Montag, 18. Februar 2013

Donato Giancola - Und der Sieger ist...

Wettbewerbe sind so alt wie die Menschheit selber. Es gibt sie in allen Variationen. Gesucht ist der stärkste Mensch, das schnellste Auto, der beste Fußballer, die schönste Frau oder der virtuoseste Klavierspieler. Die bildende Kunst spielt hierbei natürlich keine Ausnahme. Als Beispiel hierfür sei nur die Geschichte aus dem Altertum über den Vorhang des Pharassios genannt.

Wie es der Zufall will, findet gerade der größte Malwettbewerb unserer Zeit statt. Eine Pflichtveranstaltung, an der jeder Künstler automatisch mit all seinen Bildern teilnehmen muss. Der Juror wählt ein Bild, welches er als das Beste unserer Generation ansieht. Das Gemälde mit den meisten Stimmen wird Sieger dieses Wettbewerbs sein.

Säßest du auf den Richterstuhl, könntest du dich entscheiden? Ich schon, auch wenn ich mit meiner Wahl allein auf weiter Flur stehen würde. Denn nicht nur eine Jury, sondern auch der Maler selber fällt mir in den Rücken. Warum, werden wir später sehen.

Donato Giancola - Mystic and Rider II (2005) - Öl auf Papier auf Leinwand (55,9 x 76,2 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Meine Wahl

Meine Wahl fällt auf ein Bild des US-amerikanischen Malers Donato Giancola, der mir freundlicherweise erlaubt hat, seine Bilder zu verwenden.

Aufstieg

Der 1967 geborene Künstler fand, wie so viele seiner Vorgänger, den Weg zur Malerei erst im zweiten Anlauf. Schon als Kind war seine Zuneigung zur Kunst offensichtlich, er zeichnete und bastelte für sein Leben gern. Doch wollte er zuerst etwas 'vernünftiges' lernen und begann ein Studium der Elektrotechnik.
Nach zwei Jahren reifte jedoch der Entschluss, seinem Leben eine ganz andere Richtung zu geben. Er wollte Maler werden. Keiner dieser Idealisten, die nur von Liebe und Luft für ihre Passion leben, sondern sein Künstlerleben sollte auf soliden Beinen stehen. Deshalb strebte er den Magister-Abschluss einer Universität an, um danach sein Glück als Buchillustrator zu finden.

Er widmete seinem Traum die volle Energie und sog alles auf, was er über Malerei lernen konnte. Sei es durch Selbststudium, die geliebten Museumsbesuche oder durch Assistenz des Künstlers Vincent Desiderio. 8 bis 10 Stunden malen am Tag war keine Seltenheit und Schritt für Schritt verbesserten sich Giancolas Fähigkeiten. Die ersten Aufträge für Buchcover-Illustrationen trudelten ein, und der Aufstieg zu einem der weltweit bekanntesten und gefragtesten Illustratoren für Science-Fiction und Fantasy begann.

Donato Giancola - Joan of Arc (2012) - Öl auf Papier auf Masonite (61 x 106,7 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Diese und viele Informationen mehr kann man seiner Webseite http://www.donatoart.com entnehmen. Dort tritt er als selbstbewusster Künstler auf, der an sein Revers geheftet hat, die Malerei der alten Meister, kombiniert mit modernen Einflüssen, ins 21. Jahrhundert zu hieven. Kein geringer Anspruch, aber die Marketing-Trommel muss im Haifischbecken des Kunstmarkts gerührt werden.
Ein besonderes Anliegen ist ihm, sein Wissen den nachfolgenden Generationen zu vermitteln. So unterrichtet er aktuell an zwei Kunstschulen, veröffentlicht Lehr-DVDs und ist Gast bei vielen Workshops.

Medienblindheit

In Deutschland würde Giancola in den Medien entweder ignoriert oder verrissen werden. Denn mit ihm verbindet man vieles, was diese sogenannten Fachleute verachten. Drei Punkte möchte ich als Beispiel nennen. Illustration, Fotografie und Detailarbeit. Das sind alles Schlagwörter, die als sicheres Kriterium gelten, keine (große) Kunst vor sich zu haben.
Ein Illustrator wird von seinen Auftraggebern gelenkt und hat keine Freiheit, sein künstlerisches Ich zu entfalten.
Die Maler haben den Wettkampf mit der Fotografie verloren und müssen andere Ausdrucksmöglichkeiten finden.
Detailarbeit vernichtet das spontane, lebendige Empfinden.

 

Illustration

Wenn Auftragsarbeiten keine Kunst wären, könnte ein Großteil der Gemälde aus den Annalen der Malerei gelöscht werden. Der berühmteste Illustrator biblischer Geschichten, Michelangelo, würde nach dieser Maßgabe der Antikünstler schlechthin sein. Hineingezwängt in die Pläne seiner Auftraggeber, Hintanstellung eigener Ideen, arbeitend in einem Medium, welches ihn nicht behagte. Trotzdem werden die Fresken in der Sixtinischen Kapelle als Meisterwerke betrachtet.

Warum ist es für viele nur so schwer vorstellbar, dass ein Illustrator ein vorgegebenes Thema als Aufgabe betrachten und zu seinem eigenen machen kann? Auch wenn der grobe Rahmen aufgrund der Handlung eines Buchs vorgegeben ist, gibt es Millionen Wege, diesen zu füllen. Sowohl in der technischen Umsetzung als auch der Darstellung. Welcher Handlungspunkt, welche Personen, welche Perspektive, welche Farbgebung, welche Beleuchtungsregie, welcher Gesichtsausdruck und so weiter und so fort.

Donato Giancola - Eric Bright-Eyes Triptych - Mitte (2001) - Öl auf Leinwand (insgesamt 172,7 x 86,4 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Fotografie

Mich wundert es immer wieder, warum Museen der modernen Kunst dem Foto- und Hyperrealismus Platz einräumen, alle anderen Sparten des Realismus aber ausklammern. Dabei sind doch gerade dort die größten Schätze zu finden. Fotorealismus ist aufgrund des technischen Könnens zwar Kunst, nur langweilt sie aufgrund ihrer zu großen Nähe zur Fotografie.

Diesen 'Fehler' begeht Giancola jedoch nie. Er verwendet fotografische Studien als Arbeitserleichterung, bindet diese aber immer in seine Gesamtkomposition ein. Man hat nie den Eindruck, vor einem Schnappschuss zu stehen, den jemand gerade per Kamera eingefangen hat. So entsprechen seine Porträts selten dem 0815-Standardschema, sondern haben immer etwas Ungewöhnliches, Überraschendes zu bieten, so wie im folgenden Bild die bewegende Kartenlandschaft.

Donato Giancola - Cartographer: Claudia Rodriguez (2005) - Öl auf Papier auf Masonite (55,9 x 43,2 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola


Eine weitere Spezialität Giancolas, die ihn Meilenweit vom trockenen Fotorealisten abhebt, sind die spektakulären und ungewohnten Blickwinkel, mit denen er den Betrachter aus seinem gewohnten Seh-Alltag zerrt und ihn mitten in das Geschehen wirft.

Donato Giancola - Farseekers (1999) - Öl auf Leinwand (68,6 x 81,3 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Manche seiner Bilder sind barock-überladen, das Auge weiß kaum, wo es hinschauen soll, der Kampf ist in vollem Gange.

