Samstag, 10. Januar 2009

Auf dem Weg zur abstrakten Ruhmeshalle

Ich habe Glück gehabt. Ein Artikel in der Welt hat mir die Augen geöffnet. Er hat mir gezeigt, wo die abstrakte Kunst gerade ist und wo sie hingehen wird. Ich habe das Zeug zum großen abstrakten Genie. Und dies nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret. Davon bin ich nun fest überzeugt.

Anfangs war ich noch skeptisch. Der Autor meint, die abstrakte Kunst soll weg gewesen sein und ist erst jetzt wieder zurückgekommen.
Davon hatte ich gar nichts gemerkt. Habe sie gar nicht gehen sehen. Und so weit weg war sie auf jeden Fall nicht, denn die abstrakte Kunst begegnete mir an jeder Ecke, in jeder Galerie, in jedem Museum, in den Medien. Sie lief mir immer und überall über den Weg. Nur bin ich nie drauf gekommen, sie zu greifen. Depp.

Aber vielleicht war sie auch nur aus der Sicht des Autors weg. Aber wenn sie nun, wie es scheint, zu ihm zurückgekehrt ist, ist es auch okay. So soll es denn sein.

Die Wanderschaft beginnt

Jedoch wird sie wieder auf Wanderschaft gehen. Nicht nur mir unbekannte Künstler wie Reyle, Abts und Kraus sollen die Szene mit neuem kreativem Blut bereichern.
Nein, auch ich werde wie Phönix aus der Asche nach ganz oben durchstarten. Meine Wenigkeit wird der neue Stern am Szenehimmel sein. Man wird meine abstrakten Meisterwerke vergöttern und verehren. Das wird der erhoffte Boom sein, spätere Generationen werden es als Wiedergeburt der Abstraktion preisen. Ich gehe als Grindcore Star in die Geschichtsbücher ein, da leider der Heavy Metal Star, laut einem anderen Welt-Artikel, schon vergeben ist.

Gefahr

Jedoch Achtung! Es wird vor einer Gefahr gewarnt. Die abstrakten Meisterwerke gelten bei kleinster Unachtsamkeit nur noch als dekorative Wohnzimmer Tapete ohne Sinn.

Gut zu hören. Das wird nämlich meine Marktlücke sein. Meine Tapete wird Sinn haben.
Dekorativ ist das gewöhnliche, abstrakte Werk nun wirklich nicht. Die besseren schon, aber der meiste Müll ist einfach Müll. Nicht mal als Wohnzimmer Tapete zu gebrauchen. Unsere Wände schmückt bisher auf jeden Fall noch kein verbeultes Blech des genialen Lori Hersberger.

Lori kenne ich natürlich nicht. Genauso wenig wie fast alle anderen in diesem Artikel erwähnten Genies. Noch nie gehört, obwohl die abstrakte Kunst sich immer in meiner Nähe aufhielt.

Aber wer aus verbeulten Blech Geld macht, den sollte man als aufstrebender, abstrakter Meister vielleicht doch kennen. Werde ihm mal eine Mail schreiben.

Mit Streifen zum Erfolg

Doch es ist auch von anderen Übermenschen die Rede. So von einem gewissen Reyle mit seinen Streifenbildern. Dieser soll in sensationeller Weise in den letzten Jahren die Geldbeutel der edlen Auktionskäufer nur so klimpern lassen.
Respekt dem Herrn Reyle. Das ist wirklich eine Sensation, wenn scheinbar simpelste Farbkleckse einen Käufer finden. Unglaublich, aber scheinbar wahr. Wir wollen jedoch nicht lachen, da er aufopferungsvoll die unmenschliche Arbeit auf sich nahm, sie als Streifen zu platzieren.
Auf den Zug werde ich aufspringen. Werde in brillanter Weise, ganz innovativ, farbige Querstreifen und Längsstreifen kombinieren. Diese werde ich von rechts unten nach links oben auf die Leinwand zaubern. Das wird für Furore sorgen. Vielleicht ist dies schon der ganz große Durchbruch!?

Abschaffung ohne mich

Was? Macht mir keinen Kummer. Die Wiederbelebung der abstrakten Malerei soll es eigentlich gar nicht geben.
Warum nicht geben? Ich wollte doch gerade eine große Karriere starten. Gemusterte Tapete als Moderne Kunst für 150000 Euro die Rolle anpreisen. Das war mein erstes Top-Werk.

Schließlich waren es gerade Vertreter der abstrakten Kunst, die ihre Werke zum Schlusspunkt einer formalen Entwicklung erklärt hatten. Mit diesem sollte gleich die ganze Kunstgeschichte ihre Erfüllung finden.

