Montag, 12. August 2013

Berliner Bilderbogen (Teil 1)

Konzentrationsschwierigkeiten

Ich weiß nicht, wie es dir geht. Bei mir lässt nach zwei bis maximal drei Stunden Museumsbesuch die Konzentration rapide nach. Die fachmännisch wirkende Untersuchung jedes Bildes, mit zwei Schritten vor, drei zurück, Linksschwenk und Rechtsschwenk zur Auslotung jeder Feinheit, verliert sich nach und nach zum Schnelldurchlauf von Bild zu Bild. Der Blick gleitet immer mehr zum Geschehen vor, statt auf der Wand. Diese schwindende Aufnahmefähigkeit wird mit fleißigen Klicks auf den Kameraauslöser kompensiert. Darum ist der schlaue Besucher natürlich mit moderner Kamera ausgestattet, um die Live-Freuden später vor dem Bildschirm nachzuahmen. Ich hatte nichts dergleichen eingepackt und musste auf Handy und Tablet zurückgreifen. Der geneigte Leser möge deshalb meiner Planlosigkeit und der dadurch verursachten mäßigen Qualität der Bilder verzeihen.

Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin

Ich war in Berlin. Und Berlin hat viel zu bieten. Zu viel für ein langes Wochenende. Deshalb muss man sich entscheiden. Und meine Entscheidung war schon vor Anreise gefallen. Möglichst viele Werke Anton von Werners sehen. So folgte ich der Spur des ehemaligen Direktors der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste durch Berlin. Aber keine Sorge, auch andere Maler kommen in den folgenden Berichten zu ihrem Recht.

Stationen eines Reisenden

1. Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie stand eigentlich nicht auf meinem Programm, aber dann ließ ich sie doch nicht links liegen. Die Sammlung ist auf die Zeit vor dem 19. Jahrhundert ausgerichtet, also nicht ganz mein Begehr. Aber die Höhepunkte der Dauerausstellung sind Meisterwerke der Kunstgeschichte, gemalt von Rembrandt, Velazques, Caravaggio, van Dyck, Rubens oder Reynolds. Meine bescheidenen Fotos zu präsentieren ist sinnlos, da die Malerei schon in fantastischer Qualität beim Google Art Project zu bewundern ist.

2. Siegessäule

Weiter auf dem langen Weg (auf jeden Fall beim heißen Wetter an diesem Wochenende) zur Siegessäule mit ihren Mosaiken nach den Entwürfen Anton von Werners. Hier, wie auch an den folgenden Stationen, beachtete ich aus Zeitmangel keine der historischen Ausführungen. Mir ging es nur um die Kunstwerke.

Die Mosaiken sind von der weltberühmten italienischen Firma Salviati umgesetzt und von Werner überzeugte sich persönlich in Venedig von den Fortschritten und der Qualität der Umsetzung.

Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Mosaik Siegessäule (Ausschnitt) (1876) - Entwurf Anton von Werner
Relief Siegessäule (Ausschnitt)
Im zweiten Bild oben hat sich übrigens der damals noch junge Künstler (die Vorarbeiten Anton von Werners waren 1873 abgeschlossen) in einem Selbstporträt als Fanfarenbläser verewigt.

 3. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz

Das geheime Staatsarchiv bietet die wunderbare Gelegenheit, im zeichnerischen Nachlass Anton von Werners zu stöbern. In digitaler Form und, falls gewünscht, auch mit Vorlage der Originale. Leider ist das Fotografieren dort verboten. Für den normalen Berlinbesucher lohnt sich der Ausflug kaum. Aber für mich war es faszinierend, dem Meister bei der Ideengewinnung heimlich über die Schulter zu schauen. Heimlich, da die Skizzen nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren und auch nie als selbständige Werke angesehen wurden. Dies änderte sich erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

4. Jüdisches Museum Berlin

So verloren und orientierungslos wie hier habe ich mich noch nie in einem Museum gefühlt. Aufgrund der zickzackförmigen, ungewohnten Form, verliert man bei großem Menschengedränge schnell den Überblick, wo nun der Ausgang ist. Allein durch die Architektonik entsteht ein beklemmendes Gefühl, ohne ein Wort oder Bild betrachtet zu haben. Aber keine Sorge. Die Hinweismarken am Boden helfen am Ende immer weiter.

