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Samstag, 27. Dezember 2014

Hamburger Kunsthalle - Teil 2

Klassische Moderne

Die Räume der Kunsthalle Hamburg sind weitgehend chronologisch geordnet. Deshalb ist es kein Wunder, wenn ich in dem Abschnitt zur klassischen Modernen nicht allzu viel Zeit verbrachte. Ich erwartete nichts und wurde darin bestätigt. Mein Kunstverständnis ist zu weit entfernt von diesen Werken. Das ich dieser Richtung trotzdem einen kleinen Abschnitt widme, ist der Hamburger Künstlerin Anita Rée zu verdanken.

Anita Rée (1885 - 1933):
Das Schicksal der Malerin ist bewegend. Als Frau hatte sie es zur damaligen Zeit extrem schwer, eine professionelle Ausbildung zu erhalten. Als Jüdin wurde sie diffamiert und nach der Machtergreifung Hitlers als entartete Künstlerin ausgestoßen. Kurz darauf beendet sie ihr hoffnungsloses Leben.
Zum Glück kannte ich ihre Geschichte nicht und habe sie erst nachträglich gelesen. Denn für die Beurteilung eines Kunstwerkes sollte das Leben des Malers nur eine nachrangige Bedeutung haben.
Ihren Werken sieht man an, dass sie die technischen Grundlagen beherrschte. Aber sie war weit von dem Können der großen Salonmaler entfernt. Die meisten ihre Gemälde finde ich langweilig oder zu dilettantisch umgesetzt. Aber zwei Porträts in der Kunsthalle gefielen mir doch. Zum einen das Selbstporträt, aufgrund der ungewöhnlichen, grünlich-gelben Farbgebung und dem intensiven Blick. Zum anderen das Bildnis des jungen Mädchens, welches eine Ruhe ausstrahlt, die den Werken dieses Ausstellungsraumes sonst fremd sind.

Anita Rée - Selbstbildnis (um 1929)
Anita Rée - Teresina (1925)

Edvard Munch (1863 - 1944): 
Das ich nicht gerade ein großer Fan Munchs bin, kann man hier nachlesen. Seine comicartigen Bilder, laienhaft gemalt, statisch komponiert, fehlt jedes Leben. Aber als akademisch geschulter Maler kannte er sein Handwerk und hat es manchmal auch genutzt. So wie hier bei seiner Madonnen-Studie, deren geschlossene Augen von religiöser Ekstase zeugen.
Apropos, wer ein ähnliches Motiv in vollendeter Form von einem Salonmaler umgesetzt sehen möchte, öffne den Link hier zur Gyula Benczúrs fantastischen Version seines Narziss. Dann wird sofort klar, warum die Umsetzung Munchs nur als einfache, aber natürlich schöne Studie bezeichnet werden kann.

Eduard Munch - Madonna (1894)

Französische Impressionen des 19. Jahrhunderts

In der Kunsthalle sind Werke von allen bekannten Malern aus dem Umkreis der französischen Impressionisten vertreten. Nicht mit 0815-Ware, wie es bei kleinen Museen oft der Fall ist, um mit ihren Namen in der Sammlung zu punkten. Sondern mit guten, mehr an ihre akademischen Wurzeln anknüpfende Gemälden.

Henri de Toulouse-Lautrec (1864 - 1901):
Toulouse-Lautrec war bestimmt nicht der talentierteste Maler, aber in fast fünf Jahren Ausbildung bei einem Salonmaler (Fernand Cormon) nahm er natürlich einiges an Handwerk mit. Seinen Figuren fehlte das Blut in den Adern, aber schlecht ist das Bild mit Sicherheit nicht.

Henri de Toulouse-Lautrec - Die Tochter des Polizisten (1890)

Édouard Manet (1832 - 1882):
Manet ist kein Impressionist, aber genauso wie diese betrachtete er Bilder als fertig, die früher nur als Studien oder als Zwischenstation zum vollendeten Gemälde angesehen wurden. Die beiden hier abgebildeten Werke sind Beispiel dafür.

Édouard Manet - Der Schriftstelle Henri Rochefort (1881)
Édouard Manet - Nana (1877)

Claude Monet (1840 - 1926):
Monets Bilder sind mir meist nicht vollendet genug, aber seine Farbgebung spricht mich fast immer an. Aus der Riege der berühmten französischen Impressionisten ist er der beste Kolorist. Dies bestätigt auch die schöne Stillleben-Studie der Hamburger Kunsthalle.

Claude Monet - Birnen und  Trauben (1880)

Pierre-Auguste Renoir (1841- 1919):
Renoir hat in seinen frühen, noch von der akademischen Ausbildung geprägten Jahren, einige beeindruckende Stillleben gemalt. Eine davon ist im Besitz des Museums und hier abgebildet.

Pierre-Auguste Renoir - Blumen im Gewächshaus (1864)

Landschaften des 19. Jahrhunderts

In der Hamburger Kunsthalle liegt der Schwerpunkt der Landschaftsbilder bei der deutschen Romantik und der Schule von Barbizon. Als Besonderheit findet man einen originalgetreu wiederhergestellten Raum der Gründerzeit, der unter anderem mit acht großformatigen Gemälden trumpft.

Heinrich Reinhold  (1788 - 1825):
Reinhold ist für mich die große Überraschung bei den Landschaftsmalern. Seinen Namen kannte ich bisher nicht und war deshalb umso erstaunter, zwei so wunderbare Studien von ihm zu sehen. Beide auf höchstem Niveau.

Heinrich Reinhold - Baumstudie (um 1822)
Heinrich Reinhold - Felsschlucht bei Sorrent (1823)

Ludwig Richter (1803 - 1884):
Die Gemälde Ludwig Richters finde ich in der Regel zu langweilig, um länger bei ihnen zu verweilen. Deshalb achte ich nicht so sehr auf Details in seinen Bildern. Dabei geht jedoch völlig unter, welch ein guter Landschaftsmaler er war. Der prächtige Entwurf der Hamburger Kunsthalle gehört zu den besten Landschaftsstudien, die ich live je gesehen habe.

Ludwig Richter - Das Nadelöhr im Rabenauer Grund (um 1839 -40)

Ferdinand Georg Waldmüller (1793 - 1865):
Vom Alleskönner aus Wien sind unter anderem mehrere kleinen Baumstudien in der Kunsthalle zu finden. Die Schönste sei hier abgebildet.

Ferdinand Georg Waldmüller - Alte Ulmen im Prater (1831)

Théodore Rousseau (1812 - 1867):
Das Gemälde Rousseaus ist ein gutes Beispiel für die realistische Landschaftsmalerei der Schule von Barbizon. Die geschickt eingesetzten roten Kleidungsstücke sind ein Anziehungspunkt auch bei Nahsicht des Gemäldes.

Théodore Rousseau - Waldlichtung nahe einem Dorf (1833)

Charles-François Daubigny (1817 - 1878):
Daubigny war zeitweise Schüler eines der größten Maler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Paul Delaroche. Thematisch liegen zwischen diesen beiden Künstlern Welten. Aber Sinn einer guten akademischen Ausbildung ist nicht der Zwang in das Korsett des Lehrers, sondern Vermittlung der Technik. Das hier abgebildete Bild ist eines der unzähligen Gemälde, die Daubigny von dem Fluß Oise malte.

Charles-François Daubigny- An der Oise (1869)

Jean-Baptiste Camille Corot (1796 - 1875):
Wenn von der Schule von Barbizon die Rede ist, dann darf Corot natürlich nicht fehlen. Von ihm sind mehrere Landschaftsstudien in Hamburg ausgestellt. Die vielleicht Schönste möchte ich hier zeigen.

Camille Corot - Der Fährmann (um 1868)

Johan Barthold Jongkind (1819 - 1891):
Jongkind gilt als einer der Väter des Impressionismus. Seine Bilder sind mir deshalb meist nicht vollendet genug. Wer jedoch ein typisches Werk von ihm sehen möchte, ist mit dem Gemälde der Kunsthalle bestens bedient.

Johan Barthold Jongkind - Die Seine beim Pont Marie in Paris (1851)

Hans Thoma (1839 - 1924):
Von Thoma ist ein sehr schönes Gemälde ausgestellt, eine Symphonie in den verschiedensten Grüntönen.

Hans Thoma - Waldwiese (1876)

Valentin Ruths (1825 - 1905):
Im Zentrum der Kunsthalle ist ein beeindruckendes Treppenhaus, welches in den Jahren 1880 bis 1886 mit Gemälden, Sprüchen und meisterlicher Dekorationsarbeit ausgestattet wurde. Der Raum ist ein Schmuckstück des Historismus und versetzt einen für kurze Zeit zurück in den Glanz und Pomp der Kaiserzeit.
Der Maler Ruths, den ich bis dahin noch nicht kannte, schuf hierfür zwei Zyklen von Tages- und Jahreszeitenbildern, bestehend aus acht Wandbildern.

Valentin Ruths - Treppenhaus Kunsthalle (1880 - 84)
Valentin Ruths - Treppenhaus Kunsthalle (1880 - 84)

Valentin Ruths - Treppenhaus Kunsthalle (1880 - 84)

Sonntag, 16. November 2014

Liebermanns Geister

Beginnende Freundschaft


Ich las in der letzten Zeit viel von dem guten alten Herrn Liebermann. Und was ich las, gefiel mir sehr.
Für ihn [dem Künstler -  A.d.V.] sind Kunst und Handwerk identisch. Nicht in der Idee, sondern in der Ausführung der Idee liegt die Kunst
Daher ist es für den Wert eines Werkes der bildenden Kunst ganz gleichgültig, was es darstellt
Der Maler muss sein Leben lang arbeiten, um der Technik Herr zu werden; aber nicht um ihrer selbst willen, sondern um mittels der Technik seiner Phantasie einen möglichst vollendeten Ausdruck geben zu können
... ist die Kunst unbegrenzt, so weit die Ausdrucksfähigkeit ihrer technischen Mittel reicht
Überhaupt ist es ganz gleichgültig, ob der Künstler ein schon tausendmal dargestelltes Thema behandelt oder ein funkelnagelneues - was übrigens schwer zu finden sein dürfte

Genau mein Reden Herr Liebermann, so sehe ich es auch. Ohne Können keine Kunst. Mit feuchten Augen bot ich ihm das Du an und Max nahm mit aufrichtiger Freunde an.

Aufziehende Wolken

Es hätten glückliche Zeiten anbrechen können, doch unsere gerade aufblühende Freundschaft wurde bald auf eine ernste Probe gestellt. Denn was schreibt er da in seinen einleitenden Worten der Schrift Über Kunst:
Es ist ein unbestrittenes und unbestreitbares Axiom der Ästhetik, dass jeder Form, jeder Linie, jedem Strich die Idee vorausgehen muss, sonst kann die Form korrekt, kalligrafisch schön sein, aber sie ist nicht als künstlerisch anzusprechen, denn künstlerisch ist nur die lebendige Form, die vom schöpferischen Geist gezeugt ist.
Max, Max, Max. Musst du jetzt so schwammige Begriffe wie lebendige Form und schöpferischen Geist in die Runde werfen. Ich befürchte, es werden nicht die letzten sein, die du verwendest.

So bezeichnet er Manets Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko als eines der großen Meisterwerke des 19. Jahrhunderts und verteidigt es vehement. Schlechte Zeichnung, bescheidene Farbgebung, studienhaftes Bild, leblose Figuren oder Anton von Werners Hinweis auf  "schlecht ausgestopfte und kostümierte Vogelscheuchen" interessiert ihn wenig.

Édouard Manet - Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko (1868/69)
Öl auf Leinwand (252 cm × 305 cm)

Max sieht dies ganz anderes:
Allerdings komponiert er nicht mit den billigen Versatzstücken des Theaters, mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund: er macht kein sogenanntes Historienbild, wo jedes Detail richtig ist, aber das Ganze ein "lebendes Bild" statt eines lebendigen Bildes. Sondern er komponiert mit den Ausdrucksmitteln seiner Kunst, mit dem Raum ebenso wie mit der Linie und Farbe. Was scheinbar zufällig, ist künstlerisches Taktgefühl, ist Geschmack.
Dem kann ich mich leider voll und ganz überhaupt nicht anschließen. Mich berührt dieses Werk kaum. Trotz Linien, Farben und dem angedeuteten Raum, denn es ist zu dilettantisch umgesetzt. Auch das von Max in diesem Zusammenhang erwähnte Bild Goyas Die Erschießung der Aufständischen reißt mich nicht vom Hocker, obwohl es mit seiner Lichtverteilung mehr Dramatik aufkommen lässt, aber nach meinem Geschmack zu studienartig umgesetzt ist.

