Sonntag, 2. August 2009

Verlorene Generation


Fehlender Rückblick


Was heutzutage an den Kunstschulen in Deutschland gelehrt wird ist lachhaft. Den Lehrenden fehlt jede handwerkliche Basis, die sie der nachfolgenden Malergeneration vermitteln könnten. Dieses nicht vorhandene Können wird Jahrzehnt um Jahrzehnt facettenreich schön geredet, aber das traurige Resultat ist auf den vielen Leinwänden zu sehen, die heute als Kunst bezeichnet werden. Werke, die NULL KOMMA NULL Wert hätten, wenn sie deine Signatur statt die des Künstlers tragen würden, der gerade zufälligerweise als Genie gefeiert wird. Dabei kann dieser nicht mal die Schuhe malen, mit denen er gerade in seinem Traumland wandelt, bis ihn der nächste Hype von seinem Thron stoßen wird.

Die letzten Maler

Die letzte Malergeneration in Deutschland, die das Glück hatte, im Rahmen des akademischen Lehrbetriebs noch das Grundkönnen zu erlernen, ist eine verlorene Generation. Gemeint sind jene Maler, die den Höhepunkt ihres Schaffens zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten. Ihre Lehrmeister waren Größen im 19. Jahrhundert, an denen sich die Kunstwelt später rieb. Aufgrund dessen sind ihre Namen heute noch Begriff, auch wenn sie zu Unrecht kaum noch geschätzt werden. Anton von Werner, Ferdinand Keller, Eduard von Gebhardt oder Franz Defregger fallen einem spontan ein.

Nicht der Rede wert

Wenn man jedoch überlegt, welche deutschen Maler, die das Wort Künstler verdient haben, der nachfolgenden Generation bekannt sind, dann herrscht betroffenes Schweigen. Können zählte immer weniger, Ausdruck war das Schlagwort, welches beherrscht werden musste (siehe zum Beispiel hier). Und dies darf unsinnigerweise nie kombiniert sein mit technischer Brillanz. Deshalb sind expressionistische Dilettanten wie Klee, Macke, Kandinsky heute auch noch dem Laien ein Begriff.
Maler, die ihren Stift und Pinsel gekonnt führten, waren Opfer ihrer peniblen Detailtreue und deshalb natürlich völlig uninteressant. Eine expressionistische Katastrophe sozusagen. Wenn das ganze noch kombiniert ward mit religiöser Malerei, ist dies der Kunstgeschichtsschreibung unserer Tage keine Zeile und Abbildung mehr wert.

Hervorhebung aus der Versenkung

Deshalb möchte ich im nachfolgenden einige Bilder dieser verlorenen Meister vorstellen. Namen, die nur den Fachleuten ein Begriff sind und mir erst durch den Überflug (der auch für mich als Atheist sehr interessant war) durch die Jahrgänge der Monatsschrift Die Christliche Kunst bekannt wurden. Einer Zeitschrift, die einige Jahre nach dem 1. Weltkrieg, als religiöse Kunst immer weniger gefragt war, aufgrund zu geringer Abozahlen ihre Veröffentlichung einstellte.

Leider ist die Qualität der Bilder sehr bescheiden, da sie nur im schlecht eingescannten pfd-Format vorliegen. Aber auch anhand der kleinen, verschwommenen Darstellungen würde man sich wünschen, in unseren Museen und Buchhandlungen Werke dieser Künstler zu sehen, um ein realistischeres und vor allem kunstvolleres Bild dieser Zeit zu erhalten.

Naturgemäß sind die Abbildungen dieser Zeitschrift fast alle religiösen Themas, wer sich also dadurch belästigt oder gelangweilt fühlt, sollte nun abschalten. Wer aber ein Auge für das Können in der Kunst hat, sollte dranbleiben. Sonst verpasst er was.

In diesem Sinne nun zu den Bildern. Hierbei fallen aufgrund der siebzig Jahre Schranke leider sehenswerte Zeichnungen und Gemälde anderer begabter Künstler unter den Tisch, wie beispielsweise Alexander Bertrand, Ern(e)st Wante, Franz Xaver Dietrich, Josef Wagenbrenner, Josef Wahl, oder Heinrich Nüttgens.

