Anton von Werner (Teil 4)
Das Jahr 1876
Marode Akademie
Im Winter 1875/76 besuchte das Kaiserpaar und die Kronprinzenfamilie die alte Kunstakademie unter den Linden 38. Die hohen Herrschaften wollten sich mit eigenen Augen überzeugen, ob die Beschwerden Anton von Werners und seiner Mitstreiter über die Zustände an der Akademie berechtigt waren.
Eine kleine Anekdote, die sich bei einem dieser Besuche ereignete, beschreibt von Werner. Sein Kollege Professor Karl Gussow war dafür bekannt, seine Modelle nicht gerade unter den Schönheiten der Stadt aussuchen:
So war es denn ein überaus komischer Anblick, als uns von mehr als 20 Staffeleien ein altes häßliches Weib mit dicker roter Nase in 20 verschiedenen Ansichten anglotzte.Nicht nur die räumlichen Bedingungen an der Akademie waren katastrophal, auch der Lernplan musste auf Vordermann gebracht werden. So leitete von Werner schon zu Beginn seiner Direktorenzeit mehrere Änderungen am Lehrplan ein.
Aquarellkurs
Es lag für ihn als begeisterten Aquarellist natürlich nahe, einen Kurs gleichen Themas anzubieten.
Diesen Kurs leitete von Werner selber. Aufgrund des Zeitmangels kam dafür nur der ungünstige Sonntagvormittag in Betracht. Trotzdem fanden sich regelmäßig etwa 40 Studierende ein, um vom großen Könner zu lernen.
...ich arbeitete mitten unter ihnen, weil ich glaubte, daß ich durch mein Beispiel besser unterrichten könnte, als durch eine Korrektur, die an allen 40 in den wenigen Stunden nicht durchzuführen war.Viele dieser Studierenden sollen talentiert gewesen sein. So nennt er explizit die Maler Hermann Prell, Carl Bantzer, Karl Bennewitz Von Lofen, Hubert von Heyden, Rudolf Eichtstädt, Fischer-Görlin, Max Koner, Max Klinger, Christian Krohg, Ruberschky oder von Voigtländer.
Geldpreise
Eine weitere Neuerung war die Vergabe von Geldpreisen für die besten Kopien großer Meister. Diese Arbeiten standen dann den nachfolgenden Studierendengenerationen als lehrreiches Anschauungs- und Studienmaterial zur Verfügung und erweiterten den Aufbau der Kunstakademie-Sammlung.
Dieses Kopieren wurde oft von Professor Max Michael begleitet, der seinen Schülern mit Rat und Tat zur Seite stand. So auch bei der angeblich brillanten Kopie von Tizians Zinsgroschen von Michaels Schüler Ohe.
Schülerhilfe
Zusätzlich sah es von Werner als seine Lehrpflicht an, seinen Meisterschülern kleinere, selbständig auszuführende Aufträge zu vermitteln oder sie an seinen Arbeiten zu beteiligen.
Vom Routine abspulenden Professor kann bei von Werner keine Rede sein.
So kommt es nicht überraschend, dass in späteren Jahren sein Meisterschüler Fritz Grotemeyer ihn als Vaterfigur für seine Studierende bezeichnetet. Ein größeres Lob kann es kaum geben.
Pariser Salon
Nach der 50-Jahresfeier seines Freundes von Scheffel
fuhr von Werner 1876 nach Paris, um seinen malerischen Blick aufzufrischen. Der Salon war dafür der passende Jungbrunnen. Viele hochklassige Gemälde waren in diesem Jahr seiner Meinung nach zu sehen.
... nur machten uns merkwürdigerweise die einst vielbewunderten Werke von Rousseau, Decamps, Ingres, Delacroix, die inzwischen in den Louvre übergesiedelt waren, nicht mehr den Eindruck wie früher; nur Troyon wirkte wahr, frisch und glänzend wie immer.
Heimweg
Auf der Rückreise von Paris besuchten von Werner und seine Begleitung die bedeutendsten Kunststädte Belgien und Hollands. Dabei standen natürlich die berühmten Museen und Kirchen auf ihrem Programm.
So bewunderte von Werner in Haarlem voller entzücken Franz Hals Schützenkompaniebilder und dessen Porträt des kleinen Fräuleins von Rovensteyn,
Frans Hals - Banket van de officieren van de St. Jorisdoelen, 1616 (1616)
Öl auf Leinwand (175 x 324 cm)
Öl auf Leinwand (175 x 324 cm)
wunderte sich über die schlechte Aufhängung der Meisterwerke in den Amsterdamer Museen und kniete voller Ehrfurcht vor Rembrandts Die Stoffhändler(De Staalmeesters) und seinem Bildnis des späteren Bürgermeisters Jan Six nieder.
Kein Wunder also, dass
die künstlerischen Neigungen meiner Jungendzeit immer mehr auf Seiten der mir verständlicheren Niederländer als zu den Italienern gewesen waren!Berliner Arbeiten
Daheim in Berlin angekommen, wurden die noch frischen Eindrücke von der Architektur des Spiegelsaals in dem Proklamierungsbild verarbeitet, die offenen dekorativen Arbeiten vollendet, sowie ein Porträt des befreundeten Landgerichtsdirektors Robert Lessing gemalt.
