm viel Glück und klicke fast auf den nächsten Link. Doch halt. Was lese ich da? Nochmal zurück.

Bedeutend

Er ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler in Deutschland. Er hat die Figur wieder ins Zentrum des Bildes gerückt. "Neue Figuration" nennt man das wohl. Kann doch nicht ernst gemeint sein, oder doch? Warum so dick auftragen?

Geben wir ihm also eine zweite Chance und blättern sein Werksverzeichnis durch. Ich gebe mir die größte Mühe, finde aber leider nichts, was den hohen Ansprüchen gerecht wird. Gar nichts. Wenn er so bedeutend ist, dann wird doch wenigstens bei Wikipedia etwas über ihn zu finden sein. Und siehe da, wirklich. Unser Meister wird mit großem Artikel im feinsten Kunstblabla bejubelt.

Lassen wir uns mal ein paar Zitate auf der Zunge zergehen:
Bei näherer Betrachtung entfalten sich tiefgründige und komplexe Geschichten
die er ... mit phantasiereichen Titeln auf neue Bedeutungsebenen hebt
Die Erkundigungen des Künstlers bieten keine fertigen Lösungen
bewährten Patchwork-Methode, indem er scheinbar unversöhnliches nebeneinander stellt
Es gibt keine Vorgabe und keine bestimmte Lesart dieser Tafeln, der Betrachter ist auf sich selbst gestellt
bedeutende Werke ... die das Genre der Historienmalerei auf eine ganz neue Weise weiterentwickeln und befruchten

Rätsel

Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber mir schaudert es bei solchen Sätzen, wenn ich die Bilder (zum Beispiel hier oder seine große Weltgeschichte hier) mit dem Gesagten vergleiche. Wie jemand solches ernsten Sinnes glauben kann, wird für mich immer ein Rätsel bleiben.

Auch seine Auseinandersetzungen mit den Meistern der Moderne, Innenansichten wird das Ganze genannt, wirken sehr unbeholfen und künstlich aufgesetzt. Wo ist hier die Auseinandersetzung zu finden? Doch nicht, weil er ähnlich bescheiden und bunt malt wie seine Vorbilder, denn das unterscheidet ihn nicht von unendlich vielen Anderen. Und warum soll dieses Werk der Serie 5000 Euro wert sein und deine Malversuche keinen Cent? Der Markt, der Markt wird mancher rufen. Und recht hat er. Mit Qualität hat dies aber leider meist nicht viel zu tun.

Auflösung

Ich will nicht in Abrede stelle, dass der Herr ein wunderbarer Mensch mit großen Ambitionen und guten Taten ist. Seine Stiftung zur Unterstützung junger Künstlern finde ich wunderbar. Auch manche seiner bunten Comic-Skulpturen, wenn ich den Begriff verwenden darf, gefallen mir aus genau diesem Blickwinkel. Aber sie bieten meiner Meinung nach nichts, was nicht andere mit gleichem Eifer und Aufwand auch schaffen könnten. Deshalb ist der Anspruch völlig überzogen, und die Werke in meinen Augen keine Kunst.