Leibl - Bodybuilder ohne Perspektive
Irrendes Auge
Manchmal hat man eine Vorstellung von Menschen, die man gar nicht kennt. So sah ich vor meinem inneren Auge Wilhelm Leibl (1844-1900) als kleinen, schmächtigen Mann. Warum, weiß ich nicht genau.
Vielleicht, weil seine Gemälde oft Personen in kleinen, einfach eingerichteten Bauernstuben darstellen.
Jedenfalls war ich sehr überrascht, dass dieser Kölsche Bayer das Gegenteil von einem kleinen, unscheinbaren Manne war.
Professor mit Bizeps
Leibl war ein begeisterter Jäger, Segler und fanatischer Kraftsportler und aufgrund dessen eine körperlich imposante Erscheinung.
Aber nicht nur deshalb war er oft Mittelpunkt der Kneipenrunden. Seine einfache, unkomplizierte Art machte ihn zu einem gerne gesehenen Gast in den bayrischen Stuben. So beschreibt der "Breis von Kutterling", wie er manchmal genannt wurde (für einen Ur-Bayer ist natürlich jeder ein Preuße, aber das Rheinland war damals, aufgrund der Bestimmungen des Wiener Kongresses von 1815, wirklich Preussisches Gebiet), seinen mehrmonatigen Aufenthalt auf Schloss Holzen im Jahre 1877 unter anderen mit den folgenden Worten:
Gewichtserfolge
So soll er beim Gewichtheben einen 150 Kilo Stein samt 75 kg schwerer Eisenstange verwendet haben. Seine Kraft war sagenhaft, so dass mehrere kleine Anekdoten bezüglich seiner unvergleichlichen Stärke im Umlauf sind.
Hobby-Schmied
In den Jahren 1878-1881 wohnte er in Berbling. Neben seiner Malerei beschäftigte er sich mit Schmiedearbeiten und stellte Hufeisen her. Warum, wird nicht erwähnt. Als eines Tages ein Amboss angeliefert wurde und vier Männer diesen nicht vom Wagen heben konnten, kam Leibl zur Hilfe und hievte den Amboss problemlos ganz alleine hoch. Die vier Herren werden Augen gemacht haben, was die ansonsten feinen Hände eines Malers alles leisten können.
Fliegender Courbet
Eine andere Anekdote handelt vom Franzosen Gustave Courbet, der Ende der 60er Jahre in München zu Gast war. Courbet, der weltbekannte Kunstrebel, begeisterte eine Gruppe von jungen Münchener Akademiestudenten. Unter ihnen befand sich auch Leibl. Im Eifer des Gefechts kam es zur folgenden Begebenheit, die Julius Meier-Graefe in seiner Entwicklungsgeschichte der Modernen Kunst (Band 2) beschreibt:
Wenn man bedenkt, das Courbet zu dieser Zeit ein Mann war, der dem Essen und dem Trinken nicht gerade abgeneigt war, ist dies um so erstaunlicher. Aber nicht für Leibl. Dem Kraftprotzen war der Franzose anbetungswürdig.
Ratender Courbet
Leider, möchte man ihm zurufen. Denn für seine Künstlerkarriere waren dessen Ratschläge nicht unbedingt immer hilfreich.
So schreibt Courbet über seinen Münchener Aufenthalt an den französischen Kunstkritiker Jules-Antoine Castagnary:
Keine Perspektive
Diesen Zopf schnitten die Studierenden gänzlich ab. Sie verließen die Münchener Akademie und den Unterricht des großen Maler und Lehrer Carl Theodor Piloty. Statt dessen hat sich Leibl eifrig an den geforderten Mangel an Perspektivgenauigkeit Zeit seines Lebens gehalten.
Beispiel 1:
Hier fallen auf Anhieb ein paar Ungenauigkeiten auf. Die Figur der vorderen Frau wirkt im Gegensatz zu der Hinteren zu groß. Weiterhin passt der Boden rechts von der älteren Frau nicht zu dem Boden links. Es scheint ein Bruch im Boden zu sein, der zu unterschiedlicher Neigung führt. Hoffentlich ist niemand über diesen Bruch gestolpert.
Beispiel 2:
Die Wand links hinter der Frau, der Stuhl und der Tisch hinter dem Jäger bilden kein stimmiges Ganzes. Courbet wäre zufrieden mit ihm gewesen.
Beispiel 3:
Das auffallendste Beispiel für schludrige Perspektive ist das 1876er Bild des Barons Perfall bei der Jagd. Der Dargestellte, ein Bekannter Leibls, war begeistert von dem Gemälde. Aber bei neutralem Blick fällt einem beispielsweise der schrecklich hängende linke Arm ins Auge. Auweia, Schmerz lass nach. Als ob man einer Schaufensterpuppe den linken Arm ausgerissen hat und dieser nun nach hinten baumeln muss.
Das ernst gemeinte, aber witzig wirkenden Hinweisschild am Ort des Geschehens, hebt diese missratene Perspektive wohl unabsichtlich deutlich hervor:
Perspektivische Folgen
Das ihm jedoch Perspektivfehler nicht immer geheuer waren, zeigt sein Umgang mit dem Wildschützenbild (1882-1886).
