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Freitag, 3. Januar 2014

Menzel - Anekdoten aus einer anderen Zeit

Andere Zeiten

Eduard Meyerheim - Portrait des jungen Adolph Menzel (um 1839) (Ausschnitt) - Öl auf Leinwand (42,7 x 36,6 cm)

Wir befinden uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Welt um uns ist bunt. Jedoch nur soweit, wie das Auge reicht. Wie sieht es aber hinter dem Horizont aus? Es gibt kein Telefon, keinen Fernseher, kein Internet, kein Kino und keine Farbfotografie. Kontakt zu Freunden hält man nur mit Briefen, da das Telegramm noch in den Kinderschuhen steckt. Andere Städte oder Länder kennt man nur aus Erzählungen oder Zeitungen, manchmal schwarz-weiß illustriert.

Eduard Meyerheim - Portrait des jungen Adolph Menzel (um 1839) - Öl auf Leinwand (42,7 x 36,6 cm)
Die Bedeutung der Malerei zur damaligen Zeit ist für uns, die tagtäglich von einer nicht mehr endenden Bilderflut überschwemmt werden, nur noch in Ansätzen fassbar.
Die Malerei war das Medium, um den Menschen die Welt in Form und Farbe näher zu bringen. Die Jahresausstellungen waren ein riesiges Ereignis. Hier wurde Geschichte lebendig und ferne Gegenden und Bewohner verloren den Grauschleier der Fantasie und wurden farbig.

Seine Exzellenz

Reinhold Begas - Büste Adolph von Menzel (um 1875 - 1876) - Carraramarmor getönt (66 x 63 x 45 cm)
In dieser Zeit wuchs Adolph Menzel (1815 - 1905) auf. Einer Zeit, in der die Maler noch kein unendliches Reservoir an Fotografien zur Verfügung hatten. Was interessant war, musste der eigene Stift festhalten. So war es für Menzel selbstverständlich, alles um ihn herum zu skizzieren. Wer weiß, ob man es für ein größeres Werk in der Zukunft brauchen könnte.

Menzel - Studentenfackelzug (1859) - Ausschnitt - Öl auf Pappe (31 x 54 cm)
Dieses ewige Suchen und Festhalten ist für einen Maler normal, war jedoch bei Menzel extrem ausgeprägt (Paul Meyerheim: "... mit geradezu krankhaftem Eifer"). Die Kunst galt ihm alles, die meisten Menschen um ihm herum wenig. Nur in der Rolle als unsichtbarer Beobachter fühlte er sich wirklich wohl. Hätte man für einen Tag sein Skizzenbuch geklaut, wäre es, als ob man sein Herz aus dem Leib gerissen hätte.

Psychogrämmchen 

Giovanni Boldini - Porträt von Adolph Menzel (1895) - Öl auf Leinwand (41 x 54,5 cm)

Warum sein Eifer so extrem war, lässt sich als Hobby-Psychologe leicht erklären:
  1. Sehr klein und deshalb auffällig
  2. Abweisung der Damenwelt
  3. Aufgrund Vaters Tod früh für die Familie verantwortlich
Denn Adolph Menzel war ein Mensch, den man nicht übersehen konnte. Nicht weil er so groß, sondern so klein war. Nur 140 cm, mit Bart und barhäuptigen, wuchtigem Kopf. Der Respekt war groß, jedoch war er auch häufig Ziel des Spotts.

Menzel - Abendgesellschaft (1847) - Öl und Papier auf Pappe (25 x 40 cm)
Der Maler pflegte gesellschaftliche Kontakte, aber auf Außenstehende wirkte er häufig grimmig abweisend. Verliebt war er vielleicht einmal oder zweimal, jedoch immer unerwidert.

Menzel - Porträt der Friederike Arnold (1845) - Ausschnitt - Öl auf Leinwand (69 x 62 cm)
Die Abweisung der Damenwelt führte ihn nur noch näher zu seiner einzig wahren Liebe, der Kunst. Sie war alles für ihn. Die Kunst ermöglichte ihm, der schon in jungen Jahren, nach dem Tod seines Vaters, für den Familienunterhalt sorgen musste, den bitteren Realitäten zu widerstehen. Sowohl finanziell als auch emotional.

Zeugen

Das unterhaltsamste und charakteristischste an einem Menschen sind vielleicht die kleinen Ecken und Kanten, die nicht ganz der 'Normalität' entsprechen. Und welch besseren Weg gibt es, diese zu erfahren, als denjenigen zu lauschen, die engen Kontakt mit der Person pflegten.
Deshalb möchte ich im Folgenden markante, lustige, manchmal tiefgründige Anmerkungen von Zeitgenossen zitieren. (Die Zusammenhänge zu den Zitaten sind in dem schönen Buch Exzellenz lassen bitten. Erinnerungen an Adolph Menzel von Gisold Lammel zu finden).