Donato Giancola - Faramir at Osgiliath (2003) - Öl auf Leinwand (139,7 x 94 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Andere Bilder sind dann jedoch fast kontemplativ, der Sturm ist vorbei und der Künstler zeigt einen kurzen Moment der Ruhe.

Donato Giancola - The Golden Rose (2007) - Öl auf Leinwand (91,4 x 121,9 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Detailarbeit

Die persönlichen Empfindungen des Künstlers sollen bei zu großer Detailarbeit verloren gehen, das Bild wirkt steril. Mit dieser Floskel habe ich im Zusammenhang mit der Malerei noch nie viel anfangen können. Eine Skizze soll spontan sein und Möglichkeiten aufzeigen. Doch Liebe und Begeisterung zeigt sich erst in der Freunde, ein Thema zu vertiefen und es von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Dies kann nicht immer schnell-schnell gehen, sondern verlangt Leidenschaft, Arbeit und Kreativität. Oder, wie es Giancola so schön gewichtet:
51.5% Fantasie, 47.5% Recherche, 1% Diebstahl

Gerade die minutiöse Detailversessenheit der großen Meister hat oft zu schönen Anekdoten geführt:
  • Während der Entstehung seines Gemäldes The Roses of Heliogabalus kaufte Alma-Tadema täglich eine Unmenge Rosen, um jedem Blatt das frische Leben einzuhauchen.
  • Ein Model Adolf Menzels fiel in Ohnmacht, weil der Meister ihn stundenlang in einer unmenschlichen Position verharren ließ. 
  • Giancola hat zum Glück nur einen Fisch auf seinem Gewissen, der aber zum Glück, so die Gerüchte, schon vorher tot gewesen sein soll. Leider musste er seine letzte Ruhe schwitzend unter einer Wärmelampe, zum Wohle der Kunst, verbringen
Den typischen Entstehungsprozess seiner Illustrationen beschreibt der Künstler in mehreren Interviews detailliert, zum Beispiel hier oder hier.
  1. Fachliche Vorbereitung (Betrachtung des Thema aus vielen Blinkwinkeln)
  2. Grobe Skizzen in Bleistift  (Ideengewinnung zur Beleuchtung und Komposition)
  3. Ein bis drei Skizzen zur Vorlage beim Auftraggeber
  4. Sammeln von Gegenständen, fotografische Referenzen und eigene Aufnahmen
  5. Erstellung einer Zeichnung im Originalformat des späteren Bildes
  6. Kopie der Vorzeichnung auf Baumwollpapier und Befestigung auf einer Mansonit-Platte.
  7. Farbstudien
  8. Umsetzung des Ölbildes und gegebenenfalls Korrektur der Vorlage

Geniestreich

Giancolas Gemälde sollen als eigenständige Kunstwerke unabhängig von der Buchvorlage bestehen.
Dies ist bei seinem Meisterwerk The Archer of the Rose mit Sicherheit auch gelungen. Ich kenne das zugehörige Buch nicht, aber es ist für die Wertschätzung des Bildes auch nicht von Belang.

Donato Giancola - The Archer of the Rose (2008) - Öl auf Papier auf Leinwand (91,4 x 61 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Ich habe das Bild schon viele Male betrachtet und bin immer noch begeistert von der genialen Komposition und Bildwirkung. Jeder Zentimeter dieses Bildes ist mit Leben gefüllt, man spürt förmlich die Energie des Kampfes. Durch die geschickt inszenierte Blickrichtung entlang der Diagonalen wirkt das Bild aber keineswegs chaotisch.

Donato Giancola - The Archer of the Rose - Ausschnitte (2008) - Öl auf Papier auf Leinwand (91,4 x 61 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Donato Giancola - The Archer of the Rose - Studie (2008) Copyright 2013 Donato Giancola

Die aus der Phalanx der glänzenden Schilder herausragenden Kämpferinnen, welche nach rechts oben zum imaginären Feind blicken, sind bewegend gemalt. Es ist der Moment dargestellt, bei dem in all dem Lärm des Gefechts ein Augenblick der Stille herrscht und der hell erleuchtete Pfeil der Bogenschützin den Anführer der Feinde besiegen wird.

Donato Giancola - The Archer of the Rose (2008) - Wechsel zwischen Vorzeichnung und Original            Copyright 2013 Donato Giancola

Geschmacksache

Dieses Bild wurde wohl zum ersten Mal im ARC Salon von 2008-2009 ausgestellt, aber dort als nicht auszeichnungswürdig erachtet. Auch Giancola selber sieht ein ganz anderes Gemälde als sein bedeutendstes Werk an, THE HOBBIT: EXPULSION.
Doch ich stehe hier und kann nicht anders, meine Stimme für das Opus Magnum unserer Generation geht an The Archer of the Rose :-)

Samstag, 2. Februar 2013

Cesar Santos - Gegensätze ziehen sich an, Teil 2

Weiter gehts mit dem zweiten Maler der Gegensätze (er hat mir freundlicherweise erlaubt, seine Bilder zu verwenden), der diese Bezeichnung ausnahmsweise wirklich verdient hat.

Cesar Santos - Out of the Square (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Piet Mondrian

Räumliche Gegensätze

Ich finde die Idee schön, abstrakte und realistische Malerei zusammen in einem Raum auszustellen. Nicht für die ganze Sammlung des Museums, das wäre zu unstrukturiert. Aber in einem einzelnen Bereich die Gegensätze aufeinanderprallen zu lassen, wäre spannend zu beobachten.

Cesar Santos - En Plain Air Painting (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

"Das kann man doch nicht machen", sagt vielleicht mancher Vertreter der modernen Kunst. Das wäre ungerecht, hier Äpfel mit Birnen zu verglichen. "Warum nicht?" wäre meine Antwort, es soll sich doch in beiden Fällen um große, bedeutende Malerei handeln, da braucht doch niemand den Vergleich zu scheuen. Oder doch?

Angst nie gekannt

Jemand, der vor diesem Raum bestimmt keine Angst hätte, ist Cesar Santos. Tauchen wir für einen Moment in seine Gedankenwelt ein.

Cesar Santos - Babysitter (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Wer bist du? Wie ist dein Leben verlaufen? Warum ist es so verlaufen? Wo waren die Wendepunkte? Wer hat dich beeinflusst? Welche Kräfte waren im Spiel?
Um diese Fragestellungen dreht er sich immer wieder und die Antwort darauf hat, wie wir sehen werden, auch seine Kunst maßgeblich beeinflusst.

Mehr Sein als Schein

Der Maler wurde Anfang der 80er in Kuba geboren und lebt heute in den USA. Wie sich sein Leben und seine Kunst entwickelte, beschreibt er ausführlich in einem Vortrag, der bei YouTube in 6 Teilen zu sehen ist (wer es gerne kurz und prägnant hat, hier ein anderes Video).

Cesar Santos - Dancing With Mr. Bacon (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Francis Bacon

Es tritt einem ein Mensch entgegen, der auf den ersten Blick typische Klischees eines Künstlers bedient (Zotteliger Bart, philosophische Aura, bestimmt in seiner eigenen Welt lebend), diese Bedenken jedoch schnell mit einem schelmischen Blick beiseite schiebt. Und siehe da. Man hat einen sehr sympathischen, mit beiden Beinen im Leben stehenden Maler vor sich, der seinen Werdegang Schritt für Schritt seziert.

