Freitag, 16. August 2013

Berliner Bilderbogen (Teil 3)

Noch mehr aus der Alten Nationalgalerie

Carl Spitzweg (1808 - 1885) 

Spitzweg war nie der große, technisch versierte Meister. Aber seine kleinen, lieblichen Geschichten sind immer noch unverändert populär. Bei Amazon werden alleine fünf verschiedene Kalender zum kommenden Jahr 2014 mit seinen Bildern gelistet. Mehrere Werke Spitzweg sind in der Nationalgalerie zu sehen, so auch die hier abgebildeten, kräftig die Tassen hebenden Feierbiester am Starnberger See.

Carl Spitzweg - Alte Schänke am Starnberger See (1865) - Öl auf Leinwand (32 x 54 cm)
Carl Spitzweg - Alte Schänke am Starnberger See (1865) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (32 x 54 cm)

Paul Baum (1859 - 1932)

Baum ist einer derjenigen Maler, die sich vom Paulus zum Saulus gewandelt haben. Seine frühen, der akademischen Tradition verpflichtenden Bilder zeugen von Können und Detailfreude. Den späteren, impressionistischen Werken fehlt jedoch der Atmen, der die Bilder zum Leben erweckt. Ganz anders das folgende Gemälde Baums. Hier riecht man die Luft nach einem Regenschauer und hört das Wasser plätschern. Auch wenn es im Atelier entstanden ist, kann es das Gefühl für Natur viel eher vermitteln, als viele der kunterbunten, impressionistischen Freiluftbilder.

Paul Baum - Nach dem Regen (1883) - Öl auf Holz (55,5 x 80,5 cm)

Karl Buchholz (1849 - 1889)

Die Weimarer Malerschule habe ich bisher nicht wahrgenommen. Ich wusste, dass sie für ihre Landschaften berühmt waren, aber ihre Gemälde sind mir noch nie über den Weg gelaufen. Aber ich gelobe Besserung und habe zur Vergebung meiner Sünden zwei Bücher über diese Maler bestellt. Dann werde ich erfahren, warum der talentierte Karl Buchholz mit 40 Jahren Selbstmord beging und wieso Paul Baum seinen Malstil änderte.
Buchholz Frühlingsbild ist atmosphärisch wunderbar gelungen und der stark V-förmige (die Verlängerung der beiden Dächer links und rechts in Richtung Weg) Bildaufbau nicht jeden Tag bei einem Landschaftsbild zu sehen.

Warum das Werk laut Plakette im Museum Frühling auf dem Dorf heißt und um 1872 entstanden sein soll, ist mir schleierhaft. Eigentlich ist die Herkunft, wenn man den Angaben des Bildarchivs Foto Marburg glaubt, bestens dokumentiert.

Karl Buchholz - Frühling in Oberweimar (1868) - Öl auf Leinwand (60 x 49 cm)

Fritz von Uhde (1848 - 1911)

Die religiöse Malerei wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert in Deutschland vor allem von den Nazarenern bestimmt. Ihre Kunst war rein und erhaben. Für viele (ich zähle mich dazu) auch langweilig. Menschen, deren christlicher Glaube nicht so fest wie in früheren Jahrhunderten war, konnte man mit dieser abgehobenen Darstellung nicht packen. Kann die christliche Malerei nicht weltlicher werden? Wo sind die realen Menschen in all den Heiligenbildern? Diese Lücke füllte neben Eduard Gebhardt kein Maler so sehr wie Fritz von Uhde.

Auf dem Gemälde der Alten Nationalgalerie holt der Maler Jesus in das Hier und Jetzt (natürlich bezogen aufs Jahr 1885). Er ist überraschender Gast einer armen Handwerker-Familie, die gerade ihr "Komm, Herr Jesus" betete. Und siehe da, der Herr kam.
Fritz von Uhde - Das Tischgebet (1885) - Öl auf Leinwand (130 x 165 cm)
Fritz von Uhde - Das Tischgebet (1885) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (130 x 165 cm)

Fritz von Uhde - Das Tischgebet (1885) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (130 x 165 cm)

Fritz von Uhde - Das Tischgebet (1885) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (130 x 165 cm)