Menzel - Carl Heinrich Arnold (1848) - Ausschnitt - Öl auf Leinwand (48 x 39 cm)
Unterlegt mit Bildern Menzels, die ich in der alten Nationalgalerie Berlin (siehe hier) aufgenommen habe. Zwar in bescheidener Qualität, aber, was leider im Web viel zu selten zu finden ist, mit aktuellem Rahmen abgebildet:

Menzel - Carl Heinrich Arnold (1848) - Öl auf Leinwand (48 x 39 cm)

Kunstansichten 

"Lernen! Wer will noch lernen!" klagte der Altmeister. Das ist aus der Mode. (Ottomar Beta 1845 - 1913)
"Ich habe ein Prinzip, damit fing ich an, und damit höre ich auf: alles, was ich angriff, so gut zu machen wie möglich, auch wenn es in den Augen der Leute geringfüge Dinge waren."  (Ottomar Beta 1845 - 1913)
Menzel - Der Fuß des Künstlers (1876) - Ausschnitt - Öl auf Pappe (38,5 x 33,5 cm)
"Man tut den Schlagwörtern, Impressionismus und so weiter, hinter denen sich viel Unfähigkeit, Anmaßung und Selbstbetrug verbirgt, zuviel Ehre an. (Ottomar Beta 1845 - 1913)
"Er (Böcklin) malt Wesen, für die es keine Modelle gibt. Aber Hunderte, die ihm nachstreben oder auf diversen Pfaden von ihm ausgehen, können es nicht. Sie emanzipieren sich vom Modell, ehe sie gelernt haben, es richtig zu benutzen." (Ottomar Beta 1845 - 1913)
Auf einer Fahrt dorthin zeigte ich nach links, wo die Feste Hohensalzburg lag, und wagte hinzuzufügen: "Ist das nicht ein Poussinscher Effekt?" Da drehte mich Menzel heftig nach rechts, zeigte mir einen Misthaufen dicht am Wege und sagte: "Ach was, Poussin! hier das sehen Sie sich an." (Albert Hertel 1843 - 1912)
"Was ich am meisten an ihm [Böcklin] bewundere, ist, daß ein so großer Künstler so viel schlechtes Zeugs hat machen können, und daß er das auch überall noch sehen läßt und das Ausstellen nicht verbietet." (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
... er meinte, im Gegensatz zu denen, die behaupten, daß der erste Vorwurf immer der beste, man sei zu Anfang meist der größte Esel. Auch verdürbe man sich mit einer Ölskizze den Appetit; es sei gerade so, als wenn man vor dem Diner ein Butterbrot äße. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
... Herr Professor Vogel, mit beredeten Worten schilderte, wie Photographie und Malerei jetzt vereint gingen, und daß die Photographie eine außerordentliche Stütze und Hilfe für die schönen Künste sei, verwahrte sich der Jubilar [Menzel] in seiner Gegenrede sehr energisch dagegen und machte den armen Professor ganz kleinlaut, indem er explizierte, daß zu viele Künstler heute sich dieser Eselsbrücke bedienten und darüber das Studium des selbständigen Zeichnens vernachlässigten. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Bei all diesen Gesellschaftsbildern hat er es stets verschmäht, Porträts aus den Hofkreisen anzubringen ... weil das Publikum die Bilder dann immer mit anderen Interessen ansehen würde als mit rein malerischen. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Das Ballsouper (1878) - Ausschnitt - Öl auf Leinwand (71 x 90 cm)
Niemals hat er auf seinen Werken irgendeinen Gegenstand direkt nach der Natur auf das Bild gebracht. Selbst wenn er eine Eierschale oder ein Briefkuvert anzubringen hatte, so wurden diese erst gezeichnet und nach der Studie auf das Werk übertragen. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Auch wenn er auf meinen Bildern eine Stelle bemerkte, die ich, um dem Auge einen Ruhepunkt zu gönnen, nur mit einem großen, breiten Ton behandelt hatte, sagte er, so etwas sei für Leute, für "Kerle", die nichts könnten und sich die Sache leicht machten; "du aber kannst doch noch etwas Interessantes anbringen". (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Abreise König Wilhelms I. zur Armee am 31. Juli 1870 (1871) - Öl auf Leinwand (63 x 78 cm)
So empfahl er eindringlich als ausgezeichnete Übung den Versuch, nach vollbrachtem Tagewerk vor dem Zubettgehen noch schnell die reizvollsten Eindrücke des Tages festzuhalten. ... Er habe es zeitlebens so gehalten. (Hanns Fechner 1860 - 1931)
Menzel - Abreise König Wilhelms I. zur Armee am 31. Juli 1870 (1871) - Ausschnitt - Öl auf Leinwand (63 x 78 cm)
Da nahm Menzel das Wort und sagte ungefähr: "Ein solches Bild [Apotheose Kaiser Wilhelm I von Ferdinand Keller] würde ich zwar nicht malen können und auch wollen, aber es ist in seiner mir keineswegs sympathischen Art eine sehr respektable Leistung, die viel Mut voraussetzt; (Max Jordan 1837 - 1906)
Menzel - Abreise König Wilhelms I. zur Armee am 31. Juli 1870 (1871) - Ausschnitt - Öl auf Leinwand (63 x 78 cm)

