Berliner Bilderbogen (Teil 1)
Konzentrationsschwierigkeiten
Ich weiß nicht, wie es dir geht. Bei mir lässt nach zwei bis maximal drei Stunden Museumsbesuch die Konzentration rapide nach. Die fachmännisch wirkende Untersuchung jedes Bildes, mit zwei Schritten vor, drei zurück, Linksschwenk und Rechtsschwenk zur Auslotung jeder Feinheit, verliert sich nach und nach zum Schnelldurchlauf von Bild zu Bild. Der Blick gleitet immer mehr zum Geschehen vor, statt auf der Wand. Diese schwindende Aufnahmefähigkeit wird mit fleißigen Klicks auf den Kameraauslöser kompensiert. Darum ist der schlaue Besucher natürlich mit moderner Kamera ausgestattet, um die Live-Freuden später vor dem Bildschirm nachzuahmen. Ich hatte nichts dergleichen eingepackt und musste auf Handy und Tablet zurückgreifen. Der geneigte Leser möge deshalb meiner Planlosigkeit und der dadurch verursachten mäßigen Qualität der Bilder verzeihen.Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin
Ich war in Berlin. Und Berlin hat viel zu bieten. Zu viel für ein langes Wochenende. Deshalb muss man sich entscheiden. Und meine Entscheidung war schon vor Anreise gefallen. Möglichst viele Werke Anton von Werners sehen. So folgte ich der Spur des ehemaligen Direktors der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste durch Berlin. Aber keine Sorge, auch andere Maler kommen in den folgenden Berichten zu ihrem Recht.Stationen eines Reisenden
1. Gemäldegalerie
Die Gemäldegalerie stand eigentlich nicht auf meinem Programm, aber dann ließ ich sie doch nicht links liegen. Die Sammlung ist auf die Zeit vor dem 19. Jahrhundert ausgerichtet, also nicht ganz mein Begehr. Aber die Höhepunkte der Dauerausstellung sind Meisterwerke der Kunstgeschichte, gemalt von Rembrandt, Velazques, Caravaggio, van Dyck, Rubens oder Reynolds. Meine bescheidenen Fotos zu präsentieren ist sinnlos, da die Malerei schon in fantastischer Qualität beim Google Art Project zu bewundern ist.2. Siegessäule
Weiter auf dem langen Weg (auf jeden Fall beim heißen Wetter an diesem Wochenende) zur Siegessäule mit ihren Mosaiken nach den Entwürfen Anton von Werners. Hier, wie auch an den folgenden Stationen, beachtete ich aus Zeitmangel keine der historischen Ausführungen. Mir ging es nur um die Kunstwerke.Die Mosaiken sind von der weltberühmten italienischen Firma Salviati umgesetzt und von Werner überzeugte sich persönlich in Venedig von den Fortschritten und der Qualität der Umsetzung.
Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
3. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
Das geheime Staatsarchiv bietet die wunderbare Gelegenheit, im zeichnerischen Nachlass Anton von Werners zu stöbern. In digitaler Form und, falls gewünscht, auch mit Vorlage der Originale. Leider ist das Fotografieren dort verboten. Für den normalen Berlinbesucher lohnt sich der Ausflug kaum. Aber für mich war es faszinierend, dem Meister bei der Ideengewinnung heimlich über die Schulter zu schauen. Heimlich, da die Skizzen nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren und auch nie als selbständige Werke angesehen wurden. Dies änderte sich erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts.4. Jüdisches Museum Berlin
So verloren und orientierungslos wie hier habe ich mich noch nie in einem Museum gefühlt. Aufgrund der zickzackförmigen, ungewohnten Form, verliert man bei großem Menschengedränge schnell den Überblick, wo nun der Ausgang ist. Allein durch die Architektonik entsteht ein beklemmendes Gefühl, ohne ein Wort oder Bild betrachtet zu haben. Aber keine Sorge. Die Hinweismarken am Boden helfen am Ende immer weiter.Mein Besuchsgrund waren zwei kleine Werke Anton von Werners. Dieser war mit vielen Berliner Juden befreundet und setzte sich vehement gegen den Antisemitismus an seiner Hochschule ein (siehe zum Beispiel seine Äußerungen zu Beginn des Jahres 1880). Der Familie Mosse malte er 1899 ein großes Wandbild für ihr neues Palais. Die Farbskizze zum Wandbild und eine Studie Emilie Mosse, der Frau des Zeitungsverlegers Rudolf Mosse, sind im jüdischen Museum ausgestellt.
Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) (Ausschnitt) - Farbskizze Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)
Und eine Studie seiner Frau, welche, rechts auf dem Stuhl im Wandbild, in fast gleicher Pose zu finden ist:
Anton von Werner - Emilie Mosse (1899) - Studie - Öl auf Leinwand
Anton von Werner - Emilie Mosse (1899) (Ausschnitt) - Studie - Öl auf Leinwand
5. Berlinersche Galerie
Mit der Berlinerschen Galerie verbinde ich Platzverschwendung pur. Vor klaustrophobischen Anfällen braucht man hier jedenfalls keine Angst zu haben. Nach Eintritt steht man in einer riesigen weißen Halle, in der zwei monströse schwarze Gebilde (der Kenner würde dies wohl als Kunst bezeichnen) verloren platziert sind. Für mich eigentlich genau der Hinweis, nichts nach meinem Geschmack zu finden und wieder umzudrehen.Doch ich bin nicht ohne Grund hier. Denn eine kleine Ecke, wohl zur Abschreckung und dem Lobpreise des darauf Folgenden, ist der offiziellen Kunst des Kaiserreiches gewidmet. Und an erster und zentraler Stelle ist mein Lieblingsbild Anton von Werners zu sehen. Das große Gemälde der Enthüllung des Richard Wagner Denkmals im Jahre 1903.
