Montag, 12. August 2013

Berliner Bilderbogen (Teil 1)

Konzentrationsschwierigkeiten

Ich weiß nicht, wie es dir geht. Bei mir lässt nach zwei bis maximal drei Stunden Museumsbesuch die Konzentration rapide nach. Die fachmännisch wirkende Untersuchung jedes Bildes, mit zwei Schritten vor, drei zurück, Linksschwenk und Rechtsschwenk zur Auslotung jeder Feinheit, verliert sich nach und nach zum Schnelldurchlauf von Bild zu Bild. Der Blick gleitet immer mehr zum Geschehen vor, statt auf der Wand. Diese schwindende Aufnahmefähigkeit wird mit fleißigen Klicks auf den Kameraauslöser kompensiert. Darum ist der schlaue Besucher natürlich mit moderner Kamera ausgestattet, um die Live-Freuden später vor dem Bildschirm nachzuahmen. Ich hatte nichts dergleichen eingepackt und musste auf Handy und Tablet zurückgreifen. Der geneigte Leser möge deshalb meiner Planlosigkeit und der dadurch verursachten mäßigen Qualität der Bilder verzeihen.

Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin

Ich war in Berlin. Und Berlin hat viel zu bieten. Zu viel für ein langes Wochenende. Deshalb muss man sich entscheiden. Und meine Entscheidung war schon vor Anreise gefallen. Möglichst viele Werke Anton von Werners sehen. So folgte ich der Spur des ehemaligen Direktors der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste durch Berlin. Aber keine Sorge, auch andere Maler kommen in den folgenden Berichten zu ihrem Recht.

Stationen eines Reisenden

1. Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie stand eigentlich nicht auf meinem Programm, aber dann ließ ich sie doch nicht links liegen. Die Sammlung ist auf die Zeit vor dem 19. Jahrhundert ausgerichtet, also nicht ganz mein Begehr. Aber die Höhepunkte der Dauerausstellung sind Meisterwerke der Kunstgeschichte, gemalt von Rembrandt, Velazques, Caravaggio, van Dyck, Rubens oder Reynolds. Meine bescheidenen Fotos zu präsentieren ist sinnlos, da die Malerei schon in fantastischer Qualität beim Google Art Project zu bewundern ist.

2. Siegessäule

Weiter auf dem langen Weg (auf jeden Fall beim heißen Wetter an diesem Wochenende) zur Siegessäule mit ihren Mosaiken nach den Entwürfen Anton von Werners. Hier, wie auch an den folgenden Stationen, beachtete ich aus Zeitmangel keine der historischen Ausführungen. Mir ging es nur um die Kunstwerke.

Die Mosaiken sind von der weltberühmten italienischen Firma Salviati umgesetzt und von Werner überzeugte sich persönlich in Venedig von den Fortschritten und der Qualität der Umsetzung.

Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Relief Siegessäule (Ausschnitt)
Im zweiten Bild oben hat sich übrigens der damals noch junge Künstler (die Vorarbeiten Anton von Werners waren 1873 abgeschlossen) in einem Selbstporträt als Fanfarenbläser verewigt.

 3. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz

Das geheime Staatsarchiv bietet die wunderbare Gelegenheit, im zeichnerischen Nachlass Anton von Werners zu stöbern. In digitaler Form und, falls gewünscht, auch mit Vorlage der Originale. Leider ist das Fotografieren dort verboten. Für den normalen Berlinbesucher lohnt sich der Ausflug kaum. Aber für mich war es faszinierend, dem Meister bei der Ideengewinnung heimlich über die Schulter zu schauen. Heimlich, da die Skizzen nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren und auch nie als selbständige Werke angesehen wurden. Dies änderte sich erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

4. Jüdisches Museum Berlin

So verloren und orientierungslos wie hier habe ich mich noch nie in einem Museum gefühlt. Aufgrund der zickzackförmigen, ungewohnten Form, verliert man bei großem Menschengedränge schnell den Überblick, wo nun der Ausgang ist. Allein durch die Architektonik entsteht ein beklemmendes Gefühl, ohne ein Wort oder Bild betrachtet zu haben. Aber keine Sorge. Die Hinweismarken am Boden helfen am Ende immer weiter.

Mein Besuchsgrund waren zwei kleine Werke Anton von Werners. Dieser war mit vielen Berliner Juden befreundet und setzte sich vehement gegen den Antisemitismus an seiner Hochschule ein (siehe zum Beispiel seine Äußerungen zu Beginn des Jahres 1880). Der Familie Mosse malte er 1899 ein großes Wandbild für ihr neues Palais. Die Farbskizze zum Wandbild und eine Studie Emilie Mosse, der Frau des Zeitungsverlegers Rudolf Mosse, sind im jüdischen Museum ausgestellt.

Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) - Farbskizze - Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)
Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) - Farbskizze - Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)

Hier der Firmengründer selber:

Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) (Ausschnitt) - Farbskizze Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)
Und eine Studie seiner Frau, welche, rechts auf dem Stuhl im Wandbild, in fast gleicher Pose zu finden ist:
Anton von Werner - Emilie Mosse (1899) - Studie - Öl auf Leinwand
Anton von Werner - Emilie Mosse (1899) (Ausschnitt) - Studie - Öl auf Leinwand

5. Berlinersche Galerie 

Mit der Berlinerschen Galerie verbinde ich Platzverschwendung pur. Vor klaustrophobischen Anfällen braucht man hier jedenfalls keine Angst zu haben. Nach Eintritt steht man in einer riesigen weißen Halle, in der zwei monströse schwarze Gebilde (der Kenner würde dies wohl als Kunst bezeichnen) verloren platziert sind. Für mich eigentlich genau der Hinweis, nichts nach meinem Geschmack zu finden und wieder umzudrehen.
Doch ich bin nicht ohne Grund hier. Denn eine kleine Ecke, wohl zur Abschreckung und dem Lobpreise des darauf Folgenden, ist der offiziellen Kunst des Kaiserreiches gewidmet. Und an erster und zentraler Stelle ist mein Lieblingsbild Anton von Werners zu sehen. Das große Gemälde der Enthüllung des Richard Wagner Denkmals im Jahre 1903.

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Mein mickriges Foto kann den realen Eindruck nicht in Ansätzen widerspiegeln. Ich habe bestimmt eine halbe Stunde jedes Detail dieses Wandbilds bewundert. Ich hätte es am liebsten eingepackt und mit nach Hause genommen. Doch wie damit durch die winzige Zugtür kommen? So ließ ich desillusioniert meinem Plan wieder fallen.

