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Samstag, 9. Mai 2009

Leibl - Bodybuilder ohne Perspektive

Irrendes Auge

Manchmal hat man eine Vorstellung von Menschen, die man gar nicht kennt. So sah ich vor meinem inneren Auge Wilhelm Leibl (1844-1900) als kleinen, schmächtigen Mann. Warum, weiß ich nicht genau.
Vielleicht, weil seine Gemälde oft Personen in kleinen, einfach eingerichteten Bauernstuben darstellen.
Jedenfalls war ich sehr überrascht, dass dieser Kölsche Bayer das Gegenteil von einem kleinen, unscheinbaren Manne war.

Professor mit Bizeps

Leibl war ein begeisterter Jäger, Segler und fanatischer Kraftsportler und aufgrund dessen eine körperlich imposante Erscheinung.

Foto - Wilhelm Leibl als Akademieschüler

Aber nicht nur deshalb war er oft Mittelpunkt der Kneipenrunden. Seine einfache, unkomplizierte Art machte ihn zu einem gerne gesehenen Gast in den bayrischen Stuben. So beschreibt der "Breis von Kutterling", wie er manchmal genannt wurde (für einen Ur-Bayer ist natürlich jeder ein Preuße, aber das Rheinland war damals, aufgrund der Bestimmungen des Wiener Kongresses von 1815, wirklich Preussisches Gebiet), seinen mehrmonatigen Aufenthalt auf Schloss Holzen im Jahre 1877 unter anderen mit den folgenden Worten:
Auch werde ich aufs aufmerksamste bedient und sucht man allen meinen Wünschen nachzukommen, wogegen ich mich aber auch bemühe, mein Benehmen allmählich solchen Kreisen anzupassen, was mir aber doch wohl nie ganz gelingen dürfte; gleichviel, mancher, der mich vielleicht ganz zu kennen glaubt, würde vielleicht erstaunen, wenn er mich in einem ganz respektablen Anzuge, mit feinen Manschetten, meine Verbeugung und verbindlich freundlichen Grimassen zu sehen und die höfliche Anrede "Herr Graf", "Frau Gräfin" hören könnte.
Auch als er 1892 zum königlich, bayrischen Professor ernannt wurde, legte er keinen Wert auf ein Leben als Malerfürst, wie seine Münchener Kollegen Lenbach oder Stuck. Die Anrede als Professor war ihm stets zu wieder. Er war glücklich mit seinem einfachen, zurückgezogenen Leben in Sichtweite der Berge.

Gewichtserfolge

So soll er beim Gewichtheben einen 150 Kilo Stein samt 75 kg schwerer Eisenstange verwendet haben. Seine Kraft war sagenhaft, so dass mehrere kleine Anekdoten bezüglich seiner unvergleichlichen Stärke im Umlauf sind.

Hobby-Schmied


In den Jahren 1878-1881 wohnte er in Berbling. Neben seiner Malerei beschäftigte er sich mit Schmiedearbeiten und stellte Hufeisen her. Warum, wird nicht erwähnt. Als eines Tages ein Amboss angeliefert wurde und vier Männer diesen nicht vom Wagen heben konnten, kam Leibl zur Hilfe und hievte den Amboss problemlos ganz alleine hoch. Die vier Herren werden Augen gemacht haben, was die ansonsten feinen Hände eines Malers alles leisten können.

Fliegender Courbet

Eine andere Anekdote handelt vom Franzosen Gustave Courbet, der Ende der 60er Jahre in München zu Gast war. Courbet, der weltbekannte Kunstrebel, begeisterte eine Gruppe von jungen Münchener Akademiestudenten. Unter ihnen befand sich auch Leibl. Im Eifer des Gefechts kam es zur folgenden Begebenheit, die Julius Meier-Graefe in seiner Entwicklungsgeschichte der Modernen Kunst (Band 2) beschreibt:
Leibl hebt Courbet mit dem Stuhl, auf dem der Gefeierte gerade sitzt, auf den Tisch und zeigt ihn der Versammlung: Der und kein anderer ist der Führer
Foto - Gustave Courbet (um 1870)

Wenn man bedenkt, das Courbet zu dieser Zeit ein Mann war, der dem Essen und dem Trinken nicht gerade abgeneigt war, ist dies um so erstaunlicher. Aber nicht für Leibl. Dem Kraftprotzen war der Franzose anbetungswürdig.