Sonstige Ansichten

"Behalten Sie Ihre Fremdwörter in der Tasche. Ich habe manche Zeit damit verloren, sie zu erlernen... (Ottomar Beta 1845 - 1913)
Und diese bewußte, fast puritanische Strenge ist es, die ihn von allen Berliner Künstlern Anton v. Werner so nahebringt, für den er eine ganz außerordentliche Verehrung besitzt. (Ottomar Beta 1845 - 1913) 
Er selbst entknotete das Paket und entnahm ihm - zwei völlig gleich eingerahmte Puhlmann. Lange blickte er die beiden Bilder an, ohne den Faksimiledruck vom Original unterschieden zu können, dann klopfte er hart auf das Glas des echten Puhlmann und stieß kurz hervor: "Das ist er, oder es gibt keine Stimme der Natur! Eine gefährliche Kunst, dieser Farbendruck! Da wird ja dem Betrug Tür und Tor geöffnet!" (Axel Delmar 1867 - 1929) 
"Ja, ich bin auch ein fleißiger Kirchenbesucher, aber vielleicht nicht in dem von Ihnen gewünschten Sinne; ich stecke gewöhnlich im Hochsommer hinter den Altären, wenn kein offizieller Gottesdienst, mache mir da mit meiner Malerei zu schaffen und glaube auch damit Gott zu dienen!" (Albert Hertel 1843 - 1912)
Menzel - Altar in einer Barockkirche (um 1880 bis 1890) - Öl Stift auf Eichenholz (50 x 61 cm)
Sein Prinzip war, man müsse den Magen dressieren und dürfe nicht von ihm abhängig sein. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
"Aber es wäre mir ganz nützlich gewesen, wenn ich die Akademie länger besucht hätte; nur, wissen Sie, es war ein gewisser Stolz im Wege: den Krüppel bedauert man - der Kleine wird belächelt. Das habe ich stark empfunden mein Leben lang, am stärksten natürlich in der Jugend." (Max Jordan 1837 - 1906)