Max Liebermann (1847 - 1935)

Liebermanns Bilder sind mir oft zu unvollendet. Nicht, dass sie schlecht wären. Bei weitem nicht. Dafür ist er ein viel zu gut ausgebildeter Maler. Aber häufig würde ich mir mehr Schliff und ausgemalte Passagen wünschen.
Eines der Werke aus der Übergangszeit zum impressionistisch angehauchten Malstil ist das folgende Bild aus dem Jahre 1881. In früheren Zeiten wäre es als Studie (siehe zum Beispiel das als Farbskizze deklarierte Werk Anton von Werners zum Gastmahl der Familie Mosse, Teil 1 des Berliner Bilderbogens) angesehen worden, aber die Zeiten ändern sich.
Ich mag das Bild. Da verzeihe ich ihm auch die perspektivisch etwas missratene linke Bildhälfte in bester van Gogh-Tradition :-)

Max Liebermann - Schusterwerkstatt (1881) - Öl auf Holz (64 x 80 cm)

Max Liebermann - Schusterwerkstatt (1881) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (64 x 80 cm)

Gustav Spangenberg (1821 - 1891)

Der Tod bekommt sie alle. Ob Jung, ob Alt, ob Arm oder Reich, Ritter oder Bischof. Die Glocke des Todes zieht jeden in ihren Bann. Wer jetzt noch verschont bleibt, wird beim nächsten Mal an der Reihe sein. Gerade verabschiedet sich ein zum Krieg ausziehender Landsknecht, um seinen ihm zugewiesenen Platz in der endlosen Schlange einzunehmen.
Gustav Spangenberg - Der Zug des Todes (1876) - Öl auf Leinwand (158 x 282 cm)
Gustav Spangenberg - Der Zug des Todes (1876) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (158 x 282 cm)
Gustav Spangenberg - Der Zug des Todes (1876) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (158 x 282 cm)

Franz von Lenbach (1836 - 1904)

Die Augen sind der Spiegel der Seele. Wer sie versteht, versteht den Menschen. Sie öffnen das Buch seiner Persönlichkeit.
Ein Maler, die dies sofort unterschrieben hätte, ist Franz von Lenbach. Denn in all seinen Porträts stehen die Augen im Mittelpunkt und ziehen den ganzen Fokus auf sich. Alles andere, außer dem Kopf selber, ist meist nur angedeutet gemalt.

Im Gegensatz dazu steht das im Teil 2 zu sehende Porträt von Leon Pohle, Bildnis des Malers Ludwig Richter . Dort wird der Mensch in einer für ihn wichtigen Umgebung gezeigt. Solch stilllebenartige Details sind in Lenbachs Porträts nie zu finden. Der Hintergrund ist immer einfarbig und lenkt die ganze Aufmerksamkeit auf den Gesichtsausdruck der Person.
Franz von Lenbach - Bildnis Otto von Bismarck (1884) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand - (124,5 x 89,5 cm)
Franz von Lenbach - Bildnis Otto von Bismarck (1884) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand - (124,5 x 89,5 cm)
Franz von Lenbach - Bildnis Richard Wagner (vor 1895) (Ausschnitt) - Öl auf Holz - (71,5 x 55,5 cm)

Donnerstag, 15. August 2013

Berliner Bilderbogen (Teil 2)

Alter Schlager

Nehmen wir an, ich wäre ein großer Fan deutscher Schlagermusik. Es wird gerade eine neue CD-Sammlung beworben, die einen einzigartigen Überblick über die deutschen Schlager der letzten 60 Jahre bietet. Ich greife natürlich sofort zu, öffne die Packung, betrachte die Wiedergabeliste und bin verwundert. Was machen die ganzen französischen Lieder auf der CD? Ich wollte eine Hit-Sammlung deutscher und nicht europäischer Schlager kaufen. Und wenn schon international, wo sind dann die englischen, italienischen oder spanischen Lieder?
Mein gesunder Menschenverstand flüstert fragend ins Ohr, ob da nicht jemand ein paar Tantiemen für seine französischen Künstler einheimsen oder deren Marktwert steigen will?