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Für die meisten der schnell vorbeihuschenden Besucher hat dieses Gemälde wohl nichts mit Kunst zu tun. Aber für mich ist es eines der großen Meisterwerke zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es macht Zeitgeschichte lebendig und ist auf höchstem Niveau gemalt. Solch wunderbare Farbgebung, Beleuchtungsregie, Liebe für Details, Stofflichkeit und geschickte Gruppierung von Massen ist in dieser Qualität selten zu finden. Also all das, welches dieses Werk unerreichbar macht für jeden Liebhaber moderner Kunst, der es als rein dokumentarische Belanglosigkeit ansieht. Soll sich die Masse unten vor den schwarzen Klötzen auf ihrer Suche nach der Kunst winden, für uns ist sie oben in Ruhe mühelos sichtbar.

Hier der Künstler des Denkmals, Gustav Eberlein:

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)

Dann darf natürlich auch nicht der damals 87-jährige Adolph Menzel fehlen, arg verjüngt von seinem Freund Anton von Werner:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2, 80 cm)

Mit kleinen, geschickt gesetzten Weiß- und Grautönen, Glanz am Boden und auf den Schuhen gezaubert:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Die Damenwelt, in ihrer für die damalige Zeit typischen Kleidung, darf bei solch einem Ereignis ebenfalls nicht fehlen:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Und die obligatorischen Pickelhauben sind auch zu sehen:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)

6. Berliner Dom 

Im Berliner Dom stößt meine Handykamera an ihre Grenzen. Die Ausmaße sind gewaltig. Nicht ganz so imponierend wie der Petersdom in Rom, aber die Ausstattung kann sich, entsprechend meinem Historismus-Geschmack, ohne Probleme mit den großen katholischen Vorbildern messen.

Berliner Dom - Apsis

Glasfenster Berliner Dom - Geburt Jesu - Entwurf Anton von Werner
Ein Höhepunkt im Dom sind die farbenprächtigen, detaillierten Glasfenster nach Entwürfen Anton von Werners. Denn zu sehen sind keine der üblichen, langweiligen, ans Mittelalter angelehnten Motive. Sondern Darstellungen, die als eigenständige Gemälde gelten könnten.

Glasfenster Berliner Dom - Kreuzigung Jesu - Entwurf Anton von Werner

Glasfenster Berliner Dom - Auferstehung Jesu - Entwurf Anton von Werner
Von Anton von Werner stammen die Vorlagen für acht Mosaike an der Kuppel, darstellend die Seligpreisungen der Bergpredigt nach dem Matthäusevangelium. Weiterhin drei Altarfenster in der Apsis zur Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi samt jeweils übergeordnetem, ovalen Glasfenster. Und zuletzt die vier Evangelisten-Porträts oben in den Nischen der Gewölbepfeiler.

Mosaik Berliner Dom - Seligpreisungen - Entwurf Anton von Werner
Wer nichts gegen ein paar Treppen hat, kann die Ausstellung zur Entstehung des Domes besichtigen. Dort sind unter anderem ein paar der Farbskizzen zu den Seligpreisungen und Entwürfe zu den ovalen Glasfenstern zu sehen.

Anton von Werner - Entwurf ovales Glasfenster (um 1901) - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Entwurf ovales Glasfenster (um 1901) - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Selig sind die da Leid tragen (um 1901) - Entwurf für das Kuppelmosaik - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Selig sind die Friedfertigen (um 1901) - Entwurf für das Kuppelmosaik - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Vorlage für die Kopfprobe in Mosaiktechnik (um 1901) - Öl auf Leinwand

In einem Dom zur Verherrlichung und Andacht an die Hohenzoller-Dynastie darf natürlich ein Kunstwerk zu Wilhelm I nicht fehlen. Und so ist im Ausstellungsraum ein imposantes Ölgemälde von William Pape zu finden. Dargestellt ist die Aufbewahrung Kaiser Wilhelms im Berliner Dom. Ein Ereignis, welches auch von Anton von Werner oder Arthur Kampf bildlich festgehalten wurde.

William Pape - Aufbahrung Kaiser Wilhelms I. im Dom (1888) - Öl

Ausblick

In den nachfolgenden Berichten werden dann die beiden Höhepunkte einer jeden Museumstour durch Berlin vorgestellt. Die Alte Nationalgalerie und das Deutsche Historische Museum.

Freitag, 19. Juli 2013

Brad Kunkle - Goldene Zukunft

Gold übte schon immer eine große Faszination auf den Menschen aus. Reichtum, Macht, Prunk und Gier verbindet man mit diesem Edelmetall, aber auch Glanz und Unvergänglichkeit. Dies war kein Phänomen nur der alten Welt, sondern zog sich durch viele Kulturkreise und Zeiten.

Früher

Schon für die Ägypter war Gold das Element der Pharaonen

Foto Jerzy Strzelecki - Thronsessel des Tutanchamon

und in der christlichen Kunst wurde das kostbare Metall mit spirituellen, göttlichen Glanz verbunden.


Simone Martini und Lippo Memmi - Die Verkündigung an Maria (Ausschnitt) (1333) - Tempera auf Holz mit Gold (265 x 305 cm)

Auch in der asiatischen Kunst spielte es, wie die hier abgebildete großformatige Faltwand zeigt, eine wichtige Rolle.


Birds and Flowers of the Four Seasons (frühes 17. Jahrhundert) - Farbe auf Blattgold-Papier (106,7 x 349,9 cm)

Heute

In jüngerer Zeit sind im deutschsprachigen Raum zwei umfassende Bücher veröffentlicht worden, welche sich mit der Verwendung des Goldes in der Kunst beschäftigen.

Zum einen die Dissertation aus dem Jahre 2006, Die Renaissance des Goldes. Gold in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Zum anderen der Begleitband zur großen Ausstellung in Wien, Gold, von 2012.

Das Fazit der beiden ist gleich: Die Bedeutung des Goldes in der bildenden Kunst endete mit der Renaissance. Diese stellte wieder den Menschen in das Zentrum der Betrachtung. Hierbei verlor das Gold, welches man mit religiöser Inbrunst und göttlichem, goldenen Glanz verband, seine Bedeutung. Ob dies auch für die Architektur gilt, darf man als fleißiger Kirchen- und Schlossbesucher eher verneinen, aber für die Malerei ist es unbestritten.

