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Samstag, 18. Februar 2017

Landesgalerie Hannover Teil 2

19. und Anfang 20. Jahrhundert

Landesgalerie Hannover
Vor kurzem las ich ein Buch über die Malerdynastie der Kaulbachs. Da Friedrich als Hofmaler und Professor der wohl bedeutendste Hannoversche Maler des 19. Jahrhunderts war, hoffte ich natürlich, einiges von ihm in der Landesgalerie zu sehen, wurde aber enttäuscht. Er ist, wenn ich mich nicht täusche, mit keinem Werk vertreten. Nur von seinem Sohn Friedrich August konnte ich eine Porträtstudie des kleinen Bruders entdecken.

Landesgalerie Hannover

Der Stolz der Landesgalerie ist eindeutig die weit gefächerte Sammlung deutscher Impressionisten und frühen Expressionisten, die ihresgleichen sucht. Meine kritische Haltung diesen Richtungen gegenüber habe ich schon oft erwähnt, deshalb wundert es nicht, dass in meinen Augen die meisten Exponate keines zweiten Blickes wert waren, da ohne die entsprechende Signatur kein Hahn danach krähen würde. Die Stärke dieses Teils der Sammlung liegt in den Bildern des Übergangs, bei denen die akademischen Wurzeln noch nicht verleugnet werden und man die fehlende Vollendung nicht wirklich vermisst. Bei diesen Werken hat man keine langweiligen Schnellschüsse vor sich, sondern kann noch gut die in das Werk eingeflossenen Gedankenarbeit und Mühe in der Umsetzung erkennen.

Auf der Webseite wird mit wichtigen Werken der französischen Impressionisten geworben. Das ist ein reiner Marketing-Kniff und hat nichts mit der Realität zu tun. Ich habe schon einige Werke der bekannten Franzosen gesehen, aber in der Sammlung der Landesgalerie ist mit Sicherheit kein Bedeutendes ausgestellt, sondern Füllwerk. In einer anderen Hinsicht hätte man jedoch ruhig dicker auftragen können, da eine sehr schöne Kollektion dänischer Künstler präsentiert wird.

Doch der Reihe nach, es gibt genug Schönes für jeden Geschmack in Hannover zu sehen. Beginnen wir bei den Meistern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und schreiten dann fort.

Caspar David Friedrich (1774 - 1840)

Friedrich ist neben Dürer der bekannteste deutsche Maler aller Zeiten. Er war nicht der größte Techniker, aber seine Werke haben eine faszinierende Ausstrahlung. Gefühle wie Sehnsucht, Einsamkeit, Weite, Unbedeutendheit oder Ruhe kann kaum ein Zweiter so gut visualisieren wie er. Die einzig vollständige erhaltene Serie eines Tageszeitenzyklus des Greifswalder Künstlers ist in der Landesgalerie ausgestellt. Die Bilder sind klein, deshalb braucht man gute Augen, um Details im Original zu erkennen. Dank der großen Abbildungen hat man diese Probleme im Internet zum Glück nicht.

Caspar David Friedrich - Der Morgen (um 1821)

Caspar David Friedrich - Der Mittag (um 1821) 
Caspar David Friedrich - Der Nachmittag (um 1821) 
Caspar David Friedrich - Der Abend (um 1821) 


Eine ausführliche Beschreibung des Zyklus kann man bei Wikipedia finden, ein paar Detailbilder hier.

Caspar David Friedrich - Der Tageszeitenzyklus (um 1821) - Details

Carl Eduard Ferdinand Blechen (1798 - 1840)

Ein weiterer Liebling der Kritiker ist neben Friedrich der Berliner Maler Carl Blechen. Ein Kompositionsschema, welches er immer wieder gerne verwendete, waren Landschaftsdarstellungen, bei denen die Vegetation oder Schluchten fast das gesamte Bild in Beschlag nehmen. Einzig ein kleines Stück Himmel, meist in Dreiecksform, lässt den Rest der Welt noch erahnen. Beispiele für diese Darstellung findet man zum Beispiel hier oder hier und natürlich auch in Hannover.

Carl Blechen - Waldschlucht mit Rotwild (vor 1828)
Es war real schlecht zu erkennen, was in dem dunkleren Teil wirklich abgebildet ist (Quelle, Rotwild, umgestürzte Bäume, Symbole von Hoffnung und Gefahr), aber das Hauptaugenmerk zieht sowieso die sandige, goldgelbe Steilwand vorne links auf sich. Die folgende Nahaufnahme zeigt, wie er diesen Effekt erreicht hat.

Carl Blechen - Waldschlucht mit Rotwild (vor 1828) - Detail

Diesen Aufbau mit dem kleinen Stück Himmel verwendete er auch in einem anderen Bild der Landesgalerie, dessen Motiv er mehrfach wiederholt hat. Die Badenden Mädchen im Park von Terni.

Carl Blechen - Badende Mädchen im Park von Trevi - Wikipedia

Carl Hasenpflug (1802 - 1858)

Es herrscht Ruhe. Das Kloster ist zerfallen. Die Natur hat ihre Arme ausgebreitet und ihr weißes Kleid über das Bauwerk gelegt. Von den Menschen ist nur noch eine ferne Erinnerung geblieben.
Wenn man in einem Museum ein Gemälde mit solch einer schneebedeckten Ruine sieht, kann man fast sicher sein, hier ein Bild der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aus dem Umkreis von Carl Friedrich Lessing vor sich zu haben. Der Großmeister selber hat es öfter gemalt. Aber noch mehr verbindet man dieses Thema mit seinem von ihm beeinflussten Freund Carl Hasenpflug, zu dessen Steckenpferd es ab Mitte der 30er Jahre wurde.