Mein Besuchsgrund waren zwei kleine Werke Anton von Werners. Dieser war mit vielen Berliner Juden befreundet und setzte sich vehement gegen den Antisemitismus an seiner Hochschule ein (siehe zum Beispiel seine Äußerungen zu Beginn des Jahres 1880). Der Familie Mosse malte er 1899 ein großes Wandbild für ihr neues Palais. Die Farbskizze zum Wandbild und eine Studie Emilie Mosse, der Frau des Zeitungsverlegers Rudolf Mosse, sind im jüdischen Museum ausgestellt.

Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) - Farbskizze - Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)
Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) - Farbskizze - Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)

Hier der Firmengründer selber:

Anton von Werner - Das Gastmahl der Familie Mosse (1899) (Ausschnitt) - Farbskizze Öl auf Leinwand (46 x 89 cm)
Und eine Studie seiner Frau, welche, rechts auf dem Stuhl im Wandbild, in fast gleicher Pose zu finden ist:
Anton von Werner - Emilie Mosse (1899) - Studie - Öl auf Leinwand
Anton von Werner - Emilie Mosse (1899) (Ausschnitt) - Studie - Öl auf Leinwand

5. Berlinersche Galerie 

Mit der Berlinerschen Galerie verbinde ich Platzverschwendung pur. Vor klaustrophobischen Anfällen braucht man hier jedenfalls keine Angst zu haben. Nach Eintritt steht man in einer riesigen weißen Halle, in der zwei monströse schwarze Gebilde (der Kenner würde dies wohl als Kunst bezeichnen) verloren platziert sind. Für mich eigentlich genau der Hinweis, nichts nach meinem Geschmack zu finden und wieder umzudrehen.
Doch ich bin nicht ohne Grund hier. Denn eine kleine Ecke, wohl zur Abschreckung und dem Lobpreise des darauf Folgenden, ist der offiziellen Kunst des Kaiserreiches gewidmet. Und an erster und zentraler Stelle ist mein Lieblingsbild Anton von Werners zu sehen. Das große Gemälde der Enthüllung des Richard Wagner Denkmals im Jahre 1903.

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Mein mickriges Foto kann den realen Eindruck nicht in Ansätzen widerspiegeln. Ich habe bestimmt eine halbe Stunde jedes Detail dieses Wandbilds bewundert. Ich hätte es am liebsten eingepackt und mit nach Hause genommen. Doch wie damit durch die winzige Zugtür kommen? So ließ ich desillusioniert meinem Plan wieder fallen.

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Für die meisten der schnell vorbeihuschenden Besucher hat dieses Gemälde wohl nichts mit Kunst zu tun. Aber für mich ist es eines der großen Meisterwerke zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es macht Zeitgeschichte lebendig und ist auf höchstem Niveau gemalt. Solch wunderbare Farbgebung, Beleuchtungsregie, Liebe für Details, Stofflichkeit und geschickte Gruppierung von Massen ist in dieser Qualität selten zu finden. Also all das, welches dieses Werk unerreichbar macht für jeden Liebhaber moderner Kunst, der es als rein dokumentarische Belanglosigkeit ansieht. Soll sich die Masse unten vor den schwarzen Klötzen auf ihrer Suche nach der Kunst winden, für uns ist sie oben in Ruhe mühelos sichtbar.

Hier der Künstler des Denkmals, Gustav Eberlein:

Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)

Dann darf natürlich auch nicht der damals 87-jährige Adolph Menzel fehlen, arg verjüngt von seinem Freund Anton von Werner:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2, 80 cm)

Mit kleinen, geschickt gesetzten Weiß- und Grautönen, Glanz am Boden und auf den Schuhen gezaubert:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Die Damenwelt, in ihrer für die damalige Zeit typischen Kleidung, darf bei solch einem Ereignis ebenfalls nicht fehlen:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)
Und die obligatorischen Pickelhauben sind auch zu sehen:
Anton von Werner - Die Enthüllung des Richard Wagner Denkmals 1903 (1908) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (2,30 x 2,80 cm)

6. Berliner Dom 

Im Berliner Dom stößt meine Handykamera an ihre Grenzen. Die Ausmaße sind gewaltig. Nicht ganz so imponierend wie der Petersdom in Rom, aber die Ausstattung kann sich, entsprechend meinem Historismus-Geschmack, ohne Probleme mit den großen katholischen Vorbildern messen.