Wagnerfestspiele
Der Höhepunkt des Jahres 1876 waren aus kultureller Sicht die ersten Wagnerfestspiele in Bayreuth. Dieses Ereignis zog die bildenden Künstler magisch an. So erwähnt von Werner neben seiner Wenigkeit noch die Maler Karl Becker, Heinrich von Angeli, Franz von Lenbach, Friedrich August von Kaulbach, Seitz, Adolph Menzel und Paul Meyerheim. Die Aufführungen machten auf viele Anwesende einen zwiespältigen Eindruck, was bei der langen, über mehrere Tage verteilten Spielzeit, kein Wunder ist. Brillante Passagen samt großartiger Inszenierung und beeindruckendem Bühnenaufbau wechselten mit einschläfernden, langweiligen Abschnitten ab.
Armer Fontane
Aber zurück zu seinem Alltag. Die Verwaltungsarbeit als Direktor belastete und beschäftige Anton von Werner manchmal mehr als gewünscht. Doch war er nicht der einzige, der mit diesen Problemen zu kämpfen hatte. 1876 wurde der berühmte Theodor Fontane als 1. Sekretär der Akademie angestellt. Dessen Leid schildert von Werner:
Der allgemein verehrte Dichter glaubte, damit in einer Art gut dotierte Ehrenstellung zu kommen, die ihm gestattete, in sorgenloser Lage den Musen dienen zu können, was man ihm nur von Herzen wünschen konnte, sein Name hätte unserer Akademie zur Zierde gereicht. Aber die raue Wirklichkeit verlangte ganz anderes, denn es traten Aufgaben an den Dichter der Mark heran, die mit dem Dienst der Musen nichts zu tun hatten. Fontane versuchte bereits Anfang März sich aus den Akten über seine Tätigkeit zu orientieren, und ich mußte mit ihm zuweilen in dienstlichen Angelegenheiten verkehren, aber ich vermied es so viel als möglich, ihn mit solchen Sachen zu belästigen. Vom Aktenwesen, vom Registratur- und Bureaudienst verstand er natürlich ebensowenig wie ich, und ich fand ihn eines Tages ratlos vor einem mächtigen Stoß von Aktenbündeln in einer Situation, die einer gewissen Komik nicht entbehrte. Er stand, einen roten Fez auf dem Haupte, sinnend vor einem langen Tisch, auf dessen Holzplatte er mit weißer Kreide eine größere Anzahl Kreise und Nummern gezeichnet hatte, in die er Aktenstücke bald hinein- bald wieder hinauslegte, anscheinend, um sie nach irgendeinem System zu ordnen. Er schien diese Beschäftigung zwar sehr merkwürdig zu finden, nahm sie aber nicht geradezu tragisch, während ich den Eindruck hatte, daß er gegenüber den an ihn unter den vorliegenden Umständen zu stellenden Forderungen sich noch weniger zum Beamten eignete als ich.Problemaufträge
Probleme gab es mit zwei Aufträgen für die Wandgemälde in Kiel und Saarbrücken.
Der schon im Jahre 1870 erstellte Vorschlag für die Kieler Gemälde wurde nach vielen Jahren aus der Versenkung gehoben, von den Entscheidern verworfen und durch die Aufforderung zu zwei thematisch anderen Gemälden ersetzt. Diese Gemälde sollten in idealistischer Form die vier Fakultäten darstellen.
Anton von Werner - Die vier Fakultäten (1876)
Farbenskizze für die Treppenhausbilder der Universität in Kiel
Farbenskizze für die Treppenhausbilder der Universität in Kiel
Etwas überrascht, aber voller Eifer, ging Anton von Werner ans Werk und reichte entsprechende Vorschläge für die vier Fakultäten ein. Diese wurden jedoch vom neu ernannten Direktor der Nationalgalerie, Dr. Max Jordan, abgelehnt.
die Drastik der Darstellungen verfehlt den hier unbedingt erforderlichen Zweck der Sammlung und der geistigen Erhebung des Beschauers und die Auflösung der kompositionellen Bestandteile, wie sie hier vorliegt, widerstrebt der Verbindung mit dem vorhandenen Baustyle ebenso, wie den Gesetzen monumentaler Darstellungen solchen Inhalts überhaupt.
Anton von Werner - Die vier Fakultäten (1876)
Farbenskizze für die Treppenhausbilder der Universität in Kiel
Farbenskizze für die Treppenhausbilder der Universität in Kiel
Anton von Werner fand diese Kritik überhaupt nicht berechtigt, sondern sah sie eher als Mobbing gegen seine Person an. Grund für diese Annahme war, dass weder das Gremium in Kiel, noch der Baumeister des Gebäudes Martin Gropius, seinen Vorschlag als verfehlt ansahen. Warum die Vorschläge als ungeeignet zur Monumentalmalerei eingestuft wurden, wird von der Kommission nicht näher erläutert. Da keine Vorlage korrigierter Entwürfe erlaubt war, erlosch das Interesse Anton von Werners an diesem Projekt bald.
Weiterhin sollte das Saarbrücker Gemälde nun nicht mehr für den Bahnhof, sondern für das Rathaus gemalt werden. Deshalb reiste von Werner zwecks Studien der Umgebung und Interviews der beteiligten Personen nach Saarbrücken.
Das Jahr 1877
Bismarck
Zu Beginn des Jahres 1877 war unser Künstler des Öfteren zu Gast im Hause Bismarcks. So kommt es nicht von ungefähr, dass Anton von Werner aus dem Nähkästchen plaudert und über seine Eindrücke vom Kanzler berichtet. Bismarck wird als Arbeitstier beschrieben, der Rund um die Uhr, auch im privaten Kreise, mit dienstlichen Angelegenheiten beschäftigt war. An Gesprächen hatte er weniger Interesse, Monologe waren sein Metier. Nur bei den Damen war er ein galanter Charmeur.
Proklamierungsbild
Am 22. März war es endlich soweit. Das große Proklamierungsbild sollte dem Kaiser zum 80. Geburtstag übergeben werden.