Au, au, Schmerz lass nach. Da platzt die Konkurrenz ja vor Selbstvertrauen und will meinen Durchbruch verhindern. Kunst am Ende. Das ist ja lächerlich, als ob jemand, der gerade bis 5 zählen kann, die ganze Mathematik abschafft.
Nein Freunde, nicht mit mir.

Heiß und Kalt

Wow, da hatte einer aber mal eine Idee. Es ist von einem Hersberger die Rede, der seine Skulpturen erhitzt hat. Da war aber einer clever. Neues zu schaffen ist ja ganz wichtig, wie mir scheint. Skulpturen (wobei ich selber dieses Wort für solche Gebilde nicht gebrauchen würde) zu erhitzen, darauf ist noch keiner gekommen. Respekt. Kein Wunder, das er ein ganz Großer der Szene ist, das nenne ich Innovation. Immerhin lässt er mir noch die Lücke offen, die Skulpturen mit Eis zu kühlen. Hoffentlich kam da keiner vor mir drauf. Schnell weg vom Laptop, erstmal Wasser ins Eisfach des Kühlschranks kippen.

So, erledigt. Eis ist im Kühlfach. Skulptur mit Eis wird eine runde Sache.
Weiter im Text.

Ernsthaft Vergessen

Nachfolgend ist von
Dogmas,
Doppelstrategien,
Aneignen und Infragestellen
die Rede. Das muss ich mir merken. Aneignen und in Frage stellen. Lernen und Vergessen kann ich jetzt schon perfekt. Ist ja so ähnlich wie Aneignen und in Frage stellen. Ich bin scheinbar schon auf dem richtigen Weg zur großen Kunst.

Was kann ich noch vom Autor lernen. Ernsthafte Kunst. Gut. Ernsthaft ist der abstrakte Künstler heutzutage. Ernsthaft kann ich auch sein. Das ist machbar.

Baustelle im Hinterhof

Was lese ich noch.

Ausstellen muss man seine kantigen Quader in Hinterhöfen. Na ja, wenn es sein muss. Dann wird halt der Hof zubetoniert und ein wunderbarer Hinterhof entstehen.
Das müsste ich im Familienrat durchsetzen können. Der Weg zum großen abstrakten Künstler ist steinig und hart. Beton ist hart. Also kann das nicht verkehrt sein.
Damit werde ich den Familienrat überzeugen.

Eitelkeit schadet

Eitel darf man neuerdings als abstrakter Künstler nicht sein. Auch kein Hindernis für mich. Werde den Hof im Schweiße meines Angesichts selber zubetonieren. Eitle Leute würden das bestimmt nicht machen. Gebongt, kriege ich hin.

Papierflieger machen reich

Weiterhin kann ich, wie es scheint, als angehendes Genie noch einiges von der erfahrenen Katja Strunz lernen. Referenziell muss mein Werk werden. Und konkret. Genauso wie ihre metallenen Pfeile oder Papierflieger.
Konkret kann ich versprechen, aber referenziell verstehe ich Einfaltspinsel natürlich wieder nicht.

Leider konnte ich früher Papierflieger nicht gerade gut bauen, aber irgendwie werde ich das schon meistern. Natürlich nicht aus Stahl, sondern aus Papier. Ja, wirklich. Aus Papier!
Da muss man erstmal drauf kommen. Papierflieger aus Papier.

Das wird irritieren, das nenne ich neue Bescheidenheit. Nicht auf dicke Hose mit Stahl und Eisen machen, sondern schön bescheiden bleiben mit einfachem Papier. Keine Eitelkeit aufkommen lassen. Damit komme ich bestimmt ganz groß raus.

Konkret unkonkret

Halt, es geht noch anders. Da habe ich ja noch mehr Möglichkeiten. Unkonkret kann man also auch sein, so wie der geniale Matthias Bitzer.

Gut zu hören, das kann ich auch. Kriege ich hin, wenn es sein muss. Kann sein, kann nicht. Manchmal ja, manchmal nein. So, aber auch anders.
Wenn das nicht unkonkret war, dann weiß ich es nicht.

Aber etwas fehlt mir zugegebenermaßen noch. Der Meister selber redet von
diffuse Signale,
Unterbewussten,
Emotion
Das sind große Worte, da bin ich noch zu unerfahren, um meine genialen Meisterwerke mit solchen Begriffen zu beschreiben.

Dröge ist hier niemand

Was muss ich nun lesen. Die abstrakte Kunst wird als dröge verschrien?

Dröge ist hier bestimmt nichts. Hier wird gehämmert, gebogen, betrogen und getäuscht, dass sich die Balken biegen.
Halt! Ein bisschen mehr Respekt für die abstrakten Meister. Bin ja bald auch einer von ihnen. Meine abstrakten Freunde verteidige ich hier mit ganz viel Gefühl. Das lasse ich mir nicht absprechen. Gefühl scheint ja auch wichtig zu sein.