Berliner Dom - Apsis

Glasfenster Berliner Dom - Geburt Jesu - Entwurf Anton von Werner
Ein Höhepunkt im Dom sind die farbenprächtigen, detaillierten Glasfenster nach Entwürfen Anton von Werners. Denn zu sehen sind keine der üblichen, langweiligen, ans Mittelalter angelehnten Motive. Sondern Darstellungen, die als eigenständige Gemälde gelten könnten.

Glasfenster Berliner Dom - Kreuzigung Jesu - Entwurf Anton von Werner

Glasfenster Berliner Dom - Auferstehung Jesu - Entwurf Anton von Werner
Von Anton von Werner stammen die Vorlagen für acht Mosaike an der Kuppel, darstellend die Seligpreisungen der Bergpredigt nach dem Matthäusevangelium. Weiterhin drei Altarfenster in der Apsis zur Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi samt jeweils übergeordnetem, ovalen Glasfenster. Und zuletzt die vier Evangelisten-Porträts oben in den Nischen der Gewölbepfeiler.

Mosaik Berliner Dom - Seligpreisungen - Entwurf Anton von Werner
Wer nichts gegen ein paar Treppen hat, kann die Ausstellung zur Entstehung des Domes besichtigen. Dort sind unter anderem ein paar der Farbskizzen zu den Seligpreisungen und Entwürfe zu den ovalen Glasfenstern zu sehen.

Anton von Werner - Entwurf ovales Glasfenster (um 1901) - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Entwurf ovales Glasfenster (um 1901) - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Selig sind die da Leid tragen (um 1901) - Entwurf für das Kuppelmosaik - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Selig sind die Friedfertigen (um 1901) - Entwurf für das Kuppelmosaik - Öl auf Leinwand

Anton von Werner - Vorlage für die Kopfprobe in Mosaiktechnik (um 1901) - Öl auf Leinwand

In einem Dom zur Verherrlichung und Andacht an die Hohenzoller-Dynastie darf natürlich ein Kunstwerk zu Wilhelm I nicht fehlen. Und so ist im Ausstellungsraum ein imposantes Ölgemälde von William Pape zu finden. Dargestellt ist die Aufbewahrung Kaiser Wilhelms im Berliner Dom. Ein Ereignis, welches auch von Anton von Werner oder Arthur Kampf bildlich festgehalten wurde.

William Pape - Aufbahrung Kaiser Wilhelms I. im Dom (1888) - Öl

Ausblick

In den nachfolgenden Berichten werden dann die beiden Höhepunkte einer jeden Museumstour durch Berlin vorgestellt. Die Alte Nationalgalerie und das Deutsche Historische Museum.

Freitag, 19. Juli 2013

Brad Kunkle - Goldene Zukunft

Gold übte schon immer eine große Faszination auf den Menschen aus. Reichtum, Macht, Prunk und Gier verbindet man mit diesem Edelmetall, aber auch Glanz und Unvergänglichkeit. Dies war kein Phänomen nur der alten Welt, sondern zog sich durch viele Kulturkreise und Zeiten.

Früher

Schon für die Ägypter war Gold das Element der Pharaonen

Foto Jerzy Strzelecki - Thronsessel des Tutanchamon

und in der christlichen Kunst wurde das kostbare Metall mit spirituellen, göttlichen Glanz verbunden.


Simone Martini und Lippo Memmi - Die Verkündigung an Maria (Ausschnitt) (1333) - Tempera auf Holz mit Gold (265 x 305 cm)

Auch in der asiatischen Kunst spielte es, wie die hier abgebildete großformatige Faltwand zeigt, eine wichtige Rolle.


Birds and Flowers of the Four Seasons (frühes 17. Jahrhundert) - Farbe auf Blattgold-Papier (106,7 x 349,9 cm)

Heute

In jüngerer Zeit sind im deutschsprachigen Raum zwei umfassende Bücher veröffentlicht worden, welche sich mit der Verwendung des Goldes in der Kunst beschäftigen.

Zum einen die Dissertation aus dem Jahre 2006, Die Renaissance des Goldes. Gold in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Zum anderen der Begleitband zur großen Ausstellung in Wien, Gold, von 2012.