Die Gegensätze, mit denen er konfrontiert wurde, werden hierbei schnell deutlich. Man sieht, dass er diese verschiedenen Strömungen nicht bekämpft, sondern versucht hat, zu vereinen. Syncretism ist das Schlagwort, mit dem er dies beschreibt. Hört sich hochtrabend an, aber hiermit ist etwas ganz einfaches gemeint: Die Kombination sich auf den ersten Blick ausschließender Aspekte. Und damit hat er in seinem Fall den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen.

Cesar Santos - Mazazo de gracia (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Was tun sprach Zeus

Schon in frühster Kindheit zeigte sich seine Leidenschaft fürs Zeichnen und Malen. Gefördert wurde er von seiner Mutter und einem Onkel, ein in Kuba sehr bekannter Maler abstrakter Gemälde. So wie er sollte Cesar malen und keine Zeit mit seinen so geliebten, naiv realistischen Versuchen verschwenden.

Cesar Santos - Farfalline della Notte (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: sein Onkel (Name?)

Dies hörte er immer wieder, es konnte ihn aber nie ganz überzeugen. Er wollte Dinge nicht nur andeuten, sondern sie in ihrem ganzen Glanz darstellen. Die technischen Fähigkeiten fehlten ihm noch, aber die Motivation blieb trotz Widerstände bestehen.  
Das alles interessierte seinen Vater aber wenig. Er hatte andere Pläne mit seinem Jungen. Cesar war zu weich und sollte Boxer werden, um den harten Realitäten des Alltags wie ein Mann entgegentreten zu können.

Was tun sprach Zeus, dachte der Kleine wohl manches Mal und ahnte selber nicht, dass er letztendlich allen Genüge tat und doch seinen eigenen Weg ging. Er wurde professioneller Künstler, malte wie sein Onkel manches Mal abstrakt (aber zum Glück, wie wir sehen werden, ist er kein abstrakter Maler) und stieg gelegentlich in den Boxring.

Cesar Santos - The Fixed and The Mobile (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Kazimir Malevich

Wanderer zwischen den Welten

Damit er eine bessere Schulbildung genießen konnte, wanderte seine Familie in die USA aus. Zu Hause waren die Möglichkeiten für den kleinen Sprössling zu beschränkt. Die Aussichten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war einfach zu verlockend. So machten sich die Santos auf in den Norden.

Cesar Santos - Figure re-Kline-ing (Ausschnitt)
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Franz Kline
Hier kam er zum ersten Mal mit den Gemälden der großen Meister in Berührung und es reifte die Entscheidung, diesen nachzustreben. Seine Familie verkaufte ihr Haus, um Cesar eine Ausbildung in Europa zu ermöglichen. Die bekannte Angel Academy of Art durchlief er im Rekordtempo, besuchte das Repin-Institut in St-Petersburg, unterrichtete später u.a ein Jahr in Stockholm und zog am Ende seiner Reise wieder zurück in die Staaten nach New York. Die Wurzeln zu seiner Heimat Kuba hat er, wie man den Äußerungen entnehmen kann, während der ganzen Zeit nie verloren.

Stilfindung

Die notwendigen handwerklichen Fähigkeiten hat er auf diesen Reisen perfektioniert, doch wie findet man seinen eigenen Stil, wie findet man sich selber? Da gibt es keine Hilfe von außen, das muss von innen kommen. Und Santos fand seinen Stil, den er so treffsicher mit Synkretismus beschreibt. Sein Leben war von Gegensätzen bestimmt
  • Kuba - <-> USA,
  • Kunst - <-> Boxen, 
  • Abstrakt -<-> Realistisch, 
warum soll er diese nicht auf seine Kunst übertragen.

Cesar Santos - Restorers (Ausschnitt)
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Im wahren Leben hat er diese Gegensätze akzeptiert und gemeistert. Und so kam er auf die simple aber geniale Idee, abstrakte und realistische Malweise in einem Bild zu vereinen. Mit 'abstrakt' ist in diesem Zusammenhang nicht nur die abstrakte Malerei an sich gemeint, sondern alle Strömungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, welche das handwerkliche Können immer weniger schätzten und Skizzen in den Status fertiger Bilder hoben. Hierbei zitiert er Werke berühmter (natürlich aus meiner Sicht bei den meisten völlig unverdient) Maler wie Picasso, Malevich, Kline, van Gogh, Warhol, Mondrian, um sie in vielfältiger Weise in seine Bilderwelt zu verweben.

Vincent van Gogh - Sternennacht (1889)


Cesar Santos - Aftermath (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Vincent van Gogh und Pablo Picasso

Unverkennbar

Er war nicht der Erste, der dies umsetzte (siehe z.B. Norman Rockwells Bild The Connisseur). Aber keiner war so konsequent wie Cesar Santos, der es zu seinem Markenzeichen erhob. Ein schlauer Schachzug, denn seine Bilder haben einen Wiedererkennungswert, wie ein Künstler ihn sich nur wünschen kann.

Happy End

Die Bilder sind unter anderem so beeindruckend, weil sie zeigen, dass ein Maler mit großen technischen Fähigkeiten alles malen kann. Das handwerkliche Können ist kein Fluch, sondern ein Segen. Und teilweise gewinnen auch die Originale ein wenig Charme. Van Goghs finde ich normalerweise als halbgare Skizzen viel zu langweilig.

Vincent van Gogh - Vincents Schlafzimmer in Arles (1889)

Aber eingebettet in ein 'richtiges' Bild, wie es Cesar Santos so brillant umsetzt, besänftigen sie sogar mein sonst so kritisches Auge.
Jedenfalls beim werten van Gogh... :-)

Cesar Santos - Juliet
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Vincent van Gogh

Gegensätze ziehen sich an, Teil 1

Sackgasse

Trau keinem, der die Kunst in einer Sackgasse stehen sieht. Nein, sie lebt und springt fröhlich hin und her. Fast wie in den guten alten Zeiten. Gerade hat sie eine kurze Pause eingelegt, um zwei ihrer Sprösslinge zu betrachten. Das ist unsere Chance, einen näheren Blick zu ergattern. Zoomen wir unauffällig etwas ran, wer diese Menschen wohl sind. Man sieht einen jüngeren US-Kubaner und einen im Zenit seiner Karriere stehenden Deutschen. Beide haben sich mit den großen Werken der Moderne auseinandergesetzt und sind dafür bekannt, scheinbar unversöhnliches nebeneinander zu stellen. Wie wir sehen werden, der eine etwas besser, der andere etwas schlechter.

Die Nummer 1

Fangen wir mit dem Zweiten an. Ich bin durch Zufall auf seine Internetseite gestoßen. Schaue mich kurz dort um und denke, naiv wie ich bin, einen 0815-Hobbymaler vor mir zu haben, der keinerlei technische Ausbildung genossen hat. Seine Figuren zeigen keine Stofflichkeit, ich finde keine Komposition, nichts, was nach Leben aussieht. Bemüht ist er bestimmt, aber den Bildern fehlt alles, was ich mit Kunst verbinde. Wenn man sehr großzügig urteilt, könnten aufgrund der kräftigen Farbgebung ein paar Werke in einem Kinderbuch verwendet werden. Der größte Teil der Ergüsse wäre jedoch, wenn er von dir stammen würde, völlig wertlos und würde niemanden interessieren.