Carl Hasenpflug - Kloster Walkenried (1850)

Carl Hasenpflug - Kloster Walkenried (1850) - Detail


Wilhelm Brücke (1800 - 1874)

Berlin. Neue Wache. 40er Jahre. Klar, das ist Eduard Gaertner, der Großmeister der deutschen Architekturmalerei der Biedermeierzeit. Wie, doch nicht? Kann das sein? Ja, denn der Maler Wilhelm Brücke suchte sein Glück in der gleichen Nische wie sein berühmterer Kollege. Das dynamische, aufblühende, sich in eine Weltstadt verwandelnde Berlin zu dokumentieren. Die Stadt befindet sich in dieser Zeit im Übergang zur bedeutenden Metropole. Das alte Berlin verschwindet und Gebäude, wie die Neue Wache, sprießen aus der Erde.

Wilhelm Brücke - Neue Brücke (1842)

Noch ist es überschaubar, man kennt sich. Dieses Beschauliche wird jedoch in den nächsten Jahren, auf dem Weg zur Millionenstadt, der Anonymität Platz machen. Dank der Malerei können wir aber noch einen halbwegs authentischen Blick zurück in die gute alte Zeit werfen.

Wilhelm Brücke - Neue Brücke (1842) - Detail


Wilhelm Ahlborn (1796 - 1857)

Kleinigkeiten können manchmal ein ganzes Leben verändern. Der aus Hannover stammende Maler Ahlborn wohnte schon sieben Jahre in Berlin, ehe ein Ereignis sein Leben völlig umkrempelte. Er gewann im Jahre 1826 mit dem Gemälde Blick auf das Neue Palais in Potsdam den Akademiepreis, verkaufte sein Werk an König Friedrich Wilhelm III und erfüllte mit diesem finanziellen Polster seinen Wunsch, den damals fast alle deutschen Künstler teilten. Eine Reise ins gelobte Land der Kunst, Italien. Doch es wurde mehr als eine Studienfahrt, denn er blieb bis zu seinem Lebensende dort.

Wilhelm Ahlborn - Blick auf das Neue Palais in Potsdam (1826)
Das Sieger-Gemälde mit dem Blick auf das Neue Palais zeugt von seinen großen Fähigkeiten als Landschaftsmaler mit Liebe fürs Detail. Die gelungene Perspektive und die feinen Farbübergänge im Himmel sind sehr gut gelungen. Die Darstellung erinnert an eine italienische Villa mit Belvedere und nicht an das Potsdamer Land. Das hat seinen Grund, denn es ist keine trocken naturalistische Wiedergabe, sondern, wie es für Zeit der ersten Jahrhunderthälfte noch üblich war, ein komponiertes Bild.
Die schon in diesem Werk sichtbare Fähigkeit Ahlborns, das Licht zu handhaben, verfeinerte er weiter in Italien und hielt wunderbar die Atmosphäre eines schönen Morgen in Syrakus in dem anderen hier abgebildeten Gemälde fest.

Wilhelm Ahlborn - Syrakus bei Morgenbeleuchtung (1836)

Hier zeigt sich aber auch seine große Schwäche, die er mit vielen Landschafts- und Architekturmalern teilt, siehe zum Beispiel den vorherigen Maler Wilhelm Brücke. Die Staffage-Figuren bereiten oft Probleme und sind wenig überzeugend und manchmal etwas leblos gemalt.

Wilhelm Ahlborn - Syrakus bei Morgenbeleuchtung (1836) - Detail


Carlo Grubacs (1801 - 1870)

Die beiden gerade vorgestellten Gemälde Ahlborns ziehen schon aufgrund ihrer größeren Ausmaße die Blicke auf sich. Das Gemälde des Markusplatz, von dem mir bisher unbekannten Vedutenmaler Carlo Grubacs, fällt im Gegensatz dazu wegen seines kleinen Formats auf. Normalerweise gehen solche Bilder unter, es sei denn, die Kuratoren betonen diese durch geschicktes Aufhängen, wie im Falle des Tageszeitenzyklus von Caspar David Friedrich. Das Miniaturbild Grubacs lockt die Betrachter durch sein helles Kolorit und dem Staunen, wie er so viel auf dem winzigen Format hat unterbringen können.

Carlo Grubacs - San Marco in Venedig (um 1840-50)

Friedrich Nerly (1807 - 1878)

Der Mondschein ist ein beliebtes Motiv der Romantiker. Der grelle Alltag wird ausgeblendet, die Hektik lässt nach und die Gedanken kommen zur Ruhe. Was mag wohl der an der Markus-Säule in Venedig Ruhende gerade träumen? 

Friedrich Nerly - Die Markussäule in Venedig beim Mondschein (1837 - 38)

Wir wissen es nicht. Gewiss ist nur, dass diese Darstellung von Friedrich Nerly sehr beliebt war. Er hat laut Informationstafel wahrscheinlich sieben Versionen davon gemalt. 
Eine von diesen ist 2007 bei Christie's versteigert worden. Aber überraschenderweise nicht als Werk Nerlys, sondern es soll aus dem Umkreis des eben vorgestellten Carlo Grubacs stammen. Das ist natürlich falsch. Es wird von Nerly sein. Der Einstiegspreis war relativ niedrig, weil der Maler unbekannt war. Erzielt wurde dann aber fast das 10fache des Schätzpreises. Ob der Käufer den Maler, im Gegensatz zu Christie's, schon kannte? Oder wollte er einfach ein schönes Bild sein eigen nennen, welches auch unabhängig vom Namen des Künstlers seinen Wert hat. Dies ist bei moderner Malerei meist nicht der Fall, aber das ist ein anderes Thema.