Noch kurz vorher mussten auf Wunsch des Kronprinzen verschiedene Korrekturen durchgeführt werden, da dieser bestimmte, bisher nicht berücksichtige Offiziere auf dem Gemälde dargestellt haben wollte. Diesen Wunsch konnte von Werner nicht abschlagen und so wurden noch im Februar letzte Studien durchgeführt, um die gewünschten Änderungen auf gleich hohem Niveau umzusetzen.
Das Geschenk wurde voll freudiger Überraschung vom Kaiser angenommen und lobend ironisch kommentiert:
Sieh mal, das ist nun mein Akademiedirektor, nicht 'mal gerade Linien kann er machen! Der Kaiser meinte damit die schiefen und krummen Linien der Fensterspiegelungen auf dem Bilde, die für den Spiegelsaal besonders charakteristisch sind.Wien
Nach diesem Großereignis ging es nach Wien zur Einweihung der neuen Gebäude der K.K. Akademie der bildenden Künste. Hans Makart war zu dieser Zeit leider nicht in Wien,
aber von Werner konnte in dessen Atelier das halbfertige Monumentalgemälde Karls V. Einzug in Antwerpen,
imposant, rasch und kräftig hingestrichen, das Meisterwerk eines Koloristen von Gottes Gnadenbewundern.
In dem gleichen Gebäude arbeitete auch der
genialen BildhauerVictor Tilgner an einer Brunnengruppe, von der Anton von Werner auf tiefste beeindruckt war.
Auslandshilfe
Werners Haus galt zu dieser Zeit als Sehenswürdigkeit und so geschah es, dass der Kaiser von Brasilien, Dom Pedro II in Abwesenheit der Hausbesitzer von Werners Haus besuchte. Beeindruckt von dem was er dort sah, wurde in Folge dessen von Werner von der brasilianischen Regierung mehrfach um seinen Rat zum Aufbau einer heimischen Kunstschule befragt.
Ähnliches galt für die Regierung Venezuelas, welche er mit Vorschlägen und Statuen zur Gründung der Akademie der schönen Künste unterstützte.
Café Bauer
Nachdem der Auftrag zum Kieler Wandbild wegen Kontroversen bzgl. der Bildauswahl zu den Akten gelegt wurde, schusterte ihm sein Freund, der Baumeister Hermann Ende, einen schönen Ersatzauftrag zu. Das umgebaute Café Bauer benötigte sechs hochklassige Wandbilder. Diese umfangreiche Arbeit war das ideale Übungsfeld für seine talentierten Atelierschüler, welche bei der Umsetzung helfen durften.
... ich unternahm deshalb das Wagnis, in ein modernes Café Darstellungen aus altrömischer Zeit zu malen.
Die genauere Vorgehensweise und Aufgabenteilung beschreibt der Meister detaillierter:
Ich machte für die Bilder, die in Wachsfarben auf Leinwand gemalt werden sollten, genaue, besonders in den Maßen zuverlässige Skizzen, nach denen meine damaligen Atelierschüler C. Tepper, C. Wendling, C.Hochhaus, Fischer-Görlin und Ph.Fleischer die Bilder mit Hilfe von Quadraten aufzeichnen und untermalen konnten, übermalte dann sämtliche Bilder nach der Rückkehr von meinem Ferienaufenthalte und lieferte sie rechtzeitig am 1. Oktober ab.Das obere Stockwerk wurde übrigens mit Ideallandschaften Albert Hertels verschönert.
Urlaub
Der Urlaub wurde dieses Jahr und so manches Mal in den nächsten Jahren in Heringsdorf verbracht.
Sein Freund Carl Becker begleitete sie dorthin. Aber auch andere Maler wie Ludwig Knaus zog es in dieses damals noch relativ unberührte Ostseebad. Scheint also ein Ort zu sein, an dem ein Maler gut entspannen konnte.
Belgier zu Besuch
Zurück in Berlin wurde der Besuch des
hervorragendenbelgischen Malers Emile Wauters und des
vortrefflichenBildhauers Guillaume de Groot erwähnt.
Kommissionsärger
Weniger erfreulich waren da wieder einmal die Herren der Landeskunstkommission, allen voran Direktor Max Jordan. Nachdem schon früher die Vorschläge zu den Kieler Wandbildern von dieser Kommission als zu drastisch empfunden wurden, fand man auch diesmal wieder das Haar in der Suppe. Die Vorschläge für die Saarbrücker Rathausbilder standen zur Diskussion und führten zu einer zwar anders gelagerten, aber wiederum vernichtenden Kritik:
...sei einstimmig der Meinung gewesen, daß die Skizzen den ernsten Charakter vermissen liessen, welchen die Darstellung dieser vaterländischen Stoffe und historischen Persönlichkeiten, besonders an einer geschichtlich so bedeutsamen Stätte forderten.
Anton von Werner - Ankunft König Wilhelms in Saarbrücken am 9. August 1870
Skizze zum Wandbild (1877)
Skizze zum Wandbild (1877)
Einstimmig war, wie Werner später erfahren hatte, gar nichts, da zumindest die Professoren Reinhold Begas, Albert Wolff und Julius Schrader ihm versicherten, nie gegen seinen Entwurf gestimmt zu haben.
Wie dem auch sei. Anstoß nahm die Kommission beispielsweise an der Figur der Frau im Vordergrund rechts.