Erst seit dem 20. Jahrhundert findet Gold wieder mehr Beachtung. In der Dissertation werden 20 Werke beispielhaft vorgeführt, welche zu dieser Gold-Renaissance beitragen. In den Augen des naiven Laien sind die meisten sogenannten Künstler, wie Robert Rauschenberg ( Untitled (Gold Painting) von 1953) oder Joseph Beuys (Aktion, wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt von 1965), alles andere als bedeutend, aber darum soll es hier nicht gehen.

Ein Künstler, der in diesen Büchern fehlt, soll hier vorgestellt werden. Denn er jongliert wie kein zweiter Maler unserer Zeit mit den Edelmetallen und integriert diese perfekt in seine Gemälde. Brad Reuben Kunkle (der mir freundlicherweise erlaubt hat, seine Bilder zu verwenden) ist sein Name.


Brad Kunkle - The Eighth Veil (Ausschnitt) (2011) - Öl und Blattsilber auf Holz (71,12 x 35,56 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Beginn des Weges

Geboren wurde Kunkle 1978 in Lehighton, einer ruhigen, ländlichen Gegend, in der Nähe von Kunkletown, Pennsylvania. Direkt verwandt ist er laut Familienrecherchen nicht mit dem Gründer dieses Dorfes, obwohl beide Zweige deutsche Wurzeln haben. Im Falle Brads gehen diese zurück ins 17. Jahrhundert, nach Florsbach in Hessen. Einer Gegend, in der heute noch viele Familien mit Namen Kunkel wohnen.

Wenn man den Beschreibungen folgt, war Brad ein verträumtes, fantasievolles Kind. Er liebte die Natur und bewunderte die phantasiereichen Welten eines Maxfield Parrish oder die romantisch verträumten Bilder der Präraffaeliten. Die Leidenschaft fürs Zeichnen erlangte er durch Nachahmung und sein Bruder war sein erstes Vorbild.

Nach seiner Schulzeit begann er ein Studium an der Kutztown University, um Lehrer zu werden. Zuerst Geschichtslehrer, später dann der Wechsel in Richtung Kunstlehrer. Doch die Vorstellung, Kunst zu unterrichten ohne selber Künstler zu sein, behagte ihm nicht. So war er in der Situation vieler Studenten, die nicht wirklich von ihrem Studiengang überzeugt sind. Soll er beenden, was er angefangen hat oder sein Leben in eine andere Richtung lenken? Er entschied sich für das Zweite. Den Anstoß gab im Jahre 2000 ein Gastredner an seiner Universität, der uns nicht ganz unbekannte Donato Giancola. Dessen Rede und Vorbild inspirierten Kunkle, die eingefahrenen Wege zu verlassen und auf die Künstlerbahn mit all ihren Risiken zu wechseln.
Einer seiner erster Lehrer war der Maler George Sorrels. Der Grundstein wurde bei diesem gelegt, aber der lange Weg zur Vervollkommnung der Fähigkeiten und Findung seines künstlerischen Ichs lag noch vor ihm.

Findung des Ichs

Zu Beginn stand das obligatorische 'sich einen kleinen Namen machen' im Vordergrund. Er hielt sich mit Porträt-Aufträgen (Mensch und Tier) über Wasser und nahm Dekorations- und Auftragsarbeiten an, wie diesen kleinen Waldsänger für das Lehigh Gap Nature Center.

Brad Kunkle - Prairie Warbler (2008) - Öl auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle




Nebenbei spielte er als Bassist in einer Band namens Aderbat. Es war jedoch schnell klar, dass die Malerei die erste Geige spielen wird. Nur welche Malerei?

Sein handwerkliches Können wollte er nutzen, aber trockener Realismus reizte ihn nie. So beschreibt er in einem Interview einen Gang durch den Louvre in Paris mit überraschenden, aber für mich gut nachvollziehbaren Eindrücken. Denn des Öfteren faszinierte ihn mehr die goldverzierte Decke mit ihren kleinen, surreal wirkenden Figuren, als die Ölgemälde an der Wand.

Wohin also des Weges? Wie findet man sein Markenzeichen, ohne in das dilettantische Auffallen um jeden Preis zu versinken? Der entscheidende Funke sprang in Gestalt einer Bürowand auf ihn zu, oder besser, er zu ihr hin. Er verkleidete diese, ohne Rücksicht auf Verluste, vollständig mit Blattkupfer. Ein Verehrer abstrakter Werke wäre hochzufrieden. Aber ihm reichte es nicht. In seiner Phantasie erschienen zarte Wesen in Grisaille auf der Wand und erweckte sie zum Leben. Das war es, so sollten seine Gemälde sein. Reduziert auf wenige Farben, flache Partien kombiniert mit realistischen Figuren, das Ganze raffiniert durch Blattgold und Blattsilber veredelt.

Sein erster Versuch mit Silber und Grisaille ist auf der folgenden Abbildung zu sehen.

Brad Kunkle - Jasmine(2006) - Öl und Blattsilber auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle

Erfolgsspur

Kunkle hat alles, was ein Künstler braucht, um langfristig erfolgreich zu sein. Fleiß, Können, Selbstvertrauen, Eigenständigkeit, Glück. So nimmt es kein Wunder, dass er frühzeitig von der wohl renommiertesten Galerie für moderne, realistische Kunst verpflichtet wurde. Der Arcadia Gallery in New York. Dort wurde ihm die Möglichkeit großer Einzelausstellungen 2010 und 2012 geboten. Die Zeitschrift American Artist ehrte ihn im Jahre 2012 als einen der 25 vielversprechendsten Künstler unserer Zeit.

Brad Kunkle - Mare Imbrium (Sea of Showers) - (2012) - Öl und Blattgold- und Silber auf Holz
(91,44 x 132,08 cm) - Bildausschnitt
Copyright 2013 Brad Kunkle

Zaubertrank

Kunkle möchte mit seiner Kunst den Betrachter berühren. Sein Ziel ist keine Effekthascherei, sondern ein bleibender Eindruck. Oder, wie er es nennt,
Erheben und nicht unterhalten.
Ein schmaler Grad, aber bei mir und vielen anderen ist ihm dies auf jeden Fall gelungen.  