Alte Nationalgalerie

Diese Mogelpackung gibt es nicht nur in der Musik, sondern auch in der Kunst. Wobei wir bei der Alten Nationalgalerie wären. Ursprünglich geschaffen zur Präsentation deutscher Kunst, wurde diese Maßgabe zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgeweicht und stellt seitdem auch Werke französischer Maler aus. In jedem anderen Museum eine Selbstverständlichkeit, aber in einer Nationalgalerie aus meiner Sicht völlig unpassend. Doch der damalige Direktor Hugo von Tschudi setzte sich gegen große Widerstände, unter anderem von Kaiser Wilhelm II, durch. Er ging mit der Zeit. Und dies machen die Verantwortlichen der Alten Nationalgalerie auch noch heute, da sie einen Teil ihrer Sammlung in wunderbarer Auflösung dem google Art-Project zur Verfügung stellen. Jedoch einem Teil, der viele hochwertige Gemälde außer Acht lässt.
So bietet sich mir die Gelegenheit, die nicht beim Art-Project erwähnten Meisterwerke zu präsentieren. Einzig doppeltes Bild ist Uhdes Das Tischgebet, da mir dieses zum einen besonders gut gefällt und zum anderen in der google-Version eine ziemlich unrealistische Farbgebung besitzt. Außen vor bleibt Adolph Menzel, den ich demnächst mit einem eigenen kleinen Anekdoten-Bericht näher vorstellen möchte.

Jung gebliebene Bilder

Hier nun in unsystematischer Aufnahme-Reihenfolge Bilder der Alten Nationalgalerie:

Max Koner (1854 - 1900)

Der früh verstorbene Max Koner war einer der besten und gefragtesten deutschen Porträtmaler zum Ende des 19. Jahrhunderts. Bei diesem Porträt des Gelehrten Ernst Curtius sind die forschenden Augen der Anziehungspunkt des Bildes.

Max Koner - Bildnis Ernst Curtius (1896) - Öl auf Leinwand (81 x 100 cm)
Max Koner - Bildnis Ernst Curtius (1896) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (81 x 100 cm)

Karl Gussow (1843 - 1907)

Gussow legt hier wenig Wert auf ein psychologisches Porträt, sondern stellt die Dame so dar, wie sie gerne der Nachwelt erscheinen möchte. Glücklich blickend und elegant gekleidet.

Karl Gussow - Bildnis Frau Hedwig Woworsky (1878) - Öl auf Holz (138,5 x 98 cm)
Karl Gussow - Bildnis Frau Hedwig Woworsky (1878) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (138,5 x 98 cm)
Karl Gussow - Bildnis Frau Hedwig Woworsky (1878) (Ausschnitt) - Öl auf Holz (138,5 x 98 cm)

Wilhelm Gentz (1822- 1890)

Das Gemälde kannte ich bisher nur von einer kleinen Abbildung und war erstaunt über seine Größe und Qualität. Dargestellt ist der triumphale Einzug des ganz in weiß gekleideten Kronprinzen Friedrich in Jerusalem. Dieser Besuch während seiner Reise 1869 zur Eröffnung des Suez-Kanals sollte den Auftakt bilden für die Präsenz des Deutschen Reiches im Orient.

Wilhelm Gentz - Einzug seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen von Preussen in Jerusalem (1876) - Öl auf Leinwand (131 x 258 cm)
Wilhelm Gentz - Einzug seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen von Preussen in Jerusalem (1876) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (131 x 258 cm)

Paul Friedrich Meyerheim (1842 - 1915)

Meyerheims Spezialität waren kleine Zirkusvorführungen wie diese, welche Kinder zu allen Zeiten in großes Staunen versetzte. Seine typischen Zutaten sind alle vorhanden. Papageien, Elefant, einfache Leute, staunende Kinder, Dompteur. Seine kleinen Geschichten laden zum Betrachten und Verschnaufen ein.