Francisco de Goya - Die Erschießung der Aufständischen (1814)
Öl auf Leinwand (266 cm × 345 cm)

Beide sind in meinen Augen keine Meisterwerke der Menschheitsgeschichte. Die thematisch ähnlichen Bilder der weniger bekannten akademischen Maler Delaroche oder Gérôme sehe ich auf einem ganz anderen, höheren Niveau.

Jean-Léon Gérome - Die Hinrichtung des Marschall Michel Ney (1876)
Öl auf Leinwand (65.2 x 104.2 cm)
Nur hier kann ich mitfühlen, bangen und trauern, mich an Details erfreuen und die technische Meisterschaft bewundern.
Max, ich weiß, dir wird Delaroches Bild zu bühnenartig inszeniert sein, aber meinem naiven Geschmack stört dies überhaupt nicht.

Paul Delaroche - Die Hinrichtung der Lady Jane Grey (1833)
Öl auf Leinwand (246 x 297 cm)

Hoffnungsschimmer

Doch der gute Liebermann, Max meine ich natürlich, wäre nicht er selber, wenn nicht der Realismus wieder die Oberhand gewinnen würde mit der Erkenntnis:
Je mehr wir also in der Ästhetik beweisen wollen, desto mehr wird unsre Untersuchung darauf hinauslaufen, unsern Geschmack als den richtigen dem Leser hinzustellen.
Darauf können wir uns einigen. Es gibt eine technische Grenze, die den Laien vom Künstler unterscheidet und den Amateur vom versierten Meister. Aber wenn diese Grenze überschritten ist, ist alles darüber hinaus eine Frage des Geschmacks.
Wir lagen uns in den Armen und waren froh, wieder auf einer Welle zu schwimmen.

Unverständnis

Ich dachte, alles wäre gut, aber Max lief in eine Falle, in die fast alle Kunstkritiker tappen. Sie wollen den wahren Meister nicht nur anhand ihrer Werke erkennen, sondern in seine innersten Tiefen tauchen, um das wahre Genie zu finden.
Das Genie ist notwendige Voraussetzung jedes Kunstwerkes
Zum Glück bist du so freundlich, uns nicht im Dunkeln tappen zu lassen, sondern zauberst aus deinem Ärmel eine Liste der Genies hervor. Neben unbestreitbaren Größen wie Rubens oder Rembrandt reihst du eher bescheidene Naturen wie Manet oder Goya ein. Deren größtes Verdienst liegt darin, der Malerei einen weiteren Themenkreis erschlossen zu haben. Ewiger Dank sei ihnen dafür gewährt. Aber deshalb sind sie noch lange keine Großmeister der Kunst. Denn neu ist nicht automatisch gut. So waren Goyas offizielle Porträts zum Beispiel meist katastrophal und auch manches Werk Manets wirkt ziemlich unbeholfen.

Francisco Goya - Die Familie des Grafen von Osuna (1788)
Öl auf Leinwand (225 x 174 cm)

In diesem Kanon geht es weiter und du haust uns im Folgenden eine Phrase nach der anderen um die Ohren. Jede von ihnen fehlt Substanz, denn diese hatte sich beim kritischen Blick schnell verflüchtigt. Was übrig blieb, ist ein aufgeblasenes Gebilde voll esoterischer Wortakrobatik. Glaube wäre hier eher angebracht.
eine eminente Persönlichkeit
Nichts von kalter Berechnung
Ebenso wie seine Zeichnung ist seine Farbe: einfach und stolz, von aristokratischer Vornehmheit
Erst das sogenannte Genie flößt dem Leben, die Seele ein: die gemalte Leinwand wird zum lebendigen Kunstwerk
von der Sentimentalität arbeitete er sich bald zum wahren Gefühl durch
Innigkeit der Empfindung
Breitzügigkeit der Komposition
feierlicher Ernst
aus Überzeugung gemalt
mehr wahr gedacht, als wahr gemacht
Mein gesunder Menschenverstand kann dem leider nicht folgen und bewahrt lieber eine Portion Skepsis gegenüber solchen Begriffen. Denn mit solchen kann jeder x-beliebige Maler auf den höchsten Thron gehoben werden.
Die Gefühle, Gedanken und Ideen eines Künstlers vor und während der Entstehung des Gemäldes spielen keine Rolle. Wir kennen sie nicht. Wenn er sie verkündet, sind sie vielleicht gelogen oder im Nachhinein verklärt.
Ein köstliches Gericht wird nach seinen äußeren Reizen und dem Geschmack beurteilt und nicht nach den Gefühlen des Kochs während der Zubereitung.

Édouard Manet - Frau mit Fächer (1862)
Öl auf Leinwand (113 x 90 cm)

Konsequenzen

Wenn man deine Reden zu den Sezessions- und Akademieausstellungen liest, merkt man, dass dir die Geister, die du mit deinem liberalen Kunstverständnis riefst, immer mehr über den Kopf wuchsen.

Zu Beginn der Sezession, Anfang des 20. Jahrhunderts, vorströmtest du Laissez-faire-Optimismus und warst beseelt von der absoluten künstlerischen Freiheit. Kein kritisches Wort zu den Qualitäten der ausgestellten Werke war dir genehm. Bis zum Ende deines Lebens bliebst du dem Gedanken treu, dass den jungen Künstler keine Schranken gesetzt werden dürfen und ihre Werke Ausstellungswürdig sind. Wer weiß schon, ob das kommende Genie unter ihnen ist.

Ernst Ludwig Kirchner - Nackte Frauen auf Waldwiese (1928)

Aber das uneingeschränkt gute Gefühl wich in den folgenden Jahrzehnten, und wenn auch nur zwischen den Zeilen, immer mehr einer realistischen Einschätzung:
die Kultur ... muss bewahrt werden vor dem wildgewordenen Genie
viele der Hoffnungen und Wünsche, die ich für die Akademie hegte, [sind -  A.d.V.] nicht in Erfüllung gegangen
Die Akademie ... schließt daher dilettantische Arbeiten aus
Aber es ist noch kein Beweis von Genie, wenn man gegen die Akademie Sturm läuft
Manches, was uns lieb und wert, haben wir verschwinden sehen: So will es die über uns fortschreitende Zeit
Ganz abgesehen von der Zerrissenheit, die leider auch in der Kunst bei uns herrscht, ist bei unseren Künstlern keine Pietät für das schon Erreichte vorhanden
Aber damit musst du leben Max, denn ein wenig bist du an der Entwicklung, die die Kunst genommen hat, selber Schuld.
Ein schwarzes Quadrat Malewichs oder die monochromen Farbflächen eines Rothko gelten auch dank dir in meiner Zeit als Meisterwerke der Malerei. Und Menschen wie Beuys oder Warhol werden als Künstler betrachtet und sogar als Bedeutende des 20. Jahrhunderts.

Kasimir Malewitsch - Schwarzes Quadrat auf weißem Grund (1915)
Öl auf Leinwand (79,5 x 79,5 cm)

Deinen Liebling Manet, den du für den größten Maler des 19. Jahrhunderts hieltest, konnte dir bis zum Lebensende keiner nehmen. Von seiner Meisterschaft warst du immer überzeugt. Max, er sei dir gegönnt, denn er war hundertmal besser als der ganz Müll, der ihm folgte. Und so möchte ich, deinem Wunsch entsprechend, mit einem schwergewichtigen Kronzeugen enden, der ganz in deinem Sinne spricht:
Als hätte Goethe Manet vorausgeahnt -, da er ein paar Jahre vor Manets Geburt zu Eckermann sagte: "Es muss ein großes Talent kommen, welches sich alles Gute der Zeit sogleich aneignet und dadurch alles übertrifft."
Denn selig ist, wer daran glaubt!

Édouard Manet - Im Wintergarten (1879)
Öl auf Leinwand (115 x 150 cm)

Einigkeit

Fast hätte ich es vergessen. In einem waren wir uns von Anfang an einig Max. Ein Meisterwerk strahlt auch ohne das Wissen, welcher Künstler es gemalt hat oder was er dabei dachte, fühlte oder machte. Jedoch funkelt es umso schöner mit der Kenntnis solcher Details. Oder um deine Worte zur Verteidigung des Buches Mit Rembrandt in Amsterdam von Frits Lugt zu verwenden:
Aber - ich höre den Einwand - wen interessiert es außer ein paar Kunstgelehrten, wo Rembrandt gesessen, als er die Radierung mit dem Milchmann oder die Zeichnung vom Diemen gemacht hat. Gewiß, für den Wert des Werkes ist es ganz gleichgültig zu wissen, wo es entstanden, ob es die Phantasie frei erfunden hat oder ob es aus der Naturanschauung entstanden ist: wie es für den Kunstwert des Faust ganz gleichgültig ist zu wissen, ob Goethe sein Gretchen und seine Ottilie nach Kätchen Schönkopf oder der Minna Herzlieb gezeichnet hat. Für die ästhetische Erkenntnis jedoch ist es von unschätzbarem Wert, das Original, nach dem der Künstler gearbeitet hat, zu kennen.
Jehan-Georges Vibert - Gulliver und die Liliputaner (1870)
Öl auf Leinwand (56.5 x 109.8 cm)

Freitag, 12. Juni 2009

Anton von Werner (Teil 5)

Weiter geht es mit Anton Werners Biografie Erlebnisse und Eindrücke (1870-1890) und der Zeit von 1880 bis Ende 1885.

Anton von Werner - Männliche Gewandstudie für das Cafe Bauer (1884)
Kreide auf Tonpapier (45,6 x 29,2 cm)


Das Jahr 1880

Die Person Anton von Werners finde ich, wie früher schon beschrieben, sehr sympathisch. Dies liegt neben seinem riesigen malerischen Talent und seiner leicht ironischen Art an seinem objektiven Blick, mit der er die Kunstwelt betrachtet. Ein Meisterwerk war für ihn ein Meisterwerk, unabhängig von Religion, Nation oder Partei des Künstlers.

Antisemitismus

So berichtet er mit Abscheu von einer
widerliche(n) Bewegung
, Berliner genannt, welche seit dem Vorjahr Antisemitismus propagierte. Den Erfolg, den diese Bewegung hatte, beunruhigte nicht nur von Werner. So schrieb sein Freund Victor von Scheffel zu dieser Zeit die folgenden Zeilen:
Behüt uns Gott
Vor Rassenhaß
Und Klassenhaß
Und derlei Teufelswerken!
Anton von Werner - Victor von Scheffel am Hohenwiel (1882)

Der Antisemitismus nahm auch an der Kunstakademie viele Studierende gefangen. Als einige Zeit später eine Antisemitenpetition des Dr. Förster (ob Werner genau diese meinte, ist nicht klar) kursierte
..., sah ich mich genötigt, in einer gemeinsamen Versammlung des Professorenkollegiums und sämtlicher Studierenden die letzteren darauf aufmerksam zu machen, daß es mir ganz gleichgültig sei, welcher politischen Meinung sie seien und in welchen Volksversammlungen sie sich über Politik aufklären lassen wollten, daß ich mir innerhalb der Mauern der Akademie und unserer Unterrichtsräume aber jede "Bewegung", die mit dem künstlerischen Studium nichts zu tun habe, dringend verbitten müsse und daß §62 des akademischen Status ungehöriges Verhalten mit sofortiger Ausweisung bedrohe.
Papierwitz

Neben solch ernsten Problemen gab es auch komisch, alberne Momente. So empfahl Anton von Werner seinen Schülern, das Papier Ingres (eine Art Büttenpapier) für ihre Zeichenarbeiten zu verwenden. Papier, welches aus Frankreich stammte. Dies gefiel aber scheinbar nicht jedem und so musste er sich in der heimischen Papier-Zeitung mit dem Vorwurf auseinandersetzen, französische Produkte zu bevorzugen. Seine Reaktion darauf war typisch für Anton von Werner:
Ihr Artikel wendet sich gegen die Benutzung französischen Zeichenpapiers an der Akademie der bildenden Künste ... Da ich die Papier-Zeitung zu wenig kenne, um die Annahme wagen zu können, daß der Herr Verfasser hier wohl nur einen Scherz hat machen wollen, so erkläre ich ganz ernsthaft, daß das "wunderbare französische Papier", welches dem Herrn Verfasser merkwürdigerweise gänzlich unbekannt zu sein scheint, das in Künstlerkreisen wohlbekannte und hochgeschätzte papier Ingres, in der Tat das beste, bisher noch unübertroffene Papier für Kreide- und Kohlezeichnungen ist.
Wenn wirklich..., "in erster Linie den Lehrern an der ersten Kunstanstalt des Reiches die Aufgabe zufällt, das meistens unbegründete Vorurteil für französische und englische Erzeugnisse zu beseitigen," - von welcher Verpflichtung mir bisher allerdings nichts bekannt geworden ist und womit hoffentlich nicht die französischen und englischen Kunsterzeugnisse gemeint sind, vor welchen ich den größten Respekt habe - so wird der Herr Verfasser des Artikels es mit Freuden begrüßen, wenn ich durch diese Erklärung unsere heimische Papierindustrie auf die Vorzüge des papier Ingres aufmerksam mache und vielleicht dadurch zur Förderung der heimischen Industrie beitrage.
Ich bin erfreut, daß die Papier-Zeitung als Fachorgan in der Lage ist, dieser Erklärung die geeignetste und gewichtigste Verbreitung in den interessierten Kreisen zu geben.
Noch mehr erfreut werde ich im Interesse unserer heimischen Industrie sein, wenn die Papier-Zeitung in der Lage wäre, mir noch besseres Zeichenpapier als das papier Ingres zur Probe zugehen zu lassen, und sie darf überzeugt sein, daß ich dann keinen Augenblick zögern werde, das bessere Material, gleichviel welchen Ursprungs, einzuführen.
Doch erledigt war das Thema damit nicht. Dr. Max Jordan, sein alter Intimfeind und neuerdings Kunstdezernent, sprang auf den Wagen und verlangte, dass auch bei gleicher Qualität das einheimische Papier zu verwenden sei. Aber wie beweisen?

