Montag, 19. August 2013

Berliner Bilderbogen (Teil 5)

Alte Nationalgalerie (Last but not least)


Langsam kommen wir zum Ende des Rundgangs durch die Alte Nationalgalerie. Wir haben manch tolles Werk gesehen, aber den Höhepunkt der Sammlung noch nicht erreicht. Zwei Maler fehlen noch, die nach meinen Maßstäben den Glanzpunkt der Sammlung darstellen. Ein Österreicher und ein Deutscher.

Beide galten als wenig kompromissbereit und gradlinig in ihren Handlungen. So wundert es nicht, dass sie schon früh mit dem akademischen Zopf aneinandergerieten.
Über die offizielle Doktrin, dass Landschaftsmalerei nur durch das Studium der Klassiker wie Lorraine oder Poussin erlernbar war, schüttelten sie den Kopf. Sie wollten keine idealisierten Landschaften malen, sondern die Welt so darstellen, wie sie war. Raus in die Natur lautete ihre Maxime seit Ende der 20er Jahre. Nur dort kann man ein Gefühl für Licht und Schatten, Wind oder Wolken gewinnen.

Ihre Gemälde sind genau nach meinem Geschmack. Vollendet bis in den kleinsten Winkel, aber nie fotorealistisch langweilig. Sie bieten nicht nur ein, zwei Blickfänge, sondern viele kleine Szenen, welche das große Ganze abrunden.

Ferdinand Georg Waldmüller (1793 - 1865)

Waldmüller ist ein fantastischer Maler, der auf vielen Gebieten (Stillleben, Porträts, Landschafts- oder Genremalerei) wahre Meisterwerke geschaffen hat. Seine technischen Fähigkeiten sind sagenhaft. So beeindruckt, wie von dem Kleid der Gräfin in dem Porträt der Familie Kerzmann aus dem Belvedere, bin ich selten gewesen. Der Zeit weit voraus war er in der Behandlung des Sonnenlichts. In dieser Intensität, hell und blendend, hat man es zuvor nicht gemalt gesehen.

Waldmüllers Lieblingsthema waren Kinderbilder. Diese wurden schon zu seinen Lebzeiten, und noch mehr heute, als naiv und belanglos belächelt. Ob das berechtigt ist, wird nicht mehr hinterfragt. Ich stimme dem natürlich nicht zu. Wie ein Thema umgesetzt wurde, ist von Belang, aber nicht sein Gegenstand. Dies ist Geschmackssache und dem Wandel der Zeit unterworfen.

Warum soll die Welt kleiner Kinder weniger malenswert sein, als das Leben der Erwachsenen? Warum kann der Fachmann sich an Leid und Tragödie als große Themen der Kunst ergötzen, aber die kleinen Freunde des Menschseins übersehen? Warum ist ein weinendes Kind Kitsch, ein blutender Erwachsener aber Kunst?

In der Alten Nationalgalerie sind alle Sparten der Kunst Waldmüllers vertreten.

So auch ein kleines, feines Stillleben. Keine Sorge. Auf der rotfigurigen Vase ist kein drittes Standbein des sich an die Dame annähernden bärtigen Herrn abgebildet.

Ferdinand Georg Waldmüller - Blumenstrauß mit Silbergefäßen und antiker Vase (um 1840) - Öl auf Holz (58 x 46 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Blumenstrauß mit Silbergefäßen und antiker Vase (um 1840) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (58 x 46 cm)

Ferdinand Georg Waldmüller - Blumenstrauß mit Silbergefäßen und antiker Vase (um 1840) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (58 x 46 cm)

 

Kurz vor seinem Tod malte er eine weitere Version der im Vorfrühling im Wienerwald spielenden Kinderserie. Das älteste Bild von 1858 ist in Nürnberg ausgestellt, die mittlere Variante von 1861 im Belvedere in Wien.