Wie ähnlich sich die Varianten sind, zeigt die gif-Datei mit dem überlagerten Hannover- und Auktionsbild.

Friedrich Nerly - Die Markussäule in Venedig beim Mondschein - Animation

Christian Friedrich Gille (1805 - 1899)

Ein weiteres schönes Landschaftsbild ist der Blick auf die Brühlsche Terrasse in Dresden des Christian Friedrich Gille. Der teilweise durch die Wolken verdeckte Mondschein, welcher Teile der Wasseroberfläche hell erleuchtet, ist ein gern wiederholtes Thema seines Lehrmeisters Johan Christian Claussen Dahl und mir. Wenn ich im Urlaub solch eine Szene erspähe, in der bei bedecktem Himmel sich nur einzelne Sonnenstrahlen den Weg bis zum Meer bahnen, dann ist mein Finger sofort am Auslöser der Kamera.

Christian Friedrich Gille - Die Brühlsche Terrasse in Dresden (1862)

In das Zentrum der Darstellung setzte Gille die mächtig qualmenden Schaufelraddampfer, welche noch heute ihre Bahnen durch die Elbe ziehen. Zur damaligen Zeit waren sie ein Symbol für den technischen Fortschritt, heute sind die neun historischen Dampfer Touristenattraktionen, die uns für ein paar Stunden zurück ins vorletzte Jahrhundert versetzen.

Waldmüller ist der bedeutendste österreichische Maler der Biedermeierzeit. Im Laufe der Jahre habe ich schon einige Werke von ihm gesehen, aber ein schlechtes war nie dabei. Dafür war er handwerklich zu begabt und sein Gefühl für Farbe und Licht ist bis ins hohe Alter ungebrochen. Im Landesmuseum sind zwei Gemälde ausgestellt, welche typisch für ihn sind. Eine Genreszene und ein Porträt.

Die Genreszene zeigt eine gläubige, kinderreiche Familie beim Abendgebet.

Ferdinand Georg Waldmüller - Abendgebet
Dank und Fürbitten senden sie an den mit Madonna und Sohn verzierten Hausaltar, in der Hoffnung, dass der Herr ihnen auch am nächsten Tage helfend zur Seite steht.

Ferdinand Georg Waldmüller - Abendgebet - Detail

Der Raum wird durch die geschickt verdeckte Kerze erleuchtet, so dass es scheint, also ob die Gläubigen vom göttlichen Glanz erstrahlt werden.

Ferdinand Georg Waldmüller - Abendgebet - Detail

Waldmüllers hat alle Arten von Porträts gemalt, die meisten jedoch in Dreiviertelansicht oder Ganzporträt, so wie in dem schönen Bild des Barons Moser, der lässig und entspannt auf einer Steinbank sitzt. Im Hintergrund ist sein Land zu sehen, ihm geht es gut.

Ferdinand Georg Waldmüller - Bildnis Baron Moser (um 1833/35)

Der Meister hat jedes Element des Bildes mit viel Liebe zum Detail gemalt. Nur das Gesicht ausführlich zu malen und den Rest anzudeuten, wie es später auch bei den akademischen Malern Mode wurde, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Das Porträt war erst vollendet, wenn jeder Teil des Bildes seine volle Aufmerksamkeit genossen hat. Alles andere hätte er, wie Adolph Menzel, als Faulheit betrachtet.

Ferdinand Georg Waldmüller - Bildnis Baron Moser (um 1833/35)
 - Detail

Johann Baptist Reiter (1813 - 1890)

Die österreichische Malerei hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Künstlern hervorgebracht, die keinen Vergleich mit den technisch versierten Salonmalern Frankreichs scheuen brauchten. Leopold Carl Müller, Hans MakartLudwig Deutsch oder Eugene de Blaas fallen mir spontan ein. Der mit einem kleinen Porträt in der Landesgalerie vertretene Johann Baptist Reiter zählt mit seinen besten Werken ebenfalls dazu. Von Reiter gibt es jedoch auch viele fast amateurhaft wirkende Bilder, ungewöhnlich für jemanden mit solchen Fähigkeiten. Das Bildnis der Landesgalerie ist aber über jeden Zweifel erhaben.

Johann Baptist Reiter - Mädchen am Frühstückstisch (1846)

Das lächelnde Mädchen unterbricht ihr Frühstück und betrachtet uns mit strahlenden Augen. Sie scheint aus dem Bild heraus zu reichen, so geschickt hat Reiter sie auf der Leinwand verewigt. Die Kleine saß ihm mindestens noch für ein anderes Bildnis Modell, welches hier zu finden ist.

Johann Baptist Reiter - Mädchen am Frühstückstisch (1846) - Detail

Theodor Alt (1846 - 1937)

Das Mädchen ist vor Erschöpfung eingeschlafen. Die Bäckchen glühen. Noch hält sie das Seil ihres Puppenwagens fest, aber hat keine Kraft mehr, wach zu bleiben. Gleich werden ihre Eltern ins Zimmer kommen, sie in ihr durchwühltes Bettchen legen und die Kleine wird den Schlaf der Gerechten schlafen.