Brad Kunkle - Trinity (2010) - Öl und Blattgold- und Silber auf Leinwand (203,2 x 91,44 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Eines seiner beiden Markenzeichen (zu den Blättern kommen wir später) ist, wie schon mehrfach erwähnt, die Verwendung von Gold und Silber. Diese heben seine Werke allein schon aufgrund der großen Symbolhaftigkeit von der Masse der realistischen Malerei ab. Zum anderen ermöglichen die changierenden Spiegelungen des Lichts am Blattgold/silber ein lebendiges Erleben des Gemäldes. In dieser Intensität ist dies mit reiner Ölmalerei nicht erreichbar.

Als einfaches Beispiel dient die auf einem New Yorker Metro-Ticket gemalte, unterschiedlich belichtete Szene, die nachfolgend abgebildet ist:

Brad Kunkle - Untitled (2013) - Öl und Blattgold auf U-Bahn-Ticket
Copyright 2013 Brad Kunkle

Vorbild

Er ist natürlich nicht der erste, der Blattgold- und Silber in seinen Bildern verarbeitet. Sein großes Vorbild ist Gustav Klimt, der das Glück hatte, Sohn eines Goldgraveurs zu sein. Klimt berühmtes Gemälde, Der Kuss, enthält Zutaten, die man auch mit Kunkle verbinden kann. Weitgehend monochrome Farbgebung, Verwendung von Blattgold und Blattsilber, zweidimensionale, flache Elemente, kombiniert mit realistisch gemalten menschlichen Körpern. Romantisch verträumte Figuren in goldener Sphäre schwebend, der Realität enthoben.

Gustav Klimt - Der Kuss (1907 - 1908) - Öl und Blattgold- und Silber auf Leinwand (180 x 180 cm)

Mir gefallen Kunkles Gemälde besser als die meisten späten Werke Klimts. Kunkles Bilder haben mehr Bewegung, Dynamik und realistischere Figuren. Der Funke ist jedenfalls beim Gemälde Der Kuss auch im Original nicht übergesprungen, so sehr ich dem Bild auch eine Chance bei einem Besuch des Belvedere gab. Meins ist es nicht.


Brad Kunkle - Seer (2012) - Öl und Blattgold auf Holz (43,18 x 71,12 cm)

Naturgewalten

Statik und Langeweile sind Kunkles Gemälden meist fremd. Das Mittel, mit dem er dies erreicht, sind die allgegenwärtigen, brillant eingesetzten Blätter. Diese wehen über unzählige seiner Gemälde und holen sich Stück für Stück ihren Anteil von unserer technisierten Welt zurück. Mal bedrohlich, Blatt für Blatt, den Menschen gefangen nehmend. Mal hinab in das Blätterdickicht ziehend. Auf anderen Bildern verwoben in Symbiose mit dem Menschen. Diese Verlebendigung der Natur hat eine ungemein faszinierende Wirkung auf den Betrachter.

Brad Kunkle - Cocoon (2012) - Öl und Blattgold auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle

Entstehung

Der typischen Entstehungsprozess seiner Gemälde sieht ungefähr wie folgt aus:
  1. Ideengewinnung.
  2. Erstellung/Verwendung von fotografischen Referenzen, vor allem für die Figuren.
  3. Die Figur wird direkt auf die Leinwand gemalt. Diese darf ruhig durchscheinen.
  4. Dann werden die Edelmetall-Blätter um die Figur herum aufgetragen.
  5. Nun wird vorsichtig mit Ölfarbe, zum Teil in Fingertechnik bei den Blättern, auf diesem Grund gemalt.
  6. Vollendung der Figur und restliche Arbeiten
Ausführlicher und technischer wird dies von Matthew D. Innis in seinem informativen Blog Underpaintings beschrieben.

Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diese Schritte:

Brad Kunkle - Girl with Serpent and Pearls (2010) - Öl und Blattgold- und Silber auf Holzpanel (63,5 x 76,2 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Hommage

Lawrence Alma-Tadema - The Roses of Heliogabalus (1888) - Öl auf Leinwand (132,1 × 213,9 cm)
Brad Kunkle - The Gilded Wilderness (2012) - Öl und Blattgold- und Silber auf Leinwand (106,68 x 203,2 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Eines meiner Lieblingsgemälde ist The Roses of Heliogabalus von Lawrence Alma-Tadema. Dieses malerisch vollendete Werk hat einen auf den ersten Blick harmlosen Inhalt. Bei einer Feier in römischer Zeit rieseln Rosenblätter auf die Gäste hinab, fast so wie Konfetti in unseren Tagen. Doch der schöne Schein trügt, denn der Rosenregen wird die Gäste qualvoll ersticken.
Die mit großer Detailliebe gemalten Blätter sind eine Meisterleistung Alma-Tademas. Da wundert es nicht, dass der Blättermaler unserer Zeit, Brad Kunkle, ihm nacheifert. Und sich, genau wie Alma-Tadema, auf dem Gemälde rechts mit einem Selbstporträt verewigt.

Ab in die Zukunft

Brad Kunkle ist einer der faszinierensten Maler unserer Zeit. Seine Blatt-Bilder mit Gold und Silber haben eine Neuartigkeit und Ausdruckskraft, wie sie auf diesem hohen Niveau unerreicht ist. Um nicht Gefahr zu laufen, nur mit diesem Schema verbunden zu sein, erweiterte er in den letzten Jahren sein Spektrum um kleine Facetten. Kunkles Gemälde sind in der Regel monochrom in Braun-,Gold, Silbertönen gehalten.
  • Neuerdings haben einzelne Bilder einen grünlichen Schimmer.

Brad Kunkle - Islands (Ausschnitt) (2012) - Öl und Blattgold auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle

  • Ein andermal wird auf die Symbolik der Blätter ganz verzichtet.
Brad Kunkle - Her Own Field (2012) - Öl und Blattgold auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle
  • Oder ein paar Farbsprenkel in das ansonsten eher monochrome Bild eingebaut.
Brad Kunkle - Bird of Paradise (2012) - Öl und Blattgold-  und Silber auf Leinwand (101,6 x 76,2 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Brad Kunkle ist einer meiner großen Favoriten und ich bin gespannt auf jedes neue Werk.

Montag, 18. Februar 2013

Donato Giancola - Und der Sieger ist...