Ferdinand Georg Waldmüller - Vorfrühling im Wiener Wald (1864) - Öl auf Leinwand (42 x 54 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Vorfrühling im Wiener Wald (1864) (Auschnitt) - Öl auf Leinwand (42 x 54 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Vorfrühling im Wiener Wald (1864) (Auschnitt) - Öl auf Leinwand (42 x 54 cm)

Voller Stolz präsentieren die drei Lebkuchenträger ihren auf der Kirchweih neu erworbenen Schatz.

Ferdinand Georg Waldmüller - Rückkehr von der Kirchweih (um 1859-60) - Öl auf Holz (74 x 94,4 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Rückkehr von der Kirchweih (um 1859-60) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (74 x 94,4 cm)



Ferdinand Georg Waldmüller - Rückkehr von der Kirchweih (um 1859-60) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (74 x 94,4 cm)
Schulfrei. Jubel und Geschrei. So wars damals und so wirds nie anders sein.

Ferdinand Georg Waldmüller - Nach der Schule (1841) - Öl auf Eichenholz (75 x 62 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Nach der Schule (1841) (Ausschnitt) - Öl auf Eichenholz (75 x 62 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Nach der Schule (1841) (Ausschnitt) - Öl auf Eichenholz (75 x 62 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Nach der Schule (1841) (Ausschnitt) - Öl auf Eichenholz (75 x 62 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Nach der Schule (1841) (Ausschnitt) - Öl auf Eichenholz (75 x 62 cm)

Carl Friedrich Lessing (1808 - 1880)

Lessing interessierte sich nicht für Konventionen.

Seinem ehemaligen Lehrer Schadow bereitete er Kopfschmerzen, da er mit den Themen seiner Gemälde Neuland suchte, welches der strenge Katholik Schadow nicht zu gehen bereit war. Den von der Inquisition als Ketzer verbrannten Huss in seinen Historienbildern zu verewigen, war für Schadow undenkbar.

Auch für die damals als Pflichtprogramm angesehene Italienreise, zum Studium der antiken Vorbilder, konnte sich Lessing nicht begeistern. Seine Motive gewann er lieber auf Wandertouren in heimischen Gefilden. Schon mit 19 Jahren, also seit 1827, sind des Malers Streifzüge, mit seinem Freund Wilhelm Schirmer, durch die Eifel bekannt.

Lessing war ein großartiger Zeichner, der jedes Gemälde durch unzählige Studien vorbereitete. Seine Akribie bei der Recherche zu den Historiengemälden wurde von vielen Kollegen bewundert. Er besaß eine große Bibliothek und Requisitensammlung, um den Werken noch mehr Authentizität zu verleihen.

Hier ein typisches Landschaftsbild der Romantik. Es ist ein einsamer Wanderer in einer flachen Wiesenlandschaft zu sehen, die zwar real wirkt, aber mit Sicherheit komponiert ist.

Carl Friedrich Lessing - Schlesische Landschaft (1841) - Öl auf Leinwand (48 x 114 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schlesische Landschaft (1841) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (48 x 114 cm)
In der Sammlung befindet sich eines der frühsten Gemälde Lessings. Die Ritterburg ist aufgrund der zu konstruierten Zusammensetzung alles andere als gelungen. Es zeigt aber schön, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Lessing erkannte seine Mängel in der Komposition eines Bildes, arbeitete an seinen Schwächen und gründete deshalb einen Komponierverein.

Carl Friedrich Lessing - Ritterburg (1828) - Öl auf Leinwand (138 x 194 cm)

Carl Friedrich Lessing - Ritterburg (1828) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (138 x 194 cm)



Mein Lieblingsbild der gesamten Sammlung ist die Kampfszene während des Dreißigjährigen Krieges, welche Lessing hier verewigt hat. Der am Engpass tobende Kampf ist in vollem Gange, während ganz rechts eine Dame in aller Ruhe den Edelmann bewacht. Jeder Zentimeter des Gemäldes ist mit viel Liebe und Detailbegeisterung gemalt.

Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) - Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)

Ausblick

Soweit mein Streifzug durch die Alte Nationalgalerie. Aufgrund der knappen Zeit in Berlin stand für den gleichen Tag noch das Deutsche Historische Museum auf dem Programm. Von diesem Ausflug berichte ich in den folgenden Teilen des Berliner Bilderbogens.

Samstag, 17. August 2013

Berliner Bilderbogen (Teil 4)

Alte Nationalgalerie und kein Ende

Arnold Böcklin (1827 - 1901)


Böcklin ist ein Liebling der Kuratoren der Alten Nationalgalerie. Es werden bestimmt sieben oder acht Werke von ihm in der Sammlung präsentiert. Und dies nicht ganz ohne Grund. Denn Böcklin war, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, ein Meister auf vielen Gebieten. Porträt- oder Landschaftsmalerei, christliche Geschichte oder Bilder zur Sagenwelt sind sein Metier, genauso wie die mythischen Welten in der Art seiner Toteninseln.

Seine römische Frau bildet er im folgenden Porträt im Profil ab.

Arnold Böcklin - Bildnis Angela Böcklin (1863) - Tempera und Wachs auf Holz (41 x 32 cm)
Arnold Böcklin - Bildnis Angela Böcklin (1863) (Ausschnitt) - Tempera und Wachs auf Holz (41 x 32 cm)

Das Besondere am dem religiösen Bild ist die vom göttlichen Glanz erleuchtete Mauer.
Arnold Böcklin - Beweinung unter dem Kreuz (1876) - Tempera und Firnis auf Holz (164 x 250 cm)
Arnold Böcklin - Beweinung unter dem Kreuz (1876) (Ausschnitt) - Tempera und Firnis auf Holz (164 x 250 cm)

Dieses kleine, feine Landschaftsbild soll angelehnt sein an ähnliche Motive seines Freundes Franz-Dreber.
Arnold Böcklin - Italienische Landschaft (um 1858) - Öl auf Leinwand (42,5 x 34,5 cm)

Verpackt in eine mythologische Szene, ist der schäumende Wasser-Aufprall gegen die Felsen das eigentliche Thema des Bildes.

Arnold Böcklin - Die Meeresbrandung (1879) - Öl auf Holz (121 x 82 cm)

Arnold Böcklin - Die Meeresbrandung (1879) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (121 x 82 cm)

Giovanni Segantini (1858 - 1899)

Segantinis Bilder sind unverwechselbar. Seine Malweise, in der er die Farben ungemischt Strich für Strich nebeneinander platziert, erinnert sehr an den Pointillismus. Er steht aber meilenweit über diesem. Denn es gelingt ihm, im Gegensatz zu völlig überschätzen Malern wie Signac oder Seurat, seinen Gemälden wirkliches Leben einzuhauchen.

In der Alten Nationalgalerie ist eine seiner besten Arbeiten ausgestellt. Dessen Leuchten ist der Blickfang des Ausstellungsraumes. Abgebildet ist eine für Segantini typisch reliefartige Szene, auf einem Hochplateau in den Bergen der Schweiz. Ein kleiner Trauerzug führt einen Toten zu seiner letzten Ruhestätte.

Giovanni Segantini - Rückkehr zur Heimat (1895) - Öl auf Leinwand (161,5 x 299 cm)

Carl Blechen (1798 - 1840)

Coverversionen von eigenen Songs kommen bei Musikern selten vor. In der Malerei ist dies jedoch gang und gäbe. Wenn zu einem bestimmten Bildtypus eine große Nachfrage bestand, war der Künstler häufig gezwungen, dem Markt das zu bieten, was er verlangte. Der Maler musste eine Familie ernähren und hatte keine Wahl. So zum Beispiel in dem von mir beschriebenen Fall Carl Wilhem Hübners. Der Anstoß zu der Wiederverwendung eines Motivs kann natürlich auch vom Künstler selber kommen.