Bei der Arbeit

"Ja, hier rechts an der Staffelei male ich, und zwar mit der rechten Hand, und hier links zeichne, radiere oder aquarelliere ich, und zwar mit der linken." (Ottomar Beta 1845 - 1913)
Von einer Hofgasteiner Partie kehrten alle ohne Menzel zurück, der sich beim Abstieg "ausgeruht" hatte. Er zeichnete, in einem Graben sitzend, seine eigenen Kraxelstiefel... (Albert Hertel 1843 - 1912)
Man war im Begriff abzureisen - der Wagen stand vollbesetzt und bepackt vor dem Hotel -, da erschien als letzter Menzel, entdeckte beim Trinkgeldgeben eine Syenitsäule aus dem 14. Jahrhundert, "die er bisher unerhörterweise übersehen", zog die Handschuhe aus und begann, zur Verzweiflung der Seinen, aber vollkommen ruhig, die Säule zu zeichnen, bis er zufrieden war. (Albert Hertel 1843 - 1912)  
Bei einer Auswahl von Männerköpfen für die Menzel-Ausstellung ... viel mir ein schöner, bärtiger Kopf ... ganz besonders auf. Erfreut wollte ich ihn beseite legen, doch der siebenundachtzigjährige Wunderling entnahm mir brüsk das Blatt und erklärte kategorisch: "... Das habe ich vor zwei Jahren gezeichnet und inzwischen eine ganze Menge zugelernt. Da gehe ich jetzt erst richtig ran!" (Axel Delmar 1867 - 1929)
Menzel - Bärtiger Männerkopf im Profil nach rechts (1844) - Öl auf Papier und Pappe (40,1 x 29,6 cm)
..., daß Menzel mitten im Essen innehielt, um die vor ihm stehende, schön arrangierte Schüssel oder die Schalen einer Portion soeben verzehrter Austern abzuzeichnen. (Axel Delmar 1867 - 1929)
Wir arbeiteten bis spätabends, so daß sich oft heftiger Hunger einstellte und ich mit Sehnsucht an das Abendbrot dachte. Doch stand seine Schwester, wenn sie uns zu wiederholten Malen zu Tisch aufforderte, zuletzt in einer interessanten Beleuchtung, so wurde erst nach ihr noch eine Studie gemacht, was wieder lange Zeit dauerte. (Carl Johann Arnold 1829 - 1916)
... so kam es einmal vor, daß er, als er ein Fußbad nehmen wollte, eine lebensgroße Studie nach seinem Fuß malte und darüber den eigentlichen Zweck ganz vergaß. (Carl Johann Arnold 1829 - 1916)
Menzel - Der Fuß des Künstlers (1876) - Öl auf Pappe (38,5 x 33,5 cm)
... Da er auch zum Abendessen nicht erschien, wurde man etwas besorgt ... Man schweifte durch den Park und die Felder, um den kleinen Mann zu suchen. Ein Wagen verlor sich in der Richtung nach Küstrin, und man sah, an einem Bahnwärterhäuschen angelangt, ein seltsames Schauspiel. Die Nacht war dunkel; aber von dem Bahnwärterhaus fiel ein helles Licht auf die Eisenbahnschienen. Die Lokomotive warf flimmernde Helligkeit auf den Schienenweg. Vor diesen beiden Lichtbahnen aber saß Adolph Menzel auf einem Stein vor seiner Staffelei und malte. Die Bahnwärterfrau stand hinter ihm und hielt eine Öllampe über sein Bild. ... Aber er wandte nicht einmal den Kopf, knurrte etwas von "Inruhelassen" und von den Lichtnuancen auf den Schienen und den feuchten Steinen, und daß man dies festhalten müsse. Er käme bald nach Hause ... (Helge Evers-Milner)
Um die Schönheiten einer Feuersbrunst zu studieren, hatte Menzel mit dem Nachtwächter seines Reviers ein Abkommen getroffen, daß dieser ihn wecken sollte, sobald in der Stadt gegen Morgen ein großes Feuer stattfände. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Studentenfackelzug (1859) - Öl auf Pappe (31 x 54 cm)
Auch zu den Pferden machte Menzel sehr gründliche Studien, und sein Atelier war eine ganze Woche verpestet, weil er sich ein paar Pferdeköpfe vom Schinder verschafft hatte ... (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Pferdestudie (Kopf liegend im Geschirr) (1848) - Öl auf Papier und Pappe (64,2 x 50 cm)
Er meinte, so ungestört könne man am Tage nicht arbeiten, und wenn er nicht die Nächte zu Hilfe genommen hätte, würde er nicht so viel haben schaffen können. Vor drei Uhr nachts ging er selten zu Bett. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Die Hoffestlichkeiten waren sein besonderes Jagdrevier. Da wurden oft die Rückseiten des Programms oder die Menüs mit unzähligen gezeichneten Notizen bedeckt. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Das Ballsouper (1878) - Ausschnitt - Öl auf Leinwand (71 x 90 cm)
Als er sein berühmtes Ballsouper malte, war ich mit ihm in das Palais Wilhelm des Ersten geladen. Sobald die Schlacht um das Büfett begann, war ihm klar, daß seine natürliche Größe nicht genügte, um den Studienplatz zu überblicken. Er bat mich, als deckende Kulisse zu dienen, und stieg auf einen Stuhl neben einem Pfeilerspiegel. Schließlich stieg er auch, unbekümmert um die etwas staunende Hofgesellschaft, auf den Marmortisch vor dem Spiegel, um das Ganze einen Augenblick noch besser überschauen zu können. Der König hatte ihn stilllächelnd wohl bemerkt und ließ ihn ruhig gewähren. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Das Ballsouper (1878) - Öl auf Leinwand (71 x 90 cm)
Beim Frühstück im Freien beobachtete und zeichnete er die Spatzen und Finken, die Gartenbeete, Sträucher und Palmenbäumchen, und wenn sich gar nichts andres bot, die an die Tische gelehnten Stühle. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Dann betraten wir beide den Laden, und Menzel sagte dem Inhaber etwas folgendes: "Lieber Herr, Sie haben da von mir eine alte Sünde ausgestellt, ganz schamrot bin ich geworden; das Ding kann aber gar nicht so bleiben. Ich bitte Sie, es mir ins Hotel zu schicken, ich werde noch etwas dran arbeiten." ... Er schloß sich sogleich nach Tisch in sein Zimmer ein und arbeitete an der Kreidezeichnung, bis diese sich in ein ganz wundervolles vollendetes Gouachebild verwandelt hatte. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
In den Sitzungen der Akademie und des Senats äußerte er selten eine Meinung, und wenn es ihm doch gar zu langweilig wurde, so pflegte er die Wahlurne oder anderes abzuzeichnen. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
... eine Festgesellschaft zur Feier seines Erwerbs von Menzels Gemälde "Das Ballsouper". ... Nur der Ehrengast fehlte noch - Menzel. Pünktlich zur Essenstunde erschien er. Aber die Freude auf leibliche Genüsse war arg verfrüht, denn der Alte setzte sich, ohne von jemanden Notiz zu nehmen, vor sein Bild und begann, es zu betrachten, schweigend, mit grimmigem Gesicht. Die Minuten verstrichen. Die Viertelstunden verstrichen. Niemand rührte sich. Er hätte können die Magen knurren hören, wenn er noch etwas anderes gehabt hätte als Augen. .... Endlich wagte dann der Gastgeber eine schüchterne Erinnerung. Menzel drehte sich zu ihm herum und sagte ärgerlich: "Stören Sie mich doch nicht! Nichts ist so wichtig, als wenn man seine Arbeit einmal am fremden Ort und in anderer Beleuchtung studieren kann. Man findet dann vieles, was man anders hätte machen sollen." (Hanns Fechner 1860 - 1931)
In dem kleinen Nest [Hofgastein] ist wohl kein Winkel, keine alte braune Holzhütte, kein Brunnen, kein malerischer Zaun, kein eigensinnig knorrender Baum, den der stets Spähende, unermüdlich leidenschaftlich Schaffende nicht studiert und gezeichnet hätte. (Agathe Herrmann)

Modell-Qualen

"Mit Engelsgeduld hat er [Wilhelm I.] vier Jahre auf sein Krönungsbild gewartet und mir minutenlang das Schwert gehalten mit zitternder Hand. (Ottomar Beta 1845 - 1913)
... und zwang den armen Kerl zu zweistündiger Erstarrung in der befohlenen Pose. Darin kannte er keine Rücksicht. Eine Pause gab es nicht. Wer ihm saß, hatte Order zu parieren und durfte nicht eher die versteiften Glieder recken, als bis er selbst "genug" hatte. (Axel Delmar 1867 - 1929)