Franz Reiter (1875-1918):

Franz Reiter - Der heilige Georg mit dem Giftbecher (Karton)
Pfarrkirche in Milbertshofen

Emanuel Dite:

Emanuel Dite - Pieta

Franz Xaver Simm (1853-1918):

Franz Xaver Simm - Vor der Töpferbude

Franz Xaver Simm - Madonna am Hause des Künstler

Franz Xaver Simm - Laufendes Mädchen - Studien zu einem Bild in den fliegenden Blättern

Franz Xaver Simm - Alte Frau - Studie zu einem Bild in den fliegenden Blättern

Gabriel von Hackl (1843-1926):

Gabriel von Hackl - Vorbereitung zum Feste

Gabriel von Hackl - Ungebetene Gäste

Gabriel von Hackl - Studienköpfe - Kohlezeichnungen

Gabriel von Hackl - Des Künstlers Tochter

Gabriel von Hackl - Der Naturforscher

Gabriel von Hackl - Der heilige Karl Borromäus

Gabriel von Hackl - Auf Urlaub

Gabriel von Hackl - Anbetung der Könige
Mittelbild Tryptichon Schlosskapelle Sankt Paul in München


Gabriel von Hackl - Alarmsignal

Gebhard Fugel (1863-1939):

Gebhard Fugel - Weinet nicht um mich (um 1889)

Gebhard Fugel - Kreuzigung (Studie zum Panorama in Altöttingen)

Gebhard Fugel - Jesus und Veronika (1907) (Sankt Josephkirche München)

Gebhard Fugel - Madonnenstudie zur 4ten Kreuzwegstation

Gebhard Fugel - Heimkehrende Juden (Studie zum Panorama in Altöttingen)

Gebhard Fugel - Heimkehrender Pharisär (Studie zum Panorama in Altöttingen)

Gebhard Fugel - Die Widersacher Jesu (Studie zum Panorama in Altöttingen)

Gebhard Fugel - Die Mitleidigen Frauen (Studie zum Panorama in Altöttingen)

Gebhard Fugel - Der göttliche Kinderfreund

Gebhard Fugel - Berufung Petri (Studie) (wohl 1909)

Gebhard Fugel - 3 Fall Jesu unter dem Kreuz (1907)
Sankt Josephkirche München


Friedrich Georg Papperitz (1846-1918):

Friedrich Georg Papperitz - Prinzregent Luitpold von Bayern (1899)

Friedrich Georg Papperitz - Kreuztragung

Heinrich Lammers (??? - 1933):


Heinrich Lammers - Altarflügel (Krönung Maria) - Maria Empfängniskriche in Essen

Heinrich Told:

Heinrich Told - Grablegung

Josef Scherer (kein 20 Jahrhundert, aber zu Schade um's zurückzuhalten):

Josef Scherer - Aus Athen (1843) - Bleistiftzeichnung

Josef Scherer - Zwei Griechinnen (1843)

Josef Scherer - Griechischer Lastträger

Josef Scherer - Griechischer alter Mann (1844) - Ölstudie

Jozef Janssens (Belgier 1854 geboren):

Jozef Janssens - Studienkopf

Jozef Janssens - Porträt

Jozef Janssens - Madonna

Jozef Janssens - Kreuzabnahme aus dem Zyklus Die Sieben Schmerzen Marias

Jozef Janssens - Kartons zu den Wandbildern in der Herz Jesu Kirche in Sankt Nicolas (1884)

Jozef Janssens - Karsamstag (1894)

Jozef Janssens - Deine Seele wird ein Schwert durchdringen

Jozef Jannsens - Christus am Kreuz

Jozef Janssens - Bildnis Frau J N

Julius von Klever (1850-1924):

Julius von Klever - Meeresstille (Ostsee-Russland)

Julius von Klever - Christus auf dem Meere

(C)Karl Seiler (1846-1921):

Karl Seiler - Johanniskirche in München (1904)

Kaspar Schleibner (1863-1931):