So führte die Akademie in den folgenden Monaten Experimente und Untersuchungen durch, welche jedoch kein vielversprechendes Ergebnis, sprich Papier, lieferte. Die Industrie selber war zusätzlich nicht sonderlich daran interessiert, da die Fabrikationserweiterung für den kleinen Absatzmarkt der Künstler viel zu kostspielig war.

Das Abschluss-Dossier wollte die Papier-Zeitung jedoch nicht veröffentlichen, aus Rücksicht auf das Ministerium für Eisenbahnen und öffentliche Bauten
... weil - laut Ordre dieses Ministeriums - vorschriftsmäßig alle Pläne für Eisenbahnbauten auf englischem Whatman-Papier ausgeführt werden müßten!
:-) Sachen gibt's ...

Arbeitsliste

Zu dieser Zeit war Anton von Werner mit seinen Bildern für den Rathaussaal in Saarbrücken und dem Kongressbild mehr als beschäftigt.

Anton von Werner - Ankunft Seiner Majestät in Saarbrücken (9. August 1870) - (1877) Farbskizze zu dem Wandbild im Rathaussaal
Öl auf Leinwand (87 x 128 cm)

Anton von Werner - Sturm auf den Spicherer Berg am 6. August 1870 (1880)

Um neuere Anfragen musste der Meister sich natürlich keine Sorgen machen. So erhielt er den Auftrag für ein Proklamierungsbild für das Zeughaus, Entwürfe zu Wandbildern für das Berliner Rathaus mussten erstellt werden und die Umsetzung eines großen Gemäldes (Die Stiftung des Adlerordens) in Anlehnung an eine Skizze Antoine Pesnes sollte er von seinen Schülern malen lassen.

Antoine Pense - Die Stiftung des Schwarzen Adlerorden durch König Friedrich I in Preußen am 17. Januar 1701 in Königsberg (um 1712)
Öl auf Leinwand (46 x 63 cm)

Aufgrund der strengen Vorgaben des langweiligen, überfrachteten Vorbild ist dies sein einzig schlechtes Gemälde überhaupt.

Anton von Werner - Die Stiftung des Schwarzen Adlerorden (1881) - Wandbild
Öl auf Leinwand (324 x 383 cm)

Haariger Kaiser

Mitte Februar bot sich ihm die erstmalige Gelegenheit, Kaiser Wilhelm I für eine Modellsitzung zu gewinnen und hier erfährt man einiges über die haarige Eitelkeit des Kaiser:

Anton von Werner - Der Kaiser (Studie) (1880)
Ich hatte den Kaiser inzwischen von mehreren Seiten gezeichnet, einmal auch im Hinterprofil, wobei er mir scherzend zurief: "Nanu, Sie zeichen wohl gar auch meinen chinesischen Zopf ab?" Er meinte damit die Haarlocke, die von der rechten Stirnseite in kühnem Schwunge nach dem Ohre hinabfiel und von dem Kammerdiener Engel aus dem überschüssigen Hinterhaupthaar jeden Morgen mit viel Geschick hergestellt wurde.
Fehlabnahme Bismarck

Im Juli reiste Anton von Werner nach Friedrichsruh zu Fürst Bismarck. Auf den armen Künstler hatte der Kanzler jedoch keine Rücksicht genommen, denn frischer, schlanker und gesünder sah Bismarck aus als zu Zeiten des Berliner Kongress, wo er blass, aufgedunsen und abgekämpft war. Ganz unbrauchbar also nun. Aber ein Maler muss nehmen was er kriegen kann. Und so waren die Tage, wenn es Bismarcks Zeitplan und es dessen
nervöse Ungeduld (Zitat AvW)
erlaubte, mit Sitzungen belegt.

Die erste Lektion lernte von Werner hierbei schnell. Heutzutage schmücken sich die Obamas dieser Welt mit kleinen, harmlosen, kinderfreundlichen Hunden, aber damals war das noch etwas anders gelagert. Der Reichshund Tyras, wie Bismarcks Dogge auch genannt wurde, war kein Schoßhündchen jener Art.
... denn als er in Begleitung des Reichshundes Tyras in das für die Sitzung bestimmte Zimmer trat, rief er mir zu: "Um Gotteswillen, tun Sie den Stock weg (den Malstock, den ich gewohnheitsmäßig in der Hand hielt), der Hund springt sie sonst an!" Tyras knurrte auch schon bedenklich, und ich ging dem wachsamen Hüter seines Herrn seitdem, wenn ich ihn irgendwo erblicke, weit aus dem Wege.
Bismarck besaß in diesen Jahren praktisch kein Privatleben. So berichtet von Werner, dass der Kanzler in drei Wochen nur einmal ohne Gast zu Mittag gegessen hatte. Diesen Stress überstand der Kanzler nur, weil ihm sein Hausartz Dr. Schweninger zu einem gesünderen Lebenswandel bewegen konnte.

Wie dem auch sein, von Werner studierte den Kanzler so gut es ging und als er nach einigen Tagen den Fürsten wieder verließ, hatte er einen Stapel von Eindrücken im Kopf und im Gepäck.

Leidenschaft pur

Trotz langer Reise von 6 Stunden fuhr der Meister direkt in sein Atelier, um die noch frischen Gedankenbilder umzusetzen. Diese Begeisterung und Leidenschaft für die Kunst zeigt sich immer wieder. So ist es für ihn Entspannung pur, im seinen Urlauben, wie in diesem Jahr wieder in Heringsdorf, alles und jeden zu skizzieren.

Anton von Werner - In Heringsdorf in der Villa Delbrück (1880)

Dieses Bild passt zwar nicht zu dem zu Unrecht verbreiteten Ruf des uninspirierten, leblosen akademischen Maler, entspricht aber in seiner positiven Deutung voll und ganz der Wahrheit.

Anton von Werner - Tochter in Heringsdorf (1884) Aquarellstudie

Ausstellungen und Manöver

Im Jahr 1880 besuchte Anton von Werner die Kunstausstellung in Düsseldorf und im September nahm er zu Studienzwecken mit einigen Schülern an einem Manöver teil.

Die Kunstausstellung in Berlin wird von Anton von Werner und anderen Zeitgenossen als eine der besten Berliner Ausstellung der letzten 40 Jahren gepriesen. Als Höhepunkte erwähnt er
Ad. Menzel hatte außer einigen Gouachen seine lebenssprühende Prozession bei Salzburg ausgestellt,

Adolph Menzel - Fronleichnamsprozession in Hofgastein (1880)
Öl auf Leinwand (51,3 x 70,2 cm)

C. Gussow drei sehr schöne Porträts,


Karl Gussow - Das Mädchen mit den Austern (1882)
Öl auf Holz (76,4 x 63 cm)

von L. Alma Tadema waren zwei Meisterwerke kleinsten Formats zu bewundern.
Lawrence Alma-Tadema - Erntefest oder Eine tanzende Bacchantin (1880)

Mer losse d' Dom in Kölle

Als Direktor der Berliner Akademie war von Werner auch zur großen Feier der Vollendung des Kölner Doms am 15. Oktober eingeladen. Der Höhepunkt war nicht der offizielle Festakt mit Kaiser Wilhelm I, sondern der am folgenden Tag stattfindende Umzug. Und, Kölner horcht auf, dieser Umzug wurde von Düsseldorfer Künstlern gestaltet.

Arbeitserleichterung

Zum Ende des Jahres kam die Meldung ins Haus, dass seine Entwürfe für das Berliner Rathaus abgelehnt worden sind.

Anton von Werner - Siegeseinzug am 16. Juni 1871 (1881 oder 1882)
Skizze zu Wandbild im Berliner Rathaus

Nicht tragisch, da er mit der Vollendung des durch seine Schüler nach seinen Anweisungen vorgearbeiteten Gemälde Stiftung des schwarzen Adlerorden und dem Porträt des Kronprinzen in russischer Feldmarschallsuniform voll und ganz beschäftigt war.


Das Jahr 1881

Seelsorger

Das Anton von Werner kein das Pflichtprogramm abspulender Professor war, zeigt sich eindrucksvoll im Jahre 1881. Denn nun bot er hilfesuchenden Künstlern an, zu einer Sprechstunde in sein Haus zu kommen.
Zu meiner neben der künstlerischen Tätigkeit schon an und für sich genügend anstrengenden dienstlichen, hatte ich mir noch ein Extravergnügen durch die Sprechstunden zugelegt, für die ich jeden Dienstag und Freitag Nachmittag von 4 bis 6 Uhr meine Privatwohnung zur Verfügung stellte, da in der Akademie dafür kein geeigneter Raum und das nötige Dienstpersonal vorhanden war. Wenn ich dann müde und abgearbeitet von der Akademie nach Hause kam, harrten oft 15 bis 20 Leute mit den allverschiedensten und oft den seltsamsten Anliegen meiner, von denen die wenigsten mit meinen Pflichten als Akademiedirektor in irgendeinen Zusammenhang zu bringen waren und vorwiegend wenig Erfreuliches boten.
Auch zwei junge Künstler, von denen er besonders begeistert war, nahmen diese Sprechstunden in Anspruch. Die Rede ist von Carl Stauffer und Christian Wilhelm Allers, die er in den höchsten Tönen lobte und, im Falle Stauffers, auch durch die Vermittlung von Aufträgen förderte.

Karl Stauffer - Bildnis von Gottfried Keller (1886)
(70 x 58.5 cm)

Kongress beendet

Nach der Hochzeit Prinz Wilhelms, des späteren Kaisers Wilhelm II, zu der Anton von Werner natürlich wieder eingeladen war, war es nun endlich soweit.

Das lang erarbeitete Kongressbild konnte übergeben werden und sollte seinen Platz im Berliner Rathaus finden.

Anton von Werner - Der Kongress zu Berlin am 13. Juli 1878 - Schlusssitzung (1881)
Linker Bildausschnitt

Öl auf Leinwand (360 x 615 cm)

Nachdem das Gemälde seine Aufstellung im vorbestimmten Raum gefunden hatte, konnte der Meister noch ein paar Korrekturen vor der offiziellen Einweihung vornehmen, um dem Bild eine perfekte Wirkung in seiner neuen Umgebung zu ermöglichen.
Das Bild war dem Arrangement der Tafeln entsprechend in der Mitte des Saales den Fenstern gegenüber aufgestellt, zunächst in dem sehr ungünstigen Zwielicht eines März-Nachmittages. Als es aber zu dunkeln anfing und außer den Kronleuchtern eine für das Bild eigens unter einem Baldachin eingerichtete Beleuchtung aufflammte, traten die Figuren des Bildes plötzlich wie lebend aus dem Dunkel hervor und mir fiel über diesen ersten günstigen Eindruck ein Stein vom Herzen, obgleich ich sah, daß ich noch vieles an dem Bilde für den Raum, in dem es von nun an Aufstellung finden sollte "stimmen" müßte.
Pariser Pflichtprogramm

Wie fast jedes Jahr zu dieser Zeit reiste von Werner zum Pariser Salon, dieses mal in Begleitung seiner Kollegen Wilhelm Gentz und Erdmann Encke. Die Ehrenmedaille, den höchsten Preis, erhielt das Bild La glorification de la loi von Paul Baudry.