...warum wurde nicht gesagt. Die Frau war eine alte Dienstmagd, als "Schulzenkathrin" in der ganzen Stadt bekannt, die während des Sturmes auf den Spicherer Berg den Soldaten Wasser gebracht, Verwundete aus dem Feuer geholt hatte und dafür dekoriert worden war. Ich war nur einem von allen Seiten in Saarbrücken ausgesprochenen Wunsche gefolgt, als ich sie im Vordergrunde des Bildes "Die Ankunft des Königs" mit ihrem Marktkorb am Arm angebracht hatte.Wieder einmal war Kaiser Wilhelm I. der perfekte Schlichter. Diesem gestand Anton von Werner einige kleinere Korrekturzugeständnisse zu, so dass all die Vorarbeiten zu den Bildern, die Studien, Interviews und Skizzen nicht umsonst waren.
Drei Jahre später, am 8. August 1880 wurde der neue Rathaussaal in Saarbrücken, geschmückt mit den wunderbaren Gemälden von Werners, eingeweiht.
Das Jahr 1878
Meisterfeier
Am 15. Februar 1878 feierte der hochverehrte Meister Carl Friedrich Lessing seinen 70. Geburtstag, bei dem auch Anton von Werner zu Gast in Karlsruhe war.
Weltausstellung Paris
1878 fand die Weltausstellung wieder einmal in Paris statt. Deutschland sollte ursprünglich, wegen der Kriegsereignisse in den vorherigen Jahren, von der Ausstellung ausgeschlossen werden. Aber ein Regierungswechsel in Paris änderte die Situation. Eine deutsche Beteiligung musste kurzfristig organisiert werden. Einzige Bedingung war, dass keine Ausstellungsstücke an den Krieg 1870 erinnern sollten.
Wer sollte wohl mal wieder diese schwierige Situation meistern? Natürlich von Werner.
In kurzer Zeit wurde ein unter anderem von Bismarck genehmigtes Programm erstellt. Die auszustellenden Bilder wurden dezentral von den jeweiligen Kommissionen bestimmt, wobei dem Cheforganisator Anton von Werner ein Vetorecht blieb.
Trotz dieser widrigen Umstände war die Ausstellung ein voller Erfolg. Lorenz Gedon, der kreative, viel zu früher gestorbene Zauberer der Dekoration, gestaltete einen viel bewunderten Ausstellungssaal.
Von den in kurzer Zeit zusammengekommen Gemälden beeindruckten dem damaligen Publikum Karl Hoffs Taufe des Nachgeborenen und ein Genrebild von Ernst Hildebrand Am Krankenbett.
Nicht nur seinen Ruf konnte ein Künstler bei dieser Weltausstellung in alle Winde verbreiten, auch die Geldbörse erfuhr ein erfreuliches Klimpern.
So wurde Wilhelm Leibls Bild Dorfpolitiker für einen beachtlichen Preis vom Amerikaner Stewart erworben,
...und damit ein Wunsch Leibls erfüllt, den er in einem Briefe an Munkaczy vom 3. April 1878 ausspricht; "Bei der deutschen Ausstellung in Paris werde ich auch vertreten sein und zwar mit meinem neuesten Bilde, darstellend fünf Bauern. ... Man verdient hier (in München) gar nichts mehr, und ein kleiner succes in Paris könnte mir sehr nützen. Aber ich glaube nicht daran."
In den Tagen der Weltausstellung knüpfte von Werner zwei Freundschaften, die er als besonderen Gewinn seines Pariser Aufenthalts betrachtete.
Zum einen mit Hubert von Herkomer,
der mit seinem seelisch und koloristisch packenden Bilde Die Invaliden von Chelsea einen unbestrittenen Erfolg und die medaille d'honneur errungen hatte
Zum anderen mit Mihály Munkácsy, den großen ungarischen Meister, der mit seinem Ausstellungsgemälde Milton und seine Töchter laut von Werner seinen Weltruhm begründen konnte. Dieses Gemälde wurde ebenfalls mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet.
Das war nicht Munkácsys erster Erfolg in Paris. Schon im 70er Salon errang er eine Medaille für sein Werk Der letzte Tag eines Verurteilten.
Im Folgenden stellt Anton von Werner Munkácsy näher vor, der zu dieser Zeit ein erfolgreicher, wohlhabender Künstler war:
...und es war mir eine besondere Freude, dem in seinem Wesen schlichten Künstler freundschaftlich näher zu treten. Er bewohnte damals provisorisch in der Nähe des Parc Monceaux eine kleine Wohnung; sein bisheriges Haus hatte er, weil es ihm für seine gesellschaftlichen Bedürfnisse zu klein geworden war, verkauft und das neue, das er in der avenue Villiers 53 sich erbauen ließ, war noch nicht fertig. ... Sein neues Hotel richtete Munkácsy mit größtem Luxus ein und ich freute mich, während ich in dem zuerst fertig gewordenen Atelier einige Studien malte, wieder an der Geschicklichkeit der Pariser Dekorateure, die noch mit der Einrichtung der Räume beschäftigt waren, sowie an dem geschäftlichen Entgegenkommen der Pariser Lieferanten, die für das Treppenhaus ganze Wagenladungen alter Gobelins sandten, zur Probe aufhängten und sie auf Munkácsy's "non, ca ne me plait pas" geduldig zurücknahmen und andere schickten. Munkácsy und seine Frau sprachen übrigens - nebenbei bemerkt - sehr gut deutsch und ich habe niemals mit ihnen französich gesprochen, während ich später hörte, das Munkácsy nicht gut ungarisch spreche.In Rahmen der Erzählung über Munkácsy erfährt man einiges über den damals berühmten Kunstkritiker Albert Wolff, den er bei einem Essen im Hause Munkácsy kennen lernte:
der in der Kunstwelt einen großen Einfluß besaß und von den Künstlern viel umschmeichelt wurde; er war von merkwürdiger Häßlichkeit, mit auffallend langen Armen, in seiner Unterhaltung - er sprach als geborener Kölner natürlich deutsch -, pointiert geistreich und geschraubt, und ohne die Schlichtheit und den gesunden Humor, die unseren Ludwig Pietsch auszeichneten.Attentate
Das Jahr 1878 war innenpolitisch gefärbt von zwei Attentatsversuchen auf Kaiser Wilhelm I. Von Werner, der treue Akademiedirektor, war durch diese Ereignisse schockiert.