Ratender Courbet

Leider, möchte man ihm zurufen. Denn für seine Künstlerkarriere waren dessen Ratschläge nicht unbedingt immer hilfreich.

So schreibt Courbet über seinen Münchener Aufenthalt an den französischen Kunstkritiker Jules-Antoine Castagnary:

...In Deutschland ist gute Malerei so gut wie unbekannt. Man ist dort ganz im Negativen der Kunst befangen; eines der wichtigsten Dinge ist in ihren Augen die Perspektive; man spricht den ganzen Tag davon. ...
Die Jugend Münchens taugt etwas;ich blieb ziemlich lange, um mich mit ihnen zu unterhalten. Sie sind fest entschlossen, den ganzen alten Zopf fahren zu lassen;

Keine Perspektive


Diesen Zopf schnitten die Studierenden gänzlich ab. Sie verließen die Münchener Akademie und den Unterricht des großen Maler und Lehrer Carl Theodor Piloty. Statt dessen hat sich Leibl eifrig an den geforderten Mangel an Perspektivgenauigkeit Zeit seines Lebens gehalten.

Beispiel 1:

Wilhelm Leibl - Die Spinnerin (1892) Öl auf Leinwand (65 x 74 cm)

Hier fallen auf Anhieb ein paar Ungenauigkeiten auf. Die Figur der vorderen Frau wirkt im Gegensatz zu der Hinteren zu groß. Weiterhin passt der Boden rechts von der älteren Frau nicht zu dem Boden links. Es scheint ein Bruch im Boden zu sein, der zu unterschiedlicher Neigung führt. Hoffentlich ist niemand über diesen Bruch gestolpert.

Beispiel 2:
Wilhelm Leibl - Bauernjägers Einkehr (1893) Öl auf Leinwand (74 x 85 cm)

Die Wand links hinter der Frau, der Stuhl und der Tisch hinter dem Jäger bilden kein stimmiges Ganzes. Courbet wäre zufrieden mit ihm gewesen.

Beispiel 3:

Wilhelm Leibl - Der Jäger (1876) Öl auf Leinwand (132 x 106 cm)

Das auffallendste Beispiel für schludrige Perspektive ist das 1876er Bild des Barons Perfall bei der Jagd. Der Dargestellte, ein Bekannter Leibls, war begeistert von dem Gemälde. Aber bei neutralem Blick fällt einem beispielsweise der schrecklich hängende linke Arm ins Auge. Auweia, Schmerz lass nach. Als ob man einer Schaufensterpuppe den linken Arm ausgerissen hat und dieser nun nach hinten baumeln muss.

Das ernst gemeinte, aber witzig wirkenden Hinweisschild am Ort des Geschehens, hebt diese missratene Perspektive wohl unabsichtlich deutlich hervor:

Foto - Hinweis auf das Bild Der Jäger

Perspektivische Folgen

Das ihm jedoch Perspektivfehler nicht immer geheuer waren, zeigt sein Umgang mit dem Wildschützenbild (1882-1886).

Dieses Gemälde wurde in Paris 1886 ausgestellt, ernte jedoch, im Gegensatz zu seinem großen Erfolge von 1869, keine Begeisterungsstürme. Damals konnte er mit dem Gemälde Bildnis der Frau Gedeon die große goldene Medaille erringen.

Wilhelm Leibl - Bildnis der Frau Gedon (1869) Öl auf Leinwand (119,5 x 95,5 cm)

Diesmal wurde sein Bild verrissen und die mangelnde Beherrschung der Perspektive kritisiert.
Dies führte dazu, dass er dieses Gemälde in 3 Teile zerschnitt, weil er hoffte, jedes für sich würde eine bessere Wirkung erzielen als das misslungene Ganze.