Paul Baudry - La Glorification de la loi (1881)
(480 x 360 cm)

Eine Medaille erste Klasse wurde in diesem Jahr nicht verliehen, aber die Verleihung einer bestimmten Medaille zweiter Klasse erregte doch einige Aufmerksamkeit. Diese Medaille errang nämlich das Bild Manets Porträt des Löwenjägers Pertuiset, welches wegen seiner für damaligen Verhältnisse dilettantische Malerei als einfache, schlechte Skizze, denn als fertiges Bild angesehen wurde.

Édouard Manet - Das Bildnis des Löwenjäger Pertuiset (1881)
Öl auf Leinwand (150 x 170 cm)

So ändern sich die Zeiten und das Niveau. Die heutigen Kunstschulabgänger wären froh, solch Niveau erreichen zu können, welches damals eher als talentlose Hand angesehen ward.
Ich bemühte mich mit meinen Berliner Freunden vergeblich, an dem wunderlich fleckigen, ungeschickt gemalten Bilde die Vorzüge zu entdecken, denen es diese Auszeichnung verdankte.
Einen besseren Eindruck als der mäßige Salon machten andere Ausstellungen, allen voran
Munkácsys großem Bilde: "Christus vor Pilatus" im Sedelmeyer'schen Kunstsalon. Das Bild war vorzüglich aufgestellt, seine Wirkung, wenn man es von dem dunklen Vorraum aus plötzlich in seiner lichtvollen Klarheit erblickte, geradezu überwältigend, und trotz der meiner Empfindung nicht ganz zusagenden Christusfigur trat alles im Salon ausgestellte gegen den Eindruck, den dies Meisterwerk auf mich machte, zurück.

Mihály Munkacsy - Christus vor Pilatus (1881)

Model in Gefahr

Das Modelstehen für einen Maler war zu dieser Zeit oft kein Zuckerschlecken, da von Beispielen berichtet wird, in denen das Model stundenlang eine unangenehme Pose einnehmen musste, so beispielsweise bei Adolph Menzel.

Anton von Werner berichtet von einer anderen Gefahr, die einem Model fast zum Verhängnis wurde. Als er die Familie Munkácsy in diesem Jahr besuchte, herrschte helle Aufregung, da das Model für die Christusfigur zum neuem Gemälde Golgatha gerade von seinem hohen Gestell gestürzt war. Armer Mann, aber was muss man nicht alles zum Wohle der Kunst über sich ergehen lassen.


Mihály Munkácsy - Golgatha (1884)

Lehrreiche Modelbauer

In Paris machte Anton von Werner zwei weitere Bekanntschaften, die einen besonderen Eindruck auf ihn hinterließen.

Zum einen lernte er Pierre-Victor Galland kennen, den er als liebenswürdigen, freundlichen Mann bezeichnete. Dieser Maler wurde der Tiepolo seiner Zeit genannt und schuf unter anderem Teile des Dekors des Pariser Panthéon. Anton von Werner bewunderte im Atelier Gallands dessen strukturiert aufgebautes, technisch anspruchsvolles Studienmaterial für Ornamentik. Dies wurde zum Vorbild für den von Werner in früheren Jahren eingeführten Unterricht in Ornamentik und dekorativer Architektur.

Pierre-Victor Galland - Studium der Stämme und Zweige und ihre Umwandlung in Säulen (1864)
Bleistift und Gouache und weiße Erhöhungen (60 x 52cm)

Beide Meister waren sich einig, dass eine Ausstellung Gallands in Berlin eine Zierde des Kulturprogrammes sei, aber die Politik machte diesem Vorhaben der beiden Weltenbürger der Kunst einen Strich durch die Rechnung.

Sehr interessant ist die Beschreibung des für die damalige Zeit nicht ungewöhnlichen Modelbau zu lesen. Deshalb sei dieser Abschnitt ins ganzer Länge zitiert:
Auf der Galerie, die oben an den Wänden des Ateliers angebracht war, bemerkte ich eine große Zahl etwa halblebensgroßer mit sorgfältig ausgeführten Renaissancekostümen bekleideter Mannequins in den verschiedensten Bewegungen, an denen der Künstler den Aufbau ganzer Gruppen sowie die Verkürzungen der Figuren auf einer von unten gesehenen Galerie für ein großes, dekoratives Treppenhausbild studiert hatte. Die Sitte, sich ganze Bilder mit selbstmodellierten Figuren aufzubauen, sich Pferde und Reiter in bewegten Stellungen selbst zu modellieren, um danach zu probieren und zu studieren, war früher in Paris sehr verbreitet, Delaroche wie Gérôme und Meissonier hatten sich dieses Hilfsmittel bedient, und auch bei Sir Frederic Leighton in London sah ich noch später kleine Modelle in Wachs, die er sich für seine Bilder modelliert hatte. Galland hatte sich mit derselben Gewissenhaftigkeit als Hilfsmittel für eine Supporte, die er für den ihm verwandten Komponisten Ch. Gounod gerade malte, z.B. ein Konsol modelliert und vergoldet, um Zeichnung und Ton auch dieses eigentlich nebensächlichen Stückes so wahr wie möglich geben zu können.
Faszinierend, mit welcher Begeisterung und Eifer die damaligen Meister an ihr Werk gingen.

Außerdem lernte er den damaligen Direktor der École des Beaux Artes, Paul Dubois, kennen, der es Anton von Werner ermöglichte, einen Blick hinter die Kulissen der französischen Kunstschule zu werfen und die vielfältigsten Eindrücke mit nach Hause zu nehmen.

Krasser Naturalist

Zur Berliner Kunstausstellung reichte Anton von Werner in diesem Jahr das meisterhafte Gemälde des Besuchs König Wilhelm am Grabe seiner Mutter Königin Luise am 19. Juli 1970, der Tag vor der Abreise ins Kriegsgeschehen. Der König in still sinnierender Andacht vor dem leuchtenden Sarkophag (von Christian Daniel Rauch), der dem Monarchen mit seinem Lichte den Weg in den nächsten Tagen weisen wird.

Anton von Werner - Am 19.Juli 1870 (1881)
Öl auf Leinwand (169 x 221 cm)

Auch wenn manch einem der heutigen Betrachter Beweihräucherungen dieser Art nicht mehr ganz geheuer sind, kann man dieses Werk als brillant gemaltes, wunderbar seine Idee verdeutlichende, große Kunst anerkennen. Prädestiniert für die Nationalgalerie eigentlich, dachten auch viele Zeitgenossen. Aber nicht so sein Erzfeind Dr. Max Jordan. Dieser schoss mal wieder quer:
Herr Direktor Dr. Jordan hatte aber, da es diesmal keine roten Gewänder und keine Auflösung kompositioneller Bestandteile zu beanstanden gab, an dem bläulichen Schimmer Anstoß genommen, der von dem mit einem Oberlicht von blauen Glasscheiben versehenen Vorraum der Kapelle aus die weißen Mamorstatuten teilweise überhaucht, was ich, harmlos wie ich bin, mitgemalt hatte. Der gewissenhafte Kunstgelehrte aber war - wie ich von zuverlässiger Seite erfuhr - über diesen krassen Naturalismus so entsetzt, daß er das Bild nicht für geeignet erachtete, in die Nationalgalerie aufgenommen zu werden...



Das Jahr 1882

Arbeitsreich

In den ersten Wochen des Jahres vollendete Anton von Werner den Karton des Proklamierungbildes für das Zeughaus. Kein einfacher Abklatsch der ersten Ausführung, sondern eine vollständig umgearbeitete Fassung entwickelte der Künstler.

Anton von Werner - Die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches (1878)
Studie zur 2ten Fassung

Feder in Schwarz laviert (41,5 x 57,5 cm)

Diese zweite Version ist die heutzutage allgemein bekannte Fassung, da sie durch eine spätere Version des Jahres 1885 als einzige überliefert ist.

Anton von Werner: Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches (1885)
Öl auf Leinwand - 167 x 202 cm

Weiterhin konnte er die sechs Skizzen für die Wandbilder des Cafe Bauer, welche die vorhandenen, nicht mehr passenden Landschaftsbilder Christan Wilbergs ersetzten, fertig stellen.


Anton von Werner - Abend in einer römischen Villa (1882)
Wandbild im Cafe Bauer

Auch für zukünftige Großtaten war gesorgt. So wandte sich eine Gruppe Berliner Finanzleute an von Werner, zur Umsetzung eines gigantischen Projekts. Ein Panoramabild der Schlacht bei Sedan sollte geschaffen werden, für dessen Präsentation ein eigenes Gebäude von den damals berühmten Architektenbüro Ende und Böckmann errichtet wurde. Aber dazu später mehr.

Genialer Kollege

Das Anton von Werners Anerkennung und Bewunderung der Leistungen seiner Malerkollegen keine Ländergrenzen kennt, habe ich schon öfter erwähnt. Dies schließt nicht nur die Hochachtung für Meisterwerke seines Metiers ein (siehe Lob Meissoniers), sondern auch die natürliche, selbstverständliche Hochachtung vor den Könnern auf ganz anderen thematischen Gebieten.

Paradebeispiel hierfür ist seine überschwängliche Beschreibung Wereschagins (ich verwende hier die Schreibweise, welche Anton von Werner benutzt). Dieser einzigartige Künstler ist der Inbegriff für den Maler der grausamen Wirklichkeit, ein Künstler, der die Schattenseiten der Kriege wie kein zweiter großer Künstler des 19. Jahrhunderts aufzeigte. Damit steht er in diesem inhaltlichen Punkt im Gegensatz zu Anton von Werner, dem Verherrlicher des 1870er Krieges.

Wassilij Wereschagin - Apotheose des Kriegs (1871)

Mehrere Seiten voll der Wertschätzung Wereschagins könnte ich zitieren, möchte mich hier aber auf ein paar besonders markante Passagen beschränken. Auslöser der Bekanntschaft dieser beiden Meister war eine große Werkschau Wereschagins in Berlin, bei der über hundert große Bilder gezeigt wurden. Besonderheit war die elektrische Beleuchtung und der choralartige, gedämpfter Harmoniumklang im Hintergrund, der das besondere der Bilder noch weiter verklärte.

Wassilij Wereschagin - Defense of the Troitse-Sergiyeva Lavra against Polish forces (1891)
Ich möchte nach den vielen Unterhaltungen, die ich im Laufe der Jahre über Kunst mit ihm geführt habe, zu behaupten wagen: der Gedanke, sein ganzes ungeheures Können und Wissen und seine glänzende Technik in den Dienst der Kunst, etwa im Sinne der alten Meister zu stellen, ein Bild um seiner selbst willen zu malen, lag ihm gänzlich abseits, er wollte nur zeigen, was er gesehen hatte und schildern, was anderen zu sehen unzugänglich oder unmöglich war, das aber mit den Mitteln, wie sie nur einem auf der Höhe seines Berufes stehender Künstler zu Gebote stehen.
Selten hat mir jemand auf den ersten Blick einen so sympathischen Eindruck gemacht, wie Wereschagin. Schon seine äußere Erscheinung, in der sich unbeugsame Kraft mit Milde, fast Kindlichkeit in wohltuender Weise paarte, wirkte auf mich als die eines Mannes, der gegebenenfalls ohne langes Besinnen mit fester Hand in die Speichen des Rades zu greifen vermochte, mit dem die Geschicke der Welt gesteuert werden.
Er liebte es nicht, von sich, seinem Leben oder gar seinen Arbeiten zu sprechen, und wenn er auf seinen weiten Fahrten von Ost nach West zuweilen ganz flüchtig in Berlin bei uns abends erschien, so antwortete er in der Regel scherzend oder ausweichend auf unsere Fragen, woher er komme und wohin er gehe.
... ungewöhnlich war an seiner Ausstellung auch noch, daß keines der ausgestellten Werke verkäuflich war, und das Wereschagin selbst den geringen Überschuß, der ihm verblieb, zu wohltätigen Zwecken in Berlin verwandte.
Der Künstler, der es als Lebensaufgabe betrachtete, für den Frieden zu kämpfen, indem er das Elend des Krieges in ergreifenden Bildern schilderte, fand bekanntlich ein tragisches Ende als eines der ersten Opfer des russisch-japanischen Krieges...
Wereschagin hatte natürlich auch das unter seinen Landsleuten so weitverbreitete Talent, sich in den drei Hauptsprachen - außer seiner Muttersprache - gleich geläufig auszudrücken, doch lag ihm Französisch am bequemsten, und er schrieb mir immer in dieser Sprache.
Im Laufe der nächsten Jahre hatte ich jedesmal, auch wenn er nur ganz flüchtig wie ein Meteor hier erschien, die Freude, ihn bei mir zu sehen und ein paar Stunden seinen hochinteressanten, oft recht ergötzlichen Äußerungen über Kunst und Künstler zu lauschen. Zuweilen erschien er nur für die kurze Spanne, die zwischen dem Zuge lag, der ihn von Osten nach Berlin gebracht und dem anderen, der ihn nach Westen, nach Paris, weiterbefördern sollte, oder umgekehrt und er rief uns dann eintretend zu: "Geben Sie mir etwas zu essen, ich habe schrecklichen Hunger und mein Zug geht in zwei Stunden weiter!"
Im Jahre 1897 ... sah ich ihn zum letzten Male. Ich lag krank zu Bett ... und er saß abends oft an meinem Bett, mich in jener liebenswürdigen Weise unterhaltend, die nur Menschen, die von Herzen gut sind, eigen ist.
Tragische Studien in Paris

Im Mai 1882 reiste Anton von Werner mit Christian Wilberg, der den Landschaftspart des Sedan Panoramas übernehmen sollte, nach Paris, um den Ort des Geschehens detailliert zu skizzieren. Die beiden Herren waren in Begleitung von Gentz und Ludwig Pietsch, der als Kriegsberichterstatter die Ereignisse im Jahre 1870 hautnah erlebt hatte und als Führer fungierte.