"Als Erinnerung an dies traurige Jahr"stifte er der St. Gertraudenkirche in seiner Heimatstadt Frankfurt an der Oder das Altarbild Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist.
Berliner Kongress
Weltpolitisch stand der türkisch-russische Krieg im Vordergrund. Nach dem Waffenstillstand wurde ein internationales Friedenskomittee unter Leitung Fürst Bismarcks nach Berlin einberufen. Ab dem 13. Juni diskutierten, taktierten und verhandelten die Vertreter aller wichtigen großen europäischen Nationen und beider Kriegsparteien über ein für alle Parteien zufriedenstellendes Ergebnis.
Der Magistrat der Stadt Berlin wollte dieses besondere Ereignis mit einem großen Fest umrahmen. Das ließ sich jedoch beim besten Willen nicht in den vollen Terminkalender der Diplomaten integrieren. So kam die Alternative auf, dass weltgeschichtliche Ereignis von einem großen Maler für die Ewigkeit bildlich festzuhalten.
Wer konnte das zu dieser Zeit in Deutschland anders sein als Akademiedirektor von Werner. Er nahm das Angebot dankend an. Mit Sonderbefugnissen ausgestattet, streifte der Künstler zwischen den Diplomaten umher und skizzierte und porträtierte ohne Unterbrechung. Schnell kam er zu dem Schluss, das eine 1 zu 1 Abbildung des Geschehens unmöglich sei. Die Raumgestaltung des Versammlungssaals verhindere eine gelungene Darstellung.
Das entscheidende Motiv schwebte von Werner aber schon früh vor Augen.
Vor allem aber war ich der Meinung, daß für das bedeutende politisch-historische Ereignis der Schlußakt der darzustellende Moment sein und dieser in äußerlich feierlicher Form vor sich gehen müßte, wenn er gemalt werden sollte.
So kam es, mit Rückendeckung Fürst Bismarcks, dass von Werner die Bitte vorbrachte, die wehrten Herren mögen bei einer hoffentlich stattfindenden Schlusssitzung nicht in ihrer für die laufenden Verhandlungen normalen, einfachen sommerlichen Tracht erschienen, sondern in einer dem Ereignis angemessen, offiziellen Kleidung.
Der einen Monat dauernde Kongress forderte von Werner im ganzen Maß. Und nicht nur ihn, auch die Kongressteilnehmer wurden voll und ganz in Beschlag genommen.
Herr von Werner untersucht uns wie die Raubkatzen im Zoologischen Garten, so Graf St. Vallier.
Den wechselnden politischen Konstellationen musste von Werner immer wieder gerecht werden. So wechselten in seinen Studien die Gruppierungen manchmal von Tag zu Tag. Das solch eine große Aufgabe nicht immer ganz einfach ist, war für ihn aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Proklamierungsbilde nicht ganz überraschend.
Seine Arbeitsweise beschreibt von Werner so:
Ich studierte nun zunächst die Herren Bevollmächtigten vor den Plenarsitzungen an Ort und Stelle in ihren Bewegungen und ihrem Benehmen...Dann machte ich von den einzelnen Herren Porträtzeichnungen, nach denen ich im Atelier lebensgroße Studienköpfe untermalte, derart, daß ich sie mit Leichtigkeit in einer kurzen Sitzung nach der Natur fertigmalen konnte, den viel Zeit zum Modellsitzen hatten die Herren natürlich nicht, eine halbe, höchstens eine volle Stunde mußte in der Regel genügen;
Manchmal geschah es, dass die Diplomaten kurz hintereinander bei von Werner erschienen und er gezwungen war,
drei oder vier Porträtsitzungen hintereinander in wenigen Stunden erledigenzu müssen.
Diplomatische Verwirrungen
Seine Beschreibung der Kongressteilnehmer aus erste Hand befasst sich meist mit der menschlichen Seite der Beteiligten.
So wird der russische Vertreter Fürst Alexander Michailowitsch Gortschakow als eitler Pfau beschrieben. Er bettelte von Werner an, sein Porträt, welches von anderen als sehr gelungen bezeichnet wurde, zu ändern, da er nicht jugendlich forsch genug erscheint.
Sogar Fürst Bismarck erzählte mir eines Tages mit dem ihm eigenen sarkastischen Humor, daß Fürst Gortschakow sich bei ihm ernstlich über mich beschwert habe undWelch eifersüchtiger Vertreter der Fürst war, zeigt eine Aussage General von Winterfelds. Der auf dem Gemälde dargestellten Händedruck von Bismarcks und dem Grafen Schuwalow, soll dessen politische Karriere beendete haben, da Gortschakow ihm diese Darstellung übel nahm.
daß unsere freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland bedroht schienen, wenn ich ihn nicht schöner machte. Inzwischen schickte mir der von mir angeblich schlecht Behandelte sehr schöne Photographien von sich, die ich aber nicht gebrauchen konnte, weil er wirklich ganz anders aussah.
Dieser gemalte Händedruck hat ihm den Hals gebrochen. (General von Winterfeld)
Der englische Vertreter Lord Beaconsfield (bei unser besser bekannt als Benjamin Disraeli) beeindruckte von Werners malerisches Auge auf eine sehr spezielle Art.