Kaspar Schleibner - Studienköpfe - Ölgemälde

Kaspar Schleibner - Sankt Philomena

Kaspar Schleibner - Maiandacht (1890-1891) - Ölgemälde

Kaspar Schleibner - Heiliger Georg (1909) - Schlosskapelle in Eurasburg

Kaspar Schleibner - Die Malerei (1897) - Karton - Fassadenmalerei München

Kaspar Schleibner - Das Kunsthandwerk (1897) - Karton - Fassadenmalerei München

Kaspar Schleibner - Christmette im Kloster (1893) - Ölgemälde

Kaspar Schleibner - Jesus am Kreuze
12 Station des Kreuzweg der Herz-Jesu Kirche in Nürnberg (1912)

Kaspar Schleibner - Die Helferin der Christen (1906)
Apsismalerei in der Kirche Vinzentinumus in München

Kaspar Schleibner - Das letzte Abendmahl (1907) - Ölgemälde

Leonhard Thoma (1864-1921):

Leonhard Thoma - Karton zu Heilige Cecilia

Louis Feldmann (1856-1938):

Louis Feldmann - Studienkopf

Louis Feldmann - Stigmatisation des Heiligen Franziskus

Louis Feldmann - Jesus der Kinderfreund - Ölgemälde

Louis Feldmann - Auffindung des heiligen Kreuzes

Louis Feldmann - 9 Kreuzwegstation - Propsteikirche Dortmund

Louis Feldmann - 6 Kreuzwegstation - Jesus und Veronika - St. Rochus Düsseldorf

Louis Feldmann - 4 Kreuzwegstation - St. Rochus Düsseldorf

Louis Feldmann - 12 Kreuzwegstation für die Sankt Heribert Kirche in Köln Deutz (191x)

Louis Feldmann - 12 Kreuzwegstation - Propsteikirche Dortmund

Louis Feldmann - 11 Kreuzwegstation für die Sankt Heribert Kirche in Köln Deutz (191x)

Louis Feldmann - 11 Kreuzwegstation - Propsteikirche Dortmund

Ludwig Glötzle (1847-1929):

Ludwig Glötzle - Tu es Petrus (1876-1877) - Hochaltar in Immenstadt

Ludwig Glötzle - Tod des heiligen Gallus
Deckengemälde zur Pfarrkirche in Scheidegg in Allgäu


Ludwig Glötzle - Studienkopf

Ludwig Glötzle - Mutterglück (1917) - Ölgemälde

Ludwig Glötzle - Martyrium der heiligen Ursula - Ölgemälde

Ludwig Glötzle - Landschaft bei Seehaupt

Ludwig Glötzle - Herr lehre uns beten

Ludwig Glötzle - Golgatha

Ludwig Glötzle - Eine Vision (Kriegsbild) (1917) - Ölbild

Ludwig Glötzle - Der Heilige Julius auf dem Weg zur Richtstädte
Pfarrkirche in Immenstadt

Ludwig Glötzle - Darstellung Jesu im Tempel (1895) - Entwurf zu einem Deckengemälde

Ludwig Glötzle - Bildnis eines Mädchen

Michael Emonds-Alt:

Michael Emonds-Alt - Der Versehgang

Martin von Feuerstein (1856-1931):

Martin von Feuerstein - Bella Matribus Detestata - Vom Kriege (1914)

Martin von Feuerstein - Bella Matribus Detestata - Vom Kriege (1914)

Martin von Feuerstein - Bella Matribus Detestata - Vom Kriege (1914)

Martin von Feuerstein - Tod des Heiligen Bonifatius (Farbstudie)

Martin von Feuerstein - Taufe

Martin von Feuerstein - Studienkopf (Kohlezeichnung mit Weiss erhöht)

Martin von Feuerstein - S. Thomas Aquinas

Martin von Feuerstein - Prozession - Karton zu einem Glasfenster

Martin von Feuerstein - Pieta (um 1916)
am Gedächtnisaltar für gefallene Krieger in der Corpus Christi Kirche in Berlin

Martin von Feuerstein - Pieta (um 1915)