Wilhelm Leibl - Die Wildschützen (Fragment) (1886) Öl auf Leinwand (55 x 42 cm)

Angeblicher Grund für die missratene Perspektive war laut Angabe seines Freundes J Mayr:
Diese Fehler (gemeint ist die Perspektive), waren dadurch entstanden, daß der Raum, in dem er drei fast lebensgroßen Figuren malte - das Atelier - zu klein war.
Kleine Zimmer sind nicht immer Schuld

Vielleicht war es nicht nur das kleine Atelier, sondern sein Entschluss, der Piloty-Schule den Rücken zu kehren und zu viel Beachtung für drittklassige Maler wie Eduard Manet oder den nicht immer sinnvollen Ratschlägen eines Courbet an den Tag zu legen. In meinen Augen hat er dadurch mehr verloren als gewonnen. Ein Könner seines Fachs und großer Erzähler kleiner Geschichten ist er meist trotzdem, aber in derselben Liga wie Piloty oder von Werner spielte er nicht.

Freitag, 26. Dezember 2008

Anton von Werner (Teil 2)

Paris (1867 - 1868)

Anton von Werner gewann 1866 ein einjähriges Stipendium für eine Italienreise. Bevor er diese Reise antrat, wollte er in Paris seinen künstlerischen Horizont erweitern. Diesmal sollte es nicht nur ein flüchtiger Besuch wie 1865 werden, sondern ein längerer Aufenthalt, den er dann 1867 auch realisierte.

Paris war der Mittelpunkt der Kunstwelt, da dort die technisch größten Meister lebten und lehrten. In dieser Atmosphäre und mit diesen Vorbildern wollte von Werner seinen Blick und seine Fähigkeiten erweitern und verfeinern.

Weltausstellung 1867

Gelegen kam da natürlich die Weltausstellung 1867, an der er sowohl als Beauftragter der süddeutschen Staaten als auch als Künstler teilnahm.

Anton von Werner: Konradin von Hohenstaufen und Friedrich von Baden, das Todesurteil hörend (1866)
Öl auf Leinwand - 286 x 237 cm

Ausgestellt wurde sein erst kurz vorher fertig gestelltes Gemälde Konradin von Hohenstaufen und Friedrich von Baden, das Todesurteil höhrend.

Die Weltausstellung ist eine Art Olympiade der Nationen (vor allem europäische) auf handwerklich, technisch, künstlerischem Gebiet. Dieses Messen der Kräfte der Nationen sollte die Länder in ihrem besten Licht erscheinen lassen, wurde also von höchster Regierungsstelle befördert und unterstützt.

Aus von Werners Sicht waren 1867 der Auftritt der Kunstabteilung der Belgier, von Baron Hendrik Leys zentral organisiert, sehr homogen, der deutsche Auftritt, ein Spiegelbild der damaligen politischen Situation, eher zersplittert in einzelne regionale Gruppen.

Ernest Meissonier: Napoleon auf dem Rückzug 1814 (1864)

Von allen Bildern der Ausstellung hat Napoléon auf dem Rückzug 1814 von Meissonier den größten und nachhaltigsten Eindruck auf von Werner hinterlassen.

Leben in Paris

Anton von Werner lernte in dieser Zeit, aufgrund der freundlichen Führung des Professors Eduard Willmann, die Stadt endlich in all ihrer Vielfalt kennen und schätzen, mehr als dies beim kurzen Besuch 1865 möglich war.
Willmann führte ihn im deutschen Künstlerkreis ein, dessen gesellschaftliches Leben ein heimisches Gefühl vermittelte.
Die Tage und Abende verbrachte er, neben den regelmäßigen Besuchen der Museen, ähnlich wie zur Karlsruher Zeit, häufig mit musizieren oder dem Besuch von Opern oder Konzerten.