Eigentlich war alles angerichtet für einen interessanten Aufenthalt, doch die Reise war von einem dunklen Stern überschattet. Ganz unerwartete erkrankte Wilberg, so dass er die anderen nicht mehr begleiten konnte und im Glauben an eine kleine Krankheit zur Erholung zurückblieb. Doch so unbedeutend war die Krankheit leider nicht. Die Anderen sollten ihn nie wieder sehen...

Anton von Werner studierte die Gegend an jeder erdenklichen Stelle. Sowohl im Tal als auch in der Anhöhe. Dort zeichnete er die Landschaft unter Anweisung von Pietsch von den Punkten, an denen der Kaiser und seine Begleiter die Schlacht überblickt hatten. Jedes vielleicht mal wichtige Detail wurde festgehalten, so dass genug Rohmaterial für das riesige Panoramabild vorhanden war, um es naturgetreu umzusetzen.

Anton von Werner - Das Schlachtfeld von Sedan (Südseite) (1882)
Bleistift (17,2 x 53,6 cm)

Besuche

Die restliche Zeit ließ genug Spielraum für den obligatorischen Blick auf den Pariser Salon, des Besuchs der Ateliers befreundeter Künstler und der Besichtigung von Panoramen in der französischen Hauptstadt, allen voran die Schlacht von Villiers-Champigny von Jean Baptiste Edouard Detaille und Alphonse de Neuville.


Edouard Detaille und Alphonse Neuville - Panorama der Schlacht von Villiers-Champigny (Nachbildung eines Ausschnitts)

Dies war der Maßstab, an dem sich von Werner messen wollte.

Er ließ es sich natürlich nicht nehmen, seinen neuen Freund Wereschagin in Paris zu besuchen. Hier erfährt man wieder einmal ein interessantes Detail über den Einfallsreichtum, mit dem die großen akademischen Meister an ihr Werk gehen:
... in dem sich, dem großen Atelier vorgelagert, ein drehbares, oben und an einer Seite offenes Atelier, eine große Holzbude, befand, in dem er seine Modelle bei Sonnenlicht malen konnte. Die Drehbarkeit der Bude um ihre Achse im Fußboden - ähnlich der Verstellbarkeit einer Windmühle - ermöglichte es, daß das Modell, ohne seine Stellung zu verändern, annähernd in derselben Sonnnebeleutung, abgesehen von dem Höher- oder Tiefersteigen der Sonne, ohne Unterbrechung der Arbeit gemalt werden konnte.
Die Heimreise führte über Belgien, wo sie befreundete Künstler und Kollegen wie Emile Wauters besuchten. Das Panorama der Schlacht bei Waterloo von Berlat(?) in Antwerpen und eines in Brüssel mussten natürlich noch genauer unter die Lupe genommen.

Sedan - Truppe

Die Position des von Anton von Werner sehr geschätzten Wilberg nahm Eugen Bracht als neuer Mitarbeiter für das geplante Sedan-Panorama ein. Und nicht nur das. Auch die nun offene Position als Dozent der Landschaftsklasse konnte von Werner mit diesem bei Johann Wilhem Schirmer und Hans Gude ausgebildeten Maler besetzen.

Eugen Bracht - Chillon

Bracht und dessen Freund Carl Coven Schirm, der bei der Umsetzung des Landschaftsteils helfen sollte, schickte Anton von Werner zu Naturstudien nach Sedan.

Als weitere Mitarbeiter an dem Mammut-Projekt konnte er Carl Röchling, Georg Koch und Richard Friese gewinnen
um gemeinsam mit mir zunächst allgemeine Farben- und Sonnenscheinstudien zu machen, wozu der Garten der von mir bewohnten Villa genügend Raum bot. Pferde in allen Farben standen in Wannsee zur Verfügung, mehrere Modellsteher kamen täglich von Berlin, ein ganzes Arsenal von Uniformen und Waffen, französische wie deutsche, hatte ich hinausschaffen lassen und wir malten den Tag über ebenso vergnügt wie rastlos bis in den August hinein, trotzdem die Hitze oft so groß war, daß die Modelle nur mit nassen Tüchern auf dem Kopfe auszuhalten vermochten.
Anton von Werner - Naturstudie für das Panorama von Sedan (1882)

Perfektionist wie er war, sollte sein Schützling auch die Chance bekommen, ein Manöver direkt vor Ort zu erleben und zu skizzieren.

Anton von Werner - General von Winterfeld (1883)

So nahm er im September einmal Georg Koch und ein andermal Carl Röchling (begleitet von Julius Ehrentraut) zu einem Manöver mit.

Mit welcher heute oft zu Unrecht verpönten Detail-Liebe dort ans Werk gegangen wurde, möchte ich genauer zitieren:
Es handelte sich für mich besonderes um das Studium der Größe und Ausdehnung des Pulverdampfes der Geschütze bei den verschiedensten Entfernungen, wie sie von unserem Standpunkt aus abgeschätzt wurden, umd um das Bild von Jägern in Schützengräben in der Abwehr des Feindes durch Schnellfeuer. Generalleutnant von Bronsart hatte deshalb Ordre gegeben, für die Geschütze ein paar Kartuschen mehr einzustecken und mit dem Knallen nicht zu sparsam zu sein.
Cafe - Truppe

Anton von Werner - Pantomina (1877) -
Farbskizze zu dem Wandbild im Cafe Bauer aus dem Zyklus Ein römischer Morgen

Öl auf Leinwand (55 x 91 cm)

Wie beschrieben waren die Skizzen zu den Wandgemälden des Cafe Bauer fertiggestellt und so konnten seine Akademieschüler Harald Friedrich, Eugen Hanetzog, Herrmann Clementz und Walter Busch die Untermalung beginnen. Der landwirtschaftliche Teil wurde dann später von Bracht Schülern ausgeführt und erst im Frühjahr 1885 durch Anton von Werner vollendet.

Anton von Werner - Morgen (1882)
Farbskizze zu dem Wandbild im Cafe Bauer aus dem Zyklus Ein römischer Morgen

Öl auf Leinwand (68 x 89 cm)

Urlaub

Dieses mal ging es in den Urlaub nach Sylt, welches im Jahre 1882 noch nicht die Touristenhochburg unserer Zeit war. Den ganzen Tag faul am Strand liegen war bestimmt nicht von Werners Sache und so nutzte er die Zeit, so viel als möglich zu skizzieren. Oder, wie er es mit einem Seitenhieb auf den Impressionismus beschrieb:
Freilichtstudien, wie man das, was uns damals ganz natürlich und selbstverständlich schien, heute als etwas ganz Besonderes bezeichnen würde

Sedan - Umsetzung

Die Vorarbeiten zu dem Sedan Panorama waren abgeschlossen und die Umsetzung konnte beginnen. Dies sah so aus: Anton von Werner legte den Blickpunkt des Betrachters (oberhalb von Floing) und die Uhrzeit (ca. 13:30 bis 14:00 Uhr) fest. Dann komponierte der Meister die Figurengruppierungen und seine Schüler Röchling und Koch arbeiteten die Infanterie bzw. die Kavallerie aus.

Anton von Werner - Erste Skizzen zu den Figurengruppierungen des Panoramas von Sedan (1882)

Begleitet wurde dies von vollendeten Skizzen einzelner Figuren, zum Teil in ihrer für die spätere Umsetzung bestimmten Größe, was bis in den März des folgenden Jahres dauerte.

Anton von Werner - Farbskizze zweier Soldaten (1882)
Öl auf Malpappe (56 x 40 cm)

Größe ist hier das richtige Wort. Denn das sich noch im Bau befindliche Gebäude wird eine 120 bis 130 Meter lange und 15 Meter hohe Leinwand bekommen, an dem die Maler später ihr Können unter Beweis stellten.

Wer ein Gefühl für die Größenordnung solch eines Monumentalgemälde bekommen möchte, kann zum Beispiel das Panorama-Museum in Bad Frankenhausen besuchen, welches ähnliche Ausmaße bietet. Natürlich ist das dort ausgestellte Werk Werner Tübkes nicht mit dem technischen Können der akademischen Meister des 19. Jahrhunderts vergleichbar, aber ein Besuch lohnt sich sicherlich doch.

Kleiner Zusatz

Als ob das nicht genug Arbeit wäre, halste sich Anton von Werner noch eine kleine Zusatzaufgabe auf, die wieder umfangreiche Recherchen, Befragungen und Studien benötigte.
Die Ereignisse des 1. September 1870 sollen durch drei Dioramen noch lebhafter dargestellt werden. Diese Gemälde begleiten das Sedan-Panorama Rundbild und stellen die Entwicklung da, welche jeweils 5 Stunden nach der Schlacht von Bedeutung waren. Dargestellt werden sollte:
um 7 Uhr abends "die Übergabe von Napoleons Brief an König Wilhelm durch General Reille",

Anton von Werner - General Reille überbringt König Wilhelm Napoleons Brief (1. September 1870, 19 Uhr) Diorama
Öl auf Leinwand (440 x 930 cm)

um 12 Uhr nachts "die Kapitulationsverhandlungen zwischen General v. Moltke und General v. Wimpffen"


Anton von Werner - Die Kapitulationsverhandlungen in Donchery (1 und 2. September 1870, Mitternacht) (1885) Diorama
Öl auf Leinwand (320 x 420 cm)

und um 5 Uhr morgens am 2. September das Zusammentreffen von Bismarck und Napoleon auf der Chaussee zwischen Donchery und Sedan".


Anton von Werner - Bismarcks Zusammentreffen mit Napoleon (2. September 1870, 6 Uhr) (1884) Diorama
Öl auf Leinwand (380 x 600 cm)

Weiterer Zusatz

Das Zeughaus, für welches Friedrich Geselschap, Georg Bleibtreu und Wilhelm Camphausen ebenfalls Bilder vollendeten, wurde nun auch mit der zweiten Variante der Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches geschmückt. Kaiser Wilhelm I war mit Anton von Werners Umsetzung äußerst zufrieden, nur leicht verwundert, warum er auf dieser zweiten Fassung Bismark in weißer Kleidung, statt, wie historisch korrekt, in blauer Uniform gemalt habe.

Anton von Werner - Die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches (1885) Ausschnitt mit Bismarck in der Mitte
Ich mochte dem Kaiser nicht sagen, daß ich an dieser Stelle des Bildes unter all den dunkelblauen Uniformen den weißen Fleck nötig hatte, um Bismarck sichtbar zu machen und wies deshalb darauf hin, daß alle anderen bei der Proklamierung anwesenden Kürassiere den weisen Koller getragen hätten und konsequenterweise ihn Bismarck auch hätte anlegen müssen, wenn er ihn mit in den Feldzug genommen hätte, was eben nicht der Fall war. Der Kaiser erwiderte: "Sie haben recht, er war falsch angezogen und es ist ganz richtig, daß Sie das korrigiert haben".
So war auch der alte Kaiser glücklich und zufrieden und revanchierte sich bei Anton von Werner mit der Anweisung, das eigentlich dem Maler Carl Steffeck zugewiesenen Pendantbild Die Krönung Friedrich I im Jahre 1701 zu übernehmen,
was mir recht peinlich war, zunächste Steffeck's wegen, der schon Skizzen für das Bild vorgelegt hatte, die aber Allerhöchsten Ortes nicht befriedigt hatten, und sodann, weil ich mir hier vor die Darstellung eines historischen Vorgangs aus einer Zeit gestellt sah, mit der ich mich bis dahin nicht beschäftigt hatte und die mir sehr viel zeitraubende Vorstudien an Porträts, Kostümen, Sitten und Gewohnheiten jener Zeit in Aussicht stellte, die mich neben der umfangreichen Arbeit am Sedan-Panorama stark belasten mußten. Überdies konnte ich Studien für die Örtlichkeit nach der Natur auch nicht machen, weil die Königsberger Schloßkirche für die Krönung 1860 restauriert und modernisiert worden war. Aber eine Ablehnung des kaiserlichen Wunsches war undenkbar und Steffeck wurde durch einen anderen Auftrag für die Ruhmeshalle: "König Wilhelm bei Sedan" entschädigt.
Telefonpionier

Ein langjähriger Bekannter und Freund Anton von Werners war der Generalpostmeister Heinrich von Stephan.
Anton von Werner - Generalpostmeister Heinrich von Stephan

An einem Abend (vielleicht Ende der 70er Jahre) war von Werner zu Gast im Hause Stephan und wohnte dort den ersten Versuchen mit dem Telefon bei. Nicht mit einem einfachen "Test Test", sondern mit einem Violinenspiel auf der einen und einem singenden Generalpostmeister mit dem Lied "Ein Jäger aus der Kurpfalz" auf der anderen Seite, wurde die Funktion überprüft.