Mein mickriges Foto kann den realen Eindruck nicht in Ansätzen widerspiegeln. Ich habe bestimmt eine halbe Stunde jedes Detail dieses Wandbilds bewundert. Ich hätte es am liebsten eingepackt und mit nach Hause genommen. Doch wie damit durch die winzige Zugtür kommen? So ließ ich desillusioniert meinem Plan wieder fallen.
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) -
Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Für die meisten der schnell vorbeihuschenden Besucher hat dieses Gemälde wohl nichts mit Kunst zu tun. Aber für mich ist es eines der großen Meisterwerke zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es macht Zeitgeschichte lebendig und ist auf höchstem Niveau gemalt. Solch wunderbare Farbgebung, Beleuchtungsregie, Liebe für Details, Stofflichkeit und geschickte Gruppierung von Massen ist in dieser Qualität selten zu finden. Also all das, welches dieses Werk unerreichbar macht für jeden Liebhaber moderner Kunst, der es als rein dokumentarische Belanglosigkeit ansieht. Soll sich die Masse unten vor den schwarzen Klötzen auf ihrer Suche nach der Kunst winden, für uns ist sie oben in Ruhe mühelos sichtbar.
Hier der Künstler des Denkmals, Gustav Eberlein:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt)
Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Dann darf natürlich auch nicht der damals 87-jährige Adolph Menzel fehlen, arg verjüngt von seinem Freund Anton von Werner:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Mit kleinen, geschickt gesetzten Weiß- und Grautönen, Glanz am Boden und auf den Schuhen gezaubert:
Die Damenwelt, in ihrer für die damalige Zeit typischen Kleidung, darf bei solch einem Ereignis ebenfalls nicht fehlen:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Und die obligatorischen Pickelhauben sind auch zu sehen:
6. Berliner Dom
Im Berliner Dom stößt meine Handykamera an ihre Grenzen. Die Ausmaße sind gewaltig. Nicht ganz so imponierend wie der Petersdom in Rom, aber die Ausstattung kann sich, entsprechend meinem Historismus-Geschmack, ohne Probleme mit den großen katholischen Vorbildern messen.Glasfenster Berliner Dom - Geburt Jesu - Entwurf Anton von Werner
Ein Höhepunkt im Dom sind die farbenprächtigen, detaillierten Glasfenster nach Entwürfen Anton von Werners. Denn zu sehen sind keine der üblichen, langweiligen, ans Mittelalter angelehnten Motive. Sondern Darstellungen, die als eigenständige Gemälde gelten könnten.
Von Anton von Werner stammen die Vorlagen für acht Mosaike an der Kuppel, darstellend die Seligpreisungen der Bergpredigt nach dem Matthäusevangelium. Weiterhin drei Altarfenster in der Apsis zur Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi samt jeweils übergeordnetem, ovalen Glasfenster. Und zuletzt die vier Evangelisten-Porträts oben in den Nischen der Gewölbepfeiler.
Wer nichts gegen ein paar Treppen hat, kann die Ausstellung zur Entstehung des Domes besichtigen. Dort sind unter anderem ein paar der Farbskizzen zu den Seligpreisungen und Entwürfe zu den ovalen Glasfenstern zu sehen.
Anton von Werner - Entwurf ovales Glasfenster (um 1901) - Öl auf Leinwand
Anton von Werner - Selig sind die Friedfertigen (um 1901) - Entwurf für das Kuppelmosaik - Öl auf Leinwand
In einem Dom zur Verherrlichung und Andacht an die Hohenzoller-Dynastie darf natürlich ein Kunstwerk zu Wilhelm I nicht fehlen. Und so ist im Ausstellungsraum ein imposantes Ölgemälde von William Pape zu finden. Dargestellt ist die Aufbewahrung Kaiser Wilhelms im Berliner Dom. Ein Ereignis, welches auch von Anton von Werner oder Arthur Kampf bildlich festgehalten wurde.
Ein interessanter Beitrag, der in mir den Wunsch weckt, mal Berlin zu besuchen.
AntwortenLöschenWarst du schon in Hamburg? Die Kunstsammlung dort neben dem Hauptbahnhof ist auch sehr sehenswert!
In Hamburg war ich leider noch nie (ausser am Bahnhof), aber da muss ich unbedingt mal hin. Zumal ich auch immer schon mal ins Miniatur-Wunderland wollte. Vielleicht nächstes Jahr...
AntwortenLöschenHello. I am sorry I am not able to weite to you in German, I can only read your blog thanks to the translator from Google. Just a question: What has happened to your blog? I mean, I have visited today and there are NO pictures. BTW. Thank ypu so much for defending Anton von Werner and the other great German painters of the XIX condemned by the hateful modernists.
AntwortenLöschenHi, thank you. The copyright is so restrictive in germany, that is almost impossible to show images, despite they are your own. https://en.wikipedia.org/wiki/Photograph_copyright_(Germany). Without images, it makes no fun.
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