Deuten ist erlaubt
"Die gegenständliche Malerei verweist dagegen nur auf eine spezifische Situation und bleibt darin verhaftet. Bei der ungegenständlichen Kunst ist die Bandbreite der Assoziationen viel größer", sagt Anselm Reyle.

Da bin ich ganz beim weisen Heavy Metal Star Reyle.
Meine Papierflieger darf jeder deuten wie er will. Da bin ich lässig und großzügig.
Für bescheidene 10000 Euro das Stück werden sie zu haben sein.
Wenn das kein Reiz ist. Dafür kriegt der Käufer auch schöne,
uneindeutige(n) Analyseangebote
serviert.
Und wenn er keine Lust mehr auf eine tiefer gehende Beschäftigung mit meinem Papiermeisterwerk hat, ist mir das, im Gegensatz zu den anderen abstrakten Meistern, schnurzpiepegal. Da sehe ich, im Gegensatz zum Autor, keine Gefahr.

Keller aufräumen

Ein letzter Ratschlag gibt der Autor mir noch mit auf den Weg. Lacke, Folie, Räder. Alles ist zu gebrauchen. Das ist gut, das macht den Einkauf billiger. Da wird schon noch was Brauchbares im Keller zu finden sein.
Nicht das alte Fahrrad einfach so als Kunstwerk preisen, sondern immer mit ernsten, stolzen Blick ein
Wechselspiel von Zuneigung und Ironie, Nähe und Distanz
schaffen.

Ich muss jedoch zugeben, noch nicht ganz in die Tiefe gedrungen sein, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Aber wenn es das alte Fahrrad kunst- und wertvoll macht, soll es mir egal sein.

Fazit
Dem Autor meinen Dank für den Einblick in diese, mir bisher verschlossene Welt. Der abstrakte Weg wird mich leiten und zur Erkenntnis führen. Ein richtiger Künstler kann ich nie werden, da meiner ungeschickten Hand einfach das Können und das Geschick fehlt. Aber den Gipfel der abstrakten Malerei kann scheinbar jeder erreichen. Können wird nicht benötigt, nur das entsprechende Glück in der Lotterie des In- oder Out-Sein.

Freitag, 9. Januar 2009

Signaturproblem

Auf den Seiten der FAZ ist ein Artikel zu finden, der sich mit der Bedeutung und den Problemen der Signatur beschäftigt.

Ein Künstler signiert, so wie ich das sehe, in der Regel sein Werk
  • aus Stolz über seine Leistung,
  • als Erkennungs- und Versionierungsmerkmal. So kennzeichnete Alma-Tadema schon relativ früh seine Gemälde mit fortlaufender Werksnummer. Oder
  • als Urkunde zur Bekräftigung der Urheberrechte
  • oder Hemmschuh für andere, seine Leistung zu kopieren. Nicht, weil die Signatur so schwer zu fälschen wäre, bei richtiger Kunst ist die Signatur meist das einfachst zu fälschende, sondern weil eine Kopie mit nachgemachter Signatur rechtliche Probleme bereitet, wenn nicht klar erkennbar und verdeutlicht wird, dass es sich um eine Kopie handelt. Genaueres sei an dieser Stelle den Juristen überlassen.
Dies wird teilweise auch in dem Artikel erwähnt. Was mich jedoch sehr stört, ist, dass die Bedeutung der Signatur seit dem 19. Jahrhundert (in modernen Kreisen) laut Autor stark und scheinbar plötzlich angestiegen ist, ohne jedoch in dem Beitrag die offensichtliche Ursache dafür zu benennen.
Dabei ist die Signatur vor allem seit dem 19. Jahrhundert eine wesentliche Grundlage, ja geradezu ein Fetisch für das Ideal künstlerischer Individualität und Authentizität
Signaturfetisch

Es werden Beispiele von Personen beschrieben, die nach meiner Definition nichts oder wenig mit Kunst am Hut haben (zum Beispiel Andy Warhol, Joseph Beuys oder Gerhard Richter), jedoch der Signatur eines Werks offensichtlich eine besondere Bedeutung beimessen.

Es werden
  • fremde Werke mit eigener Signatur oder
  • eigene Werke mit fremder Signatur versehen,
  • Signaturstempel verwendet,
  • Werke erstellt, die nur Signaturen enthalten(was natürlich, wenn die Signaturen nicht kunstvoll sind, nichts mit Kunst zu tun hat)
  • und so weiter und so fort.
Kann gut sein, dass die 'Modernen' nichts anderes zu tun haben.