Arbeit in Paris

Anton von Werner: Titelblatt zu Gaudeamus (1867)
Feder in Schwarz über Bleistift, laviert - 46,9x 36,2 cm

Sein tägliches Einkommen sicherte er mit kleinen Auftragsarbeiten, zum Beispiel Illustrationen zu Werken seinen bestens Freunds Joseph Victor von Scheffel, Gaudeamus! oder die Bergpsalmen.
Ursprünglich plante er, bei Leon Bonnat oder Charles Gleyre Aktkurse zu besuchen, aber der sehr wohlmeinende und freundliche Leon Cogniet riet ihm davon ab. Er lobte sein in der Weltausstellung gezeigtes Hohenstaufenbild. Ein so fähiger Künstler sollte seine Pariser Zeit besser mit dem Malen von Bildern verbringen, statt als Schüler seine Zeit zu vergeuden.
Diesen Rat nahm er an und malte in seiner Pariser Zeit das Gemälde Heinrich der IV durch Anno von Köln geraubt. Wieder ein Historienbild, welches seine Fähigkeiten auf dem Gebiet, welche als Krone der Malerei betrachtet wurde, zeigen sollte. Und vor allem auch ihm selber zeigen sollte, ob er dazu wirklich fähig war.

Ausstellungen in Paris

Ludwig Knaus: Seine Hoheit auf Reisen (1867)

Im Salon dieses Jahres 1867, der trotz der großen Weltausstellung stattfand, stach vor allem Ludwig Knaus mit seinem Gemälde Seine Hoheit auf Reisen und Paul Meyerheim mit zwei Genrebildern hervor.

Als hervorstechendes Ereignisse des Jahres 1867 ist noch die Gedächtnisausstellung zum Tode des erst kurz vorher verstorbenen Jean-Auguste-Dominique Ingres zu nennen, den Werner sehr hoch schätzte.

Jean Auguste Dominique Ingres: Die Quelle (1856)

Sein Werk Die Quelle, welche er als nicht übertreffbar zur Darstellung
reinster und keuschechster Weiblichkeit

beschreibt, galt seine höchste Anerkennung.

Andere Städte

Ende 1867 lernte er das Frankreich außerhalb Paris kennen. Seine Reise führte ihn nach Chartres, Chateaudun und anderen Städten. Der Besuch der architektonischen und künstlerischen Sehenswürdigkeiten stand hierbei natürlich immer auf dem Tagesprogramm. Oft waren die Eindrücke positiv, manchmal beeindruckend, aber nie so unvergesslich, wie es später teilweise in Italien der Fall war.

In dieser ganzen Zeit blieb der Kontakt zu der einheimischen Bevölkerung sehr beschränkt.

Dem heutzutage als Vorreiter der Moderne hoch verehrten und auch damals, zu Anton von Werners Zeit, schon sehr bekannten Gustave Courbet, lernte er so kennen, wie dieser Künstlerkauz immer beschrieben wurde:
... saß in Hemdsärmeln, seine kurze stinkige Pfeife qualmend, am Tisch, anscheinend betrunken, spuckend, rülpsend und hin und wieder einige Sätze in gewöhnlichsten Pariser Jargon vor sich hinglucksend - das Ideal des freien Künstlers.

Weihnachten in Karslruhe

Zum Ende des Jahres 1867 überfiel ihm das Heimweh und so verbrachte er die Weihnachtszeit 67/68 mit seinen Freunden in Karlsruhe.

Zurück nach Paris

Anton von Werner: Heinrich der IV durch Anno von Köln geraubt (1868)
Öl auf Leinwand - 194 x 250 cm

Anfang 1868 ging es wieder zurück nach Paris, um sein großes Bild über Heinrich IV zu vollenden. Der Trubel in und um die Weltausstellung hatte sich gelegt und so konnte er in Ruhe arbeiten, obwohl ihm mancher riet, dass dieses Gemälde keinen Feinschliff mehr benötigt. Dem wohlgemeinten Ratschlag des Kupferstechers Forster,
Man sollte immer eine fröhliche junge Dame in ein Gemälde einfügen... und das ist es, was fehlt
konnte und wollte er dann doch nicht folgen.

Anton von Werner: Ausschnitt aus Heinrich der IV durch Anno von Köln geraubt (1869)

Dies war auch gar nicht notwendig. So besticht dieses Kunstwerk durch seine gelungene Perspektive, den fantastisch gemalten Personen in unterschiedlichsten Haltungen und den glänzend gemalten Wassereffekten.
Dargestellt ist der Augenblick der Entführung des jungen Königs, der kurz zuvor durch einen gewagten Sprung ins Wasser entkommen wollte. Die Flucht wurde verhindert und seine Kidnapper ziehen ihn gerade wieder ins Boot zurück.
Die Szene ist in eine dämmrige Stimmung (dies wirkt auf dem Schwarz-Foto noch besser) eingetaucht und der Betrachter ist Teil der Entführung, da er wohl von einem Beiboot das Geschehen verfolgt.

