Sonntag, 21. Dezember 2008

Anton von Werner (Teil 1)

Anton von Werner, wer?


Wer soll das denn sein, kenne ich nicht. Diese Antwort würde man wohl von den meisten Deutschen erhalten. Und was man nicht kennt, ist ja, wie das Sprichwort sagt, nichts.
Dass dieser Mann aber einer der größten deutschen Maler aller Zeiten und eine der führenden Persönlichkeiten des deutschen Kunstlebens im 19. Jahrhunderts war, ist in der Regel unbekannt.
Dürer hat man wohl schon gehört, dann gibt es da noch Beuys oder wie der heißt. Dieser Immendorf war auch öfter in den Schlagzeilen, der muss wohl auch was sein, aber sonst gab es wohl keine nennenswerten Künstler aus dem deutschsprachigen Raum. Würde man ja kennen...

Bekanntes Gemälde


Anton von Werner: Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches (1885)
Öl auf Leinwand - 167 x 202 cm
Auch, wenn man noch nichts von ihm gehört hat, kennt man vielleicht ein Gemälde von Anton von Werner, wahrscheinlich die Krönung Kaiser Wilhelm I in Versailles (Titel: Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches).
Das Bild lädt zu einer Zeitreise ins Jahr 1871 ein, zu dem Augenblick der Ernennung des preußischen Königs zum deutschen Kaiser. Die inoffizielle Geburtsstunde der deutschen Nation. Das Gemälde ist so perfekt gemalt, dass es dem heutigen Auge mehr wie ein Foto, denn als eine malerische Erweckung eines geschichtlichen Geschehens erscheint. Die Personen wirken trotz ihres Ernstes und ihrer Andacht lebendig. Das kann in dieser wirklichkeitsnahen Form nur von einem großen Meister auf die Leinwand gebracht werden, da jeder falsche Strich offensichtlich wäre.
Ihre Helme und Säbel glänzen im Licht des Saals, die Falten des Teppichs umrahmen gekonnt das Podest, der Marmor der Wände ist eines Alma-Tadema würdig und die realistischen Porträts der bärtigen Männergesellschaft sind alle lebensnah dargestellt.
Wie der wirkliche Vorgang genau aussah, weiß keiner mehr, da es keine Fotos von der Veranstaltung selber gibt, nur ein paar Gruppenfotos davor oder danach. Von Werner benutzte verschiedene künstlerische Gestaltungskniffe, um sich und seinen Auftraggeber zufrieden zu stellen und ein Kunstwerk von höchster Meisterschaft zu erschaffen, welches dieses geschichtliche Ereignis besser als tausend Worte auferstehen lässt. Denn auch wenn man nur mit einem müden Lächeln die Monarchie jener Tage betrachtet, sollte man dadurch seinen Blick nicht trüben lassen. Man öffne die Augen und siehe vor sich einen genialen Maler, den ich im Folgenden näher vorstellen möchte. Anton von Werner.

Autobiographie

Photo: Anton von Werner in seinem Atelier (1866)

Wer ist dieser Maler, der mit den Großen seiner Zeit verkehrte und den auch die Kleinbürger kannten? Die Jahre bis 1870 schildert er in seiner Autobiographie Jugenderinnerungen, welche überraschenderweise (ich habe vorher die Kunstansichten von Johann Gottfried Schadow gelesen...) sehr flüssig und gut zu lesen sind.
Dabei tritt einem ein Mensch entgegen, der eine für seine Position ungewöhnliche, leicht ironische Art hat. Ein Mensch, der die Leiter nach ganz oben von weit unten erklommen hat, und aufgrund seines großen Talents und seiner angenehmen Art im schnellen Tempo aufstieg. Seine Abneigung gegen die neueren, katastrophalen Kunstströmungen seiner Zeit macht ihn um so sympathischer.

Kindheit (1843 - 1857)

Geboren wurde er im Jahr 1843 in eine adelige, aber zu jener Zeit nicht mehr wohlhabende Familie zu Frankfurt an der Oder. Er erlebte eine ruhige und schöne Kindheit, aber die strenge Hand des Vaters, der sein Brot nicht mehr als hoch angesehener Offizier, wie seine Vorfahren, sondern als fleißiger, einfacher Handwerker verdienen musste, war immer zu spüren. Schön zu lesen ist seine Beschreibung des Vaters:
Mein Vater hatte keinerlei Veranlassung, dem Schicksal gerade Dank- und Lobeshymnen für das Los zu singen, das es für ihn gezogen hatte, aber er hatte sich damit abgefunden und war mit Puff und Knuff in harter Arbeit durchs Leben gekommen. Seine Gemütsart war dadurch freilich nicht sonderlich nach der zarten und weichmütigen Seite hin entwickelt, also daß meine Erziehung auch nicht gerade auf eine weiche Molltonart abgestimmt war, sondern ich befand mich häufig einem bedenklichen väterlichen capricio furioso in Dur gegebenüber, aus dem mich nur das Eingreifen meiner engelsgleichen Mutter zuweilen errettete.
In der Schule war er gut und das Zeichnen machte ihm, wie nicht anders zu erwarten, viel Spaß.