Menzel - Begegnung Friedrichs II. mit Kaiser Joseph II. in Neiße 1769 (1857) - Öl auf Leinwand (247 × 318 cm)
So hatte er einmal einen Soldaten auf einem hölzernen Pferdemodell sitzen, plötzlich wurde der Mann ohnmächtig und sank vom Pferd herunter, aber ehe er noch nach einem Glas Wasser lief, machte er schnell noch einige Striche von der Stellung des Soldaten. (Carl Johann Arnold 1829 - 1916)
Eine Droschke stand bereit, uns heimzufahren. Da umarmte meine Mutter die Schwester des Künstlers zum Abschiede besonders herzlich auf der Straße, und im selben Momente gebot der Bruder peremptorisch: "Stillgestanden!" Das Skizzenbuch flog aus der Tasche, und die Zeichnerei ging los ..., viel zu lange für meine Mutter, die sich nach Hause sehnte, zu kurz für den Droschkenkutscher, der für das Warten bezahlt werden mußte. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Die Namen und Adressen von den Modellen schrieb er sich niemals auf; er meinte, wenn man sie danach fragte, begännen sie mit der Erzählung ihrer Lebens- und Leidensgeschichten, und das liefe immer auf eine kleine Stiftung hinaus. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
... lehnte sich im Nebenzimmer ein alter Herr mit seinem Arm auf eine Bücheretagere. Menzel bemerkte die Hand, sagte zu dem würdigen Tischgaste, den er gar nicht kannte: "Bitte, lieber Herr, halten Sie mal einen Augenblick still" ... Für den Herrn, der sich gern mit einer Zigarre niedergelassen hätte, gab es keine Gnade; er mußte sehr lange stehen bleiben, bis das kleine Meisterwerk vollendet war. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Menzel - Begegnung Friedrichs II. mit Kaiser Joseph II. in Neiße 1769 Ausschnitt (1857) - Öl auf Leinwand (247 × 318 cm)
Wir haben gezählt: achtzigmal mußte der Sennbub ihm dicht vor der Nase das Radschlagen wiederholen, indes der Meister mit dem größten Eifer in einer Reihen von schnellen Skizzen das Aufstellen der Hände während des Turnstückleins aufzeichnete. (Hanns Fechner 1860 - 1931)
... da hielt er mich in einer ziemlich unbequemen Position fest, "einen Augenblick" wegen eines Lichteffektes in meinem Haar... Aus dem Augenblick wurden anderthalb Stunden. (Agathe Herrmann)
Eines Abends wird das weibliche Modell, nach dem sie zeichneten, von epileptischen Krämpfen befallen. ... Die jungen Künstler mußten darauf verzichten, an diesem Abend weiterzuarbeiten. ... als Menzel spät wie gewöhnlich erschien. "Was soll das heißen? Ihr zeichnet nicht?" ... "Wie, so was Seltenes habt ihr zu sehen bekommen, und ihr habt die Gelegenheit nicht benutzt und es nicht gezeichnet? Schämen sollt ihr euch!" (Ludwig Pietsch 1824 - 1911)
Wenn jener ermüdet, im Flöten pausieren wollte, so erklang immer wieder erbarmungslos das Kommando des Meisters: "Blasen Sie weiter!" ... Aber dem Modell ging schließlich der Atem und die Fähigkeit zu blasen und zu stehen aus, und er brach zusammen. (Ludwig Pietsch 1824 - 1911)