Das Fazit der beiden ist gleich: Die Bedeutung des Goldes in der bildenden Kunst endete mit der Renaissance. Diese stellte wieder den Menschen in das Zentrum der Betrachtung. Hierbei verlor das Gold, welches man mit religiöser Inbrunst und göttlichem, goldenen Glanz verband, seine Bedeutung. Ob dies auch für die Architektur gilt, darf man als fleißiger Kirchen- und Schlossbesucher eher verneinen, aber für die Malerei ist es unbestritten.

Erst seit dem 20. Jahrhundert findet Gold wieder mehr Beachtung. In der Dissertation werden 20 Werke beispielhaft vorgeführt, welche zu dieser Gold-Renaissance beitragen. In den Augen des naiven Laien sind die meisten sogenannten Künstler, wie Robert Rauschenberg ( Untitled (Gold Painting) von 1953) oder Joseph Beuys (Aktion, wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt von 1965), alles andere als bedeutend, aber darum soll es hier nicht gehen.

Ein Künstler, der in diesen Büchern fehlt, soll hier vorgestellt werden. Denn er jongliert wie kein zweiter Maler unserer Zeit mit den Edelmetallen und integriert diese perfekt in seine Gemälde. Brad Reuben Kunkle (der mir freundlicherweise erlaubt hat, seine Bilder zu verwenden) ist sein Name.


Brad Kunkle - The Eighth Veil (Ausschnitt) (2011) - Öl und Blattsilber auf Holz (71,12 x 35,56 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Beginn des Weges

Geboren wurde Kunkle 1978 in Lehighton, einer ruhigen, ländlichen Gegend, in der Nähe von Kunkletown, Pennsylvania. Direkt verwandt ist er laut Familienrecherchen nicht mit dem Gründer dieses Dorfes, obwohl beide Zweige deutsche Wurzeln haben. Im Falle Brads gehen diese zurück ins 17. Jahrhundert, nach Florsbach in Hessen. Einer Gegend, in der heute noch viele Familien mit Namen Kunkel wohnen.

Wenn man den Beschreibungen folgt, war Brad ein verträumtes, fantasievolles Kind. Er liebte die Natur und bewunderte die phantasiereichen Welten eines Maxfield Parrish oder die romantisch verträumten Bilder der Präraffaeliten. Die Leidenschaft fürs Zeichnen erlangte er durch Nachahmung und sein Bruder war sein erstes Vorbild.

Nach seiner Schulzeit begann er ein Studium an der Kutztown University, um Lehrer zu werden. Zuerst Geschichtslehrer, später dann der Wechsel in Richtung Kunstlehrer. Doch die Vorstellung, Kunst zu unterrichten ohne selber Künstler zu sein, behagte ihm nicht. So war er in der Situation vieler Studenten, die nicht wirklich von ihrem Studiengang überzeugt sind. Soll er beenden, was er angefangen hat oder sein Leben in eine andere Richtung lenken? Er entschied sich für das Zweite. Den Anstoß gab im Jahre 2000 ein Gastredner an seiner Universität, der uns nicht ganz unbekannte Donato Giancola. Dessen Rede und Vorbild inspirierten Kunkle, die eingefahrenen Wege zu verlassen und auf die Künstlerbahn mit all ihren Risiken zu wechseln.
Einer seiner erster Lehrer war der Maler George Sorrels. Der Grundstein wurde bei diesem gelegt, aber der lange Weg zur Vervollkommnung der Fähigkeiten und Findung seines künstlerischen Ichs lag noch vor ihm.

Findung des Ichs

Zu Beginn stand das obligatorische 'sich einen kleinen Namen machen' im Vordergrund. Er hielt sich mit Porträt-Aufträgen (Mensch und Tier) über Wasser und nahm Dekorations- und Auftragsarbeiten an, wie diesen kleinen Waldsänger für das Lehigh Gap Nature Center.

Brad Kunkle - Prairie Warbler (2008) - Öl auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle




Nebenbei spielte er als Bassist in einer Band namens Aderbat. Es war jedoch schnell klar, dass die Malerei die erste Geige spielen wird. Nur welche Malerei?

Sein handwerkliches Können wollte er nutzen, aber trockener Realismus reizte ihn nie. So beschreibt er in einem Interview einen Gang durch den Louvre in Paris mit überraschenden, aber für mich gut nachvollziehbaren Eindrücken. Denn des Öfteren faszinierte ihn mehr die goldverzierte Decke mit ihren kleinen, surreal wirkenden Figuren, als die Ölgemälde an der Wand.