Unscheinbar

Der Künstler selber wirkt, wie man dem Foto auf der Startseite entnehmen kann, nett und bescheiden. Ein lieber Großvater bestimmt. Erinnert mich irgendwie an einen Bekannten. Ich wünsche ihm viel Glück und klicke fast auf den nächsten Link. Doch halt. Was lese ich da? Nochmal zurück.

Bedeutend

Er ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler in Deutschland. Er hat die Figur wieder ins Zentrum des Bildes gerückt. "Neue Figuration" nennt man das wohl. Kann doch nicht ernst gemeint sein, oder doch? Warum so dick auftragen?

Geben wir ihm also eine zweite Chance und blättern sein Werksverzeichnis durch. Ich gebe mir die größte Mühe, finde aber leider nichts, was den hohen Ansprüchen gerecht wird. Gar nichts. Wenn er so bedeutend ist, dann wird doch wenigstens bei Wikipedia etwas über ihn zu finden sein. Und siehe da, wirklich. Unser Meister wird mit großem Artikel im feinsten Kunstblabla bejubelt.

Lassen wir uns mal ein paar Zitate auf der Zunge zergehen:
Bei näherer Betrachtung entfalten sich tiefgründige und komplexe Geschichten
die er ... mit phantasiereichen Titeln auf neue Bedeutungsebenen hebt
Die Erkundigungen des Künstlers bieten keine fertigen Lösungen
bewährten Patchwork-Methode, indem er scheinbar unversöhnliches nebeneinander stellt
Es gibt keine Vorgabe und keine bestimmte Lesart dieser Tafeln, der Betrachter ist auf sich selbst gestellt
bedeutende Werke ... die das Genre der Historienmalerei auf eine ganz neue Weise weiterentwickeln und befruchten

Rätsel

Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber mir schaudert es bei solchen Sätzen, wenn ich die Bilder (zum Beispiel hier oder seine große Weltgeschichte hier) mit dem Gesagten vergleiche. Wie jemand solches ernsten Sinnes glauben kann, wird für mich immer ein Rätsel bleiben.

Auch seine Auseinandersetzungen mit den Meistern der Moderne, Innenansichten wird das Ganze genannt, wirken sehr unbeholfen und künstlich aufgesetzt. Wo ist hier die Auseinandersetzung zu finden? Doch nicht, weil er ähnlich bescheiden und bunt malt wie seine Vorbilder, denn das unterscheidet ihn nicht von unendlich vielen Anderen. Und warum soll dieses Werk der Serie 5000 Euro wert sein und deine Malversuche keinen Cent? Der Markt, der Markt wird mancher rufen. Und recht hat er. Mit Qualität hat dies aber leider meist nicht viel zu tun.

Auflösung

Ich will nicht in Abrede stelle, dass der Herr ein wunderbarer Mensch mit großen Ambitionen und guten Taten ist. Seine Stiftung zur Unterstützung junger Künstlern finde ich wunderbar. Auch manche seiner bunten Comic-Skulpturen, wenn ich den Begriff verwenden darf, gefallen mir aus genau diesem Blickwinkel. Aber sie bieten meiner Meinung nach nichts, was nicht andere mit gleichem Eifer und Aufwand auch schaffen könnten. Deshalb ist der Anspruch völlig überzogen, und die Werke in meinen Augen keine Kunst.


Freitag, 4. März 2011

Das Glück der Klee-Blätter

Brillante Idee
Ich habe eine brillante Idee und werde sie mit dir teilen. Wir werden reich. Und so unglaublich es auch klingen mag, man muss nichts können. Gar nichts.
Es gibt nur eine Voraussetzung. Durchsuche bitte mal deine alten Unterlagen, ob du nicht eine Kunstmappe aus deiner Kindergartenzeit oder dem ersten Schuljahr findest.
Ja, gefunden? Wunderbar. Denn diese kleinen unschuldigen Blätter mit ihren kindlichen Strichen, Formen und Flecken werden dein Leben vollständig verändern.

Umsetzung
Wie, willst du wissen? Ich verrate es dir. Folge mir.

Als Erstes brauchst du einen weiteren Vornamen. Nämlich Paul. Ab heute nennst du dich Paul. Du bist eine Frau? Egal. Marie wird im Spanischen auch für Männernamen verwendet, also warum nicht Paul im deutschsprachigen Raum für Männlein und Weiblein. Eine Geschlechtsumwandlung ist nicht notwendig. Und wer von deinen Freunden mit deinem neuen Vornamen Probleme hat, besteht den Eichtest für wahre Freundschaft sowieso nicht.

Paul alleine reicht natürlich nicht. Neue Eltern müssen her. Und zwar welche, die Klee heißen. Adoptionen sind heutzutage kein Problem, also nehme das Telefonbuch zur Hand und mache dich auf die Suche nach deinem neuen Nachnamen. Sei freundlich und bereite die Anträge schon mal vor.

Erfolgsgarantie?
So, das war eigentlich alles. Bald wirst du reich sein. Wie, glaubst du mir noch nicht? Woher ich das alles weiß?

Vorbild
Weil ein Schlaumeier aus einem mir unerklärlichen Grunde meine Idee abgegriffen hat und sich als Paul Klee ausgibt. Er ist sogar so clever, seinen Geburtstag ins vorletzte Jahrhundert zu verlegen, um auf jeden Fall als Erfinder dieses genialen Schachzugs zu gelten. Der Schuft. Und nun überschwemmt dieser Paul Klee die großen Auktionshäuser mit seinen Kindergartenbildern und erzielt mit diesen Blättern Millionen-Dollar Preise.

Geld für alle
Aber das Gute für uns daran ist, es scheint weiterhin eine große Nachfrage zu bestehen. Also sammle deine malerischen Jungendsünden und schicke sie ein. Den Rest machen die Damen und Herren bei Sothebys und Christies. Diese kreativen Köpfe finden wunderbare Formulierungen für die kleinste Banalität und wandeln jedes Gekritzel in ein großes, absichtsvolles Meisterwerk um. Daneben sieht Rembrandt wie ein kleiner, dilettantisch, langweiliger Realist aus.

So wird's gemacht
Sind auf deinen Kindheitswerken die beliebten Strichmännchen mit dünnen Armen, Beinen, Körper und riesigem Kopf zu finden? Perfekt! Denn dann hattest du als Kind schon die weise Einsicht erlangt, dass Gedanken die Welt lenken, aber man trotzdem mit beiden, wenn auch manchmal wackeligen Beinen, im Leben stehen muss.

Noch mehr Quatsch gefällig? Kein Problem, es gibt genug ernst gemeinte Beispiele:

Beispiel 1
Gartenfigur, läppische 5 Millionen Dollar (5.137.162 $)

Paul Klee - Gartenfigur (1932) - Öl auf Leinwand (81,5 x 61,3 cm)

Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Allein der Namen regt poetische Stimmung an, versteckte Tiefen kommen zum Vorschein, die auf künstlerischen Theorien beruhen. Hier wird die Natur sowohl als visuelles Modell, als auch als strukturierendes Konzept dargestellt. Der Mensch und die Natur sind eins. Es ist eine autonome Struktur mit eigener Physiognomie dargestellt. Und zuletzt natürlich eine Einladung an den Betrachter, den Künstler auf seiner kreativen Reise zu folgen. Wow, ich will gar nicht erst dran denken, was noch alles für versteckte Wunderdinge in dem Meisterwerk lägen, wenn Klee es 'Gartenzwerg' statt 'Gartenfigur' genannt hätte....