Wettbewerbe sind so alt wie die Menschheit selber. Es gibt sie in allen Variationen. Gesucht ist der stärkste Mensch, das schnellste Auto, der beste Fußballer, die schönste Frau oder der virtuoseste Klavierspieler. Die bildende Kunst spielt hierbei natürlich keine Ausnahme. Als Beispiel hierfür sei nur die Geschichte aus dem Altertum über den Vorhang des Pharassios genannt.

Wie es der Zufall will, findet gerade der größte Malwettbewerb unserer Zeit statt. Eine Pflichtveranstaltung, an der jeder Künstler automatisch mit all seinen Bildern teilnehmen muss. Der Juror wählt ein Bild, welches er als das Beste unserer Generation ansieht. Das Gemälde mit den meisten Stimmen wird Sieger dieses Wettbewerbs sein.

Säßest du auf den Richterstuhl, könntest du dich entscheiden? Ich schon, auch wenn ich mit meiner Wahl allein auf weiter Flur stehen würde. Denn nicht nur eine Jury, sondern auch der Maler selber fällt mir in den Rücken. Warum, werden wir später sehen.

Donato Giancola - Mystic and Rider II (2005) - Öl auf Papier auf Leinwand (55,9 x 76,2 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Meine Wahl

Meine Wahl fällt auf ein Bild des US-amerikanischen Malers Donato Giancola, der mir freundlicherweise erlaubt hat, seine Bilder zu verwenden.

Aufstieg

Der 1967 geborene Künstler fand, wie so viele seiner Vorgänger, den Weg zur Malerei erst im zweiten Anlauf. Schon als Kind war seine Zuneigung zur Kunst offensichtlich, er zeichnete und bastelte für sein Leben gern. Doch wollte er zuerst etwas 'vernünftiges' lernen und begann ein Studium der Elektrotechnik.
Nach zwei Jahren reifte jedoch der Entschluss, seinem Leben eine ganz andere Richtung zu geben. Er wollte Maler werden. Keiner dieser Idealisten, die nur von Liebe und Luft für ihre Passion leben, sondern sein Künstlerleben sollte auf soliden Beinen stehen. Deshalb strebte er den Magister-Abschluss einer Universität an, um danach sein Glück als Buchillustrator zu finden.

Er widmete seinem Traum die volle Energie und sog alles auf, was er über Malerei lernen konnte. Sei es durch Selbststudium, die geliebten Museumsbesuche oder durch Assistenz des Künstlers Vincent Desiderio. 8 bis 10 Stunden malen am Tag war keine Seltenheit und Schritt für Schritt verbesserten sich Giancolas Fähigkeiten. Die ersten Aufträge für Buchcover-Illustrationen trudelten ein, und der Aufstieg zu einem der weltweit bekanntesten und gefragtesten Illustratoren für Science-Fiction und Fantasy begann.

Donato Giancola - Joan of Arc (2012) - Öl auf Papier auf Masonite (61 x 106,7 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Diese und viele Informationen mehr kann man seiner Webseite http://www.donatoart.com entnehmen. Dort tritt er als selbstbewusster Künstler auf, der an sein Revers geheftet hat, die Malerei der alten Meister, kombiniert mit modernen Einflüssen, ins 21. Jahrhundert zu hieven. Kein geringer Anspruch, aber die Marketing-Trommel muss im Haifischbecken des Kunstmarkts gerührt werden.
Ein besonderes Anliegen ist ihm, sein Wissen den nachfolgenden Generationen zu vermitteln. So unterrichtet er aktuell an zwei Kunstschulen, veröffentlicht Lehr-DVDs und ist Gast bei vielen Workshops.

Medienblindheit

In Deutschland würde Giancola in den Medien entweder ignoriert oder verrissen werden. Denn mit ihm verbindet man vieles, was diese sogenannten Fachleute verachten. Drei Punkte möchte ich als Beispiel nennen. Illustration, Fotografie und Detailarbeit. Das sind alles Schlagwörter, die als sicheres Kriterium gelten, keine (große) Kunst vor sich zu haben.
Ein Illustrator wird von seinen Auftraggebern gelenkt und hat keine Freiheit, sein künstlerisches Ich zu entfalten.
Die Maler haben den Wettkampf mit der Fotografie verloren und müssen andere Ausdrucksmöglichkeiten finden.
Detailarbeit vernichtet das spontane, lebendige Empfinden.

 

Illustration

Wenn Auftragsarbeiten keine Kunst wären, könnte ein Großteil der Gemälde aus den Annalen der Malerei gelöscht werden. Der berühmteste Illustrator biblischer Geschichten, Michelangelo, würde nach dieser Maßgabe der Antikünstler schlechthin sein. Hineingezwängt in die Pläne seiner Auftraggeber, Hintanstellung eigener Ideen, arbeitend in einem Medium, welches ihn nicht behagte. Trotzdem werden die Fresken in der Sixtinischen Kapelle als Meisterwerke betrachtet.

Warum ist es für viele nur so schwer vorstellbar, dass ein Illustrator ein vorgegebenes Thema als Aufgabe betrachten und zu seinem eigenen machen kann? Auch wenn der grobe Rahmen aufgrund der Handlung eines Buchs vorgegeben ist, gibt es Millionen Wege, diesen zu füllen. Sowohl in der technischen Umsetzung als auch der Darstellung. Welcher Handlungspunkt, welche Personen, welche Perspektive, welche Farbgebung, welche Beleuchtungsregie, welcher Gesichtsausdruck und so weiter und so fort.

Donato Giancola - Eric Bright-Eyes Triptych - Mitte (2001) - Öl auf Leinwand (insgesamt 172,7 x 86,4 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola

Fotografie

Mich wundert es immer wieder, warum Museen der modernen Kunst dem Foto- und Hyperrealismus Platz einräumen, alle anderen Sparten des Realismus aber ausklammern. Dabei sind doch gerade dort die größten Schätze zu finden. Fotorealismus ist aufgrund des technischen Könnens zwar Kunst, nur langweilt sie aufgrund ihrer zu großen Nähe zur Fotografie.

Diesen 'Fehler' begeht Giancola jedoch nie. Er verwendet fotografische Studien als Arbeitserleichterung, bindet diese aber immer in seine Gesamtkomposition ein. Man hat nie den Eindruck, vor einem Schnappschuss zu stehen, den jemand gerade per Kamera eingefangen hat. So entsprechen seine Porträts selten dem 0815-Standardschema, sondern haben immer etwas Ungewöhnliches, Überraschendes zu bieten, so wie im folgenden Bild die bewegende Kartenlandschaft.