Außenwirkung

Es liegt ihm ein sittlicher Ernst aufgeprägt, der jede Annäherung an Selbstironie, geschweige denn Selbstpersiflage ausschließt. (Ottomar Beta 1845 - 1913)
"Und selbst diese unerläßlichen Ausflüge werden mir vielfach verleidet durch Leute, welche glauben, mich dort unterhalten und amüsieren zu sollen. Das habe ich nicht nötig, habe mich noch nie in meiner eigenen Gesellschaft gelangweilt." (Ottomar Beta 1845 - 1913) 
Menzel - Pferdestudie (Kopf in Seitenansicht nach rechts) (1848) - Öl auf Papier Pappe und Leinwand (35,2 x 59,6 cm)
Und da war ich wieder in dem vielleicht häßlichsten Künstleratelier Berlins, in der bescheidenen, anspruchslosen, nüchternen Werkstatt... (Julius Norden 1849 - 1907)
Kam der kleine, kaum 1,40 Meter hohe Herr im unvermeidlichen, altmodischen Sommer- oder Winterhaus, den sperrigen Regenschirm dicht an den Körper gedrückt, über eine belebte Straße, so hielten die Droschkenkutscher und Kinderwagen, um ihn herüberzulassen. (Axel Delmar 1867 - 1929) 
... saß er meist allein am seinem Tisch und nahm von niemanden Notiz. Erst in den letzten "mürberen Jahren" ließ er sich hin und wieder mit einem bekannteren Gast in ein Gespräch ein, zog es aber vor, nach jedem Gang ein Nickerchen zu machen. Müdigkeit überfiel ihn auch zuweilen bei offiziellen Festlichkeiten, was ihm natürlich niemand verübelte, zumal er mit offenen Ohren schlief. (Axel Delmar 1867 - 1929)
Als die Potsdamer Brücke noch aufgezogen werden müßte, wenn ein hochbödiger Spreekahn durchpassierte, klappte eines Tages der Brückenwart die Flügel wieder herunter, als er den "ollen Menzel" gewahrte, der auf die Brücke zukam. Der Kahn mußte warten... (Axel Delmar 1867 - 1929) 
Pünktlichkeit war seine schwächste Seite. ... Bei einer um zwölf angesetzen Eröffnungsfeier der Landesausstellung erschien er pünktlich um halb drei Uhr, gerade als im Bankettsaal die Suppe aufgetragen wurde und behauptete kaustisch: "Na, die hätte ich auch noch versäumen können!" (Axel Delmar 1867 - 1929) 
An diesem Tag hatte die kleine Exzellenz, wie ich vorsichtig eruierte, über fünfhundert Mark an Leute verschickt, die er kaum kannte, über deren mißliche Lage er aber eine ganze Woche nachgedacht hatte. (Axel Delmar 1867 - 1929) 
... Farbenblase platzte und ihm von der unvertilgbaren Farbe in seinen Bart spritze, aus dem sie trotz allem Waschens und Reinigens nicht rauszubringen war. Er sah sich schließlich genötigt, sich den Bart abrasieren zu lassen und ließ sich darum vierzehn Tage nicht blicken. (Carl Johann Arnold 1829 - 1916)
So fand er, als er eines Abends spät nach Hause kam, noch ein lang erwartetes Buch über Friedrich den Großen, worin er sich so vertiefte, daß er bis zum hellen Morgen las, ohne nur Hut und Paletot abzulegen. (Carl Johann Arnold 1829 - 1916)
Menzel - Kronprinz Friedrich besucht den Maler Pesne auf dem Malgerüst in Rheinsberg (1861) - Deckfarben auf Papier (24 × 32 cm)
... ebenso untersuchte er vorm Schlafengehen sorgfältig ..., ob sich unter dem Bett nicht etwa jemand versteckt habe, und dies war ihm schließlich so sehr zur Gewohnheit geworden, daß er sogar Kleider und Handtücher in die Höhe hob. Solch eine Kontrolle dauerte geraume Zeit, wobei er wohl an ganz andere Dinge dachte... (Carl Johann Arnold 1829 - 1916)
Menzel hat in seinem Leben niemals geraucht und nie Karten gespielt. ... Abends elf Uhr besuchte er gewöhnlich seine alte Stammkneipe ... so hatten die Kellner und Bediensteten die Order, den Meister durch keinerlei Begrüßung und Redensart zu inkommodieren. Er nahm an einem Tische in einer Ecke Platz und kippte die übrigen leeren Stühle um. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Er war bei Feierlichkeiten und in der Kneipe immer der allerletzte, wies es aber mit äußerster Schroffheit ab, wenn ein Freund ihn zu Fuß oder per Droschke nach Hause geleiten wollte. Beim Heimgang spürte er dann ... immer neue Lust, Studien zu machen. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Den schlesischen Akzent hatte er nie ganz abgelegt. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Denn er sprach gerade vor sich hin in seinen Teller hinein und nicht mit lauter Stimme. ... und so bildete sich im Nu ein dichter Schwarm von Gästen, die mit der Hand am Ohr in allen möglichen gebückten Stellungen in einem festen Knäuel sich um den verehrten Redner drängten. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
An den vielen Orden, die ihm zuteil wurden, hatte er doch eine stille Freude und putzte sich gern damit. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Er hat, wenn es sich um Unterstützung von hilfsbedürftigen Künstler oder zu wohltätigem Zweck veranstalteten Bazaren und Lotterien handelte, immer kostbare Blätter gespendet, mit deren Wert kein Beitrag der anderen Wohltäter konkurrieren konnte. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Er war kein Mann von gleichgültigen Redensarten, fragte nie nach Familienangelegenheiten, nach künftigen oder nach erledigten Sommerplänen oder nach dem Neuesten vom Tage. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
Eine erwartungsvolle Viertelstunde verbrachte ich vor der Ateliertür, bis der Meister mir, nach seiner Gewohnheit, endlich öffnete. (Hanns Fechner 1860 - 1931)
Bei aller herzlichen Liebe und Verehrung hatten wir Kinder doch eine heilige Scheu vor ihm. Ich fühle noch den Schreck, als er plötzlich hinter mir stand und mich beim Zeichnen ertappte; ... Er prüfte meinen schüchternen Zeichenversuch und sagte wiederholt: "Ja, ja, die Courage des Sehens." (Agathe Herrmann)
... von dem "alten Mann" wollte er nichts wissen. Wenn man ihm z.B. beim Einsteigen in den Wagen oder beim Aussteigen behilflich sein wollte, lehnte er schroff ab. (Hermann Roth)
Menzel - Pferdekopf (1848) - Öl auf Pappe (52,3 x 38,5 cm)
Drei Attribute waren von ihm unzertrennlich: ein Regenschirm, den er nie "in Gedanken stehenließ", denn er schien mit ihm geboren - und er trug ihn bei jedem Wetter -, das Skizzenbuch und ein Opernkucker. (Hermann Roth)
... war nie zu bewegen, seinen schweren Pelz abzulegen, weil er nur eine Minute bleiben wollte, und saß oft stundenlang, um über einen Ausdruck im Text mit mir zu disputieren und gewissermaßen zu handeln. (Max Jordan 1837 - 1906)
Entweder er kam in die Sitzung, wenn sie eben geschlossen werden sollte, oder er schlief, oder er sprach in der Diskussion langsam und bedächtig über Dinge, die gar nicht zur Diskussion standen. (Anton von Werner 1843 - 1915)
... und eine "olle Kratzbürste", wie Berlin ihn wenig respektvoll nannte, war er gewiß nicht. (Heinrich von Angeli 1840 - 1925)
Menzel hatte nur eine große Schwäche, und das war seine Eitelkeit. Ein bewunderndes Wort hörte er sehr gerne, die ihm verliehenen Orden und Titel machten ihm Riesenfreude. (Heinrich von Angeli 1840 - 1925)
... die Natur und die Menschen beobachtet er mit der Mitleidslosigkeit des Forschers. Man hält ihn für fähig, das Leben so sehr bis ins äußerste zu zergliedern, daß er zur Not seine Beute tödlich verletzen könnte, käme dies nur dem Leben seiner Kunst zugute. (Jan Veth 1864 - 1925)