Theodor Alt - Siebenschläfer (1871)

Wie ist deine Reaktion zu diesem Bild? Die meisten professionellen Kunstkritiker würde solch ein Motiv zur Weißglut bringen. Sie würden mit Begriffen wie süßlich, belanglos, kitschig oder oberflächlich um sich werfen und ein paar Seiten weiter dann ihren abstrakten, expressionistischen Müll feiern. Uns interessiert das zum Glück nicht die Bohne. Das Gemälde ist schön gemalt, die Farbgebung angenehm zurückhaltend und kleine menschliche Geschichten sind immer ein Bild wert. Danke Herr Alt.

Theodor Alt - Siebenschläfer (1871) - Detail


Anselm Feuerbach (1829 - 1880)

Anselm Feuerbach würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, dass die Kuratoren der Landesgalerie sein Selbstporträt und das Bildnis der Anna Risi eng vereint platziert haben. 
Seine geliebte Muse hatte den eifersüchtigen Gockel wegen eines Engländers verlassen. Diese Abweisung hat er nie überwunden. Dass er jetzt auf Ewig mit ihr in Hannover verbunden ist, kann er nicht mehr ändern. Aber eine kleine Genugtuung hat er doch, da er seinen Blick von der früheren Geliebten abwenden darf.

Anselm Feuerbach - Nanna (1864) und Selbstbildnis (1878)

Carl Theodor von Piloty (1826 - 1886)

Piloty war einer der großen Lehrer seiner Jahrhunderts. Er hatte eine zahlreiche Schülerschar und immer wieder wurde gelobt, dass er seine Zöglinge nicht in eine bestimmte Richtung lenkte, sondern sie sich frei entfalten ließ. Einzig die handwerkliche Basis war notwendige Grundlage. 
Pilotys Historienmalerei ist bekannt für den feinen Spagat zwischen realistischer Darstellung und kompositorischen Freiheiten. Er schildert meist nicht den Augenblick des geschichtlichen Höhepunkts selber, sondern die Augenblicke davor oder danach. 

Carl Theodor von Piloty - Cäsars Ermordung (1865/67)

Sein großes Gemälde der Ermordung Cäsars zeigt uns die Szene kurz vor Erdolchung durch die Senatoren. Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, manche Zweifeln, aber es gibt kein zurück. Bald wird der erste Stoß den römischen Kaiser treffen, der noch durch das einheitliche weiße Gewand mit seinen Senatsbrüdern verbunden ist. Doch das einende Band ist dünn und jetzt schon teilweise durch den blutroten Umhang verdeckt, der prophetisch auf das tödliche Ende hinweist. 

Carl Theodor von Piloty - Cäsars Ermordung (1865/67) - Detail

Etwas theatralisch, aber klar zu deuten, hat er die verschiedenen Charaktere gemalt. Jede Figur hat ihre eigene Seelenregung, die, wie es in der Historienmalerei üblich war, sorgfältig anhand von Einzelstudien vorbereitet wurde.
Das Bild muss teilweise zerstört gewesen sein, wie man auf der nachfolgenden Detailabbildung gut erkennen kann. 

Carl Theodor von Piloty - Cäsars Ermordung (1865/67) - Detail

Carl Theodor von Piloty - Cäsars Ermordung (1865/67) - Detail

Alois Erdtelt (1851 - 1911)

Eines der schönsten Bilder der gesamten Sammlung ist das Bildnis der beiden innig verbundenen Waisen von Alois Erdtelt.

Alois Erdtelt - Die Waisen (1889 / 1900)
Dieser großartige Porträtmaler ist heutzutage völlig unbekannt. Man findet so gut wie keine Informationen zu ihm online. Es gibt noch nicht mal eine Wikipedia-Seite.
Geboren 1851 in Herzogswalde (Schlesien), gestorben 1911 in München. Er studierte zuerst bei Carl Steffeck an der Kunstakademie in Berlin und dann von 1874-79 bei Wilhelm von Diez an der Akademie der Bildenden Künste in München. An anderer Stelle wird behautet, er lebt seit 1876 in München. Befreundet war er unter anderem mit Lovis Corinth, den er, nach Angabe Corinths, etwa um 1882 porträtierte. Erdtelt war in München Professor an der Akademie und unterrichtete unter anderem die Malerin Maria Slavona. 1904 wurde er mit der Goldmedaille auf der Weltausstellung Paris ausgezeichnet und 1909 erzielte er den gleichen Erfolg auf der Internationalen Ausstellung in München. Mehr gibt das Internet nicht her. Aber auch wenn der Maler völlig unbekannt wäre, hätte das Bild in Hannover Museumsqualität. Denn Kunst kommt von Können.

Alois Erdtelt - Die Waisen (1889 / 1900) - Detail

Waisen werden in der bildenden Kunst oft in ihrer aussichtslosen Lage gezeigt. Die Eltern sind gestorben und sie stehen ganz alleine da. Als Beispiel siehe das Bild von Kasatkin hier. Erdtelt hat dieses traurige Thema lebensbejahender gestaltet. Die Kinder haben trotz des bitteren Schicksals ihre Hoffnung nicht verloren. Die Kleine findet in den Armen ihrer großen Schwester Schutz und Geborgenheit. Dies hat der Maler durch seine Lichtregie besonders betont. Wollen wir hoffen, dass die Zukunft rosig für die beiden Mädchen aussehen wird.