In der Nationalgalerie sind zwei Gemälde Carl Blechens ausgestellt, die einen ganz engen Bezug zueinander haben. Der Park von Terni wird einmal als Kulisse für zwei badende Frauen, ein andermal für zwei diskutierende Mönche verwendet. Das Ursprungsmotiv scheint die Variante mit den beiden Badennixen zu sein, denn in der Staatsgalerie Stuttgart ist eine kleine identische Studie und im Frankfurter Städelmuseum ein großes Bild gleichen Inhalts zu sehen. Beide schon aus dem Jahr (1828/29).

Hier nun die Variationen aus der Alten Nationalgalerie.

Carl Blechen - Park von Terni mit badenden Mädchen (1835) - Öl auf Leinwand (107 x 77 cm)
!Da meine Aufnahme viel zu schlecht ist, stammt die Abbildung der Badenden aus Wikipedia!
Carl Blechen - Zwei Mönche im Park von Terni (1830) - Öl auf Leinwand (63 x 51,5 cm)
Carl Blechen - Zwei Mönche im Park von Terni (1830) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (63 x 51,5 cm)

Eduard Gaertner (1801 - 1877)

Gaertner ist vielleicht der beste Architekturmaler, den Deutschland je hatte. Seine liebevollen Stadtansichten sind aufgrund ihrer Genauigkeit und Atmosphäre unübertroffen. Man taucht ein ins Berlin des 19. Jahrhundert und saugt das Flair dieser noch in ihren Kinderschuhen stehenden Weltstadt auf. Gaertners Lichtbehandlung straft jeden Lügen, der behauptet, erst die Impressionisten hätten verstanden, wie man die Facetten des Lichts wirklichkeitsnah darstellt.

Eduard Gaertner - Unter den Linden (1852/53) - Öl auf Leinwand (75 x 155 cm)
Eduard Gaertner - Unter den Linden (1852/53) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (75 x 155 cm)
Eduard Gaertner - Unter den Linden (1852/53) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (75 x 155 cm)
Eduard Gaertner - Die neue Wache in Berlin (1833) - Öl auf Leinwand (47 x 77 cm)
Eduard Gaertner - Die neue Wache in Berlin (1833) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (47 x 77 cm)

Theodor Hildebrandt (1804 - 1874)

Die Räuber ist das erste Drama des noch jungen Friedrich Schiller. Es handelt von einem zu Unrecht vom Vater verstoßenen Grafensohn, der, auf sich alleine gestellt, nicht wirklich was mit seinem Leben anzufangen weiß. Die Folge ist klar. Er hat keine Ziele und nichts zu tun. Hängt mit falschen Freunden rum und gerät auf die schiefe Bahn. Sie gründen eine Gang und berauben in bester Robin Hood-Manier die Reichen und geben es den Armen. Jedoch zerbröckeln seine Ideale immer mehr an der Realität. Und, wie es sich für einen Klassiker gehört, sind am Ende fast alle Tod.

Hildebrandts Räuber hat schon glücklichere Tage erlebt. Der goldene Ehering an seinem Finger weist auf die heile Welt seines früheren Lebens hin. Nun sitzt er einsam in einer verlassenen Ecke, mit dem Gewehr in der Hand, auf Gefahren lauernd. Ob er jemals wieder in die behütete Welt, die nur noch in seinen Erinnerungen existiert, zurückkehren kann, steht in den Sternen.

Theodor Hildebrandt - Der Räuber (1829) - Öl auf Leinwand (114 x 99 cm)

Julius Hübner (1806 - 1862)

Das von Hübner in der Alten Nationalgalerie ausgestellte Gemälde wird wohl ein Hochzeitsgeschenk gewesen sein. Denn just in dem Jahr der Fertigstellung des Bildes heiratet der Künstler die auf dem Porträt abgebildete junge Schönheit. Pauline Bendemann, die Schwester seines Malerkollegen Eduard Bendemann.

Julius Hübner - Pauline Hübner geb. Bendemann (1829) - Öl auf Leinwand (189,5 x 130 cm)
Julius Hübner - Pauline Hübner geb. Bendemann (1829) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (189,5 x 130 cm)