Merkwürdig finde ich jedoch, wenn das Beispiel der Aneignung als
Mit dieser geradezu revolutionären künstlerischen Praxis wurde die herkömmliche Verwendung der Signatur quasi auf den Kopf gestellt.
gekennzeichnet wird. Ich als naiver Laie sehe darin keine revolutionäre künstlerische Praxis, sondern billige Täuschung oder Betrug. Da wird nichts auf den Kopf gestellt, da wird keine Kunstwelt revolutioniert. Wenn Kunst noch mit Können zu tun hätte, würde dies niemanden, außer den Betroffenen, interessieren.

Wo geht die Crux hin?

Der wahre Grund der Crux, wie der Autor dies nennt, warum in der modernen Kunst soviel Lärm um die Signatur gemacht wird, ist er aber schuldig geblieben.

Dabei ist die Antwort doch so trivial wie offensichtlich.

Hier ist sie

Der Lärm hängt vor allem damit zusammen, dass vielfach keine Kunst gekauft und gepriesen wird, sondern dilettantische Werke ohne Können, welche nur aufgrund der aktuellen Markteinschätzung des jeweiligen Pseudokünstlers einen Wert besitzen.

Es wird der größte Müll als Kunstwerk angepriesen. Das Werk ist nichts, die Signatur alles.

Dies geht natürlich nur mit Verweis auf den jeweils aktuell ruhmreichen Pseudokünstler. Ohne diesen Verweis wäre der Wert gleich dem Materialwert.
Ein wirkliches Kunstwerk, bei dem Können die oberste Voraussetzung ist, hat seinen Wert jedoch auch ohne Signatur.

In Zeiten klareren Blicks wurde um solche Nebensächlichkeiten viel weniger Wind gemacht. Da dilettantische Kritzeleien, Schmierereien oder Basteleien nicht als Kunst betrachtet wurden, musste sich niemand die Mühe machen, diesen einen Wert zu verleihen. Seit das Nichtskönnertum Einzug in die Kunstwelt erhalten hat, ist die Signatur wohl erst zur Crux geworden.

Fehlende Gemeinsamkeit

Bevor ich es vergesse. Lächerlich finde ich den üblichen Kunstblablatrick, die 'modernen Großen', welche ich beim besten Willen nicht als Künstler bezeichnen kann, in eine Reihe mit Künstlerriesen der Vergangenheit zu setzen.

Cranach, Rubens und Rembrandt bis hin zu Warhol, Jeff Koons und Olafur Eliasson

Die Verbindung soll aufgrund der Werkstattarbeiten bestehen, die mit ihren Namen verbunden sind. Diese Verbindung ist jedoch mehr als an den Haaren herbei gezogen. Etwas gegessen haben sie alle auch schon mal ab und zu, aber deswegen einen Pseudozusammenhang aufzustellen, halte ich für sehr gewagt.

Der Autor scheint sich wenig um den bedeutenden Unterschied zu scheren, dass die Alten Meister, im Gegensatz zu den anderen Personen, ihr Handwerk so brillant beherrschten, dass sie größer waren als die Summe ihrer Angestellten.
Sie waren meist fähiger als ihre Schüler, Lehrlinge und Gehilfen und hätten die Kunst, bei genügend Zeit, noch besser und schöner alleine herstellen können. Aus Zeitmangel konnten sie manche Werke jedoch nur im kleinen Format vorbereiten und das Endergebnis mit dem letzten Feinschliff versehen.
Dieses Können sehe ich bei den drei letztgenannten Personen nicht.

Top oder Flop


Adolf Hölzel: Abstraktion II (1915/16)

So ist beispielsweise das angeblich große Werk des bedeutenden Maler, Wegbereiter und Pionier Adolf Hölzel, um nur einen Ausschnitt der Internet-Lobpreisungen zu zitieren, ohne Signatur völlig wertlos.

J.J. Wiertz: The Assassination of Marat By Charlotte Corday (1880)

Das zweite Gemälde aus dem 19. Jahrhundert hat seinen Museumswert, auch wenn der Künstler unbekannt wäre. Nicht, dass er wirklich unbekannt ist, nur ich kenne ihn nicht. Weiß jemand genaueres? Laut einer Internetseite ist dieses Bild von J.J. Wiertz, gemalt im Jahre 1880. Da ich zwar schon etwas von Antoine Joseph Wiertz gesehen habe, aber von J.J. Wiertz noch nie was gehört oder gelesen, weiß ich nicht, ob dies stimmt. Vielleicht ist es sein Sohn?

Die theatralischen Gesten, welche die Erfassung der Mörderin Marats, Charlotte Corday, begleiten, entsprechen zwar nicht mehr dem heutigen Geschmack; meinem auch nicht ganz. Aber das Gemälde beeindruckt immer noch aufgrund des großen Könnens, welches hier offensichtlich ist.