Martin von Feuerstein - Mariä Verkündung
Karton zu einem Glasfenster in der heilig Geistkirche in München

Martin von Feuerstein - Mariä Heimsuchung - Karton zu einem Glasgemälde

Martin von Feuerstein - Heiliger Burkhard (Karton Deckenbild für die Kirche des Heiligen Antonius in Padua)

Martin von Feuerstein - Heilige Odiliie und Mathilde
Karton Deckenbild für die Kirche des Heiligen Antonius in Padua

Martin von Feuerstein - Heilige Bruno und Norbert
Karton für die Kirche des Heiligen Antonius in Padua

Martin von Feuerstein - Gruppe aus der Krönung Karl des Grossen
Studie für die Kirche des Heiligen Antonius in Padua

Martin von Feuerstein - Gruppe aus der Krönung Karl des Grossen
Studie für die Kirche des Heiligen Antonius in Padua

Martin von Feuerstein - Gruppe aus dem Tod des Heiligen Bonifatius

Martin von Feuerstein - Gruppe aus dem Tod des Heiligen Bonifatius

Martin von Feuerstein - Geisselung

Martin von Feuerstein - Fischpredigt des Heiligen Antonius in Padua (Farbige Nachbildung)

Martin von Feuerstein - Exlibris

Martin von Feuerstein - Die heilige Magdalena und ihre Gefährten landen in der Provence - Mappe (1893)

Martin von Feuerstein - Der heilige Fridolin

Martin von Feuerstein - Das Gastmahl des Simon - Karton zu einem Glasfenster

Martin von Feuerstein - Christus am Kreuz - Entwurf für ein Mosiak St. Peter in Strassburg

Martin von Feuerstein - Aus der Mannlese
Teil des Karton zu einem Wandgemälde in Oberehnheim

Martin von Feuerstein - Aus der Brotvermehrung - Teil des Karton zu einem Wandgemälde in Oberehnheim

Paul Beckert:

Paul Beckert - Porträt

Paul Beckert - Doktor Georg Freiherr von Hertling

Wilhelm Bernatzik (1853-1906):

Wilhelm Bernatzik - Klosterwerkstätte

Wilhelm Bernatzik - Die Vision des Heiligen Bernhard

Wilhelm Immenkamp (1870-1931):

Wilhelm Immenkamp - Studienkopf

Wilhelm Immenkamp - Marietta (1913)

Wilhelm Immenkamp - Der barmherzige Samarither

Wilhelm Immenkamp - Betendes Mädchen -Studie

Fazit

Diese Maler sind leider fast alle in Vergessenheit geraten. Überdeckt durch den Müll des Nichtskönnertum, der heutzutage gepriesen wird. Gabriel von Hackl oder Martin von Feuerstein gehörten zu den großen Künstlern ihrer Generation. Sie waren nicht von ungefähr Professoren an der Münchener Kunstakademie und beherrschten ihren Pinsel meisterhaft. Voraussetzungen, die für die heutigen Professoren der deutschen Kunstakademien nicht mehr gelten. Womit wir wieder beim Anfang wären...

Samstag, 18. Juli 2009

Panoramareiter Roubaud

Im Folgenden möchte ich einen dritten Maler der Münchner Polenrunde vorstellen. Franz Roubaud. (Hinweis: Falls es nicht offensichtlich war. Die Informationen zu dem Münchner Polenkreis sind dem schönen Buch von Hans-Peter Bühler: Jäger, Kosaken und polnische Reiter entnommen)

Franz Roubaud - Foto (1916)

Heile Welt

Am 15. Juni 1856 erblickte Franz (getauft wurde er auf François Iwan Roubaud oder sein russischer Name Franz Alexejewitsch Roubaud) an der Schwarzmeerküste in Odessa erstmals das Licht der Welt. Sein Name ist für einen russischen Jungen nur solange ungewöhnlich, bis man erfährt, dass seine Eltern aus Frankreich eingewandert sind. Der Vater ein Kaufmann aus Marseille, die Mutter aus Clermont-Ferrand, in ihrer neuen Heimat eine erfolgreiche Modedesignerin, ausgezeichnet als Kaiserliche Russische Hoflieferanten.