Alois Erdtelt - Die Waisen (1889 / 1900) - Detail
Alois Erdtelt - Die Waisen (1889 / 1900) - Detail


Freitag, 27. März 2009

Feuerbach und die bösen Geister

Anselm Feuerbach ist heutzutage, im Gegensatz zu anderen großen akademischen Meistern des 19. Jahrhunderts, noch relativ beliebt. Dies habe ich an anderer Stelle (siehe Nanna) mit seiner Persönlichkeit begründet. Was ich damit meine, möchte ich hier ausführlicher darstellen.

Anselm Feuerbach - Selbstbildnis (1873)
Öl auf Leinwand 62 x 50 cm

Verkannte Genies sind beliebt

Wenn man sein "Vermächtnis" liest, dann tritt einem ein selbsternanntes, verkanntes Genie entgegen.

Diese werden von der Riege der 'Kunstverständigen' hoch geschätzt. Nicht umsonst gilt bei ihnen der mäßig talentierte van Gogh als einer der größten Maler aller Zeiten. So kommt es nicht überraschend, dass Feuerbach immer wieder mit Wohlwollen erwähnt wird. Sein Können ist unbestritten, was bei einem akademischen Maler des 19. Jahrhunderts nicht überrascht, als das Lernen der Basisfähigkeiten noch selbstverständlich für einen Maler war. Sein Lebenslauf ist vielfach beschrieben und im Internet nachzulesen. Als Kritiker des deutschen Spießbürger und der Mittelmäßigkeit ist er wohl bekannt.

Das er auch eine ganz anderer Seite besaß, möchte ich hier herausstellen. Man könnte das verkannte Genie mit großer Berechtigung auch als antisemitischen, chauvinistischen, unter Verfolgungswahn leidenden Großkotz bezeichnen.

Motto

Warum dies so ist, zeigt sein "Vermächtnis". Neben biografischen Fakten enthält es vor allem eine Ansammlung von Hasstiraden gegen alles und jedes. Frei nach seinem Motto:
Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, so haue ihm eine auf die rechte.

Mit dem falschen Fuß aufgestanden

Schuld an dem folgenden ganzen Schlamassel war wohl sein erster Kontakt mit der Kunstwelt. Der Eintritt in die Düsseldorfer Akademie wird mit den Worten beschrieben:
Mit fröstelnden Unbehagen betrat ich das erstemal die häßlichen Räume der Düsseldorfer Akademie. Ausser dem gewöhnlichen Geruche der allen öffentlichen Anstalten eigen ist, war hier noch etwas besonderes, feuchtes, moderiges, was ich nur mit dem Ausdruck akademischer Luft bezeichnen könnte.
Friedrich Wilhelm von Schadow

Friedrich Wilhelm Schadow - Porträt des Felix Schadow (1830) Öl auf Leinwand 61 x 51 cm

Da wundert es nicht, dass sein erster Lehrer sein erstes Opfer war. Direktor Schadow.
Ein lebensmüder, kranker, barscher Mann mit feinem, scharf geschnittenen Profile, stets seitwärts, gesenktem Kopfe,..., als Maler, war er eine Null.

Dieser war wohl nicht ganz glücklich mit seinem Schüler und gab ihm die warmen Worte mit auf den Weg:
Jehen Sie nach Paris und wenn sie nicht Schüler von de la Roche werden können, wird nischt aus Ihnen. (Schadow)
Paul Delaroche - Head of a Camoldoline Monk (1834) Öl auf Leinwand

In Feuerbachs Ohren wohlklingender war da wohl die Meinung seines Freundes Alfed Rethel:
Recht haben sie gehabt, denn sehen sie der Alte (Schadow) hat manchmal Blähungen im Unterleibe, die hält er dann für Gedanken. (Rethel)
Schadow war vielleicht sein erstes persönliches Feindbild, aber viele werden folgen.

Theodor Mintrop

So sein Freund aus Düsseldorfer Zeiten, Mintrop, den er als Wendehals bezeichnet:

Theodor Mintrop - Reproduktion Zeichnung für sein Märchen König Heinzelmann (ca 1872)
Damals war seine naive Natur und Bauernweisheit echt, später, eine Lockspeise eleganter Salon's, war er Bauer genug, um den naiven fortzuspielen.

Verloren in München

Die folgenden beiden Jahre verbrachte Anselm in München. Verlorene Zeit war dies seiner Meinung nach. Typisch für ihn. Anstatt selber die Notleine zu ziehen, wird den anderen die Schuld gegeben.

In München jeden Fall hielt er es nur acht Tage bei seinem Lehrer Carl Rahl aus, und mit Moritz Schwind
hatte ich mich auch, weiß Gott warum, verfeindet.
Moritz von Schwind - Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe (1857) Öl auf Leinwand

Das die Pilotyschule für ihn mehr als verderblich war, wundert nicht. Alles, was zu jener Zeit bekannt und erfolgreich war, hatte er auf dem Kieker. Freunde werden nicht gemacht.
Die ganze Pilotyschule ist die brutale Vernichtung alles ideellen im großen Sinne, ein Aufgehen in theatralischer Sentimentalität und romantischen Materialismus. Der Triumph der Gliederpuppe.
Über Belgien nach Paris

Sein Weg führte über Gustave Wappers Atelier in Antwerpen, den er als Künstler schätze,

Gustav Wappers - Episode der Belgischen Revolution (1830)

nach Paris ins Studio von Thomas Couture. Couture ist einer der wenigen Maler seines Jahrhunderts, den er wirklich verehrte.