Donato Giancola - Cartographer: Claudia Rodriguez (2005) - Öl auf Papier auf Masonite (55,9 x 43,2 cm )
Copyright 2013 Donato Giancola


Eine weitere Spezialität Giancolas, die ihn Meilenweit vom trockenen Fotorealisten abhebt, sind die spektakulären und ungewohnten Blickwinkel, mit denen er den Betrachter aus seinem gewohnten Seh-Alltag zerrt und ihn mitten in das Geschehen wirft.

Donato Giancola - Farseekers (1999) - Öl auf Leinwand (68,6 x 81,3 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Manche seiner Bilder sind barock-überladen, das Auge weiß kaum, wo es hinschauen soll, der Kampf ist in vollem Gange.

Donato Giancola - Faramir at Osgiliath (2003) - Öl auf Leinwand (139,7 x 94 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Andere Bilder sind dann jedoch fast kontemplativ, der Sturm ist vorbei und der Künstler zeigt einen kurzen Moment der Ruhe.

Donato Giancola - The Golden Rose (2007) - Öl auf Leinwand (91,4 x 121,9 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Detailarbeit

Die persönlichen Empfindungen des Künstlers sollen bei zu großer Detailarbeit verloren gehen, das Bild wirkt steril. Mit dieser Floskel habe ich im Zusammenhang mit der Malerei noch nie viel anfangen können. Eine Skizze soll spontan sein und Möglichkeiten aufzeigen. Doch Liebe und Begeisterung zeigt sich erst in der Freunde, ein Thema zu vertiefen und es von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Dies kann nicht immer schnell-schnell gehen, sondern verlangt Leidenschaft, Arbeit und Kreativität. Oder, wie es Giancola so schön gewichtet:
51.5% Fantasie, 47.5% Recherche, 1% Diebstahl

Gerade die minutiöse Detailversessenheit der großen Meister hat oft zu schönen Anekdoten geführt:
  • Während der Entstehung seines Gemäldes The Roses of Heliogabalus kaufte Alma-Tadema täglich eine Unmenge Rosen, um jedem Blatt das frische Leben einzuhauchen.
  • Ein Model Adolf Menzels fiel in Ohnmacht, weil der Meister ihn stundenlang in einer unmenschlichen Position verharren ließ. 
  • Giancola hat zum Glück nur einen Fisch auf seinem Gewissen, der aber zum Glück, so die Gerüchte, schon vorher tot gewesen sein soll. Leider musste er seine letzte Ruhe schwitzend unter einer Wärmelampe, zum Wohle der Kunst, verbringen
Den typischen Entstehungsprozess seiner Illustrationen beschreibt der Künstler in mehreren Interviews detailliert, zum Beispiel hier oder hier.
  1. Fachliche Vorbereitung (Betrachtung des Thema aus vielen Blinkwinkeln)
  2. Grobe Skizzen in Bleistift  (Ideengewinnung zur Beleuchtung und Komposition)
  3. Ein bis drei Skizzen zur Vorlage beim Auftraggeber
  4. Sammeln von Gegenständen, fotografische Referenzen und eigene Aufnahmen
  5. Erstellung einer Zeichnung im Originalformat des späteren Bildes
  6. Kopie der Vorzeichnung auf Baumwollpapier und Befestigung auf einer Mansonit-Platte.
  7. Farbstudien
  8. Umsetzung des Ölbildes und gegebenenfalls Korrektur der Vorlage

Geniestreich

Giancolas Gemälde sollen als eigenständige Kunstwerke unabhängig von der Buchvorlage bestehen.
Dies ist bei seinem Meisterwerk The Archer of the Rose mit Sicherheit auch gelungen. Ich kenne das zugehörige Buch nicht, aber es ist für die Wertschätzung des Bildes auch nicht von Belang.

Donato Giancola - The Archer of the Rose (2008) - Öl auf Papier auf Leinwand (91,4 x 61 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Ich habe das Bild schon viele Male betrachtet und bin immer noch begeistert von der genialen Komposition und Bildwirkung. Jeder Zentimeter dieses Bildes ist mit Leben gefüllt, man spürt förmlich die Energie des Kampfes. Durch die geschickt inszenierte Blickrichtung entlang der Diagonalen wirkt das Bild aber keineswegs chaotisch.

Donato Giancola - The Archer of the Rose - Ausschnitte (2008) - Öl auf Papier auf Leinwand (91,4 x 61 cm)
Copyright 2013 Donato Giancola

Donato Giancola - The Archer of the Rose - Studie (2008) Copyright 2013 Donato Giancola

Die aus der Phalanx der glänzenden Schilder herausragenden Kämpferinnen, welche nach rechts oben zum imaginären Feind blicken, sind bewegend gemalt. Es ist der Moment dargestellt, bei dem in all dem Lärm des Gefechts ein Augenblick der Stille herrscht und der hell erleuchtete Pfeil der Bogenschützin den Anführer der Feinde besiegen wird.

Donato Giancola - The Archer of the Rose (2008) - Wechsel zwischen Vorzeichnung und Original            Copyright 2013 Donato Giancola

Geschmacksache

Dieses Bild wurde wohl zum ersten Mal im ARC Salon von 2008-2009 ausgestellt, aber dort als nicht auszeichnungswürdig erachtet. Auch Giancola selber sieht ein ganz anderes Gemälde als sein bedeutendstes Werk an, THE HOBBIT: EXPULSION.
Doch ich stehe hier und kann nicht anders, meine Stimme für das Opus Magnum unserer Generation geht an The Archer of the Rose :-)

Samstag, 2. Februar 2013

Cesar Santos - Gegensätze ziehen sich an, Teil 2

Weiter gehts mit dem zweiten Maler der Gegensätze (er hat mir freundlicherweise erlaubt, seine Bilder zu verwenden), der diese Bezeichnung ausnahmsweise wirklich verdient hat.

Cesar Santos - Out of the Square (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Piet Mondrian

Räumliche Gegensätze

Ich finde die Idee schön, abstrakte und realistische Malerei zusammen in einem Raum auszustellen. Nicht für die ganze Sammlung des Museums, das wäre zu unstrukturiert. Aber in einem einzelnen Bereich die Gegensätze aufeinanderprallen zu lassen, wäre spannend zu beobachten.