In dieser wohlbehüteten, finanziell abgesicherten Welt gedeiht der kleine Spross zu einem talentvollen Reiter und begeisterten Zeichner samt erstem Zeichenunterricht im zarten Alter von 6 Jahren. Beides waren Leidenschaften, welche den Rest seines Lebens bestimmten.

Franz Roubaud - Im Tauriergebiet (1884)
Öl auf Leinwand (63,5 x 94 cm)

Ab und wieder Auf

So glücklich und perfekt ist die Welt aber nicht oft und so zerplatzte die schön leuchtende Welt der Familie Roubaud, als die geschäftlichen Dinge nicht mehr so gut liefen. Zeitweise musste Franz die Schule verlassen, konnte dann aber auf Umwegen, mit der Unterstützung eines guten Freundes der Familie, seine Gymnasialschulzeit beenden und einen Job in einer Stärkefabrik (?!) finden.

Münchner Probleme

Doch ich würde nicht über ihn berichten, wenn sein Leben in dieser Bahn weiter verlaufen wäre. Seine Freude und sein Talent beim Malen und Zeichen konnte nur durch eine ordentliche Schule der Kunst gestillt werden. Also machte sich Franz Roubaud 1877 auf nach München an die weltberühmte Kunstakademie. Carl Theodor von Piloty, Otto Seitz und Wilhelm von Dietz waren die Meister, zu denen man als junger, wissbegierige Maler pilgerte.

Carl Theodor von Piloty - Die Gründung der katholischen Liga (1854) - Ausschnitt

Roubauds Talent wurde früh erkannt und Direktor Piloty empfahl eine Begabtenförderung, um den finanziell arg Gebeutelten die Aussicht auf Fortführung seines Studiums zu ermöglichen, denn
Seine finanzielle Lage ist derart, daß er sofort seine Studien unterbrechen müßte, wenn er keine Unterstützung bekäme, was bei seinem Streben und Talent sehr zu bedauern wäre, da er in jeder Hinsicht zu empfehlen ist (Schreiben der Akademie vom 28.05.1880, unterzeichnet von Carl von Piloty)
Hin und Her

Von Erfolg gekrönt war dieses Schreiben nicht, da Roubaud zurück nach Odessa fuhr, wo eine gut dotierte Stelle als Erzieher winkte.

Doch auch dies war nicht von Dauer. 1881 zog es ihn in die Heimat seiner Eltern nach Südfrankreich und dem obligatorischen Parisbesuch.

Obwohl er vielleicht eine gewisse Verbundenheit mit dem Land seiner Vorfahren gefühlt haben mag, konnten die Eindrücke dort nicht mit München verglichen werden. Hier sah er seine Zukunft. Das war ihm klar.

Nun fühlte er sich bereit, ein Maler von Berufe zu werden. Seit einer frühen Reise nach Tiflis schwärmte er von den wilden Bergregionen des Kaukasus und seiner malerischen Menschen. Mit dieser Liebe im Gepäck gab es nur ein Atelier, wo man sich unter Seinesgleichen befand. Das sogenannte Polenatelier des Jozef von Brandt. Also hieß es Ende 1881 wieder mal auf nach München, wo er bereitwillig Aufnahme fand.

Brandtschule

Seine ersten Versuche in der Manier von Brandts wurden noch nicht angenommen wie gewünscht. Die Straße von Jarmolinzi in Podolien aus dem Jahre 1882 begeisterte natürlich von Brandt, anderer Kritiker sahen aber in der realistischen Darstellung des 'matschigen' Lebens kein malerisches Potential.

Franz Roubaud - Straße von Jarmolinzi in Podolien - Studie (1882)
Zeichnung (29 x 20,8 cm)
Aus solch Ingredienzen ein anziehendes Bild zu schaffen, ist und bleibt ein Ding der Unmöglichkeit.
Wenn man als heutiger Betrachter von solch eingeschränktem Streben nach dem Schönen und Bedeutsamen in der Kunst befreit ist, kann man die Leistung nun ohne schlechtes Gewissen anerkennen. (Was ist Kunst?)