Thomas Couture - Eine Witwe (1840)
Öl auf Leinwand 92 x 73,5
cm
Nicht genug kann ich dem Meister danken, welcher mich von deutscher Spitzpinselei zu breiter, pastoster und größerer Behandlung und Anschauung führte.
Ansonsten galt seine ganze Bewunderung Rubens, van Dyck, Tiepolo und den großen Renaissancemeistern Michelangelo, Leonardo, Raffael, Tintoretto, Veroneso oder Tizian.

Die schöne Zeit in Paris strapazierte seinen Geldbeutel arg,
und so wachte ich eines Tages - in Carlsruhe auf
, der Stadt seiner schlaflosen Nächte.

Unglückliches Karlsruhe

Die bösen Mächte ließen ihn stolze zehn Jahre nicht von deutschem Boden weichen, und so kam es, dass an seinem Unglück wieder die anderen Schuld waren.
... während mir so bei sorgenvollem Kampfe in der wichtigsten Entwicklungszeit 10 Jahre meines Lebens gestohlen wurden.
Eine der letzten Etappen war für ein Jahr Karlsruhe, eine Stadt, die seinen Ansprüchen natürlich auch nicht genügen konnte. Das war
wohl ein Fluch meines Lebens, daß ich gerade auf dieses Dorf mit meinem künstlerischen Beginnen angewiesen war.
Zerstörungswut und Konfuzius

In Karlsruhe fanden seine Bilder nicht immer einen Käufer. Und wenn, dann gab es aus seiner Sicht eher Almosen zu verdienen als gerechte Belohnung. Über eine schlechte Besprechung seines Bildes Die Versuchung des heiligen Antonius (1854) geriet er in Rage.
Letzteres Bild zerstörte ich selbst, vor Wut, daß es so dumm beurteilt wurde. Ich habe es später sehr bereut.
Anselm Feuerbach - Die Versuchung des heiligen Antonius (vernichtet) (1854)

Der mangelnde Verkauf konnte natürlich nicht an der Qualität seiner Gemälde liegen. In seiner typisch bescheidenden Art nennt er auch den simplen Grund, eine Weisheit eines Konfuzius würdig:
Jedes Werk braucht etwa 10 bis 20 Jahre Zeit, um verstanden zu werden, nach Abfluß dieses Zeitraumes, werden die Bilder wunderschön...

Bevor er Karlsruhe endgültig verlässt, bekommen natürlich noch zwei anderer Professoren ihr Fett weg. Johann Wilhelm Schirmer und der große Carl Friedrich Lessing.

Johann Wilhelm Schirmer

Johann Wilhelm Schirmer - Felsküste bei Etretat (1836) Öl auf Leinwand auf Pappe aufgezogen 41 x 32 cm
Ein knorriger dicker Mann mit kurz geschorenem grauen Haar...ein süßlicher Mucker ... Jammerseele.

Dessen Hinweis, dass Feuerbach das Terrain in Karlsruhe verkannt habe, konterte dieser mit:
Wenn Schlamm Terrain ist, dann haben sie recht.
Carl Friedrich Lessing

Lessing war ebenso wenig genehm:

Carl Friedrich Lessing - Der Klosterbrand (1846) Öl auf Leinwand 123 x 172 cm
trat mir gegenüber in dieselben Fußstapfen. Was er nicht fertig brachte, besorgten dann zwei Weiber.
Letzter Wunsch

Also was wünscht der höfliche, taktvolle Feuerbach seinen ehemaligen Karlsruher Mitstreitern?
werfe ich Menschen und Sachen der damaligen Zeit hiermit auf den Lumpenkarren, wo sie hingehören, und zu schlechten Büchern verwehrtet werden können.

Auf nach Rom

Es wurde Zeit, nach Rom aufzubrechen. Über Venedig und Florenz näherte er sich seinem Ziel. Beide Zwischenstationen beeindruckten ihn sehr, von den Raffaels und del Sartos in den Uffizien war er im höchsten verzückt. Es war eine Offenbarung für ihn.
Die Vergangenheit war ausgelöscht, die modernen Franzosen wurden einfache Spachtelmaler und mein künftiger Weg, stand klar und sonnig vor mir.
Künstlerverein

In Rom angekommen, gibt es natürlich mehr als genug zu bemäkeln. Der deutsche Künstlerverein mit seiner
modernen Oberflächlichkeit
kommt ihm da gerade recht.
Im Positiven die Poesie festzuhalten, scheint wenigen gegeben zu sein, darum haben auch die Herren NIE etwas geleistet trotz Künstlerverein und Selbstüberhebung.
Die Tatsache, dass Feuerbach selber den Kunstverein öfter besuchte, wird an dieser Stelle natürlich verschwiegen und ist nur einem Brief im Anhang zu entnehmen:
Im Künstlerverein, wenn ich nicht da bin, kann nicht gesungen werden, ich bin der einzige Tenor... Jeden Sonntag ist Probe...
Glücksmomente

Die Zeit in Rom war zum Glück einmal nicht ganz vergebens für Anselm. Dies zeigt seine künstlerische Selbsteinschätzung zu jener Zeit. Uneitel wie meist formuliert:
...die Erscheinung, daß an den besten meiner Bilder nicht ein Jota zu ändern ist
und die meisten den Gegenstand erschöpfen, während beim modernen Maler gewöhnlich alles eben so gut anders sein könnte.
Doch nicht nur das. Seinen Röntgenaugen entgeht, mit Bescheidenheit und Verlaub, nichts:
...unermüdliche Mache, bei strengster Beobachtung haben es gebracht, daß ich jetzt stecknadelgroße Mängel auf den ersten Blick ersehe.