Das Jahr 1883

Besuch und Gegenbesuche

Zu Beginn des Jahres überreichte Anton von Werner zur Silberhochzeit des Kronprinzenpaares eine, wie man es damals bescheiden nannte, Aquarellskizze von der Taufe ihres ersten Enkels.

Anton von Werner - Die Taufe des Urenkels (1883)
Aquarell über Bleistift, auf Leinwand aufgezogen (72,2 x 90,2 cm)

Dann kam der wohl zu dieser Zeit wichtigste Mann der Kunstwelt Dänemarks zu Besuch nach Berlin. Ferdinand Meldahl, der Direktor der Kopenhagener Kunstakademie. Die Chemie stimmte zwischen ihm und Anton von Werner und so tauschten sie bis an Meldahls Lebensende ihre Ansichten und Erkenntnisse zur Kunst und Kunst-Verwaltung aus. Einen Gegenbesuch in Dänemark 1892 mit einer über 30 köpfigen Mannschaft ist Anton von Werner in besonderer Erinnerung geblieben.

Sedan entsteht

Nachdem Ende Januar die Bauarbeiten abgeschlossen waren, konnte die Umsetzung des Panoramas beginnen.

Anton von Werner und Mitarbeiter - Panorama der Schlacht bei Sedan (Ausschnitt)

Hierbei geht Anton von Werner näher auf die Frage ein, wie solch ein Panoramawerk aus künstlerischer Sicht zu beurteilen ist. Da ich dem nichts hinzufügen könnte, sei dieser Abschnitt in den klaren Worten von Werners vollständig zitiert, denn für ihn kam Kunst noch von Können:
Es ist zuweilen die Frage aufgeworfen worden, ob die Panoramamalerei überhaupt als künstlerische Aufgabe und Leistung gegenüber der Staffelei- und Monumentalmalerei anzusehen sei, obgleich sie an das geistige und technische Können der ausführenden Künstler und ihre Arbeitskraft die denkbar höchsten Anforderungen stellt. Vor allem an ihre Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit, weil hier der Schein der Wirklichkeit vorgetäuscht werden soll und schon eine Fliege, die auf der hellgemachten Luft kriecht oder ein für unser Auge sichtbarer Fleck, den täuschenden Schein der Wirklichkeit zerstört. Wenn ein Bild nach dem oft zitierten Satze nur un coin de nature vu à travers un temperament (~ ein Stück Natur durch die eigene Brille sehen) sein soll, so ist das Panorama allerdings etwas mehr, denn der Blick und die Darstellung des Malers umfaßt hier das gesamte Stück Natur, das ihn umgibt, mit Luft, Landschaft und Architektur, Mensch und Tier in Ruhe und Tätigkeit oder in höchster leidenschaftlicher Erregung, auf der einen Seite in grellem Sonnenlicht, auf der anderen Seite des Rundbildes, nach Süden, in Schatten getaucht, oder in anderer, nach allen Richtungen hin streng durchzuführender Beleuchtung und Stimmung. Sein Temperament als Künstler braucht er mehr denn je, um aus dieser Fülle von Material ein einheitliches künstlerisches Bild zu schaffen und mit dem bei Staffeleibildern erlaubten Unterordnen, Skizzieren oder Andeuten - wie z.B. der Hände und des Kostüms auf Porträts - ist hier nichts zu machen. Ich überzeugte mich sehr bald,daß z.B. skizzenhafte Andeutungen von Truppen, die ein bis zwei Kilometer vom Standpunkt des Beschauers entfernt waren, nicht genügten, weil sie als farbiger Fleck dem Auge nahe kamen und erst zurückwichen, als sie sorgsam ausgeführt wurden, so daß sie der Betrachtung durch das Opernglas standhielten und nicht als Fleck, sondern als Gegenstand erschienen, wie dies bei Betrachtung der Natur durch ein Fernglas ja auch der Fall ist. Auch breit hingestrichene Laubmassen im Vorder- und Mittelgrund erwiesen sich als unmöglich, weil sie nicht wie Natur, sondern eben "gemalt hingestrichen" erschienen und Eugen Bracht sah sich genötigt, an einem großen Nußbaum im Vordergrunde Blatt für Blatt zu malen und den Schieferdächern von Floing die größte Sorgfalt zu widmen. Da die Farbenskala unserer Palette von Weiß bis Schwarz für die Wiedergabe der vollen Wirkung des Sonnenlichts auf den blitzenden Waffen und besonders den Messinginstrumenten des im Vordergrunde dargestellten Musikkorps des 5. Jägerbataillons nicht ausreichte, so wurden die Lichter plastisch aufmodelliert und versilbert oder vergoldet...

Anton von Werner und Mitarbeiter - Panorama der Schlacht bei Sedan (Ausschnitt)

Treppenwitz der Geschichte

Hier wird deutlich, welch ungeheurer Anforderung an alle künstlerischen Belange solch ein Panoramabild stellt. So hält von Werner die beiden Panoramen seiner Kollegen Jean Baptiste Edouard Detaille und Alphonse de Neuville für die meisterhafteste Leistung ihres gesamten Kunstlebens. Das ist große Malerei für von Werner.

Historiengemälde voller künstlerischer Anforderung, Liebe zum Detail und vollendeter Umsetzung sind für ihn Gemälde wie Neuvilles Le Bourget,

Alphonse de Neuville - Le Bourget (Farbskizze) (1873)
Öl auf Leinwand (57,7 x 79 cm)

Detailles Salut aux blessés

Edouard Detaille -La Salue aux Blessés (1876)
Öl auf Leinwand (80 x 130 cm)

oder Ernest Meissoniers Napoleon 1807

Ernest Meissonier: Friedland 1807 (ca. 1861-1875)

und 1814.

Ernest Meissonier: Napoleon auf dem Rückzug 1814 (1864)

Auch deutsche Werke wie die Panoramen des Sturms auf St. Privat von Emil Hünten und Bruno Piglheins Jerusalem Rundbild sind Höhepunkt des Schaffens jener Meister, aber leider schon zu Lebzeiten der Künstler wieder in Vergessenheit geraten,


Bruno Piglhein - Jerusalem Panorama Ausschnitt (1886)
nachdem die Schaulust des Publikums befriedigt war und den Aktionären keine erheblichen Dividenden mehr in Aussicht standen. Ob irgendein Kunstgeschichtsbuch späterer Zeit noch etwas davon erwähnen wird als einer für das letzte Drittel des neunzehnten Jahrhunderts charakteristischen Erscheinung?
Ein Kunstgeschichtsbuch, in der die wahre Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts zu finden ist, ist noch nicht geschrieben, dafür aber Webseiten und Bücher, die sich ausführlich mit den Panoramen beschäftigen (siehe hier).

Edouard Detaille - Defense de Champigny (2. Dezember 1870) - Replik (1879)
Öl auf Leinwand (122 x 219 cm)

Warum im Gegensatz zu diesen großen Meisterwerken Manets dilettantische Arbeit für die Nationalgalerie angekauft wurde, ist Anton von Werner zurecht vollkommen schleierhaft:

Édouard Manet - Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko (1868)
Öl auf Leinwand (252 x 305 cm)
... Manets schwächliches Machwerk: Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko als die größte Leistung der Historienmalerei des vorherigen Jahrhunderts zu preisen ... ist mir ein Rätsel geblieben. Ganz abgesehen davon, daß in demselben auch nicht den allerbescheidensten Ansprüchen an die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit der Darstellung eines durch alle Zeitungen damals genau bekannten Vorganges wenigstens in seiner äußeren Erscheinung Rechnung getragen ist, auch in der Abschätzung seines Wertes in bezug auf Zeichnung, Farbe und Stimmung ist es mit den oben genannten Meisterwerken nicht in einem Atem zu nennen. Die ganz Situation ist unmöglich, von irgendeinem inneren Leben der Teilnehmer dieses tragischen Momentes - wie in Meissoniers, Neuvilles und Detailles Werken ist hier keine Spur zu entdecken und der arme Kaiser Maximilian und seine Todesgefährten, die hemdärmelig (!) dargestellten Generäle Miramón und Mejía sind schlecht ausgestopfte und kostümierte Vogelscheuchen.
Recht hat er!

Alphonse de Neuville - Defense de la porte de Longboyau (21. Oktober 1870) (1879)
Öl auf Leinwand (132 x 175 cm)


Sedan ist sichtbar

Ende August war es soweit. Mit Hilfe einer ganzen Truppe von jungen Akademikern, Otto Andres, Walter Busch, C. Reinke, R. Scholz, C. Wendling, Rudolf Hellgrewe, R. Friese, B. Freudmann und Söborg gelang es, das Sedan-Panorama fertigzustellen.

Die große Eröffnung am 1. September durch Kaiser Wilhelm I konnte beginnen. Und dieser war mehr als zufrieden mit seinem Akademiedirektor, dem er wiederholt beim Abschied die Hand schüttelte und mit reichlich Informationen zu den drei noch offen stehenden Dioramen versorgte.
Ich sehe erst hier, welchen weiten Weg wir damals gemacht haben. (Kaiser Wilhelm I zu Moltke bei der Panoramabesichtigung)
Anton von Werner und Mitarbeiter - Panorama der Schlacht bei Sedan (Ausschnitt)


Panorama Manie

Anton von Werner und Mitarbeiter - Panorama der Schlacht bei Sedan (Ausschnitt)

Die hohe Qualität der Arbeit hatte sich bis Amerika rumgesprochen und so wurde an Anton von Werner eine weitere Anfrage zu einem Panorama gerichtet. Diesen schönen Auftrag konnte er aus Zeitmangel nicht selber übernehmen, leitete ihn aber an seine eifrigen Mitarbeiter Bracht, Koch und Röchling weiter. Diese reisten mehrere Monate nach Amerika, um dann die Umsetzung der Schlacht bei Chattanooga als riesiges Panorama im heimischen Berlin zu malen.

Auch wurde Anton von Werner mehrfach um Rat gefragt. So erschien eines Tages der bekannte polnische Maler Henryk Siemiradzki, um vom Meister Tipps für die Umsetzung eines Panoramas zu erhalten. Später verirrten sich wohl die Maler Wojciech Kossak und Jan Styka in seinen Garten, welche die Erstellung des Panoramas von Raclawice planten:


Wojciech Kossak und Jan Styka - Panorama Schlacht von Raclawice - Auszug (1893-1894)
Öl auf Leinwand
... und eines Sonntags erschienen in Wannsee zwei polnische Maler, deren Namen mir entfallen sind, mit einer dicken Rolle Malleinwand, Farbenskizzen für ein Panorama irgendeiner Schlacht aus Kocziusko's Feldzug gegen die Russen, die in meinem Garten auf dem Rasen ausgebreitet und besprochen wurden.
Von Werner selber war mit den im Verhältnis dazu mickrigen 6 bis 10 Meter großen Dioramen noch bis ins Jahr 1885 beschäftigt.

Anton von Werner - Bismarcks Zusammentreffen mit Napoleon (2. September 1870, 6 Uhr) (1884)
Diorama - Rechter Bildabschnitt
Öl auf Leinwand (380 x 600 cm)

Erholung

Nach dem Panoramastress der letzten Monate reiste Anton von Werner mit seiner Frau zur Erholung in die Schweiz, Richtung Genfer See.

Anton von Werner - Luzern (1883)

Anton von Werner - Genfer See mit Dent du midi und Schloß Chillon (1883)
Aquarell

Zwischenstation wurde in München gemacht, wo er die Internationale Kunstausstellung besuchte. Dort machten vor allem die Spanier Francisco Pradilla y Ortiz, Casado und Francisco Domingo einen besonderen Eindruck auf ihn.