Anton von Werner: Ausschnitt aus Heinrich der IV durch Anno von Köln geraubt (1869)

Monatelange Arbeit, viele Skizzen, geschichtliche und künstlerische Studien und Entwürfe führten zu dem wohl besten Frühwerk des damals 25-jährigen Anton von Werner.
In bester Tradition erstellte er ein Wachsmodell der Komposition.
...modellierte ich mir die ganze Gruppe im Kahn aus Wachs und bekleidete die Figuren mit Stückchen Gewand in den entsprechenden Farben, um darnach, das Ganze in die Sonne gestellt, die Wirkung probieren zu können, ein Verfahren, das Delaroche, Gerome und Meissonier wie auch Sir Frederic Leighton und Sir L. Alma Tadema oft angewendet haben.

Erfolg im Pariser Salon 1868

Am Pariser Salon 1868 beteiligte er sich mit zwei kleineren Bildern. Als meisterliches Gemälde ist ihm hierbei Jean Georges Viberts (einer meiner Lieblingsmaler) Mönche, die sich bewaffnen, in Erinnerung geblieben. Auch für von Werner war der Salon sehr erfolgreich, da er beide Bilder direkt verkaufte.

Italien (1868 - 1869)

Italien konnte kommen. Italien sollte seine künstlerischen Anschauungen (die Technik hatte er ja in Paris vervollkommnet) reinigen und klären. An moderner Malerei war er, bis auf das Werk des damals in Italien lebenden Anselm Feuerbach,
...dessen mir seit langem bekannten Werke ich überaus hochschätze...
, nicht interessiert.

Über München
Die Herren Pilotyschüler waren aber schon so berühmt und zugeknöpft, daß es mir nicht gelang, eine freundschaftlich gemeinte Annäherung zu erzielen...
ging die Reise, gemeinsam mit seinem Freund Scheffel, durch die beeindruckende Schweiz. Dort blieben sie bis Anfang November und waren in gelassener, nüchterner Stimmung bereit für das Abenteuer Italien.

Dreck und Enge

Die ersten Eindrücke gaben wenig Anlass zum Schwärmen. Überall, in diesem Ausmaß nicht gekannt, Schmutz und Verkommenheit. Das ganze multipliziert mit schlechtem Wetter ließen seine Stimmung erst ab Venedig positiver werden. Padua vorher war ein Graus, Verona zwar teilweise beeindruckend, aber auch nicht wirklich einladend. Von Venedig war ihm vor allem die tolle, nächtliche Ankunft samt einer Fahrt über den Canale Grande Richtung Hotel, gleitend in voller Dunkelheit und Stille, in traumhafter Erinnerung geblieben. Von Florenz die eisige Kälte und eine katastrophale Zugfahrt Richtung Rom, in der er bei strömenden, kaltem Dauerregen, wie ein Hering im Abteil zusammengepfercht, endlich dort ankam.

Rom ein Loch

In Rom bezog er eine kleine verwanzte Wohnung (und ein Atelier) in einem wenig vertrauenerweckendem Viertel.
Auch betrat man die langen, finsteren Gänge des winkligen Hauses abends nie anders als mit dem brennenden Cerino in der einen Hand vor sich ausgestreckt und den derben Spazierstock schutz- und schlagbereit in der anderen.
Öffentliche Sicherheit war damals kein großes Thema für die päpstliche Polizei und die Erzählungen über den Maler Schweinfurth, der einen nächtlichen Angreifer töten musste, milderte das Unwohlsein nicht gerade.
So wundert es nicht, dass er zu Beginn kein Auge für die Rom typische Renaissance- und Barockarchitektur hatte und diese erst viel später schätzen gelernt hat.