Humor

Menzel - Ansprache Friedrichs des Großen an seine Generale vor der Schlacht bei Leuthen 1757 (1859 - 1861) - Ausschnitt - Öl und Kreide auf Leinwand (318 x 424 cm)
"Als sie mein siebzigstes (Jubiläum) feierten, wurde so viel 'gealtmeistert', daß ich endlich aufstand und um der guten Stimmung wegen mir das Herumreiten auf diesem Worte verbat. ... Er erhob sich - und ich meinen Zeigefinger, so saß er, der das Wort 'Altmeister' dutzendfach im Konzept hatte, es nun jedesmal hörbar verschlucken mußte. Er ist fast an dem Wort erstickt - und die Hörer vor Lachen." (Ottomar Beta 1845 - 1913)
Einen dieser Herren [Modell] ... bewillkommnete er nach genauer Prüfung des etwas auf fünfzig Jahre zu schätzenden Gesichts mit den Worten: "Sie haben mir noch zuviel Farbe und keine Linien. Wenn Sie zwanzig Jahre älter sind, kommen sie mal wieder mit ran, aber fragen Sie lieber schriftlich vorher an". (Axel Delmar 1867 - 1929)
...auf eine Weise angefeindet worden ... (Dabei ergriff er ein Lineal und hieb ein paarmal kräftig in die Luft). Das ist's, was diese Leute verdienten. (Ottomar Beta 1845 - 1913) 
[Zu einer Skizze Begas:] "Sagen Sie doch dem Reinhold, wenn Sie ihn sehen, ob er nicht imstände wäre, sich einmal etwas platonisch zu verlieben, damit er den Gesichtsteilen auch einige Aufmerksamkeit schenken möchte. (Paul Meyerheim 1842 - 1915)

Frauen

Menzel - Clara Illgner (1848) - Öl auf Leinwand (44 x 36 cm)
Es schmerzte Menzel, daß man ihn, wie er sich ausdrückt, zu einem "brutalen Weiberfeind" machen möchte. Er hat so viele Beweise vom Gegenteil gegeben und stets mit Vorliebe weibliche Wesen gemalt. (Ottomar Beta 1845 - 1913)
... an die vierzig Jahre ein weibliches Modell zu empfangen, das er mir einmal als "einzige Liebe" bezeichnete. ... Sie mochte gute zwei Köpfe höher gewesen sein als die kleine Exzellenz. ... "Auf der einen Seite war ich zu groß, auf der anderen sie." (Axel Delmar 1867 - 1929) 
Menzel - Porträt der Friederike Arnold (1845) - Öl auf Leinwand (69 x 62 cm)
... eines Wortes ... das er selbst, vermutlich im vollen Ernst, prägte ... "Ich bin schlimmer wie'n Junggeselle, in bin alte Jungfer." (Axel Delmar 1867 - 1929)
... er habe wohl deshalb niemals Porträts von schönen Frauen gemacht, weil dieselben, wenn sie das Atelier beträten, immer beanspruchten, vom Künstler wie Wesen aus einer anderen Welt mit ganz anderen Augen angesehen zu werden. ... "Na, siehst du dir denn ein weibliches Krokodil mit anderen Augen an als ein männliches?" (Paul Meyerheim 1842 - 1915)
"Liebes Menzelchen, die Damen sind doch nicht so häßlich, wie Sie sie gemalt haben." Menzel knurrte sein gewohntes: "Ich sehe sie aber so". Wrangel machte neue Einwendungen, aber Menzels Geduld war längst zu Ende. Mit hochgeschwungenem Malstock ging das kleine Männchen gegen den Feldmarschall los, der es diesmal vorzog, das Feld zu räumen, in der Türe seinem Zorne mit dem Ausrufe "Giftige olle Kröte" Luft machend. (Heinrich von Angeli 1840 - 1925) 

Donnerstag, 3. September 2009

Lernen von den Alten (Lenbachs Credo)


Bewunderter Malerfürst



Franz von Lenbach - Selbstporträt (um 1900)
Öl auf Leinwand

Franz von Lenbach - Tochter Gabriele (um 1901)
Öl auf Pappe (77 x 62,5 cm)

Franz von Lenbach war der gefragteste deutsche Porträtmaler seiner Zeit. Alle, die Rang und Namen hatten, ließen sich von ihm porträtieren. Sein Lieblingsopfer war Otto von Bismarck, den er über 80 Mal auf die Leinwand zauberte.