Im Gegensatz zum lebhaften Fürst Gortschakow soll dem Äußeren des Lords nie ein Funke seines Inneren zu entlocken gewesen sein. Ein Pockerface der alten Schule war der gewiefte Diplomat. Und genau dieses Gesicht war es, welches einen besonderen Reiz auf den Maler ausübte.
Daß er nicht gerade schön im landläufigen Sinne war, wußte ich. Aber als ich ihm zum ersten Male im Hotel Kaiserhof sah - er blickte zum Fenster hinaus als ich eintrat und drehte sich bei meinem Nahen um - da erschien mir seine Nichtschönheit geradezu überwältigend.
Wie dem auch sei. Mit seinem gemalten Kopf war der Lord, im Gegensatz zu manch anderen, sehr zufrieden. Deshalb übernahm von Werner diese Studie genau so ins Gemälde, auch wenn Graf Seckendorff in einem Brief um anderes bat:
Wäre es möglich, Beaconsfield ein wenig schmeichelhafter darzustellen?...vielleicht ließe sich wenigstens die Unterlippe ein wenig abschwächen. (Graf Seckendorff)Am Tage der Schlusssitzung, am 13. Juli 1878, erschienen die Herren wie gewünscht in militärisch, diplomatischer Pracht. Endlose Skizzen wurden von Anton von Werner an diesem Tage gezeichnet. Die Vertragsunterzeichnung war der Augenblick, der festgehalten werden sollte.
Der Vorgang spielte sich dann - ohne den Reichshund Tyras und ohne Sekt - so ab, wie ich ihn in dem Kongreßbilde mit einiger künstlerischer Freiheit geschildert habe.Urlaub und Berliner Eindrücke
Nach den stressigen Tagen ging es in den verdienten Urlaub.
Zurück in Berlin war von Werner die nächsten drei Wochen mit Korrekturarbeiten an den vier großeren Gemälden beschäftigt, welche seine Atelierschüler Wendling, Fischer-Görlin und Hochhaus unter seiner Leitung für das Hospital der französischen Gemeinde in Berlin gemalt hatten.
Die Kunstausstellung in diesem Jahre 1878 erwähnte Anton von Werner im Zusammenhang mit zwei aus seiner Sicht sehr gelungenen Gemälden.
Nahm das entzückende Porträt der Gräfin Karolyi von Professor Gustav Richter wohl das allgemeine Interesse in Anspruch, das es nur mit Defreggers ergreifendem Bilde "Andreas Hofer auf seinem letzten Gange" teilte.
Abschluss Weltausstellung
Zum Abschiedsfest der Weltausstellung war von Werner wieder in Paris zu Gast. Er beschreibt voll Bewunderung ein Porträt seines französischen Kollegen Léon Bonnats:
Wir hatten am selben Tage in irgendeiner Aussstellung das Porträt einer schönen Dame in pelzverbrämtem weißem Kostüm von Leon Bonnat bewundert. Als ich mich nun mit Pietsch durch das Menschengedränge hindurchwindend der Tür eines Nebensalons näherte, sahen wir plötzlich das Original dieses Porträs in demselben Kostüm vor uns stehen, faßt in der selben Haltung, wie Bonnat die Dame gemalt hatte. ... Ich habe selten ein Portät gesehen, welches das Original mit so greifbar-plastischer Wahrheit in seiner vollen Schönheit wiedergab, wie dieses von L.Bonnat
Das Jahr 1879
Taufe
Die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts neigten sich ihrem Ende entgegen.
Ein freudiges Ereignis stand im Hause Anton von Werners im Februar 1879 an. Die Taufe seines ersten Sohnes. Zu diesem Fest waren nicht nur seine Künstlerkollegen Reinhold Begas, Gustav Richter, Wilhelm Gentz oder Ludwig Knaus eingeladen. Auch das badische Kronprinzenpaar und Feldmarschall Moltke waren anwesend. Als Taufpaten wurden die Kronprinzessin Victoria, Ludwig Knaus und Generalpostmeister Heinrich von Stephan gewählt.
Dieses Ereignis hat Anton von Werner in einer kleinen Skizze, wie man es damals bescheiden nannte, festgehalten.
Erholungsversuch in Italien
Die gesellschaftlichen Verpflichtungen waren für den beliebten Akademiedirektor so groß, das fast täglich ein, zwei oder manchmal noch mehr Termine auf dem Programm standen.
Auf den guten Rat seines Hausarztes hörend,
Das geht nicht so weiter! Sie dürfen das Licht nicht an beiden Enden anzünden! (sein Hausarzt)genehmigte sich Anton von Werner, gemeinsam mit seiner Frau, aber bewusst ohne Kinder, eine Kur in Italien.
Anfang April führte die Reise über München und einem kurzen Besuch bei seinem Freund Lorenz Gedon nach Rom. Die Stadt wirkte nicht mehr so schmutzig und heruntergekommen wie vor gut 10 Jahren. Doch die neu entstandenen, hässlichen Mietskasernen boten einen trostlosen Anblick, welche den positiven Eindruck wieder schmälerten.
Es regnete während der Reise oft ohne Unterbrechung und das steigerte die Stimmung nicht wirklich. Jedoch gab es auch schöne, interessante Augenblicke.