Cesar Santos - En Plain Air Painting (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

"Das kann man doch nicht machen", sagt vielleicht mancher Vertreter der modernen Kunst. Das wäre ungerecht, hier Äpfel mit Birnen zu verglichen. "Warum nicht?" wäre meine Antwort, es soll sich doch in beiden Fällen um große, bedeutende Malerei handeln, da braucht doch niemand den Vergleich zu scheuen. Oder doch?

Angst nie gekannt

Jemand, der vor diesem Raum bestimmt keine Angst hätte, ist Cesar Santos. Tauchen wir für einen Moment in seine Gedankenwelt ein.

Cesar Santos - Babysitter (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Wer bist du? Wie ist dein Leben verlaufen? Warum ist es so verlaufen? Wo waren die Wendepunkte? Wer hat dich beeinflusst? Welche Kräfte waren im Spiel?
Um diese Fragestellungen dreht er sich immer wieder und die Antwort darauf hat, wie wir sehen werden, auch seine Kunst maßgeblich beeinflusst.

Mehr Sein als Schein

Der Maler wurde Anfang der 80er in Kuba geboren und lebt heute in den USA. Wie sich sein Leben und seine Kunst entwickelte, beschreibt er ausführlich in einem Vortrag, der bei YouTube in 6 Teilen zu sehen ist (wer es gerne kurz und prägnant hat, hier ein anderes Video).

Cesar Santos - Dancing With Mr. Bacon (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Francis Bacon

Es tritt einem ein Mensch entgegen, der auf den ersten Blick typische Klischees eines Künstlers bedient (Zotteliger Bart, philosophische Aura, bestimmt in seiner eigenen Welt lebend), diese Bedenken jedoch schnell mit einem schelmischen Blick beiseite schiebt. Und siehe da. Man hat einen sehr sympathischen, mit beiden Beinen im Leben stehenden Maler vor sich, der seinen Werdegang Schritt für Schritt seziert.

Die Gegensätze, mit denen er konfrontiert wurde, werden hierbei schnell deutlich. Man sieht, dass er diese verschiedenen Strömungen nicht bekämpft, sondern versucht hat, zu vereinen. Syncretism ist das Schlagwort, mit dem er dies beschreibt. Hört sich hochtrabend an, aber hiermit ist etwas ganz einfaches gemeint: Die Kombination sich auf den ersten Blick ausschließender Aspekte. Und damit hat er in seinem Fall den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen.

Cesar Santos - Mazazo de gracia (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Was tun sprach Zeus

Schon in frühster Kindheit zeigte sich seine Leidenschaft fürs Zeichnen und Malen. Gefördert wurde er von seiner Mutter und einem Onkel, ein in Kuba sehr bekannter Maler abstrakter Gemälde. So wie er sollte Cesar malen und keine Zeit mit seinen so geliebten, naiv realistischen Versuchen verschwenden.

Cesar Santos - Farfalline della Notte (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: sein Onkel (Name?)

Dies hörte er immer wieder, es konnte ihn aber nie ganz überzeugen. Er wollte Dinge nicht nur andeuten, sondern sie in ihrem ganzen Glanz darstellen. Die technischen Fähigkeiten fehlten ihm noch, aber die Motivation blieb trotz Widerstände bestehen.  
Das alles interessierte seinen Vater aber wenig. Er hatte andere Pläne mit seinem Jungen. Cesar war zu weich und sollte Boxer werden, um den harten Realitäten des Alltags wie ein Mann entgegentreten zu können.

Was tun sprach Zeus, dachte der Kleine wohl manches Mal und ahnte selber nicht, dass er letztendlich allen Genüge tat und doch seinen eigenen Weg ging. Er wurde professioneller Künstler, malte wie sein Onkel manches Mal abstrakt (aber zum Glück, wie wir sehen werden, ist er kein abstrakter Maler) und stieg gelegentlich in den Boxring.

Cesar Santos - The Fixed and The Mobile (Ausschnitt) (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Kazimir Malevich

Wanderer zwischen den Welten

Damit er eine bessere Schulbildung genießen konnte, wanderte seine Familie in die USA aus. Zu Hause waren die Möglichkeiten für den kleinen Sprössling zu beschränkt. Die Aussichten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war einfach zu verlockend. So machten sich die Santos auf in den Norden.

Cesar Santos - Figure re-Kline-ing (Ausschnitt)
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Franz Kline
Hier kam er zum ersten Mal mit den Gemälden der großen Meister in Berührung und es reifte die Entscheidung, diesen nachzustreben. Seine Familie verkaufte ihr Haus, um Cesar eine Ausbildung in Europa zu ermöglichen. Die bekannte Angel Academy of Art durchlief er im Rekordtempo, besuchte das Repin-Institut in St-Petersburg, unterrichtete später u.a ein Jahr in Stockholm und zog am Ende seiner Reise wieder zurück in die Staaten nach New York. Die Wurzeln zu seiner Heimat Kuba hat er, wie man den Äußerungen entnehmen kann, während der ganzen Zeit nie verloren.

Stilfindung

Die notwendigen handwerklichen Fähigkeiten hat er auf diesen Reisen perfektioniert, doch wie findet man seinen eigenen Stil, wie findet man sich selber? Da gibt es keine Hilfe von außen, das muss von innen kommen. Und Santos fand seinen Stil, den er so treffsicher mit Synkretismus beschreibt. Sein Leben war von Gegensätzen bestimmt
  • Kuba - <-> USA,
  • Kunst - <-> Boxen, 
  • Abstrakt -<-> Realistisch, 
warum soll er diese nicht auf seine Kunst übertragen.

Cesar Santos - Restorers (Ausschnitt)
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Pablo Picasso

Im wahren Leben hat er diese Gegensätze akzeptiert und gemeistert. Und so kam er auf die simple aber geniale Idee, abstrakte und realistische Malweise in einem Bild zu vereinen. Mit 'abstrakt' ist in diesem Zusammenhang nicht nur die abstrakte Malerei an sich gemeint, sondern alle Strömungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, welche das handwerkliche Können immer weniger schätzten und Skizzen in den Status fertiger Bilder hoben. Hierbei zitiert er Werke berühmter (natürlich aus meiner Sicht bei den meisten völlig unverdient) Maler wie Picasso, Malevich, Kline, van Gogh, Warhol, Mondrian, um sie in vielfältiger Weise in seine Bilderwelt zu verweben.