Was sieht der naive Laie?
Wovon reden die? Links vor einer kleinen Tür steht eine etwas zu groß aufgeblasene Papiertüte mit einem geschlossenen und einem offenen Auge, schiefem Mund nebst kleinem schwarzem Pickel. Mehr nicht.

Beispiel 2
Pflanze und Fenster Stilleben, 5 Millionen Dollar (5.010.500 $)

Paul Klee - Pflanze und Fenster Stillleben (1927) - Öl auf Leinwand (47,6 x 58,4 cm)

Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Der Mond und die Sonne spielen tänzelnd miteinander und die glühenden Farben der Pflanze umspielen zärtlich das dunkle Fenster, wobei diese wunderbaren, verwirrenden geraden Linien die beiden Hauptgegenstände des Bildes verbinden. Das Fenster, natürlich rein architektonisch betrachtet, komplementiert geschickt in seinem dunklen Ton den neutralen olivfarbigen Hintergrund. Oder, wie schon ein schlauer Mann über den Künstler sagte: "Das Ferne war für ihn immer am nächsten".

Was sieht der naive Laie?
Der gute Paul ist meinem Ratschlag gefolgt und hat einen Strichmännchen-Kopf eingebaut. Der Körper ist zwar etwas zu dick für die reine Lehre, aber an sich bringt ein Strichmännchen schon mal locker 2 Millionen Dollar extra. Nur mit dem verhunzten Fenster wäre ich als Häuslebauer unzufrieden und würde den Architekten verklagen. Das die Sonne direkt im Zimmer scheint, gefällt mir hingegen gut. Das spart Heizkosten.

Beispiel 3
Der Künftige, 3 Millionen Dollar (3.330.500 $)

Paul Klee - Der Künftige (1933) Öl auf Leinwand (61,1 x 49,5 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Natürlich ist dies Klees Antwort auf die Pseudo-Utopischen Ideologien der 30er Jahre und eine Parodie auf den Übermenschen. Beeindruckend gemalte flammende Hose und zombieartiger Blick zeugen von seinem beißendem Humor und tiefgründiger Gesellschaftskritik an den Zuständen seiner Zeit und dem Abgrund, der kommen wird.

Was sieht der naive Laie?
Schön, aber das hat nichts mit Kunst zu tun. Du könntest der feinfühligste, tiefsinnigste, liebenswürdigste Mensch der Welt sein und möchtest deine Abscheu an den Fehlentwicklungen unserer Zeit (oder deine Freude über die Schönheit in der Welt) mittels Musik zum Ausdruck bringen. Aber wenn du deiner Geige nur ein paar schräge, krächzende Töne entlocken kannst, ist das vielleicht aller Hochachtung wert, aber keine Kunst. Gleiches gilt für Malerei. Und von diesem Urteil ist auch Klee nicht ausgenommen. Nüchtern betrachtet sieht man ein paar verschachtelte Formen, Augen, dicke Nase, Mund und frei schwebende Gliedmaßen. Mit kräftigem Rot wurde nicht gespart, um damit den Blick von den anderen Bildern im Kindergarten auf diesen roten Übermenschen zu lenken.

Beispiel 4
Sollte Steigen, Fast 3 Millionen Dollar (2.827.050 $)

Paul Klee - Sollte Steigen (1932) Öl auf Leinwand (59,5 x 86,6 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Klee hatte ein Konzept. Respekt, denn Konzepte sind immer gut für den Preis und treiben ihn enorm in die Höhe. Sein Konzept bei diesem Bild ist das Aufsteigen, welches er durch Ballon und Pfeil darstellte. Ein wahrer Geniestreich des Meisters. Die nach oben strebenden Elemente stehen im Kontrast zu den eher anarchisch, instabilen Kräften der drachenförmigen Gebilde. Diese werden durch Gravitationskräfte, natürlich symbolisiert durch die Erdfarben, hin und her geschleudert und sind immer in der Gefahr, von den Urgewalten zermalmt zu werden.

Was sieht der naive Laie?
Ein paar ungeschickte gemalte Rundungen und Vierecke. Damit es nach schwerer Arbeit aussieht, pedantisch gerade Striche samt tiefgründigem Pfeil und angedeuteten Luftballon. Eine Kritzelei, die jeder von uns schon mal aus Langweile während des Unterrichts in seiner Schulzeit aufs Papier geschmiert hat. Vielleicht in bescheidenerem Format, aber immerhin.


Beispiel 5
Junger Garten (Rhythmen), 3 Millionen Dollar (3.152.000 $)

Paul Klee - Junger Garten (Rhythmen) (1927) Öl auf Leinwand (65 x 51,7 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Hier ist, wie immer beim allmächtigen Klee, die große poetische Qualität des Werks offensichtlich. Diese Muster evozieren eine mystische, unbekannte Bildsprache, die den ägyptische Hieroglyphen ähnelt. Und nicht nur das. Das zeichnerische Meisterwerk in der oberen Mitte des Bildes, welches an einen Tannenbaum erinnert, nimmt uns an die Hand und führt uns direkt in die Natur hinein. Welch geniales, seitdem nie mehr erreichtes Meisterwerk, konnte man hier für lächerliche 3 Mille erworben.

Was sieht der naive Laie?
Die Linien eines Notenblatts sind mit großem Eifer eigenhändig gezeichnet. Darauf ein bisschen Käsekästchen gespielt und den Rest fleißig mit weiteren geometrischen Mustern gepflastert, so dass kein Zentimeter des Blattes ungenutzt blieb.


Beispiel 6
Freundlicher Ort, gute 1 Million Dollar (1.670.530 $)

Paul Klee -  Freundlicher Ort (1919) Gouache und Aquarell (19,2 x 23,5 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Dieses Bild verknüpft die beiden Hauptthemen, mit denen sich Klee zur damaligen Zeit beschäftigte. Garten und Architektur. Hierbei wird in hellen Farben ein harmonisches Nebeneinander von flachen, blockartig aufgebauten Quadraten erzeugt, welches sehr an seine früheren Darstellungen nordafrikanischer Architektur erinnert. Die rechteckigen Farbkleckse kennzeichnen Gebäude, während die länglichen Formen schlängelnde Pfade zwischen diesen darstellen. Umspielt ist das Ganze von grünen Pinselstrichen, welche ein Stück Natur in dieses fröhliche, verspielte Kunstwerk bringen.

Was sieht der naive Laie?
Mir fehlen die Worte. Er steht seinem Freund August Macke in nichts nach. Deren Tunesienreise von 1914 lässt heute noch jedes Kritikerherz höher schlagen. Was ich jedoch von diesen Orientaquarellen halte, kann man hier lesen. Das dort geschriebene passt hundertprozentig auch auf Klee und seine Bilder.


Abschluss
Also beeile dich, bevor das Glück der Klee-Blätter verbraucht ist!