So machte Familie von Werner in Neapel die Bekanntschaft mit Alfred Krupp,
... den großen Kanonenkönig, der sich, das Haupt mit einem türkischen Fez bedeckt, im Gartensaal des Hotels nachmittags Tarantelle vortanzen ließ, wozu er uns eingeladen hatte.In Genua war von Werner aufs höchste verzückt von den Gemälden Van Dycks im Palazzo Brignole Sale.
auf die höchsten Höhen der Kunst emporgehoben;... und Van Dyck war 22 Jahre alt, als er diese Wunderwerke schuf!
Anthonis van Dyck - Porträt des Marchese Antonio Giulio Brignole-Sale (um 1621)
Öl auf Leinwand (250 × 127 cm)
Öl auf Leinwand (250 × 127 cm)
Die van Dycks waren ein kleiner Ausgleich für eine nicht wirklich gelungene, verregnete Erholungsreise nach Italien.
Maltechnik und Faulenzer
Anlässlich eines Besuchs Franz Lenbachs wird die Maltechnik Anton von Werners, verpackt in eine Kritik an den modernen Kunstbetrieb, genauer beschrieben. Diesen Abschnitt möchte ich in ganzer Form zitieren. Werner malte gerade an einem der Saarbrücker Bilder:
Das größte von diesen, die Ankunft König Wilhelms in Saarbrücken am 9. August 1870, wollte ich gerade in Wachsfarben zu übermalen anfangen, als mich eines Tages Lenbach besuchte und die Untermalung sah, die ich meiner Gewohnheit gemäß mit dünner Terpentinfarbe, aber in Zeichnung und Farbe eigentlich vollständig fertig wirkend angelegt hatte. Lenbach meinte, ich würde doch an dem Bild nichts mehr weiter machen, es sei ja fertig, und er äußerte sich in sehr drastisch-derber Weise, als ich darauf verwies, daß die Landeskunstkommission mir nach allem Vorhergegangenen schwerlich die Bilder in diesem Stadium als fertig abnehmen würde, obgleich sich diese dünne vorsichtige Malweise nach meiner Erfahrung zweifellos besser und unveränderter halten würde als jede dickere Übermalung...
Die Frage einer zuverlässigen und leicht zu handhabenden Technik in der Ölmalerei hat gerade die deutschen Maler, nachdem seit Anfang des vorigen Jahrhunderts die Werkstatt-Tradition früherer Zeiten verloren gegangen war, wohl sehr beschäftigt, aber es ist darin auch stark gegen alle gesunden und praktisch bewährten Anschauungen und Erfahrungen, wie sie jedem Anstreicher und Lackierer geläufig sind, gesündigt worden, weil der Feuergeist des Genies sich gegen den prosaisch nüchternen Zwang einer vorsichtigen Malweise sträubt und das Schmieren und Patzen mit Ölfarbe sehr verführerisch zu sein scheint.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man bei einiger Vorsicht, einen einfach hergestellten Malgrund vorausgesetzt, selbst mit den vom Farbenhändler bezogenen Farben mit Sicherheit arbeiten kann, wenn man die Palette auf 8 bis 10 Farben beschränkt und sich von den Hunderten von exotischen Pigmenten fernhält, welche die Farbtafeln der Fabrikanten und Händler zieren. Dazu nur etwas Geduld, damit man nicht eher übermalt oder lasiert, als der Untergrund nicht vollkommen trocken und zur Aufnahme einer neuen Farbschicht präpariert ist, und dann größte Sauberkeit der Paletten, Pinsel, Öl- und Firnisbehälter, was ich immer als eine selbstverständliche Notwendigkeit betrachtet, wofür ich aber bei den jungen, stürmischen Künstlerseelen nicht immer Verständnis gefunden habe.
Man liebt solche Pedanterie nicht, während mir die mit fingerdicker Farbschicht beklebten Riesenpaletten und die klebrigen Pinselstiele immer ein Greuel gewesen sind.
Was in früheren Zeiten der Lehrling im Handwerk schon beim Aufräumen der Werkstatt spielend, oder, wenn's gar nicht anders ging, unter Nachhilfe einiger drastischer Mittel lernte, ist dem heutigen Herrn Kunststudierenden bei seiner Auffasssung von akademischer Freiheit durch Vorträge und dergl. nicht so leicht beizubringen, natürlich zu seinem eigenen Nachteil, denn Handgriffe und technische Kenntnisse sind ohne Schulung und ohne Zwang - gleichviel ob man in sich selbst auferlegt, oder ob er von außen kommt - nicht zu gewinnen und in jeder Kunst sind sie als Arbeitsinstrument unentbehrlich.
Kehrseiten
Als Direktor der Kunstakademie war von Werner Gast bei den Feierlichkeiten zur goldenen Hochzeit des Kaiserpaars.
Solch ein Ehre war ihn die positive Seite des Lebens eines Akademiedirektors. Auf der Kehrseite lag beispielsweise die unangenehme Aufgabe der Ernennung geeigneter Lehrkräfte,
... weil wirkliche Lehrkräfte wie W.v.Schadow, C. v. Piloty und Chr. Rauch untern den Künstlern nicht gerade dick gesät sind und die Begeisterung für dienstlichenMünchner Ausstellung
Zwang bei ihnen begreiflicherweise nicht besonders groß ist.
Doch die Kunstwelt drehte sich weiter. Die große internationalen Kunstausstellung in München stand an. Diese Ausstellung wurde von den Spaniern und Franzosen stark beschickt.
Francisco Pradilla y Ortizs Johanna-Bild und wiederum Bonnat und dessen Porträt von Hugo machten einen großen Eindruck auf von Werner.
Von den Gemälden deutscher Künstler ernteten in seinen Erinnerungen zwei Gemälde ein besonderes Lob. Friedrich August Kaulbachs "reizendes" Kinderfest, und ein "vorzügliches" Damenporträt von Hans Canon. Anselm Feuerbachs Sturz der Titanen wurde jedoch von von Werner als weniger gelungen betrachtet.