Dieses Gemälde wurde in Paris 1886 ausgestellt, ernte jedoch, im Gegensatz zu seinem großen Erfolge von 1869, keine Begeisterungsstürme. Damals konnte er mit dem Gemälde Bildnis der Frau Gedeon die große goldene Medaille erringen.
Diesmal wurde sein Bild verrissen und die mangelnde Beherrschung der Perspektive kritisiert.
Dies führte dazu, dass er dieses Gemälde in 3 Teile zerschnitt, weil er hoffte, jedes für sich würde eine bessere Wirkung erzielen als das misslungene Ganze.
Angeblicher Grund für die missratene Perspektive war laut Angabe seines Freundes J Mayr:
Vielleicht war es nicht nur das kleine Atelier, sondern sein Entschluss, der Piloty-Schule den Rücken zu kehren und zu viel Beachtung für drittklassige Maler wie Eduard Manet oder den nicht immer sinnvollen Ratschlägen eines Courbet an den Tag zu legen. In meinen Augen hat er dadurch mehr verloren als gewonnen. Ein Könner seines Fachs und großer Erzähler kleiner Geschichten ist er meist trotzdem, aber in derselben Liga wie Piloty oder von Werner spielte er nicht.
Manchmal hat man eine Vorstellung von Menschen, die man gar nicht kennt. So sah ich vor meinem inneren Auge Wilhelm Leibl (1844-1900) als kleinen, schmächtigen Mann. Warum, weiß ich nicht genau.
Vielleicht, weil seine Gemälde oft Personen in kleinen, einfach eingerichteten Bauernstuben darstellen.
Jedenfalls war ich sehr überrascht, dass dieser Kölsche Bayer das Gegenteil von einem kleinen, unscheinbaren Manne war.
Professor mit Bizeps
Leibl war ein begeisterter Jäger, Segler und fanatischer Kraftsportler und aufgrund dessen eine körperlich imposante Erscheinung.
Aber nicht nur deshalb war er oft Mittelpunkt der Kneipenrunden. Seine einfache, unkomplizierte Art machte ihn zu einem gerne gesehenen Gast in den bayrischen Stuben. So beschreibt der "Breis von Kutterling", wie er manchmal genannt wurde (für einen Ur-Bayer ist natürlich jeder ein Preuße, aber das Rheinland war damals, aufgrund der Bestimmungen des Wiener Kongresses von 1815, wirklich Preussisches Gebiet), seinen mehrmonatigen Aufenthalt auf Schloss Holzen im Jahre 1877 unter anderen mit den folgenden Worten:
Auch werde ich aufs aufmerksamste bedient und sucht man allen meinen Wünschen nachzukommen, wogegen ich mich aber auch bemühe, mein Benehmen allmählich solchen Kreisen anzupassen, was mir aber doch wohl nie ganz gelingen dürfte; gleichviel, mancher, der mich vielleicht ganz zu kennen glaubt, würde vielleicht erstaunen, wenn er mich in einem ganz respektablen Anzuge, mit feinen Manschetten, meine Verbeugung und verbindlich freundlichen Grimassen zu sehen und die höfliche Anrede "Herr Graf", "Frau Gräfin" hören könnte.Auch als er 1892 zum königlich, bayrischen Professor ernannt wurde, legte er keinen Wert auf ein Leben als Malerfürst, wie seine Münchener Kollegen Lenbach oder Stuck. Die Anrede als Professor war ihm stets zu wieder. Er war glücklich mit seinem einfachen, zurückgezogenen Leben in Sichtweite der Berge.
Gewichtserfolge
So soll er beim Gewichtheben einen 150 Kilo Stein samt 75 kg schwerer Eisenstange verwendet haben. Seine Kraft war sagenhaft, so dass mehrere kleine Anekdoten bezüglich seiner unvergleichlichen Stärke im Umlauf sind.
Hobby-Schmied
In den Jahren 1878-1881 wohnte er in Berbling. Neben seiner Malerei beschäftigte er sich mit Schmiedearbeiten und stellte Hufeisen her. Warum, wird nicht erwähnt. Als eines Tages ein Amboss angeliefert wurde und vier Männer diesen nicht vom Wagen heben konnten, kam Leibl zur Hilfe und hievte den Amboss problemlos ganz alleine hoch. Die vier Herren werden Augen gemacht haben, was die ansonsten feinen Hände eines Malers alles leisten können.