Freitag, 31. Dezember 2010

Keine Basis

Unverrückbar
Jeder Mensch hat bestimmte Vorstellungen und Ansichten, an die er nicht mehr rütteln möchte. Zweifel waren früher, heute jedoch können die Anderen soviel reden wie sie wollen. Recht habe ich trotzdem. So oder ähnlich geht es jedem schon mal. Das ist natürlich keine wissenschaftliche Haltung, gehört aber zum Mensch-sein dazu. Alles immer und jeden Tag zu relativieren und überdenken, überspannt die knappe Zeit, die uns gegeben ist.

Kunst kommt von Können

Eine dieser Prämissen, die ich hege und pflege, ist die Ansicht, dass ein paar hingeworfene Striche oder Farbkleckse keine Kunst sind. Die angeblich wichtigen Gedanken des Malers sind meist reines Geschwätz, um von der dilettantischen Umsetzung abzulenken. Wenn ein ähnliches Werk von jedem Hobbymaler stammen könnte, dann ist es keine Kunst. Auch wenn der Maler theoretisch größere Fähigkeiten als die Masse der Amateure besitzt, zählt dies nicht für die Bewertung des konkreten Werks.

Fallbeispiel
Wobei wir beim Thema wären. Picasso. Er war aus künstlerischer Sicht ein etwas frühreifer, talentierter akademischer Maler, dessen erste Arbeiten den Werken unzähliger anderer Schüler der großen Akademien des 19. Jahrhunderts entsprachen. Nichts, wofür man in vergötterungswürdiger Anbetung verfallen sollte, aber auch nichts, um ihm sein Talent abzusprechen. Bekannt und als Genie gefeiert wurde er jedoch wegen seiner Fähigkeit, den neusten Trends seiner Zeit zu folgen und sie zu 'perfektionieren', wobei dieses Wort natürlich viel zu positiv ist. Denn vieles davon hat in meinen Augen nichts mit Kunst zu tun, weil ihnen alles dazu fehlt.

Genie, oder?
Darf man das wirklich so sehen, Picasso soll doch der Künstler schlechthin sein? Ich habe das den Fachleuten nie abgekauft. Aber vor kurzem bot sich die Gelegenheit, es doch nochmal genauer zu bedenken.

Überprüfung
Denn zeitgleich zu meinem Wien-Besuch fand in der Albertina eine Picasso-Ausstellung (Hinweis zum Link: dort waren früher viele Bilder der Ausstellung zu finden, jetzt nur noch drei) statt. Das war die Gelegenheit, dem angeblichen Kunstmessias des 20. Jahrhunderts über die Schulter zu schauen.
Picasso zieht die Massen an. Ich stehe bei klirrender Kälte vor dem Gebäude und komme, wie so viele andere, nicht rein. Überfüllt ist es an diesem Sonntag. Aber wir Harrenden wollen uns die Chance auf diese 'Meisterwerke' nicht entgehen lassen und warten und warten. Dann ist es soweit. Wir dürfen die heiligen Hallen betreten. Wie fast immer bei großen Ausstellung sind sie wunderbar eingerichtet und beleuchtet, und vorbereitet zum entspannten Kunstgenuss. Aufgrund der Zuschauermassen und dem hektischem Treiben kommt aber leider eher Bahnhofsstimmung auf. Aber was macht man nicht alles für die hohe Kunst...

Wo ist die Kunst?
Doch, wo war sie? Nichts, was Kunst ausmacht, war zu sehen. Ich schaue mir das erste Werk an, das zweite, das dritte. Nichts. Die Bilder werden bestimmt noch kommen, in die Gedanken und Arbeit eingeflossen sind. Entscheidungen wie geschickte Gesamtkomposition, Anzahl der Figuren, wo welcher Gegenstand platziert wird, schräg zu erblicken oder doch von vorne? Welche Haltung haben die Figuren, welche Gestik und Gesichtsausdruck? Welche Kleidung, welche Farbgebung und Beleuchtungsregie? Wie vermittle ich Stofflichkeit, Räumlichkeit und erzeuge Menschen aus Fleisch und Blut? Und so weiter und so fort.

30000 Mal keine Kunst
Doch nach meiner verzweifelten Suche musste ich feststellen: mit solchen Gedanken und Hindernissen bei der Umsetzung hat sich Picasso fast nie geplagt!
Die meisten der ausgestellten Werke wirken wie 5 Minuten Schnellschüsse auf 7. Klässler-Niveau. Davon hat Picasso wahrscheinlich 30000 ähnliche Werke im Jahr erzeugt. Austauschbar und ohne seine Unterschrift sind sie fast alle lächerlich. Wenn die Bilder deine Signatur hätten, würde niemand auch nur eine Minute in der Kälte dafür anstehen.

Helfende Hand?
Stopp! Ein letzter Anflug von Relativismus-Euphorie packte mich und ich schaute in die Gesichter der umstehenden Leute. Sehen sie etwas in den Bildern, was ich nicht sehe? Kennen sie den Weg zur Kunst und ich habe mich schon lange verlaufen? Fehlt mir die Vorstellungskraft, in den Bildern das Genie zu erblicken? Ich schaue mir die Dame links an, den Herrn dort, die Gruppe hinten. Aber nein, irgendwie wirken sie eher verzweifelt in ihrer Suche nach dem Genie in dieser Ausstellung. Manch einer wollte dies mit verschleierndem Geschwafel über die Bedeutung dieses und jenes Strichs vertuschen, aber so richtig gelang dies nicht.

Ende des Relativismus
Mir jedenfalls reichte es. Eines wusste ich genau. Es gibt keine Basis zwischen denjenigen, die in Picassos Werken große Kunst erkennen und mir. Warum sollte ich in einer Welt, in der wahre Kunst zum Greifen nah ist, mich mit solch nichts bietendem Müll aufhalten?

Wahre Männer
Raus aus dem Schuppen, rein ins Belvedere, um mich dort von der Welle älterer, kampfbereiter Männer, die aus Defreggers genialem Bild "Das letzte Aufgebot" marschieren, überwältigen zu lassen. Live wirkt es fantastisch, bei weitem besser als es das Vorschaubild des Belvedere vermuten lässt.

Franz von Defregger - Das letzte Aufgebot (1874)
Öl auf Leinwand (139 x 191 cm)

Sonntag, 7. November 2010

Dortmund: Museum für Kunst und Kulturgeschichte

In der Dortmunder Innenstadt ist eine der größten Einkaufstrassen in ganz NRW zu finden. Geschäft reiht sich an Geschäft und die shoppingbegeisterte Ehefrau ist kurz vorm Einkaufswahn. Doch wohin flüchten? Wer bietet dem Verirrten eine ruhige Zuflucht, um dem wilden Gedränge und Geschiebe zu entkommen. Kirchen sind hierfür wahrlich nicht schlecht, aber für längere Aufenthalte meist zu kalt. Für uns Kunstinteressierte gibt es zum Glück noch eine andere wunderbare Möglichkeit.

Das Museum. Glücklicherweise ist ein paar Schritte von der Einkaufshektik entfernt das Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu finden. Man tritt ein und siehe da, Ruhe. Endlich. Ein paar der dort angestellten Damen unterhalten sich leise. Das war's. Ansonsten fast keine Besucher. Eben das typische Bild eines Museum, welches nicht zu den bekannten Anlaufstellen wie die Nationalgalerien in Berlin, Pinakotheken in München oder das Ludwigforum in Köln gehört. Mit kreativem Rahmenprogramm wie Kindergeburtstage, Hochzeiten oder ähnliches wird versucht, weitere Zielgruppen ins Museum zu 'locken'.