Ausbildung (1857 bis 1859)

Mit 14 Jahren, also 1857, war seine Schulzeit zu Ende und sein Vater schickte ihn in die Handwerkslehre. Stubenmaler (Ornamente und Bilder in Innenräumen) sollte er werden und wurde es auch. An seinem ersten Ausbildungsplatz wurde er als billige Arbeitskraft schamlos ausgenutzt, aber nach einem Stellenwechsel legte er in der Lehrzeit die Grundlagen für seinen späteren, großen Erfolg.
Eine Ausbildung im Handwerk ist, wie heutzutage auch, keine Schmusezeit, und so wurde er, wie er freimütig bekennt, zu Beginn unter anderem wegen seines adeligen Namen von den Älteren gehänselt. Aber diese Schule des Lebens härtete ihn nur ab.
Die Arbeit selber sah er in rosigen Farben,
als etwas Hohes und Heiliges,

berichtet aber auch, im witzigen Kontrast dazu, von der anderen Art des Blickwinkels der anderen Gehilfen:
"Wer die Arbeet erfunden hat, der verdiente heute noch gehenkt zu werden!" Oder "Arbeet macht det Leben scheene - sauer!" Oder "Na, heute könnte der Tag ooch mit dem Feierabend anfangen"
Kunstakademie Berlin (1860-1862)

1959 beendete er seine Lehre und es war klar, dass er Kunstmaler werden wollte. Mit der Empfehlung seines Oberbürgermeisters Piper studierte er von 1860 bis 1862 an der Berliner Kunstakademie.
Diese Jahre sah er im Nachhinein als verlorene Zeit an. Gelernt hat er dort nicht viel. Das meiste konnte er vorher schon.
So beschreibt er die Art zu Korrigieren des Professors Herbig folgendermaßen:
Als ein Schüler ihn fragte:"Malt man die Lichter (beim Kopfmalen) eigentlich kalt und die Schatten warm?", antwortete Herbig mit salomonischer Weisheit:"Ja, sehn Sie, det is so'ne Sache, der Eene machts so und der Andere umgekehrt, und et jeht ooch."
Passend dazu ist auch die Beschreibung eines Wettbewerbs der Kompositionsklasse, der dadurch beendet wurde, dass die Frau des Kastellans (Aufsichtsbeamter, also jemand wie Tom Gerhard als Hausmeister Krause) die Atelierräume im Dachgeschoss zum Aufhängen ihrer Wäsche gebrauchte.

Kunstakademie Karlsruhe (1862-1866)

So reifte in ihm bald der Entschluss, Berlin den Rücken zu kehren und, aufgrund einer Empfehlung von Professor Adolph Schroedter, nach Karlsruhe, an die dortige Akademie zu wechseln. Mit Schroedter verband ihm schnell eine aufrichtige Freundschaft und bald auch mit der Familie des Direktors der Kunstschule, dem weltberühmten Carl Friedrich Lessing. Von diesem hat er, nach eigenem Bekunden, allein in ihren Gesprächen mehr über die Kunst gelernt, als in allen praktischen Vorlesungen zusammen.
Das kleine, übersichtliche Karlsruhe kam seinem Naturell sehr entgegen. Es war eine familiäre Atmosphäre, in der viel diskutiert, musiziert, aufgeführt und politisiert wurde.
Neben Persönlichkeiten aus dem kulturellen und politischen Leben der Badener Gesellschaft, lernte er in diesen Jahren damals schon bekannte oder später bekannt gewordenen Maler wie Feodor Dietz, Ludwig Knaus, Moritz von Schwind, Ferdinand Keller, Hans Thoma, Arthur von Ramberg oder Emanuel Leutze kennen.


Anton von Werner: Gemäldeentwurf zum 30ten Geburtstag Osterroths (1866)
Bleistift
Teilweise war sein Kalender unter anderem wegen der Proben der verschiedensten Geburtstagsfeiern seiner vielen Bekannten so voll gestopft, dass er kaum Ruhe hatte, seine eigenen Bilder, so wie gewünscht, weiter zu entwickeln.

Reisen
In all den Jahren reiste er häufig durch die Länder des Deutschen Bundes. So besuchte er Leipzig, Weimar, Dresden, und auch München, Stuttgart, Worms oder Köln. Ein kurzer Besuch 1865 von Paris, seiner ersten Auslandsstation, hinterließ keinen wirklich begeisterten Eindruck bei ihm. Von Werner war enttäuscht von der großen Stadt. Außer Notre-Dame und dem Louvre hat er nicht viel Positives zu berichten. Von den Malern beeindruckten scheinbar nur Meissonier und Delacroix, da er nur sie erwähnt.