Deutscher Künstlerverein

Seine Situation verbesserte sich erst, als er in dem schon seit Jahrzehnten bestehenden deutschen Künstlerverein aufgenommen wurde. Dies war, wie in Karlsruhe, als auch in Paris, mit musikalischen Abenden, Künstlergesprächen, selbst organisierten Veranstaltungen und gesellschaftlichem Leben verbunden.
Er bewunderte viele der in den Museen und Kirchen ausgestellten Gemälde und Skulpturen.

Diego Velazquez: Papst Innozenz X (1650)
Aber ich muß gestehen, daß eigentlich nur ein Bild in Rom auf mich den Eindruck vollendeter Malerei machte: das Porträt des Papstes Innocenz X. von Velazques in der Galerie Doria, ein Eindruck, der unverwischbar geblieben ist.

Arbeit und Künstlerbekanntschaften

Anton von Werner: Titelblatt zum Trompeter von Säckingen (1869)
Feder in Schwarz und rote Tusche sowie weiße Deckfarbe - 47,8 x 32,1 cm

So verging das Jahr 1868 ohne weitere besondere Vorkommnis. Für das kommenden Jahr, nachdem er sich endlich in Rom akklimatisierte, plante er, die Illustrationsarbeiten zu Scheffels Trompeter von Säckingen voranzutreiben und den Süden Italiens näher kennen zu lernen.

In dieser Zeit lernte er mehrere große Künstler in Rom kennen.
  • Von Hans Markart, obwohl sehr schweigsam und wenig anregend in der Unterhaltung, schwärmt er in höchsten Tönen.
Aber er malte, und wie! In einem leeren, kahlen Atelier, das Gegenstück von seinem später so berühmten Wiener Prunkatelier, entstand sein Bild Julie auf dem Sterbelager, während Paris mit dem Hochzeitszug naht wie aus dem Nichts heraus in kürzester Zeit. Im Atelier sah man keine Studien, auf dem Fußboden lagen nur verschiedene Fetzen Stoff, Modell habe ich bei ihm, so oft ich ihn auch besuchte, nie angetroffen, und von seinem Schaffen machte er keinerlei Aufhebens.
  • Im Gegensatz dazu wird Anselm Feuerbach beschrieben, der zu dieser Zeit an dem großen Gemälde Das Gastmahl des Plato arbeitete. Feuerbach schätze er zwar künstlerisch sehr hoch ein, aber menschlich verachtete er ihn.
Er hatte mir, zusammen mit allem, was ich in deutschen Künstlerkreisen über seine Eitelkeit und seinen Größenwahn gehört hatte, einen wenig sympathischen Eindruck gemacht - wie all jene berühmten Leute, die vor dem lieben Ich beständig auf die Knie liegen.
Anselm Feuerbach: Gastmahl des Plato (1869)
  • Ferdinand Keller war zu dieser Zeit auch in Rom. Da er aber sehr eng mit Feuerbach befreundet war, war der Kontakt zu Anton von Werner nicht sehr groß. Vom malerischen hätte er, wie Werner meinte, jedoch viel besser zum Freundeskreis Makarts gepasst.
  • Ein anderer großer Künstler, der zu dieser Zeit in Rom zu treffen war, und den er gerne viel näher kennen gelernt hätte, war der Spanier Mariano José María Bernardo Fortuny y Marsal, kurz Mariano Fortuny .
Betreffs der Wertschätzung seiner künstlerischen Bedeutung war er das gerade Gegenteil von A.Feuerbach, denn in Paris, wo ich bei Goupil sein Meisterwerk Fantaisie arabe gesehen hatte, erzählte mir dieser, daß Fortuny das Bild nicht im Salon ausstellen wollte, weil es ihm nicht vollendet oder gut genug dafür erscheine.