Locken musste mich niemand. Mein Begehr war einfacherer Art, nämlich nochmals die kleine aber feine Gemäldesammlung des 19. Jahrhunderts zu betrachten. Diesmal mit Kamera und Stativ ausgerüstet. Einem leider etwas zu kleinem Stativ. Nahaufnahmen waren deshalb nicht möglich. Aber besser als gar nichts.

Die Homepage des Museums geizt, mir unverständlich, mit Bildern ihrer Sammlung. Es werden zwar die verschiedenen Abteilungen erwähnt, aber nicht mit den Geschmack auf das Original anregenden Fotos unterstrichen. Im Text werden fast beiläufig ein paar Namen (Friedrich, Clorinth, Slevogt) erwähnt, aber nur zwei kümmerliche Bilder sind auf der Homepage (siehe hier) zu finden.

Dabei hat das Museum doch einiges mehr zu bieten als den bekannten Caspar David Friedrich und das Dreigestirn des deutschen Impressionismus (Clorinth, Liebermann und Slevogt) mit ihren für meine Augen meist halbgaren Skizzen.

Nämlich akademische Meister der vordersten Reihe:

Balthasar Denner (1685-1749)
Balthasar Denner (1685-1749) - Bildnis einer alten Frau
Öl auf Leinwand

Beginnen möchte ich mit einem Falschparker. Jemand, der sich durch die Hintertür in die Sammlung geschlichen hat und zum Glück dort belassen wurde. Balthasar Denner. Der Meister ist nämlich über hundert Jahre vor dem 19. Jahrhundert geboren. Denner war zu seiner Zeit ein sehr gefragter Maler. Warum, ist offensichtlich. Seine bis ins kleinste Detail gehenden Bilder wirken auch nach mehr als 200 Jahren unglaublich lebendig und faszinierend. Seine Spezialität war wohl die Darstellung älterer, vom Leben gezeichneter Damen. So wie die hier Abgebildete.

Balthasar Denner (1685-1749) - Bildnis einer alten Frau
Ausschnitt

Ein sehr ähnliches Gemälde (Link) befindet sich zum Beispiel in der Eremitage in St. Petersburg. Qualitativ spielt das Dortmunder Bild (nicht mein Foto, da kommt es nicht ganz so rüber) fast in der gleichen Liga.

Carl Hasenpflug (1802-1858)

Carl Georg A. Hasenpflug (1802-1858) - Klosterruine im Schnee (1849)
Öl auf Leinwand

Als ich dieses Bild zum ersten Mal sah, dachte ich, es wäre ein Lessing. Dieses verlassene Kloster mit seiner Winterlandschaft ist doch zu typisch für Lessing gewesen. Aber es stammt von einem anderen Zeitgenossen der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert. Carl Hasenpflug. Dieser war vor allem für seine Architekturmalerei bekannt, wurde aber, wie Wikipedia lehrt, durch die Bekanntschaft mit dem vielleicht größten damals lebenden Deutschen Maler zu romantischeren Themen bekehrt. Durch genau jenen Carl Friedrich Lessing. Zum Glück, würde ich behaupten. Denn ansonsten würde dieses kleine Meisterwerk nicht entstanden sein.

Carl Georg A. Hasenpflug (1802-1858) - Klosterruine im Schnee (1849)
Ausschnitt

Anton von Werner (1843-1915)

Vom Großmeister aus Berlin sind zwei Bilder zu sehen. Eine kleine, einfach Studie eines Hausmädchens und ein als Geschenk für seine Frau gedachtes Gemälde ihrer ältesten (glaube ich auf jeden Fall aus dem Gedächtnis heraus) Tochter.

Anton von Werner (1843-1915) - Hausmädchen im Garten (Studie) (1898)
Öl auf Pappe

In der Studie hat von Werner mit wenigen, vollen Pinselstrichen (impressionistisch würde man heute sagen) die Kleidung gemalt und etwas detaillierter das Gesicht umgesetzt.

Anton von Werner (1843-1915) - Hausmädchen im Garten (Studie) (1898)
Ausschnitt

Nichts, was er je als eigenständig auszustellendes Bild gedacht hätte, aber wofür man als Museumsbesucher doch dankbar ist.

Anton von Werner (1843-1915) - Hausmädchen im Garten (Studie) (1898)
Ausschnitt

Viel vollendeter ist das Geschenk an seine Frau gemalt. Obwohl nur für den privaten Gebrauch gedacht, zeigt es den großen Könner.

Anton von Werner (1843-1915) - Tochter Hildegard (1893)
Öl auf Leinwand

Die melancholisch blickende Tochter (ungewöhnlich, man erwartet eher ein 'oberflächlich' lachendes Mädchen), mit dem halboffenen Buch in der einen, das Gesicht auf die andere Hand gestützt, scheint tief in Gedanken versunken.

Anton von Werner (1843-1915) - Tochter Hildegard (1893)
Ausschnitt

Für das plätschernde Bächlein oder das leuchtende Blattwerk scheint sie kein Auge zu haben. Ihre Gedanken sind gerade in einer ganz anderen Welt versunken. Wollen wir sie dort in Ruhe lassen und leise einen Schritt zurücktreten, um das Bild im Detail zu bewundern.

Anton von Werner (1843-1915) - Tochter Hildegard (1893)
Ausschnitt

Fantastisches Farbgefühl zeigt von Werner hier gepaart mit stofflicher Greifbarkeit. Das Moos auf den Steinen wirkt noch ganz feucht und der Schaum des herab fließenden Wasser scheint aus dem Bild zu rinnen.

Anton von Werner (1843-1915) - Tochter Hildegard (1893)
Ausschnitt

Dies ist hohe Kunst, mehr eben als ein 'gewöhnliches impressionistisches' Bild, welches meist ein paar nette Farben zu bieten hat aber nicht mehr.

Arthur Kampf (1864-1950)

Nebenan findet sich ein sehenswertes Gemälde von Kaiser Wilhelm I ( Wilhelm I auf dem Katafalk von 1888 - Öl auf Leinwand). Mal nicht gemalt von Anton von Werner, sondern von Arthur Kampf. Da der Maler noch keine 70 Jahre verstorben ist, kann ich dies hier leider nicht abbilden. Im Netz kursiert jedenfalls eine leicht andere Version dieses Gemälde von Kampf (siehe zum Beispiel hier), er scheint es also in mehreren Versionen gemalt zu haben.

Franz von Lenbach (1836-1904)

Franz von Lenbach - Bismarck - Ausschnitt

Von Lenbach darf natürlich auch kein Bild in einer Sammlung der bekannten Meister des 19. Jahrhunderts fehlen. Dortmund hat ein großes Bild Bismarcks aus Lenbachs Hand zu bieten. Bei einem Porträt von Lenbach bildet meist das Gesicht den Anziehungspunkt. So auch hier. Bismarck sitzt müde und kaputt in seinem Sessel. Er wirkt ausgelaugt und krank. Die Augen schauen einen fragend an, warum man ihn in seiner Ruhe stört. Das Foto ist leider leicht verschwommen und wird dem Gemälde nicht ganz gerecht.