Francisco Pradilla y Ortiz - Cortejo del bautizo del Príncipe Don Juan, hijo de los Reyes Católicos, por las calles de Sevilla
(1910)


Tod

Anton von Werner - In Wannsee (1883)

Das auch im Leben eines künstlerischen Glückspilzes nicht immer alles nach Plan läuft, ist nicht überraschend. Aber im Oktober traf es ihn erstmals besonders hart, da seine 5 jährige Tochter im Sterben lag und bald darauf verschied.

Anton von Werner - Tochter (1880)
Jäh und plötzlich war das herbe Leid über uns gekommen, das ja so viele erdulden und tragen müssen, aber man denkt doch immer, der Schlag der uns selber getroffen, sei ein besonders schwerer und außergewöhnlicher; es sind mir noch mehrere, und noch jäher erteilt worden!
In Trauer stürzte sich von Werner in die Arbeit und malte gleichzeitig an den drei Dioramen,

Anton von Werner - Bismarcks Pferd (1884) Studie zum Diorama
Bleistift gewischt (26,4 x 34 cm)

der Krönung Friedrich des I für das Zeughaus

Anton von Werner - Modellstudie zum Krönungsbild Friedrich I (1884)
Bleistift und schwarze Kreide gewischt sowie Rötelhöhung (53,7 x 37 cm)

und einem kleineren Bild für das Wallraf-Richartz Museum in Köln, Moltke bei Sedan.

Kritiker

Viele Künstler, die um ihre Existenz kämpfen mussten, war ein persönlicher Besuch oder ein in Freundschaft geschriebener Bericht eines Kritiker ein notwendiger Marketingschub. Als Beispiel hierfür sei auf den Bericht zu Carl Wilhelm Hübner verwiesen.
Beim erfolgreichen Akademiedirektor sah dies natürlich ganz anders aus. Er konnte Zeit seines Lebens Arbeit und private Kontakte zu Kritikern trennen. Auch zu seinem Freund Ludwig Pietsch.


Anton von Werner - Ludwig Pietsch (1905)
... bin ich grundsätzlicher Gegner aller Reklame, welche für meine Arbeiten oder meine Person gemacht werden könnte...
Wer von Werner kennt, mag es ihm glauben.


Das Jahr 1884

Haarige Orden

Bei der Erstellung der drei Dioramen war Wahrheitstreue ein hohes Gebot, da noch alle wichtigen Zeitzeugen lebten.

Anton von Werner - Sedan am 2. September 1870 (1872)

So sammelte von Werner von den verschiedenen Beteiligten Militärs die gewünschten, manchmal widersprüchlichen Informationen ein und formte sie zu einem umsetzbaren Ganzen.

Im Rahmen dieser Beschreibung erfährt man wieder einige interessante Anekdoten, so etwa vom leicht schrulligen Generalfeldmarschall Moltke. Eitel war er, aber nie ein Formfanatiker:
Auf einem Manöver, ..., an einem besonders heißen Tage, nimmt Moltke den Helm ab, die Perücke bleibt darin hängen und fällt zur Erde. Moltke mit ganz kahlem Schädel, den Helm in der Hand auf seinem Gaule, wird sich seiner tragikomischen Situation bewußt, seine Umgebung kann sich diskreter Heiterkeit nicht erwehren.... und der Großherzog von Mecklenburg nimmt .... gleichfalls seinen Helm ab und sagt, auf seine Glatze zeigend: "Damit kann ich auch dienen."
oder
Auf einem Hoffeste erscheint ein fremder Souverän mit den Organgeband des schwarzen Adlerordens, welches er, dem Reglement entsprechend, korrekt von der linken Schulter nach rechts trägt. Moltke trägt das seinige aber von rechts nach links. Der Kaiser wirft ihm einige schiefe erstaunte Blicke zu. Der Kriegsminister Graf Roon sagt ihm endlich: "Exellenz, Sie tragen Ihr Ordensband vom schwarzen Adler ja falsch." "Ach was," entgegnet eigensinnig Moltke, "wird schon richtig sein, die anderen haben's falsch".
Täuschung

Die Dioramen wurden, als sie in diesem und dem nächsten Jahr fertiggestellt waren, im Mittelgeschoss des Panoramagebäudes installiert und in einem ansonsten verdunkelten Raum geschickt beleuchtet, um so die Illusion noch weiter zu verstärken.

Anton von Werner - General Reille überbringt König Wilhelm Napoleons Brief
(1. September 1870, 19 Uhr)

Diorama - Rechter Bildabschnitt
Öl auf Leinwand (440 x 930 cm)
Dadurch und durch den natürlichen plastischen Vordergrund von Gras, Erde, Steinen, Waffen und dergleichen, der in unbemerkbarer Weise in den gemalten überging, wurde die Vortäuschung greifbarer Wirklichkeit ebenso wie die Wirkung vollen Tageslichtes - des vielberufenen plein-air - in einer Weise erzielt, wie es für Bilder in Ausstellungen und anderer Umgebung unerreichbar ist.
Wie täuschend echt das Gemalte dann wirkte, zeigt sich an einer Begebenheit, an der auch der berühmte Lawrence Alma-Tadema beteiligt war.

Anton von Werner - Die Kapitulationsverhandlungen in Donchery (1 und 2. September 1870, Mitternacht) (1885)
Farbskizze - Linker Bildabschnitt
Öl auf Leinwand (63 x 95 cm)
Als gelegentlich der internationalen Kunstausstellung 1891 eine internationale Preisjury hier versammelt war, besuchten ihre Mitglieder, unter ihnen Alma Tadema,..., das Sedanpanorama und ließen sich erst dadurch, daß sie in den Bildraum hineinstiegen und die Leinwand betasteten, davon überzeugen, daß die Lampe einfach gemalt und ihre Wirkung nicht etwa durch künstliche Mittel, Transparentlicht oder dergleichen erzielt war.
Wenn ich nicht irre, so sind die modernen Kunstkritiker einig darüber, daß es höchst verwerflich sei, die Wahrheit in der Wiedergabe der Natur so weit zu treiben, wie in diesem Falle, obgleich es nicht ganz leicht zu sein scheint.
Kneipenkaiser

Welch hohes Ansehen Kaiser Wilhelm I auch in der einfachen Bevölkerung besaß, zeigt eine Beschreibung Anton von Werners im Rahmen der Besichtigung des ersten fertiggestellten Dioramas General Reille überbringt den Brief Kaiser Napoleons.

Anton von Werner - General Reille überbringt König Wilhelm Napoleons Brief
(1. September 1870, 19 Uhr)
Diorama - Linker Bildabschnitt
Öl auf Leinwand (440 x 930 cm)

Der Kaiser war wie immer begeistert von des Meisters Umsetzung und als er erfuhr, das Anton von Werners Assistenten Röchling und Koch für das Restaurant des Panoramagebäudes weitere kleinere, beachtenswerte Gemälde erstellt hätten, durfte der Kaiser sich diese nicht entgehen lassen. Und so kam es zum vielleicht ersten Kneipenbesuch des Monarchen und einem spontanen Bierchen zwischendurch:


Georg Koch - Ulanen in der Hammelherde
Ich bemerkte darauf, daß Seine Majestät sich dazu über die Straße bis zum nächsten Eingang bemühen müsse, worauf der Kaiser erwiderte: "Warum nicht?" und unter meiner Führung geradezu auf das dicht gedrängt stehende Publikum losging, das in einiger Verblüffung eiligst Platz machte. Als die Leute die Absicht des Kaisers merkten, in das Restaurant gehen zu wollen, brachen sie in laute Hoch und Jubelrufe aus. Alle Tische in demselben waren mit Gästen dicht besetzt, die sich alle von ihren Plätzen erhoben und den Raum freigaben, so daß ich mit dem Kaiser bis zu den Wänden vordringen konnte und die lustigen Bilder - von Röchling Die Morgentoilette, Abkochen und die Schützenkette mit dem durchbrechenden Hafen im Manöver und von Georg Koch Die Ulanen in der Hammelherde, Rekruten-Reitstunde und Reservisten auf der Heimfahrt - zeigen und erläutern konnte. Der Kaiser war davon sichtlich amüsiert, wahrscheinlich war es auch das erstemal, daß er sich plötzlich so ganz unvermutet in einem Berliner Bierlokal befand, kurz, er war in heiterer Laune, die noch gesteigert wurde, als die beiden am Büffet waltenden hübschen Kellnerinnen in Elsässer Tracht, die der Wirt rechtzeitig an die Ausgangstür dirigiert hatte, ihm knixend zwei Gläser Bier präsentierten. Der Kaiser nahm auch eines an und trank, während er einige scherzhafte Worte an die Mädchen richtete, unter allgemeinen Jubel daraus, reichte mir dann, ehe er in seine schlichte offene Kalesche stieg, die Hand, fragte, was ich zur Zeit male und fuhr, vom Major von Pleffen begleitet, unter stürmischen Hurras der Volksmenge ab.
Anton von Werner - Kaiser Wilhlem I am 16.Februar 1880 (1880)

Ein Kanzler Schröder trank ja auch schon mal gerne ein Glas Bier in der Menge (Ho mir ma ne Flasche Bier) , ob er sich dabei aber solchen Jubels erfreuen durfte, wissen nur die Beteiligten ...

Bismarck sei Dank

Auch Bismarck war von der Umsetzung des Panoramas und der zugehörigen Dioramen mehr als angetan.

Anton von Werner - Bismarcks Zusammentreffen mit Napoleon (2. September 1870, 6 Uhr) (1884)
Diorama - Linker Bildabschnitt
Öl auf Leinwand (380 x 600 cm)
Ich habe all diese Tage unter dem Eindruck der Panoramabilder gestanden, ich komme ja leider so wenig oder gar nicht dazu, Kunst zu sehen und jetzt haben mich gerade Ihre Bilder durch ihre täuschende Naturwahrheit so gepackt, daß ich immer an sie denken muß.
Damit wäre er wohl Jahre später von der Kunstkennerschaft als naiver kleiner Depp belächelt worden. Das sah in seiner ironischen Art auch von Werner, der einen zentralen, aber unsinnigen Punkt aufgriff, dass nur der Inhalt über Kunst oder Nichtkunst entscheidet, nicht das Können und die Meisterschaft der Umsetzung.
Er sah Kunstwerke gewiß mit ganz anderen Augen an, wie die zukünfigen Kunstgelehrten, die, wenigstens bei uns, die Darstellung von historischen Vorgängen lediglich ihrer patriotischen Bedeutung wegen für ebenso unkünstlerisch halten, wie die Aufnahme solcher Bilder in öffentliche Sammlungen für unstatthaft oder kulturwidrig.
...
Der Fürst war kein Kunstkenner und ich fürchte, er würde den Schöpfungen eines Marées ebenso verständnislos gegenüberstanden haben, wie den Wunderwerken eines Van Gogh oder eines Gauguin und anderen Ganzgroßen. Mir aber haben seine schlichten Worte ... einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen.
Mir auch, denn er hat vollkommen Recht.

Künstlerfeste

Große Künstlerfeste waren in diesen Jahren an der Tagesordnung. Im Jahr 1884 konnten die Berliner große Feiern organisieren, die in Pracht und Einfallsreichtum laut von Werner fast mit denen der Wiener, Düsseldorfer und Münchener Kollegen mit hielten.

Die Feste waren begleitet von großen Umzügen und in den Sälen steppte der Bär. Lebende Bilder wurden gezeigt, große Reden geschwungen, musiziert, Kostüme gezeigt, und der ganze Saal war mit wunderbaren Bilder und Stoffen behangen.

In diesem Jahr nahm auch ein später sehr berühmter Musiker teil, der aufgrund seiner damaligen noch zarten Erscheinung für die weibliche Figur des Friedens herhalten musste. Die Rede ist von dem jungen Richard Strauss, dem dies offensichtlich nicht geschadet hat.

Solche Künstler-Feste wurde im Laufe der Jahre als dekadent verpönt, aber die genialen Inszenierungen und Dekorationen sind unerreicht.

Dienst und Privat

Als Direktor der Kunstakademie war von Werner Pflichtgast bei den großen Einweihungen in diesem Jahr. Die Grundsteinlegung zum Reichstagsgebäude


Anton von Werner - Kaiser Wilhelm I legt den Grundstein zum Reichstagsgebäude (1895)
Farbenskizze

und die Eröffnung der Technischen Hochschule Berlin konnte ohne den Segen der Künstlerschaft nicht stattfinden.

