Berliner Bilderbogen (Teil 5)
Alte Nationalgalerie (Last but not least)
Langsam kommen wir zum Ende des Rundgangs durch die Alte Nationalgalerie. Wir haben manch tolles Werk gesehen, aber den Höhepunkt der Sammlung noch nicht erreicht. Zwei Maler fehlen noch, die nach meinen Maßstäben den Glanzpunkt der Sammlung darstellen. Ein Österreicher und ein Deutscher.
Beide galten als wenig kompromissbereit und gradlinig in ihren Handlungen. So wundert es nicht, dass sie schon früh mit dem akademischen Zopf aneinandergerieten.
Über die offizielle Doktrin, dass Landschaftsmalerei nur durch das Studium der Klassiker wie Lorraine oder Poussin erlernbar war, schüttelten sie den Kopf. Sie wollten keine idealisierten Landschaften malen, sondern die Welt so darstellen, wie sie war. Raus in die Natur lautete ihre Maxime seit Ende der 20er Jahre. Nur dort kann man ein Gefühl für Licht und Schatten, Wind und Wolken gewinnen.
Ihre Gemälde sind genau nach meinem Geschmack. Weitgehend vollendet, oft bis in den kleinsten Winkel, aber nie fotorealistisch langweilig. Sie bieten nicht nur ein, zwei Blickfänge, sondern viele kleine Szenen, welche das große Ganze abrunden.
Ferdinand Georg Waldmüller (1793 - 1865)
Waldmüller ist ein fantastischer Maler, der auf vielen Gebieten (Stillleben, Porträts, Landschafts- oder Genremalerei) wahre Meisterwerke geschaffen hat. Seine technischen Fähigkeiten sind sagenhaft. So beeindruckt, wie von dem Kleid der Gräfin in dem Porträt der Familie Kerzmann aus dem Belvedere, bin ich selten gewesen. Der Zeit weit voraus war er in der Behandlung des Sonnenlichts. In dieser Intensität, hell und blendend, hat man es zuvor nicht gemalt gesehen.Waldmüllers Lieblingsthema waren Kinderbilder. Diese wurden schon zu seinen Lebzeiten, und noch mehr heute, als naiv und belanglos belächelt. Ob das berechtigt ist, wird nicht mehr hinterfragt. Ich stimme dem natürlich nicht zu. Wie ein Thema umgesetzt wurde, ist von Belang, aber nicht sein Gegenstand. Das ist Geschmackssache und dem Wandel der Zeit unterworfen.
Warum soll die Welt kleiner Kinder weniger malenswert sein, als das Leben der Erwachsenen? Warum kann der Fachmann sich an Leid und Tragödie als große Themen der Kunst ergötzen, aber die kleinen Freunde des Menschseins übersehen? Warum ist ein weinendes Kind Kitsch, ein blutender Erwachsener aber Kunst?
In der Alten Nationalgalerie sind alle Sparten der Kunst Waldmüllers vertreten.
So auch ein kleines, feines Stillleben. Keine Sorge. Auf der rotfigurigen Vase ist kein drittes Standbein des sich an die Dame annähernden bärtigen Herrn abgebildet.
Ferdinand Georg Waldmüller - Blumenstrauß mit Silbergefäßen und antiker Vase (um 1840) - Öl auf Holz (58 x 46 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Blumenstrauß mit Silbergefäßen und antiker Vase (um 1840) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (58 x 46 cm)
Kurz vor seinem Tod malte er eine weitere Version der im Vorfrühling im Wienerwald spielenden Kinderserie. Das älteste Bild von 1858 ist in Nürnberg ausgestellt, die mittlere Variante von 1861 im Belvedere in Wien.
Öl auf Leinwand (42 x 54 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Vorfrühling im Wiener Wald (1864) (Auschnitt) - Öl auf Leinwand (42 x 54 cm)
Auf dem folgenden Gemälde präsentieren die drei Kinder voller Stolz ihre auf der Kirchweih neu erworbenen Schätze.
Öl auf Holz (74 x 94,4 cm)
Ferdinand Georg Waldmüller - Rückkehr von der Kirchweih (um 1859-60) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (74 x 94,4 cm)
Schulfrei. Jubel und Geschrei. So war es damals und so wird es nie anders sein.
Ferdinand Georg Waldmüller - Nach der Schule (1841) -
Öl auf Eichenholz (75 x 62 cm)
Carl Friedrich Lessing (1808 - 1880)
Lessing interessierte sich nicht für Konventionen.Seinem ehemaligen Lehrer Schadow bereitete er Kopfschmerzen, da er mit den Themen seiner Gemälde Neuland suchte, welches der strenge Katholik Schadow nicht zu gehen bereit war. Den von der Inquisition als Ketzer verbrannten Huss in seinen Historienbildern zu verewigen, war für Schadow undenkbar.
Auch für die damals als Pflichtprogramm angesehene Italienreise, zum Studium der antiken Vorbilder, konnte sich Lessing nicht begeistern. Seine Motive gewann er lieber auf Wandertouren in heimischen Gefilden. Schon mit 19 Jahren, also seit 1827, sind des Malers Streifzüge mit seinem Freund Wilhelm Schirmer durch die Eifel bekannt.
Lessing war ein großartiger Zeichner, der jedes Gemälde durch unzählige Studien vorbereitete. Seine Akribie bei der Recherche zu den Historiengemälden wurde von vielen Kollegen bewundert. Er besaß eine große Bibliothek und Requisitensammlung, um den Werken noch mehr Authentizität zu verleihen.
Hier ein typisches Landschaftsbild der Romantik. Es ist ein einsamer Wanderer in einer flachen Wiesenlandschaft zu sehen, die zwar real wirkt, aber mit Sicherheit komponiert ist.
Öl auf Leinwand (48 x 114 cm)
Öl auf Leinwand (48 x 114 cm)
In der Sammlung befindet sich eines der frühsten Gemälde Lessings. Die Ritterburg ist aufgrund der zu konstruierten Zusammensetzung alles andere als gelungen. Es zeigt aber schön, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Lessing erkannte seine Mängel in der Komposition eines Bildes, arbeitete an seinen Schwächen und gründete vielleicht deshalb einen Komponierverein.
Öl auf Leinwand (138 x 194 cm)
Carl Friedrich Lessing - Schützen im Engpaß (1851) -
Öl auf Leinwand (195 x 164,5 cm)