Im Laufe der Zeit sah er die
albernen Fremden, welche dort herumstolpern
immer mehr mit Humor und sein
leicht erregbares Wesen
wich
einer angeregten Ruhe, die mich selbst bei Gefahren nicht verlässt.

Gut so. Rom war seine Stadt.

Antideutsch

Auf sein Deutschsein war er jedoch weniger gut zu sprechen. Dieses attackiert er mit den Worten:
Die Rohheit des Volkes, welches sich in Kneipen herumtreibt, die Halbbildung und prätentiöse Vortrefflichkeit der sogenannten gebildeten Stände, das Bocksbeinige Gelehrtentum, nebst übertriebener Schulbildung, der kompletteste Unverstand in den höchsten Kreisen hat mir das Vaterland verleidet.
Und
Wir haben und bekommen nie eine Kunst mitsamt unsern 42 Millionen nichtdenkender Leute.
Professor in Wien

Eine Professorenstelle zog ihn nach Wien. Wien, galant umschmeichelt mit den Worten:
Ich habe in Paris und lange in Rom gelebt, eine konzentriertere Canaille, als in Wien habe ich nirgends vorgefunden. Um in Wien Karriere zu machen, muß man etweder ein dummer oder zum mindestens ein zweideutiger Mensch sein.

Hans Makart

Und da wären wir schon beim nächsten Lieblings-Attacke-Objekt Feuerbachs. Hans Makart.

Hans Makart - Bildnis Gräfin Palffy (Die Betende) (1880) Öl auf Holz 127,5 x 90 cm
Auch in der Malerei ist die technische Begabung sehr auffallend, allein sie bleiben alle in dem Accessoire und den Kleidern stecken...
Das Saloppe Makartscher Weiber liegt nicht sowohl in geschminkten Augenbrauen, konventionell frivolen Bewegungen, als insbesondere in der gänzlichen Unkenntnis menschlicher Form und Seele.
Große Leinwände mosaikartig zu tapezieren ist von guter Kunst so weit entfernt wie ein Freudenmädchen von einer anständigen Frau.
Erscheinungen wie Makart hat es zu allen Zeiten gegeben, sie kennzeichnen genau die rapide Dekadenz...
Wo die Gedanken fehlen....würde sein koloristisches Kartenhaus zusammen stürzen....was bei Makart mühselig gequält erscheint...

Und so weiter und so fort. Feuerbachs Tiraden haben ihre Ursache wohl daher, dass er in Wien immer im Schatten des großen Makart stand. Das man einem großen Künstlerkollegen, der eine andere Malauffassung als man selber hat, auch mit Respekt begegnen kann, sieht man bei Anton von Werner.

Verlorene Zeit

Das seine Professur ihn in Wien wieder vier Jahre seines Lebens gekostet hat, brauche ich glaube ich hier nicht mehr zu erwähnen:
Auch das habe ich vergessen, daß sie mir 4 Jahre meines Lebens gestohlen, denn zu eigenem künstlerischen Schaffen, ließ man mir kaum Zeit.

Ob er überhaupt in diesen vier Jahren das Akademiegebäude einmal hat verlassen dürfen, wird für immer ungeklärt bleiben...

Grund der Anfeindungen

Styl ist das, was laut Anselm Feuerbach in der Kunst zählt.
...der wahre Styl kommt dann, wenn der Mensch selbst groß angelegt...
Und groß ist er natürlich selber.
Da die Größe der Auffassung kaum zu verkennen war, so wurde ich als Feind angesehen und behandelt.
Achso, deshalb wird er angefeindet. Weil er zu groß denkt.
Aber Feuerbach präzisiert das noch:
Einige Male hatte ich Gelegenheit, Bilder von mir auf Ausstellungen zu sehen, sie machten mir ungefähr den Eindruck, wie wenn anständige Leute sich durch einen Zufall in ordinärer Gesellschaft befinden. Dieses Gefühl ... ist der Grund jener lebenslangen, gehässigen Anfeindungen.
Da haben wir es. Weil er alle anderen für große Idioten und Arschlöcher hält, wollen diese angeblich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sachen gibts...

Alles und Jeder

Im weiteren Verlauf seines Vermächtnis kriegt jeder und alles sein Fett weg. Künstlervereine, Kritiker, Kunstausstellungen, Kunsthändler, Akademien, das Theater und so weiter und so fort.

Wilhem von Kaulbach

Wilhelm von Kaulbach - Die Seeschlacht bei Salamis (1868) Öl auf Leinwand
So hat ein Kaulbach eine angeblich große Nation ein halbes Jahrhundert an der Nase herumführen können und erst sein materieller Tod führt seinen geistigen herbei.
Anton von Werner

Anton von Werner - Moltke mit seinem Stabe vor Paris (1873) Öl auf Leinwand
Victor Scheffel lässt bei Lebzeiten seine dürftigen Werke mit schlechten Illustrationen austapezieren.