Fliegender Courbet
Eine andere Anekdote handelt vom Franzosen Gustave Courbet, der Ende der 60er Jahre in München zu Gast war. Courbet, der weltbekannte Kunstrebel, begeisterte eine Gruppe von jungen Münchener Akademiestudenten. Unter ihnen befand sich auch Leibl. Im Eifer des Gefechts kam es zur folgenden Begebenheit, die Julius Meier-Graefe in seiner Entwicklungsgeschichte der Modernen Kunst (Band 2) beschreibt:
Leibl hebt Courbet mit dem Stuhl, auf dem der Gefeierte gerade sitzt, auf den Tisch und zeigt ihn der Versammlung: Der und kein anderer ist der Führer
Wenn man bedenkt, das Courbet zu dieser Zeit ein Mann war, der dem Essen und dem Trinken nicht gerade abgeneigt war, ist dies um so erstaunlicher. Aber nicht für Leibl. Dem Kraftprotzen war der Franzose anbetungswürdig.
Ratender Courbet
Leider, möchte man ihm zurufen. Denn für seine Künstlerkarriere waren dessen Ratschläge nicht unbedingt immer hilfreich.
So schreibt Courbet über seinen Münchener Aufenthalt an den französischen Kunstkritiker Jules-Antoine Castagnary:
...In Deutschland ist gute Malerei so gut wie unbekannt. Man ist dort ganz im Negativen der Kunst befangen; eines der wichtigsten Dinge ist in ihren Augen die Perspektive; man spricht den ganzen Tag davon. ...
Die Jugend Münchens taugt etwas;ich blieb ziemlich lange, um mich mit ihnen zu unterhalten. Sie sind fest entschlossen, den ganzen alten Zopf fahren zu lassen;
Keine Perspektive
Diesen Zopf schnitten die Studierenden gänzlich ab. Sie verließen die Münchener Akademie und den Unterricht des großen Maler und Lehrer Carl Theodor Piloty. Statt dessen hat sich Leibl eifrig an den geforderten Mangel an Perspektivgenauigkeit Zeit seines Lebens gehalten.
Beispiel 1:
Öl auf Leinwand (65 x 74 cm)
Hier fallen auf Anhieb ein paar Ungenauigkeiten auf. Die Figur der vorderen Frau wirkt im Gegensatz zu der Hinteren zu groß. Weiterhin passt der Boden rechts von der älteren Frau nicht zu dem Boden links. Es scheint ein Bruch im Boden zu sein, der zu unterschiedlicher Neigung führt. Hoffentlich ist niemand über diesen Bruch gestolpert.
Beispiel 2:
Öl auf Leinwand (74 x 85 cm)
Die Wand links hinter der Frau, der Stuhl und der Tisch hinter dem Jäger bilden kein stimmiges Ganzes. Courbet wäre zufrieden mit ihm gewesen.
Beispiel 3:
Öl auf Leinwand (132 x 106 cm)
Das auffallendste Beispiel für schludrige Perspektive ist das 1876er Bild des Barons Perfall bei der Jagd. Der Dargestellte, ein Bekannter Leibls, war begeistert von dem Gemälde. Aber bei neutralem Blick fällt einem beispielsweise der schrecklich hängende linke Arm ins Auge. Auweia, Schmerz lass nach. Als ob man einer Schaufensterpuppe den linken Arm ausgerissen hat und dieser nun nach hinten baumeln muss.
Das ernst gemeinte, aber witzig wirkenden Hinweisschild am Ort des Geschehens, hebt diese missratene Perspektive wohl unabsichtlich deutlich hervor:
Perspektivische Folgen
Das ihm jedoch Perspektivfehler nicht immer geheuer waren, zeigt sein Umgang mit dem Wildschützenbild (1882-1886).
Dieses Gemälde wurde in Paris 1886 ausgestellt, ernte jedoch, im Gegensatz zu seinem großen Erfolge von 1869, keine Begeisterungsstürme. Damals konnte er mit dem Gemälde Bildnis der Frau Gedeon die große goldene Medaille erringen.
Öl auf Leinwand (119,5 x 95,5 cm)
Diesmal wurde sein Bild verrissen und die mangelnde Beherrschung der Perspektive kritisiert.
Dies führte dazu, dass er dieses Gemälde in 3 Teile zerschnitt, weil er hoffte, jedes für sich würde eine bessere Wirkung erzielen als das misslungene Ganze.
Öl auf Leinwand (55 x 42 cm)
Angeblicher Grund für die missratene Perspektive war laut Angabe seines Freundes J Mayr:
Diese Fehler (gemeint ist die Perspektive), waren dadurch entstanden, daß der Raum, in dem er drei fast lebensgroßen Figuren malte - das Atelier - zu klein war.Kleine Zimmer sind nicht immer Schuld
Vielleicht war es nicht nur das kleine Atelier, sondern sein Entschluss, der Piloty-Schule den Rücken zu kehren und zu viel Beachtung für drittklassige Maler wie Eduard Manet oder den nicht immer sinnvollen Ratschlägen eines Courbet an den Tag zu legen. In meinen Augen hat er dadurch mehr verloren als gewonnen. Ein Könner seines Fachs und großer Erzähler kleiner Geschichten ist er meist trotzdem, aber in derselben Liga wie Piloty oder von Werner spielte er nicht.
Super, danke, gut gelacht!
AntwortenLöschenDankeschön!
AntwortenLöschenQuerverweis: Leibl malt den Jäger (Bayern 2)