Franz Roubaud - Straße von Jarmolinzi in Podolien (1882)
Öl auf Leinwand (85 x 150 cm)

Ein durch den polnischen Malerkreis, unter anderem Wierusz-Kowalski, immer wieder gern gepflegter Themenkreis war der Kaukasus. Roubauds erster Besuch in Kinderjahren sollte nicht sein letzter sein. So durchstreifte er 1883 und 1884 diese Region, um sein Arsenal an malerischen Motiven aufzustocken.

Franz Roubaud - In einer kaukasischen Stadt (um 1885)
Zeichnung (36,4 x 29,4 cm)

Was er von diesen Reisen mitnahm, bestimmte den Großteil seines künstlerischen Schaffens. Tscherkessen, Kosaken, Orientalen in jeder Situation und Lage. In der Stadt, auf dem Markt, im Basar, auf der Jagd, im Gefecht oder beim Spiel.

Franz Roubaud - Baiga, Nationalspiel in Samarkand (um 1906)
Öl auf Leinwand (60 x 83 cm)

Franz Roubaud - Markt in Samarkand (1884)
Öl auf Leinwand (91,4 x 56 cm)

Nichts, was dem Auge Roubauds langweilig erschien.

Franz Roubaud - Studie eines Gitarre spielenden Kosaken (um 1890)
Zeichnung (28 x 21,5 cm)

Franz Roubaud - Gitarrespielender Kosak (um 1890)
Öl auf Holz (35,4 x 22,5 cm)

Russischer Mammutauftrag

Der französische Russe, der im deutschen Reich Bilder des Kaukasus malte, war auch in Kreisen der russischen Regierung kein Unbekannter mehr und so erteilte man Franz Roubaud 1885 den Auftrag zur Ausmalung einer Ruhmeshalle in Tiflis zum Gedenken an die ruhmreichen Schlachten in dieser Region. Den Bildzyklus von 17 Gemälden wollte er mit der Unterstützung seiner Münchner Malerfreunde Rudolf Otto von Ottenfeld, Johannes Leonhard und Robert Büchtger meistern.


Johnannes Leonhard - Früh am Morgen beim Markt in Samarkand
Öl auf Leinwand (57 x 95,9 cm)

Rudolf Otto von Ottenfeld - Aus dem montenegrinischen Volksleben
Öl auf Leinwand (55,5 x 80 cm)

Der Vertrag verlangte vier Gemälde pro Jahr. Es gab also keine Zeit des Entspannens und so reiste die Malerkolonne 1886 zu Studien in den Kaukausus, um die Orte des Geschehens in sich aufzusaugen.

Franz Roubaud - Die Waschung (1885)
Öl auf Leinwand (63,5 x 90,3 cm)

Erstes Panorama

Eines dieser Gemälde behandelte den Kampf um Achulgho. Dieser Kampf um die Bergfestung faszinierte Roubaud und seine Auftraggeber sehr, denn schon bald kamen 1889 konkrete Pläne zu einem riesigen Panorama mit diesem Thema auf den Tisch. Panoramen waren vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts groß in Mode. Von den enormen Aufwänden, die hinter der Erschaffung solch eines realistisch, den historischen Tatsachen folgenden Rundgemälde stehen, berichtet Anton von Werner in seiner Biografie.


Anton von Werner und Mitarbeiter - Panorama der Schlacht bei Sedan (Ausschnitt)

So war es nur natürlich, dass Roubaud ein weiteres Team zusammenstellte, zu Studien in die Region des Kriegsgeschehens reiste, und Karten und Generalstabsberichte analysierte, um den Verlauf der Ereignisse angemessen umzusetzen.

Franz Roubaud - Studie zum Achulgho Panorama

Hierbei wurde er von seinen Kollegen Fricke, Bjärke, Jan Rosen und Hans von Bartels unterstützt und das Werk in der kurzen Zeit von fünf Monaten in München vollendet.