Paul Friedrich Meyerheim - Zirkusvorstellung (1861) - Öl auf Leinwand (46,5 x 59,5 cm)

Paul Friedrich Meyerheim - Zirkusvorstellung  (1861) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (46,5 x 59,5 cm)

Friedrich Leon Pohle (1841 - 1908)

Den Namen Pohle hatte ich bis dahin nie gehört, werde ihn nun aber nicht mehr vergessen.
Denn das vielleicht beste Porträt der Sammlung ist von diesem Dresdner Künstler gemalt,
der hier sein ganzes Können zeigt. Sein Aufwand war nicht ohne Grund, denn der Käufer des Werkes stand schon vorher fest. Die Nationalgalerie.
Der bekannte Maler Ludwig Richter sinniert, mit dem Bleistift in der Hand, über den Inhalt eines zukünftigen Bildes. Der Blick ist, vom Betrachter aus, nach leicht rechts oben gerichtet. Also der typische, Nachdenklichkeit vermittelnde Blicktypus, wie ihn auch Koner im Curtius-Porträt verwendet.
Die Farbgebung des Bildes, mit seinen vielfältigen Braun- und Beigetönen, ist besonders gut gelungen.

Leon Pohle - Bildnis des Malers Ludwig Richter (1880) - Öl auf Leinwand (101 x 75 cm)

Leon Pohle - Bildnis des Malers Ludwig Richter (1880) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (101 x 75 cm)

Mihály von Munkácsy (1844 - 1900)

Dieses Bild untermauert die nicht immer akzeptierte, aber letztendlich triviale Erkenntnis, dass ein klassisch geschulter Maler in jeder Technik brillieren kann. Hier der große Ungar in Malweise mit grobem Farbauftrag. Die geschickt eingesetzten roten Akzente sorgen für einen wunderbaren Blickfang von nah und fern. Entstanden ist das Gemälde während Mukacsys Rückzug aus dem hektischen Paris in die Ruhe von Barbizon.

Mihaly von Munkacsy - Zigeunerlager (1873) - Öl auf Holz (64,5 x 102 cm)

Oswald Achenbach (1827 - 1905)

Achenbachs Gemälde hängt im Flur zum zweiten Geschoss, außerhalb der thematischen Räume. Seine helle, leuchtende Farbwahl und die beeindruckend gemalte Gruppe vorne links (übrigens im Schatten des Kolosseums stehend) zeigen Achenbach auf der Höhe seines Könnens.

Oswald Achenbach - Triumphbogen des Konstantin in Rom (1886) - Öl auf Leinwand (120 x 149 cm)

Oswald Achenbach - Triumphbogen des Konstantin in Rom (1886) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (120 x 149 cm)

Franz Defregger (1835- 1921)

Der Kampf der Tiroler gegen die bayrisch-französische Fremdherrschaft wurde von Defregger in zwei großformatigen Bildern umgesetzt.

Zum einen das im Belvedere in Wien zu sehende, fantastische Gemälde Das letzte Aufgebot von 1874, welches live unter anderem aufgrund der gekonnten Raumbelichtung einen gewaltigen Eindruck hinterlässt.

Franz von Defregger - Das letzte Aufgebot (1874) - Öl auf Leinwand (139 x 191 cm)
!Achtung, dieses Bild hängt im Belvedere in Wien!

Und zum anderen das in Berlin ausgestellte Werk des heimkehrenden Landsturms aus dem Jahre 1876, welches ein zeitlich vorhergehendes Ereignis darstellt.

Franz Defregger - Heimkehrender Tiroler Landsturm im Kriege von 1809 (1876) - Öl auf Leinwand (140 x 190 cm)



Die beiden als Pendant angelegten Bilder sind ähnlich strukturiert. Kleine Gasse, links und rechts Daheimgebliebene, mittig die auf den Betrachter zumarschierenden Freiheitskämpfer.

Im Wiener Bild zieht das letzte Aufgebot der alten Männer zum Kampfe aus. In der Hoffnung, das Unmögliche wahr zu machen. Viele fühlen jedoch, das dies nicht gelingen wird.
Hingegen Schützenfeststimmung auf dem Berliner Bild. Die siegreichen Kämpfer werden begeistert empfangen. Noch scheint keiner das böse Ende zu ahnen.

Franz Defregger - Heimkehrender Tiroler Landsturm im Kriege von 1809 (1876) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (140 x 190 cm)