Wohin also des Weges? Wie findet man sein Markenzeichen, ohne in das dilettantische Auffallen um jeden Preis zu versinken? Der entscheidende Funke sprang in Gestalt einer Bürowand auf ihn zu, oder besser, er zu ihr hin. Er verkleidete diese, ohne Rücksicht auf Verluste, vollständig mit Blattkupfer. Ein Verehrer abstrakter Werke wäre hochzufrieden. Aber ihm reichte es nicht. In seiner Phantasie erschienen zarte Wesen in Grisaille auf der Wand und erweckte sie zum Leben. Das war es, so sollten seine Gemälde sein. Reduziert auf wenige Farben, flache Partien kombiniert mit realistischen Figuren, das Ganze raffiniert durch Blattgold und Blattsilber veredelt.

Sein erster Versuch mit Silber und Grisaille ist auf der folgenden Abbildung zu sehen.

Brad Kunkle - Jasmine(2006) - Öl und Blattsilber auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle

Erfolgsspur

Kunkle hat alles, was ein Künstler braucht, um langfristig erfolgreich zu sein. Fleiß, Können, Selbstvertrauen, Eigenständigkeit, Glück. So nimmt es kein Wunder, dass er frühzeitig von der wohl renommiertesten Galerie für moderne, realistische Kunst verpflichtet wurde. Der Arcadia Gallery in New York. Dort wurde ihm die Möglichkeit großer Einzelausstellungen 2010 und 2012 geboten. Die Zeitschrift American Artist ehrte ihn im Jahre 2012 als einen der 25 vielversprechendsten Künstler unserer Zeit.

Brad Kunkle - Mare Imbrium (Sea of Showers) - (2012) - Öl und Blattgold- und Silber auf Holz
(91,44 x 132,08 cm) - Bildausschnitt
Copyright 2013 Brad Kunkle

Zaubertrank

Kunkle möchte mit seiner Kunst den Betrachter berühren. Sein Ziel ist keine Effekthascherei, sondern ein bleibender Eindruck. Oder, wie er es nennt,
Erheben und nicht unterhalten.
Ein schmaler Grad, aber bei mir und vielen anderen ist ihm dies auf jeden Fall gelungen.  

Brad Kunkle - Trinity (2010) - Öl und Blattgold- und Silber auf Leinwand (203,2 x 91,44 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Eines seiner beiden Markenzeichen (zu den Blättern kommen wir später) ist, wie schon mehrfach erwähnt, die Verwendung von Gold und Silber. Diese heben seine Werke allein schon aufgrund der großen Symbolhaftigkeit von der Masse der realistischen Malerei ab. Zum anderen ermöglichen die changierenden Spiegelungen des Lichts am Blattgold/silber ein lebendiges Erleben des Gemäldes. In dieser Intensität ist dies mit reiner Ölmalerei nicht erreichbar.

Als einfaches Beispiel dient die auf einem New Yorker Metro-Ticket gemalte, unterschiedlich belichtete Szene, die nachfolgend abgebildet ist:

Brad Kunkle - Untitled (2013) - Öl und Blattgold auf U-Bahn-Ticket
Copyright 2013 Brad Kunkle

Vorbild

Er ist natürlich nicht der erste, der Blattgold- und Silber in seinen Bildern verarbeitet. Sein großes Vorbild ist Gustav Klimt, der das Glück hatte, Sohn eines Goldgraveurs zu sein. Klimt berühmtes Gemälde, Der Kuss, enthält Zutaten, die man auch mit Kunkle verbinden kann. Weitgehend monochrome Farbgebung, Verwendung von Blattgold und Blattsilber, zweidimensionale, flache Elemente, kombiniert mit realistisch gemalten menschlichen Körpern. Romantisch verträumte Figuren in goldener Sphäre schwebend, der Realität enthoben.

Gustav Klimt - Der Kuss (1907 - 1908) - Öl und Blattgold- und Silber auf Leinwand (180 x 180 cm)

Mir gefallen Kunkles Gemälde besser als die meisten späten Werke Klimts. Kunkles Bilder haben mehr Bewegung, Dynamik und realistischere Figuren. Der Funke ist jedenfalls beim Gemälde Der Kuss auch im Original nicht übergesprungen, so sehr ich dem Bild auch eine Chance bei einem Besuch des Belvedere gab. Meins ist es nicht.