15 Meter hoch und 115 Meter Umfang bot dieses Riesenrundbild. Standardnorm zur damaligen Zeit. Der Grund hierfür ist simpel. Aufgrund dieser normierten Ausmaße gab es in vielen Städten Gebäude, welche auf genau diese Maße ausgerichtet waren. Deshalb war eine Städtetour der Panoramen möglich samt Erhöhung der Einnahmen.

Franz Roubaud - Studie zum Achulgho Panorama (1889)
Öl auf Leinwand (90 x 122 cm)

Die erstmalige Eröffnung am 1. Juni 1890 in der Münchner Theresienstrasse war ein voller Erfolg und die Kritiker überschlugen sich mit Lob. Kein Wunder, dass Zar Alexander III dieses Gemälde kaufte und es in verschiedenen Städten des russischen Reiches zeigte.


Franz Roubaud - Vor dem Achulgho Panorama (1890) - Foto

Goldene Neunziger

Mit diesem Panorama und seinem im selben Jahr beendeten Tiflis-Zyklus war Franz Roubaud auf der malerischen Karriereleiter oben angekommen. Die 90er Jahre waren sein goldenes Jahrzehnt. Man kannte und verehrte ihn und er errang die ein oder andere Medaille. 2. Klasse 1892 in München, die Goldene 1893 in München, die Medaille 1. Klasse in der Madrider Columbusausstellung, die Bronzemedaille auf der Weltausstellung 1893 in Chicago, eine kleine Goldene in Berlin 1895 und 1896 und 1898 die Medaille 1. Klasse in Barcelona.
So wundert es nicht, dass die Preise seiner Gemälde stiegen. 1893 kaufte beispielsweise die Bayerische Staatsgemäldesammlung für stolze 9000 Mark das Bild Im Kaukasus.

Franz Roubaud - Karawanenrast im Südkaukasus (um 1895)

Prinzenförderung

Einen bedeutenden Förderer gewann Roubaud in dieser Zeit mit dem Prinzregenten Luitpold von Bayern. Es muss sich eine kleine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt haben, denn anders ist ein 'privates' Bild wie Prinz Luitpold mit seiner Schwester der Herzogin von Modena, auf den Schären in Prien/Stock nicht zu erklären.

Franz Roubaud - Prinzregent Luitpold mit seiner Schwester der Herzogin von Modena
, auf den Schären in Prien/Stock
Öl auf Leinwand (58 x 84 cm)

Verlust und Gewinn

Am 13. Juni 1897, kurze Zeit nach einem prunkvollen Diner beim Prinzregenten im Rahmen der VII Internationalen Kunstausstellung in München, verstarb Roubauds Ehefrau Katharina (geb. Keller). Der Künstler war nun mit seinen drei Kinder alleine gestellt, hatte habe das Glück, nach zwei Jahren sein neues Glück mit Elsa Haberl zu finden, die er am 3. Juni 1899 heiratete und mit ihr nochmals vier Kinder bekam.

Eine große Ehre wurde dem Maler Roubaud 1901 in seiner russischen Heimat zuteil, als sich in Moskau eine Einzelausstellung mit 25 Gemälden, Zeichnungen und Aquarellen seinem Schaffen widmete. Man umschmeichelt ihn und sah in ihn den Maler, welche die russische Vergangenheit angemessen umsetzten konnte.

Zweites Panorama

Deshalb wundert es nicht, das gerade ihm 1901 vom Zaren Nikolaus II der Auftrag zu einem weiteren monumentalen Rundgemälde, der Verteidigung von Sewastopol erteilt wurde, samt Verleihung des Ordens des Heiligen Stanislaws 2. Klasse im folgenden Jahr. Roubauds Umsetzung soll sich an Tolstois Erzählungen zu diesem Thema angelehnt haben, der direkte Austausch mit dem berühmten Dichter blieb ihm jedoch wegen gesundheitlicher Probleme Tolstois verwehrt.
Dargestellt wird der 6. Juni 1855, als den russischen Verteidigern ein Sieg gegen die europäischen Belagerer gelang.