Schlechter Reiseführer, guter Anführer

Zu Ostern 1869 war der schon aus Karlsruhe bekannte Gönner Graf Albert Flemming zu Gast. Dieser zeigte von Werner seine Grenzen als Fremdenführer in der päpstlichen Stadt schnell auf:
Den Grafen für den Reiz der Campagna zu begeistern wollte mir auch nicht gelingen. Als wir auf einer Fahrt schon längst mitten drin in der berühmten Landschaft waren, fragter er: "Wann kommt denn die Campagna?" und äußerte auf meine Antwort, daß das eben die Campagna sei enttäuscht: "Na, hören Sie mal, da ist es doch bei mir in Buckow viel schöner, da wollen wir nun umkehren."
A. Claß und J. Niedermann: Cervara Künstlerfest 1869 nach Anton von Werner
Holzstich

Besser lief es mit dem von ihm mitorganisierten Cervara-Fest der deutschen Künstler in Rom. Dies war ein großes Ereignis mit Musikkorps und Wagenzug Richtung Festplatz samt Essgelage und Tanz. Anton von Werner selber war in fürstlicher Tracht samt Hermelinmantel der Anführer dieser bunten Gesellschaft. Einer seiner hochgeschätzten Gäste war Henri Regnault,
...der als Prix de Rome in der Villa Medici soeben seine vielbewunderte Pflichtarbeit Judith und Holofernes, zwar noch unfertig, aber ein koloristisches Meisterwerk, ausgestellt hatte.

Verträumter Süden

Das andere, verträumte Italien lernte er in den folgenden Monaten auf seinen Reisen Richtung Süden kennen.

Besuch des Tivoli und der Villa d'Este erzeugte jedoch noch nicht bei allen Beteiligten ungeteilte Freude
... und amüsierten uns nebenher köstlich über das Gejammer des behäbigen Franz Meyerheim, dem das Hinauf- und Hinunterklettern weniger Behagen als Schweiß verursachte und der deshalb unausgesetzt über das niederträchtige Leben in Italien schimpfte und Rom ein ganz elendes Drecksnest nannte, das für die Zivilisation erst erobert werden müßte.

Aber die nachfolgenden Tage in die Sabiner Bergen, Sorrent, Neapel und Capri waren so, wie man sich das romantische Italien erträumt. Die deutsche Künsterlergruppe, mit der er reiste, war eine kleine Attraktion für die Einheimischen. So lernten sie erstmals 'einfache' Italiener wirklich kennen.

Mehrfach beeindruckt war Anton von Werner von den Feuerwerkskünsten der Italiener, die eine märchenhafte Atmosphäre erzeugten.
Weiße, grüne und rote bengalische Flammen erhellten fortwährend die steilen Felswände, welche in der glutroten oder grünen Beleuchtung seltsam phantastisch in die blaue Luft hineinragten.
Das war das Italien seiner Phantasie:
Gondelfahrt, Mondschein, Illumination, Vesuv, Zitherklang und Gesang - es war eine richtige italienische Nacht, wie der Berliner sie sich denkt.
Oswald Achenbach: Nächtliches Fest der Santa Lucia (1884)
Öl auf Leinwand - 122 x 152,2 cm

Neapel wirkt so strahlend in der Nacht wie auf den Gemälden des Oswald Achenbachs. Capri, welches für ihn bisher ein unbekanntes, weißes Blatt war, glänzte deshalb umso schöner. Die sagenhafte blauen Grotte war noch blauer, als er es für möglich hielt. Die Abende voller Musik und Tarantella-Tanz blieben ihm immer in Erinnerung.  Dort in Capri begegnete er unter anderem Eduard Hübner und dem Prix de Rome Gewinner des Jahres 1868, Eduard Theophile Blanchard.

Richtung Heimat

Schon neigte sich das Jahr seines Stipendiums dem Ende zu. Im Herbst und Winter 1869 ging es über Pompeij, Assisi und Venedig Richtung Heimat.

Paolo Veronese: Das Gastmahl im Hause des Levi (1573)

In Venedig begeisterte ihn die großen Koloristen dieser Stadt und er kopierte voller Eifer und Ehrfurcht eine Madonna und ein Stück aus dem Gastmahl des Levi, beide vom großen Paolo Veronese.

Weihnachten 1869 verbrachte er im Kreise seiner Freunde und zukünftigen Gemahlin, der Tochter Adolph Schroedters.

Auf zu neuen Ufern

Seine Lehrjahre waren beendet und große Aufgaben, wie die Ausmalung der Aula des Kieler Gymnasiums, standen an. Das sich in kurzer Zeit die deutsche Landkarte radikal ändern würde, lag in der Luft, aber war so schnell nicht abzusehen...

Soweit seine Jugenderinnerungen.