Brad Kunkle - Seer (2012) - Öl und Blattgold auf Holz (43,18 x 71,12 cm)

Naturgewalten

Statik und Langeweile sind Kunkles Gemälden meist fremd. Das Mittel, mit dem er dies erreicht, sind die allgegenwärtigen, brillant eingesetzten Blätter. Diese wehen über unzählige seiner Gemälde und holen sich Stück für Stück ihren Anteil von unserer technisierten Welt zurück. Mal bedrohlich, Blatt für Blatt, den Menschen gefangen nehmend. Mal hinab in das Blätterdickicht ziehend. Auf anderen Bildern verwoben in Symbiose mit dem Menschen. Diese Verlebendigung der Natur hat eine ungemein faszinierende Wirkung auf den Betrachter.

Brad Kunkle - Cocoon (2012) - Öl und Blattgold auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle

Entstehung

Der typischen Entstehungsprozess seiner Gemälde sieht ungefähr wie folgt aus:
  1. Ideengewinnung.
  2. Erstellung/Verwendung von fotografischen Referenzen, vor allem für die Figuren.
  3. Die Figur wird direkt auf die Leinwand gemalt. Diese darf ruhig durchscheinen.
  4. Dann werden die Edelmetall-Blätter um die Figur herum aufgetragen.
  5. Nun wird vorsichtig mit Ölfarbe, zum Teil in Fingertechnik bei den Blättern, auf diesem Grund gemalt.
  6. Vollendung der Figur und restliche Arbeiten
Ausführlicher und technischer wird dies von Matthew D. Innis in seinem informativen Blog Underpaintings beschrieben.

Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diese Schritte:

Brad Kunkle - Girl with Serpent and Pearls (2010) - Öl und Blattgold- und Silber auf Holzpanel (63,5 x 76,2 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Hommage

Lawrence Alma-Tadema - The Roses of Heliogabalus (1888) - Öl auf Leinwand (132,1 × 213,9 cm)
Brad Kunkle - The Gilded Wilderness (2012) - Öl und Blattgold- und Silber auf Leinwand (106,68 x 203,2 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Eines meiner Lieblingsgemälde ist The Roses of Heliogabalus von Lawrence Alma-Tadema. Dieses malerisch vollendete Werk hat einen auf den ersten Blick harmlosen Inhalt. Bei einer Feier in römischer Zeit rieseln Rosenblätter auf die Gäste hinab, fast so wie Konfetti in unseren Tagen. Doch der schöne Schein trügt, denn der Rosenregen wird die Gäste qualvoll ersticken.
Die mit großer Detailliebe gemalten Blätter sind eine Meisterleistung Alma-Tademas. Da wundert es nicht, dass der Blättermaler unserer Zeit, Brad Kunkle, ihm nacheifert. Und sich, genau wie Alma-Tadema, auf dem Gemälde rechts mit einem Selbstporträt verewigt.

Ab in die Zukunft

Brad Kunkle ist einer der faszinierensten Maler unserer Zeit. Seine Blatt-Bilder mit Gold und Silber haben eine Neuartigkeit und Ausdruckskraft, wie sie auf diesem hohen Niveau unerreicht ist. Um nicht Gefahr zu laufen, nur mit diesem Schema verbunden zu sein, erweiterte er in den letzten Jahren sein Spektrum um kleine Facetten. Kunkles Gemälde sind in der Regel monochrom in Braun-,Gold, Silbertönen gehalten.
  • Neuerdings haben einzelne Bilder einen grünlichen Schimmer.

Brad Kunkle - Islands (Ausschnitt) (2012) - Öl und Blattgold auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle

  • Ein andermal wird auf die Symbolik der Blätter ganz verzichtet.
Brad Kunkle - Her Own Field (2012) - Öl und Blattgold auf Leinwand
Copyright 2013 Brad Kunkle
  • Oder ein paar Farbsprenkel in das ansonsten eher monochrome Bild eingebaut.
Brad Kunkle - Bird of Paradise (2012) - Öl und Blattgold-  und Silber auf Leinwand (101,6 x 76,2 cm)
Copyright 2013 Brad Kunkle

Brad Kunkle ist einer meiner großen Favoriten und ich bin gespannt auf jedes neue Werk.