Im Vergleich mit seinen mir bekannten früheren Bildern, namentlich denen in der Schack'schen Galerie, machte mir dieses Werk keinen überwältigenden Eindruck, in der Malerei erschien es mir trockener als sein "Symposion", während er in seinen früheren Arbeiten, der ersten großen Iphigenie, dem Aretino, seinen Amoretten, der Pieta und der Medea bei uns als glänzender Kolorist venezianischer Schule mit akademisch korrekter Zeichnung gegolten hatte, dem die Darstellung klassischer Ruhe besser lag, als wilddramatische Bewegung.Anton von Werner selber errang mit seinem Proklamierungsbilde eine Medaille erster Klasse. Es bereitete ihm eine besondere Freude und große Ehre, dass sich die französischen Mitglieder der Jury, trotz des brisanten Inhalts, aufrichtig für sein Bild einsetzten.
die Herren Cabanel und Hebert machten mir sogar Komplimente darüber
Alma-Tadema
Anton von Werner, der in seiner Bewunderung für die Werke anderer Künstler keine Nationalitäten kannte, lernte in diesem Jahre 1879 den von ihm hochgeschätzten und bewunderten Lawrence Alma-Tadema kennen.
Die Begegnung dieser beiden Giganten der Malerei möchte ich in aller Ausführlichkeit zitieren:
Die beginnende Herbstsaison führte uns manchen lieben Gast ins Haus, so vor allen L. Alma Tadema. Wir lernten in dem großen Künstler, vor dem die künstlerischen Geheimnisse des alten Ägyptens ebenso offen da lagen, wie die poesieumstrahle Zeit des klassischen Griechentums und die Verderbtheit des kaiserlichen Roms, einen jovialen, anscheinend noch jungen Mann von derber, untersetzter Statur kennen, aus dessen Augen statt beängstigender Gelehrtheit ein munterer Schalk strahlte und dessen Mund nur zum Lachen gemacht zu sein schien!So klangen die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts mit einer freudigen Begegnung aus. Über Langeweile konnte sich der erfolgreiche Akademiedirektor von Werner nicht beklagen.
Seine Werke sind zu bekannt, als daß es notwendig erschiene, hier näher darauf einzugehen, welche Fülle von archäologischer Gelehrsamkeit sich mit malerischem Empfinden verbinden mußte, um diese von höchster künstlerischer Schönheit durchwehten Bilder antiken Lebens zu schaffen. L. Alma Tadema gehörte zu den glücklichen Sprachtalenten, wie Sir Frederic Leighton und Jozef Israels, die drei oder vier Sprachen mühelos wie ihre Muttersprache beherrschten; er wurde in unseren Kreisen mit Begeisterung und der Gastfreundschaft empfangen, die für Berlin immer charakteristisch gegenüber Ausländern gewesen ist, und sein Aufenthalt bei uns hinterließ unvergeßliche Erinnerungen.
Er aß bei mir zu Mittag mit Gussow, Kayser, v. Großheim, W.Gentz, Knaus, Encke, Prell und anderen Kollegen; nach Tisch gingen wir dann alle zusammen in den Künstlerverein, wo wir auch Wilhelm Scholz vom Kladderadatsch traffen, und da prasselte es an unserem Tisch nur so von allerlei lustigen Geschichten. L. Alma Tadema, der nicht nur vortrefflich deutsch sprach, sondern auch ein vorzüglicher Erzähler war, wußte selber so viel Kalauer und Schnurren, daß Erdmann Encke, der auf diesem Gebiete selber außergewöhnliches leistete, zuletzt ausrief: "Dem kann man ja gar nichts Neues sagen, der kennt ja schon alles!"
Und dabei sprach Alma Tadema nie von sich und seinen Bildern und es wurde auch nicht fachgesimpelt! Vom Künstlerverein zogen wir mit einem größeren Trupp noch ins Cafe Bauer, und der liebenswürdige Kollege, dem die Schwächen meiner dortigen Wandgemälde nicht verborgen sein konnten, unterließ es nicht, mir Komplimente über sie zu machen und sich Photographien davon auszubitten. Wir haben uns in späteren Jahren noch öfter gesehen, in Berlin wie in seinem glänzenden Heim in London, sowie in Antwerpen, und immer wieder habe ich dieselbe ungetrübte Freude an dem Zusammensein mit dem prächtigen Manne gehabt, wie dieses erste Mal.
Mit den Arbeiten an dem großen Kongressbild und den Gemälden für den Rathaussaal in Saarbrücken hatte er gerade erst begonnen und war mit diesen auch noch im folgenden Jahrzehnt beschäftigt.
Zum Schluss ein Auszug aus einem Dankschreiben der Kronprinzessin Victoria für das Geschenk einer kleinen Porträt-Zeichnung, auf dem sein Sohn, ihr Patenkind, abgebildet war:
Auch ein angeblicher kalter, leblos malender Akademiker konnte als noch so manches Herz erwärmen!Nehmen Sie meinen besten Dank für die ganz wunderschöne Zeichnung, mit welcher Sie mich außerordentlich erfreut haben! Als Kunstwert können mich Viele darum beneiden und als Porträt hat es für mich einen ganz besonderen Wert, da es mein Patenkindchen darstellt! - Ich bin ganz entzückt davon, und hoffe nur, daß es Ihrer Frau nicht zu schwer geworden ist, das Bildnis Ihres Söhnchens aus dem Hause gehen zu sehen!
In diesem Sinne, Fortsetzung folgt....
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