Zum Beginn wurde ein harmloser Genre und Aquarellmaler das unbegreifliche Schoßkind...
Carl Theodor von Piloty

Carl Theodor Piloty - Die Gründung der katholischen Liga durch Herzog Maximilian I von Bayern - Ausschnitt (1854) Öl auf Leinwand 379,5 x 516,5 cm
Piloty und Makart werden ewig nur große Dekorations-Staffeleibilder malen, weil ihnen die absolut notwendige Bildung abgeht, welche ihnen sagen würde, daß nur eminentes Studium zur richtigen Pforte führt.
Kunsthändler
Die modernen Kunsthändler, diese Kolporteure der Mittelmäßigkeit, ...sollen... sich dort, samt den Redakteuren der Gartenlaube in ihrem eigenen Bilde aufhängen.
Juden
Die Juden transportiere man mit Kind und Kegel auf IHRE Kosten - Geld haben sie - nach Jerusalem, dort sollen sie den Tempel Salomons wieder aufbauen und
Knoblauch-Plantagen auf Aktien gründen. Wenn solches geschehen, wird die Luft in Deutschland wieder gesünder werden.
Frauen
Frauenerziehung: ... Von den Mädchen ist wenig Erfreuliches zu notieren, es strebt unser ganzes Gesellschaftswesen der gründlichsten Oberflächlichkeit entgegen.
Wenn ich einmal so weit bin das Angelernte von dem Natürlichen im Benehmen eines Frauenzimmers unterscheiden zu können, werde ich ein eigenes Kapitel nachträglich hier einschalten.
...jede große und kleine Stadt in Deutschland eine sogenannte tonangebende Clique erduldet. Es sind manchmal nur fünf bis sechs Leute, wobei natürlich die Weiber wieder obenan stehen, über die man nicht vorwärts oder hinauskommt.
Blick hinter den Kulissen

Das Feuerbach in der Realität von der Fahne im Wind nicht immer so weit entfernt war, wie er wirken wollte, zeigen Briefe seiner Schwiegermutter Henriette Feuerbach.

Anselm Feuerbach - Bildnis Henriette Feuerbach (1867) Öl auf Leinwand 101 x 82,4 cm


Friedrich Pecht

So zieht Anselm des Öfteren kräftig über den früheren Maler und bedeutenden Kritiker Friedrich Pecht her.
Man belle den Mond nicht an, wenn man ihn nicht beißen kann.
... selbst weniger schlechte Bilder zu malen
möge er seinen Styl verbessern
und die Kunst mit eigenen, vorurteilsfreien Augen betrachten lernen
Solche Widersprüche sind zu dumm, als daß wir noch weiter ein Wort darüber verlieren können
Pechts Essay ist keine kritische Künstlerische Betrachtung, sondern eine herumtastende Dilettantenarbeit.
Der Mann an und für sich wäre zu unbedeutend wenn er nicht
der Dolmetscher einer halben Million nichtdenkender Leute wäre.
Vielleicht ist dies alles berechtigt, aber wenn man dann im Gegensatz dazu folgendes liest, kommen mehr als Zweifel an der Standfestigkeit der Ansichten Feuerbachs auf:

Brief von Pecht an Henriette Feuerbach vom 10.7.1872:
...so wollen wir nun doch sehen, ob wir ihn nicht bald zu der Anerkennung bringen, die ihm gebührt...!
Brief Henriette Feuerbach an Julius Allgeyer 10.12.1873:
...Ich habe heute endlich es dahin gebracht, an H.Pecht zu schreiben, mit dem herzl. Wunsche, daß ihm mein elender Brief doch wohl tun möchte. Wir haben alle Ursache, ihm von Herzen dankbar zu sein, war er doch der Einzige, der in der allerschlimmsten Zeit die Stimme erhoben hat, und damals gehörte Mut dazu, denn er war eigentlich gegen die ganze Welt. Und es war kein persönliches Interesse, sondern reines Kunstinteresse, er kannte Anselm ja nicht, oder nur vom Hörensagen, was immer die schlimmste Sache war. Kurz, es wäre mir schrecklich, wenn Pecht verletzt wäre.
Brief Henriette Feuerbach an Julius Allgeyer 21.1.1874:
...Pecht hat mir einen sehr lieben und herzlichen Brief geschrieben, der auch Anselm sehr gefreut hat, so hoffe ich, wird dieser Schatten gewichen sein.
Dass scheint der gute Feuerbach zum Zeitpunkt seiner Memoiren Ende der 70er Jahre ganz vergessen zu haben.

Versöhnender Abschluss

Ich habe im vorausgehenden Feuerbach einseitig zitiert um aufzuzeigen, dass Mitleid mit einem verkannten Genie nicht immer berechtigt ist.
Was an dieser Stelle letztendlich zählt, sind die Kunstwerke, welche der Maler geschaffen hat. Und davon hat Feuerbach einige zu bieten.

Anselm Feuerbach - Hafis vor der Schenke (1852)
Öl auf Leinwand 205 x 258 cm

Also möchte ich den Bericht mit Worten schließen, die der akademische Meister des 19. Jahrhunderts den Malern unserer Zeit zuruft:
daß der höchsten Vollendung der Kunst eine vielleicht Jahrhunderte lange mehr handwerksmäßige Technik voraus gehen muß, lehrt uns die Geschichte gleichfalls.
Das frühe Modellzeichnen nach dem Leben bietet die einzig solide Grundlage, auf welcher später die Phantasie weiter bauen darf.
Um ein guter Maler zu sein, braucht es 4 Dinge. Weiches Herz, feines Auge, leichte Hand und immer frisch gewaschene Pinsel.
Und zuletzt, einen kräftigen Tritt in den Hintern der Originalitätsfanatiker und Nichtskönnenprediger an den Kunst-Hochschulen unserer Zeit:
Die Originalitätssucht aus Mangel an Schule. Das Werk mag viele Fehler haben, aber EINES muß man ihm lassen - "originell" ist es. So sprechen gewisse Leute und nehmen eine Prise Tabak. Was ist originell? Alles
und jedes in der Welt war schon einmal da und leider immer besser.

AMEN!