Gotthardt Kuehl (1850-1915)

Gotthardt Kuehl (1850-1915) - In der Leihanstalt (um 1873)
Öl auf Leinwand

Eines der wenigen 'Problem'-Bilder der Dortmunder Sammlung ist das Gemälde des Dresdener Maler Gotthardt Kuehl. Geflüchtet von den Blicken Bismarcks bin ich in dieses Pfandhaus eingedrungen, dort, wo verzweifelte, meist ältere Damen ihr letztes Hab und Gut beleihen müssen. Diese Thematik war vor allem in der Mitte des 19. Jahrhundert häufig zu sehen. Einer der bekanntesten Maler solcher Szenen war Carl Wilhelm Hübner. Kuehls Szene wirkt weniger Bühnenhaft und insgesamt lebendiger als zum Beispiel Hübners ca. 30 Jahre vorher entstandenes Werk - Die Schlesischen Weber von 1844.


Konrad Dielitz (1845-1933)

Konrad Dielitz (1845-1933) - Porträt Julie Hiltrop (1797-1876) (1882)
Öl auf Leinwand

Über den Berliner Dielitz sind recht wenig Informationen im Netz zu finden. Er muss ein gefragter Porträtmaler gewesen sein, der sich jedoch auch dem völlig konträren Gebiet der historisch, mythologischen Welt widmete. Im Dortmunder Museum habe ich sein Gemälde eher zufällig gesichtet. Wollte die Sammlung schon verlassen, da sah ich hell erleuchtet in einem Ausstellungs-Wohnraum des 19. Jahrhundert sein Bild der Frau Hiltrop als Einrichtungsgegenstand hängen. Ich hoffe, dieses Foto bietet halbwegs einen Eindruck von der hohen Qualität der Malerei.

Anselm Feuerbach (1829-1880)

Von Feuerbach sind mir zwei Gemälde aufgefallen.

Anselm Feuerbach - Nanna Profil nach rechts (1862)
Öl auf Leinwand

Das Porträt seiner Nanna habe ich schon früher als Buch-Scann in einem anderen Bericht abgebildet. Hier also als eigenes Foto mit Rahmen.

Anselm Feuerbach (1829-1880) - Leontine(1851)
Öl auf Leinwand

Das andere ist eine sehr schöne Kopfstudie aus seiner Pariser Zeit. Faszinierend, wie gelungen das schwarze Haar der Frau gemalt ist. Mit ein paar 'einfachen' Strichen und ein wenig Weiß und Grau an den passenden Stellen glänzt das Haar und wirkt auch live sehr real. Meisterhaft gemalt.

Hans Makart (1840-1884)

Hans Makart (1840-1884) - Prachtpalast (1883)
Öl auf Tusche und Leinwand

Der Wiener Malerfürst gibt sich auch in Dortmund die Ehre. Nicht mit einem für ihn typischen Werk, sondern mit einer Phantasiearchitektur, welche er ein Jahr vor seinem frühzeitigen Tod gemalt hat. Dieses Architekturbild ist eines von vier zusammengehörenden Bildern, welche Makart ohne konkreten Anlass gemalt hat.

Hans Makart (1840-1884) - Prachtpalast (1883)
Ausschnitt

Laut Informationstafel wurden
Die Entwürfe wurden zusammen 1883 im Pariser Salon und noch im selben Jahr im Münchner Glaspalast ausgestellt.
Der hier abgebildete imposante Aufriss ist schätzungsweise 4 Meter breit (leider sind in Dortmund keine Größenangaben auf den Begleitplaketten angegeben) und nimmt eine ganze Wandseite ein. Teilweise kommt noch die Unterzeichnung auf dem Bild hervor.

Hans Makart (1840-1884) - Prachtpalast (1883)
Ausschnitt

Ich habe noch nicht viele farbige Architekturzeichnungen gesehen, aber diese dürfte von 1A Qualität sein. Die Gegenstücke sind glaube ich auf artrenewal.org abgebildet, siehe hier.

Walter Leistikow (1865-1908)

Walter Leistikow (1865-1908) - Breege auf Rügen (1908)
Öl auf Leinwand

Die Überraschung dieser Ausstellung ist für mich das Gemälde von Leistikow. Normalerweise gefallen mir, wie schon oft erwähnt, Impressionisten nicht besonders. Ich erhoffe mir meist, dass der Maler mal nicht, wie Adolf Menzel (ach ja, von ihm gibt es ein Bild mit kaum noch erkennbaren, fast schwarzen Inhalt - wird wohl nur für die Statistik, dass er auch in Dortmund vertreten ist, ausgestellt sein) es formuliert hat, zu faul war, sondern den ersten Eindruck weiter veredelt. So wie das oben beschriebenen Gemälde von Anton von Werner.
Eines der wenigen 'impressionistischen' Bilder (und ich habe von allen bekannten Impressionisten Bilder live und in Farbe gesehen), bei dem mir nichts fehlt, ist dieses Gemälde von Leistikow.

Walter Leistikow (1865-1908) - Breege auf Rügen (1908)
Ausschnitt

Der leuchtend weiße (auf dem Foto zu dunkel), grob aufgetragene Himmel ist der Anziehungspunkt dieses Bildes. Er glänzt schon von weiter Entfernung zum Bild und zieht einen magisch an. Geschickt sind weitere Weißtöne auf dem Bild verteilt und geben dem ganzen einen harmonischen Eindruck, der durch die kräftig dunkelgrüne Wiese abgerundet wird.

Andreas Achenbach (1815-1910)

Andreas Achenbach (1815-1910) - Nordisches Gebirge im Winter (Felsenlandschaft) (1838)
Öl auf Leinwand

Zuletzt das meiner Meinung nach beste Bild der ganzen Sammlung. Man wird durch die Raumaufteilung in einen neuen Bereich gelenkt und fühlt sich plötzlich in eine raue, von mächtigen Bergen gesäumte Landschaft Skandinaviens versetzt. Die Bergkette ist noch Nebelverhangen. Kein Zeichen von Zivilisation weit und breit. Nur zwei Greifvögeln scheinen in dieser unwirtlichen Gegend zu Hause zu sein.

Andreas Achenbach (1815-1910) - Nordisches Gebirge im Winter (Felsenlandschaft) (1838)
Ausschnitt

Ich war direkt begeistert von dem Gemälde und leicht überrascht zu lesen, dass es von Andreas Achenbach war. Nicht überrascht wegen der Qualität, sondern wegen der Größe. Ich hatte nämlich bisher nur kleinere Gemälde Achenbachs gesehen, dies ist das erste monumentalere Bild, ich schätze 2 mal 3 Meter groß. Von feinen Details wie den Eiszapfen unten auf dem großen Felsen, den unterschiedlichen Herbstfarben
bis zu den fantastisch gemalten Nebel des Hintergrunds bietet dieses Gemälde alles, was man von einem reinen Landschaftsbild nur erhoffen kann.

Andreas Achenbach (1815-1910) - Nordisches Gebirge im Winter (Felsenlandschaft) (1838)
Ausschnitt

Andreas Achenbach (1815-1910) - Nordisches Gebirge im Winter (Felsenlandschaft) (1838)
Ausschnitt

Ein Meisterwerk des damals erst 23 Jahre alten Andreas Achenbach.

Andreas Achenbach (1815-1910) - Nordisches Gebirge im Winter (Felsenlandschaft) (1838)
Ausschnitt