Anekdoten
Schön zu lesen sind kleine Anekdoten aus dieser Zeit, die seine Gelassenheit und seine humorvolle, unkomplizierte Art widerspiegeln.
Eine handelt von der Reise zum Weimarer Künstlerfest 1863, bei der er, aufgrund eines außerplanmäßigen Aufenthalts, in Frankfurt übernachten musste. Gemeinsam mit einem älteren, ihm bis dahin unbekannten Mann, macht er sich auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit in der ziemlich überfüllten Stadt.
Wir fanden endlich in einer Bierwirtschaft ein Zimmer mit zwei Betten im Dachgeschoß, dessen Tür aber kein Schloß hatte, während das Fenster nicht zu schließen war, weil man eine mächtige schwarz-rot-goldene Fahne hinausgesteckt hatte; außerdem krachte in der Nacht noch mein Bett zusammen, und ich fiel hinaus. Es war recht gemütlich und ich dachte: diese Vergnügungsreise fängt gut an.
Eine andere schöne Geschichte ist die Beschreibung des Dichters Dr. Wilhelm Jordan, der den Tick hatte, zu jeder Zeit und immer wieder sein Nibelungenepos Siegfrieds Tod vorzutragen.
...als ich eines Nachmittags bei Scheffel war und Herr Dr. Wilhelm Jordan gemeldet wurde. Scheffel machte ein bedenkliches Gesicht und meinte: "Er wird doch nicht?"... aber schon war er in der Tür; mit rotseidener, flattender Krawatte, aber ohne Manuskript - wir atmeten auf, aber zu früh. Denn verbindlich lächelnden Antlitzes erklärte er - während Scheffels immer länger wurde -, daß er jetzt nicht mehr lese sondern rhapsodiere und uns nun Siegfrieds Tod als Rhapsode vortragen würde. Scheffels dringender Hinweis auf einige Flaschen echten Nürnberger Biers, die er im Keller habe und deren Inangriffnahme für die herrschende Temperatur und die gerade dafür passende Tageszeit besonders empfehlenswert erschiene, bliebt zunächst wirkungslos. Scheffel ergab sich wohl oder übel schließlich dem Verhängnis und ließ, neben Jordan auf dem Sofa sitzend, mit halbgeschlossenen Augen Angstvoll Siegfrieds Tod über sich ergehen.
Politische Spannungen
Das angenehme, familiäre Klima in Karlsruhe erkaltete seit dem Jahre 1865. Grund waren die nicht zu übersehenden Spannungen im Deutschen Bund, zwischen den kleindeutsch preußischen Anhängern und der meist großdeutschen Österreich-Fraktion, der auch Baden angehörte. Dies führte 1866 zu einer offenen Feindschaft zwischen den anwesenden fremdländischen Künstlern (also der großen Nichtbadener-Künstlerkolonie, zu der der Preuße Anton von Werner genauso gehörte wie Lessing oder Schroedter) und den Badener, angeführt durch den Wiener Hans Canon.
..., und Direktor C.F. Lessing lud alle seine Freunde ein, wenn es zum schlimmsten kommen, sich mit ihm in seiner Amtswohnung zu verbarrikadieren, wo er Schießzeug und Munition in Hülle und Fülle habe...
Zu Kriegsausbruch 1866 spitze sich die Lage zu, aber zum Glück eskalierte die Situation nicht aufgrund der schnellen Beendigung des Kriegs.

Erfolge
Aus künstlerischer Sicht erzielte er 1866 seine ersten großen Erfolge.


Anton von Werner: Kompositionsskizze zum Michael-Beer Stipendium : Josephs Wiedersehen mit seinem Vater in Ägypten (1866)
Bleistift laviert

So gewann er an der Berliner Akademie ein Stipendium der Michael-Beer Stiftung, verbunden mit einem einjährigen Aufenthalt in Italien, den er 1868 antrat. Zur Vorbereitung dieser Reise nahm er Italienisch-Unterricht, welches neben Französisch seine zweite Fremdsprache wurde.

Anton von Werner: Luther vor Cajetan (1865)
Öl auf Leinwand - lebensgroße Halbfiguren

Auf der großen Akademieausstellung 1866 in Berlin wurde sein Bild Luther vor Cajetan preisgekrönt.
Es lief also nicht schlecht für den 23-jährigen jungen Maler und im folgenden Jahr 1867 galt er schon als so beachtenswert, dass eines seiner Bilder bei der Weltausstellung in Paris akzeptiert wurde. Davon später mehr...

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