Vincent van Gogh - Sternennacht (1889)


Cesar Santos - Aftermath (Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Vincent van Gogh und Pablo Picasso

Unverkennbar

Er war nicht der Erste, der dies umsetzte (siehe z.B. Norman Rockwells Bild The Connisseur). Aber keiner war so konsequent wie Cesar Santos, der es zu seinem Markenzeichen erhob. Ein schlauer Schachzug, denn seine Bilder haben einen Wiedererkennungswert, wie ein Künstler ihn sich nur wünschen kann.

Happy End

Die Bilder sind unter anderem so beeindruckend, weil sie zeigen, dass ein Maler mit großen technischen Fähigkeiten alles malen kann. Das handwerkliche Können ist kein Fluch, sondern ein Segen. Und teilweise gewinnen auch die Originale ein wenig Charme. Van Goghs finde ich normalerweise als halbgare Skizzen viel zu langweilig.

Vincent van Gogh - Vincents Schlafzimmer in Arles (1889)

Aber eingebettet in ein 'richtiges' Bild, wie es Cesar Santos so brillant umsetzt, besänftigen sie sogar mein sonst so kritisches Auge.
Jedenfalls beim werten van Gogh... :-)

Cesar Santos - Juliet
(Copyright 2013 Cesar Santos)
Bezug: Vincent van Gogh

Gegensätze ziehen sich an, Teil 1

Sackgasse

Trau keinem, der die Kunst in einer Sackgasse stehen sieht. Nein, sie lebt und springt fröhlich hin und her. Fast wie in den guten alten Zeiten. Gerade hat sie eine kurze Pause eingelegt, um zwei ihrer Sprösslinge zu betrachten. Das ist unsere Chance, einen näheren Blick zu ergattern. Zoomen wir unauffällig etwas ran, wer diese Menschen wohl sind. Man sieht einen jüngeren US-Kubaner und einen im Zenit seiner Karriere stehenden Deutschen. Beide haben sich mit den großen Werken der Moderne auseinandergesetzt und sind dafür bekannt, scheinbar unversöhnliches nebeneinander zu stellen. Wie wir sehen werden, der eine etwas besser, der andere etwas schlechter.

Die Nummer 1

Fangen wir mit dem Zweiten an. Ich bin durch Zufall auf seine Internetseite gestoßen. Schaue mich kurz dort um und denke, naiv wie ich bin, einen 0815-Hobbymaler vor mir zu haben, der keinerlei technische Ausbildung genossen hat. Seine Figuren zeigen keine Stofflichkeit, ich finde keine Komposition, nichts, was nach Leben aussieht. Bemüht ist er bestimmt, aber den Bildern fehlt alles, was ich mit Kunst verbinde. Wenn man sehr großzügig urteilt, könnten aufgrund der kräftigen Farbgebung ein paar Werke in einem Kinderbuch verwendet werden. Der größte Teil der Ergüsse wäre jedoch, wenn er von dir stammen würde, völlig wertlos und würde niemanden interessieren.

Unscheinbar

Der Künstler selber wirkt, wie man dem Foto auf der Startseite entnehmen kann, nett und bescheiden. Ein lieber Großvater bestimmt. Erinnert mich irgendwie an einen Bekannten. Ich wünsche ihm viel Glück und klicke fast auf den nächsten Link. Doch halt. Was lese ich da? Nochmal zurück.

Bedeutend

Er ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler in Deutschland. Er hat die Figur wieder ins Zentrum des Bildes gerückt. "Neue Figuration" nennt man das wohl. Kann doch nicht ernst gemeint sein, oder doch? Warum so dick auftragen?

Geben wir ihm also eine zweite Chance und blättern sein Werksverzeichnis durch. Ich gebe mir die größte Mühe, finde aber leider nichts, was den hohen Ansprüchen gerecht wird. Gar nichts. Wenn er so bedeutend ist, dann wird doch wenigstens bei Wikipedia etwas über ihn zu finden sein. Und siehe da, wirklich. Unser Meister wird mit großem Artikel im feinsten Kunstblabla bejubelt.

Lassen wir uns mal ein paar Zitate auf der Zunge zergehen:
Bei näherer Betrachtung entfalten sich tiefgründige und komplexe Geschichten
die er ... mit phantasiereichen Titeln auf neue Bedeutungsebenen hebt
Die Erkundigungen des Künstlers bieten keine fertigen Lösungen
bewährten Patchwork-Methode, indem er scheinbar unversöhnliches nebeneinander stellt
Es gibt keine Vorgabe und keine bestimmte Lesart dieser Tafeln, der Betrachter ist auf sich selbst gestellt
bedeutende Werke ... die das Genre der Historienmalerei auf eine ganz neue Weise weiterentwickeln und befruchten

Rätsel

Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber mir schaudert es bei solchen Sätzen, wenn ich die Bilder (zum Beispiel hier oder seine große Weltgeschichte hier) mit dem Gesagten vergleiche. Wie jemand solches ernsten Sinnes glauben kann, wird für mich immer ein Rätsel bleiben.

Auch seine Auseinandersetzungen mit den Meistern der Moderne, Innenansichten wird das Ganze genannt, wirken sehr unbeholfen und künstlich aufgesetzt. Wo ist hier die Auseinandersetzung zu finden? Doch nicht, weil er ähnlich bescheiden und bunt malt wie seine Vorbilder, denn das unterscheidet ihn nicht von unendlich vielen Anderen. Und warum soll dieses Werk der Serie 5000 Euro wert sein und deine Malversuche keinen Cent? Der Markt, der Markt wird mancher rufen. Und recht hat er. Mit Qualität hat dies aber leider meist nicht viel zu tun.

Auflösung

Ich will nicht in Abrede stelle, dass der Herr ein wunderbarer Mensch mit großen Ambitionen und guten Taten ist. Seine Stiftung zur Unterstützung junger Künstlern finde ich wunderbar. Auch manche seiner bunten Comic-Skulpturen, wenn ich den Begriff verwenden darf, gefallen mir aus genau diesem Blickwinkel. Aber sie bieten meiner Meinung nach nichts, was nicht andere mit gleichem Eifer und Aufwand auch schaffen könnten. Deshalb ist der Anspruch völlig überzogen, und die Werke in meinen Augen keine Kunst.