Zur Ablenkung von seinem stressigen Dienst- und Künstlerleben führt es die Familie von Werner in diesem Jahr wieder ins geliebte Heringsdorf,


Anton von Werner - Kinderstudie aus Heringsdorf (1884)

dann nach Radolfzell zum seinem Freund Scheffel und in den Engadin in die Schweiz.


Anton von Werner - Films in Graubünden (1884)

Wie immer sind beachtenswerte Bilder von diesen Reisen überliefert, die den privaten Blick des Meisters zeigen.


Anton von Werner - Auf der Scharitzkehlalm (1884)

Anton von Werner - Churwalden (1884)

Das Jahr klang mit einem Besuch bei der Hochzeit seines Meisterschülers Carl Röchling in Heilbronn

Carl Röchling - Tod des Majors von Hadeln (Gravelotte, 18. August 1870) (1898)
Öl auf Leinwand (115x 181 cm)

und der Vollendung des kleinen Gemäldes Moltke bei Sedan aus.


Anton von Werner - Moltke bei Sedan (1. September 1870, Mittag) - (1884)
Öl auf Leinwand (135 x 219 cm)


Das Jahr 1885

Planänderung

1885 begann mit den Vorarbeiten an dem nicht ganz geliebten Bilde Die Krönung Friedrichs I für das Zeughaus.

Anton von Werner - Die Krönung Friedrich I zum König in Preußen in der Schlosskapelle zu Königsberg (1885)
Farbskizze (Rechter Bildabschnitt)
Öl auf Leinwand (83 x 105 cm)

Die Vollendung wurde durch einen speziellen Auftragswunsch unterbrochen, den er nicht ablehnen konnte.

Es stand der 70. Geburtstag Fürst Bismarcks an und zu diesem wollte Kaiser Wilhelm I und die Mannen des Königshauses dem Reichskanzler eine kleine Darstellung (in der Zählung also die 3. Version) der Kaiserproklamation in Versailles schenken.

Dies ließ sich bei Aufwendung aller Kräfte auch bis zum 1. April realisieren, da er den ca. 2 Meter großen, nichtfarbigen Karton, welchen er für die Umsetzung der Zeughausversion erstellt hatte, als Basis nutzen konnte.

Der Perfektionismus Anton von Werner zeigte sich wieder mal beim Besuch des badischen Großherzogs Friedrich I kurz vor Übergabe des Gemäldes an Bismarck.

Von Werner, Vollblut-Künstler durch und durch,
ließ diese günstige Gelegenheit nicht unbenutzt, um rasch noch einige Striche als Porträtstudie für das Bild, das am nächsten Tage abgeliefert werden mußte, zu machen.
Der Geburtstag des Kanzler wurde in Berlin groß gefeiert. An einem Umzug nahmen 10000 Menschen mit 8000 Fackelträgern teil. Bei der Übergabe des Bildes war von Werner nicht anwesend, aber er erntete später, wie nicht anders zu erwarten, das größte Lob des Kanzler, samt
freundliche Worte über Vorzüge hinzufügend, die er an dem Bilde im Vergleich mit dem Wandbilde im Zeughaus gefunden zu haben glaubte.
Urlaub in Eisen

Seinen Urlaub verbrachte der Künstler dieses Jahr im Schwarzwald, dessen Umgebung er für Skizzen zum Ekkehard nutzte, jenem Werk, welches nie seine Vollendung erfuhr.


Anton von Werner - Der Herzogin Hadwig Besuch im Kloster St. Gallen

Anton von Werner - Der Kämmerer Spazzo und die Aeneide auf dem Hohenwiel


Anton von Werner - Ekkehard im Kloster Reichenau

Da es von dort nicht allzu weit nach Lothringen war, nutzte er die Gelegenheit, die Eisenwerke in Ars an der Mosel zu besichtigen, um das Geschehen von Adolph Menzels berühmten Gemälde Eisenwalzwerk einmal auch real betrachten zu können.

Adolf Menzel: Eisenwalzwerk (1875)


Bruderstreit

Nicht nur Bismarck wurde in diesem Jahre siebzig, sondern auch die Künstlerwelt hatte 1885 zwei gleichaltrige Jubilare zu bieten. Die beiden von Anton von Werner hochgeschätzten Andreas Achenbach und Adolph Menzel, welche das deutsche Kunstleben im 19. Jahrhundert geprägt haben wie wenig andere.

Zur großen Achenbachfeier in Düsseldorf reiste von Werner mit seinem Kollegen Carl Becker an. Dort wurde der Geburtstag des Malers im großen Stil begangen. Es gab Feiern im Malkasten, ein offizieller Festakt in der Kunsthalle, ein Fackelzug der Kunstakademiker durch die ganze geflaggte Stadt, eine Ausstellung seiner Bilder und so weiter und so fort.

Andreas Achenbach - Westfälische Mühle (1869)
Öl auf Leinwand (71 x 101,7 cm)

Im Rahmen dieser Erzählung erfährt man, dass Achenbach dem ganzen Trubel gelassen gegenüberstand:
Der Meister, der sich beneidenswerter Frische und Munterkeit erfreute, äußerte zu mir: "Es ist doch hübsch, wenn man gefeiert wird und alles so aus dem Herzen kommt, wie heute hier.Mancher andere wünscht es sich wohl so; bei mir ist das Beste dabei, daß es mir ganz egal gewesen wäre, auch wenn sie's gar nicht gemacht hätten."
Nicht ganz so gelassen war er jedoch, wenn man ihn auf seinen Bruder Oswald ansprach. Es muß zu dieser Zeit ein ungeklärter Zwist zwischen den beiden bestanden haben, denn
Bei dem Festmahl in der Tonhalle war auch sein Bruder Oswald zugegen, und ich versuchte auf Anregung von Professor Hünten Andreas Achenbach durch den Oberbürgermeister Becker, meinen Tischnachbarn, zu einem Trinkspruch auf seinen berühmten Bruder zu bewegen, - leider vergebens. Der Gefeierte lehnte schroff ab, seine Abneigung gegen seinen Bruder sei zu bekannt, ... "vielleicht, wenn mal mein Bruder siebzig Jahre alt wird," meinte er, - es war ein Mißton in der schönen Feier, der glücklicherweise unbemerkt blieb.
Größter deutscher Maler

Neben diesen Feierlichkeiten war Anton von Werner wegen eines dienstlichen Termins nach Düsseldorf gekommen. Eine Peter Wilhelm Stiftung hatte ihn, Andreas Achenbach und Professor Hermann Baisch aus Karlsruhe darum gebeten, zur Vergabe eines Preises von 9000 Mark und einer Ehrenmedaille den größten deutschen Maler zu ernennen. Einstimmig und ohne Diskussion fiel die Wahl auf Adolph Menzel.


Adolph Menzel - Friedrich und die Seinen bei Hochkirch (1856)

Kurzbesichtigung

Die kurze Zeit, die Anton von Werner in Düsseldorf verblieb, reichte für einen Besuch in Eduard Schultes Kunstsalon, bei dem er zwei Bilder besonders in Erinnerung behielt:
wo Rochegrosse's graußiges Jacquerie und Hugo Vogel's Refugies vor dem großen Kurfürsten ausgestellt waren; an letzterem erfreuten wir uns besonders.
Hugo Vogel - Der große Kurfürst begrüßt die Hugenotten (1885)
Lithografie

Eine besonders Erlebnisse war die kurze Bekanntschaft mit Benjamin Vautier:
Ich hatte den feinfühligen Künstler in seinen Werken schon seit meiner Studienzeit hoch verehrt und war nun von seinem schlichten bescheidenen Wesen ganz bezaubert und hatte ihn lieb gewonnen.
Benjamin Vautier - Paysans au musée ou A l'exposition (1867)

Kriegsgefangenschaft

Nach seiner Rückkehr aus Düsseldorf begann Anton von Werner mit dem Gemälde Kriegsgefangen, welches er schon Jahre vorher mittels einer kleinen Aquarellskizze und verschiedener Studien vorbereitet hatte. Sein Ausflug nach Ars und Metz frischte die Eindrücke dieser Gegend wieder auf und legte die Ausführung dieser Geschichte nahe.

Anton von Werner - Kriegsgefangen (Oktober 1870) - (1886)
Öl auf Leinwand (106 x 157 cm)

Da er die Beschreibung seines Bildes als Kritik am aufkommenden Kunstgeschmack verpackte, sei die Handlung hier in seinen Worten wiedergegeben:
Der Inhalt, ein tatsächlicher Vorgang, was heute natürlich als "Novelle" oder "Anekdote" verpönt ist: ein jung verheirateter Gärtner aus Jouy-aux-Arches als französischer Reservist eingezogen und vor Metz bei irgendeiner Gelegenheit gefangen genommen, wird durch den Heimatort transportiert, seine junge Frau ist benachrichtigt, eilt mit dem kleinen Kinde auf dem Arm zu ihm, und der pommersche Musketier nimmt ihr das Kind ab, damit sie den nun glücklichen Vater umarmen kann. Auch Stimmungsmalerei, nur daß die Menschen hier nicht nur lediglich als Farbenfleck in der Natur figurieren.
Anton von Werner - Kriegsgefangen (Oktober 1870) - (1886) - Rechter Bildabschnitt
Öl auf Leinwand (106 x 157 cm)

Widerstand Menzel

Die Stimmung in den 80er Jahren kippt nicht nur gegen Künstler wie Anton von Werner. Auch der in unserer Zeit wieder hochgeschätzte Adolph von Menzel musste manches unrühmliche Ereignis verkraften.

Foto - Anton von Werner und Adolph Menzel (1900)

Sein 70-jähriges Jubiläum sollte Akademiedirektor von Werner organisierem. Eigentlich eine Freude für diesen, da er Menzel sehr hoch schätze:
Der unermüdlich schaffende Meister hatte uns im Jahr zuvor mit einer seiner genialen Schöpfungen, der Piazza d'Erbe in Verona, überrascht und mit dem Bilde zugleich die zahlreichen Bleitstiftstudien dafür ausgestellt, die fast noch mehr als die Darstellung des sinnverwirrenden Volksgewühls im Bilde mit seiner Überfülle von Einzelmotiven zur Bewunderung hinrissen. Die Piazza d'Erbe war übrigens das letzte größere Ölbild des Meisters, dem 1888 nur noch ein kleineres folgte, eine jener Szenen auf dem Hofball darstellend, von denen Menzel neben seinem berühmten großen Ballsouper in den achtziger Jahren mehrere gemalt hat. Von da an bevorzugte er die Malerei in Gouache und trieb durch seine fast täglich in Bleistift ausgeführten Naturstudien die Zeichentechnik - von seiner tiefen Auffassung in der Wiedergabe der Natur ganz abgesehen - zu einer Vollendung und Höhe, die nicht zu übertreffen ist.

Adolph Menzel - Im Biergarten (1883)
Gouache auf Papier (13,5 x 17,9 cm)

So sollte unter anderem eine Stiftung in Menzels Namen ins Leben gerufen werden, zu der Anton von Werner den Spendenhut weit rumreichen konnte und die beachtliche Summe von 13000 Mark sammelte. Als dann der Senat der Akademie an der Reihe war, forderte Professor Geselschap die Senatoren auf, bloß keinen Betrag zu spenden. Dies gelang, denn die Liste der Stifter enthält,
abgesehen von den an der Hochschule als Lehrer tätigen Mitgliedern des Senats nur die beiden Namen Menzel und Knaus.
Der Vorschlag von Anton von Werner, Menzel zum Ehrenbürger der Stadt Berlin zu ernennen, wurde von Oberbürgermeister von Forckenbeck und Bürgermeister Duncker mit der Begründung abgeschmettert,
bei den Herren Stadtverordneten kein geneigtes Ohr zu finden
Menzels Heimatstadt Breslau hatte offensichtlich weniger Probleme mit solchen Dingen und dort wurde ihm die Anerkennung seiner langjährigen Arbeit voller Stolz verliehen.

Die Anhängerschaft in weiten Kreisen bestand natürlich für Menzel weiterhin und so wurde ein rundum gelungener Geburtstag gefeiert. Ihm wurde die Doktorwürde der philosophischen Fakultät verliehen, die Dankesschreiben stapelten sich, das obligatorische Fest des Künstlervereins war ein Ereignis und der Höhepunkt war die Feier der Kunstakademie. Diese bereitete dem Meister eine besondere Freude mit den lebenden Bildern seiner mit ihm verbundenen Zeit, die Friedrich des Großen.

Oder, wie Ludwig Pietsch schrieb:
ein Künstlerfest, das unter den schönsten, glanz- und charaktervollsten, bestgelungensten der letzten vierzig Jahre in erster Reihe steht.
Soweit die Ereignisse der ersten Hälfte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts aus Sicht Anton von Werners.