Franz Roubaud - Belagerung Sewastopol (1905) - Panorama Ausschnitt

In typischer Manier, mit Studien, Befragung der Veteranen und Lektüre der zeitgenössischen Schlachtberichte, wurde das Projekt von Roubaud und seiner Mannschaft 1904 in München vollendet.
Unterstützt haben ihn hierbei die Maler Leopold Schönchen, Oskar Merté, Karl H. Frosch und 20 weitere Studenten der Münchner Akademie.
Die Ausmaße waren wieder einmal die bekannten 14 x 115 Meter, erstmals ausgestellt im Jahre 1905. Im 2. Weltkrieg gelang es nur mit viel Glück, 86 Einzelteile des Gemäldes vor dem Bombardement der deutschen Truppen zu schützen. 1954 wurde das restaurierte Panorama wieder eröffnet und ist noch heute zu besichtigen. Die Webseite der Panoramagesellschaft liefert reichlich Informationen hierzu.

Wunderbar ist auf dem folgenden Bild der für ein Panorama typische nahtlose Übergang zwischen dem gemalten Panorama (dem Pferd) und dem Vordergrund (faux terrain), der aus echten Gegenständen (dem Wagen) besteht, zu sehen.

Franz Roubaud - Belagerung Sewastopol (1905) - Panorama Ausschnitt

Professor mit Verspätung

Das russische Reich wollte Roubaud noch weiter an sich binden und bot ihm 1903 die Professorenstelle für Schlachtenmalerei der St. Petersburger Akademie an, welche er auch voller Dank annahm.
Ich bin unendlich glücklich über diese Ernennung, obwohl es mir schwer fällt, München zu verlassen, wo ich genau 26 Jahre verbracht habe.
Ganz so eilig hatte er es am Ende doch nicht, denn erst 1908 trat er die Stelle wirklich an, aufgehalten vielleicht nicht nur durch die russische Revolution.
Wie dem auch sei, von 1908 bis 1911 lehrte Roubaud an der St.Petersburger Akademie.

Drittes und letztes Panorama

Ab 1911 war keine Zeit mehr für den Lehrunterricht, denn es sollte wieder ein gigantisches Panoramaprojekt von Roubaud gemalt werden, die Schlacht von Borodino. Rechtzeitig zum 100 Jahrestag des Geschehens musste es vollendet werden und deshalb trat Roubaud als Professor zurück, um sich voll und ganz dem neuen Panoramas zu widmen. Das Resultat ist noch heute zu besichtigen ist.

Franz Roubaud - Schlacht von Borodino (1912) - Panorama Ausschnitt

Franz Roubaud - Schlacht von Borodino (1912) - Panorama Ausschnitt


Münchner bis zum Schluss

Roubaud blieb nach den Wirren des 1.Weltkriegs seiner Wahlheimat treu und verstarb am 11. März 1928 in München. Bis zuletzt war in seinen 'normalen' Gemälden der Kaukasus ein Lieblingsthema.

Franz Roubaud - Auf der Falkenjagd (1919)
Öl auf Leinwand (61 x 82 cm)

Einige Motive hat er immer wieder gerne verwendet. So ist die Flussüberquerung von Tscherkessen in vielen Varianten bekannt.

Franz Roubaud - Tscherkessen überqueren einen Fluß (um 1890)
Öl auf Leinwand (59 x 83,2 cm)

Franz Roubaud - Flußübergang (1912)
Öl auf Leinwand (60,5 x 92,5 cm)

Franz Roubaud - Tscherkessen queren einen Fluss im Abendrot

Fazit

Soviel zum dritten und letzten der aktuell von mir vorgestellten Maler der Münchner Polenrunde. Die Bilder dieser Schule sind oft sehr ansprechend, dynamisch komponiert und mit ihrer für den Westeuropäer fremdartigen Welt sehr anziehend. Malerisch sind sie mir manchmal zu halbgar, zu impressionistisch, nicht vollendet genug, um den Blick länger an einem Bild zu halten. Aber dies ist Geschmacksache und ihr Können unbestritten.

Franz Roubaud - Auszug des Fürsten zur Jagd (um 1890)
Öl auf Leinwand (61 x 92 cm)