August Macke - Franz Mark (1910)
Öl auf Pappe (50 × 39 cm)

Franz von Lenbach - Fürst von Bismarck

Die Stärke Lenbachs lag, wie viele Zeitgenossen behaupten, in der Erfassung des Wesens seines Gegenüber. Und dies suchte er im Gesicht. Nur die Augen waren bis ins Detail ausgemalt, alles andere ließ er verschwommen angedeutet oder stellte es gar nicht dar.

Ratschläge des Meisters


Er galt als der vielleicht größte Kenner altmeisterlicher Techniken und sein Urteil über die neu aufkommenden Kunstströmungen seiner Zeit war vernichtend.

Marianne von Werefkin - Selbstbildnis (um 1910)

Franz von Lenbach - Mädchenporträt
Pastell auf Pappe (69,2 x 45,7 cm)

Dies ist auch der Grund für das folgende lange Zitat, in dem sein künstlerisches Credo in Auszügen wiedergeben ist. Dieses Zitat ist unter anderem in der Zeitschrift Die Kunst: Monatsheft für freie und angewandte Kunst - Band 8 im Jahre 1903 veröffentlicht (siehe hier), dessen Herausgeber Friedrich Pecht ihn für den besten deutschen Maler des 19. Jahrhundert hielt.


Ernst Ludwig Kirchner - Portrait Alfred Döblin (1912)
Öl auf Leinwand (50,8 x 41,3 cm)


Franz von Lenbach - Theodor Mommsen (1898)

Hier also die Meinung Lenbachs zu dem um die Jahrhundertwende immer mehr an Bedeutung gewinnenden dilettantischen Realismus und Expressionismus, der noch in unserer Zeit, im Gegensatz zu den Meistern des 19. Jahrhunderts, hoch geschätzt wird.


Otto Mueller - Selbstporträt
Tempera auf Leinwand (66 x 47.9 cm)

Franz von Lenbach - Bildnis Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1896)

Ich glaube nicht, daß irgend eine Epoche der ruhigen zielbewußten Entwicklung begabter Maler so ungünstig gewesen ist, als die unsrige.
Die fortlaufende Tradition ist jählings unterbrochen. -- Der erste beste Anfänger hält es für das einzig Richtige, direkt an die Natur zu gehen, und sich von den „längst überwundenen Standpunkten" seiner Vorgänger tunlichst frei zu machen.

Wer keck genug ist, ohne Wahl und Geschmack sein Selbstgeschautes, wenn auch in abschreckender Weise, auf Leinwand zu bringen, der bildet sich ein, er habe die Kunst erfunden.
Auf keinem anderen Gebiete als leider dem künstlerischen wäre es denkbar,
daß der junge Nachwuchs die Erfahrungen der Generationen von früheren einfach mißachtete und dekretierte: „Mit mir fängt die Entwicklung von vorne an." --
Wenigstens würde es recht merkwürdige Folgen haben, wenn in Sachen der Wissenschaft oder Industrie jemand sich aus Selbständigkeitswahn nicht mehr der schon gewonnenen Vorteile bedienen und die Grundlagen des Handwerks so außer Augen setzen wollte, wie es in Bezug auf unsere Kunstmittel geschieht.
Sich gründliche Kenntnis der Maltechnik zu verschaffen, gilt als veraltet und ganz überlebt -- und doch waren gerade die geistigsten, im höchsten Sinne künstlerisch begabten alten Meister am eifrigsten auf Vervollkommnung der Technik bedacht; aber sie wurden eben gewissermaßen schon in dem Wasser geboren, darin sie künftig schwimmen sollten, während sich heutzutage jeder das Wasser, das sein Lebenselement werden soll, erst mühsam selbst herbeischleppen muß. Beim Hinblick auf unsere heutige „originelle" Kunstjugend muß ich bisweilen an Goethes Verse denken:

Ein Quidam sagt, ich bin von keiner Schule,
Kein Meister lebt, mit dem ich buhle;
Auch bin ich weit davon entfernt,
Daß ich von Toten was gelernt. --
Das heißt, wenn ich ihn recht verstand:
Ich bin ein Narr auf eigne Hand! --

Jedenfalls ist die jetzige Methode, nach welcher es nur noch Meister und keine Lehrlinge mehr gibt, sehr kraft- und zeitraubend, da der einzelne nicht mehr durch die Erfahrungen seiner Vorfahren, sondern, wenn überhaupt, erst durch eigenen Schaden klug wird.

....

Was jene geleistet -- meint man -- möchte für ihre Zeit ganz löblich gewesen sein -- , sie aber, die Kinder der neuesten Zeit, dürften nicht rückwärts schauen, nichts von den Alten lernen, nicht einmal die Mittel von ihnen annehmen, mit welchen jene Großen ihre unvergänglichen Wirkungen erzielt haben. Denn sie bilden sich ein: wenn sie sich an der Hand der bewunderten Meister leiten ließen, den Weg zu Wahrheit und Natur nicht zu finden, der doch nicht zu verfehlen sei, wenn man nur den Mut habe, mit Scheuklappen gegen fremde Eindrücke vor den Augen, der eigenen werten Nase nachzugehen. Nur Neues, nie Dagewesenes muß probiert, Sensation muß gemacht werden.

100 Jahre nichts geändert


Es hat sich jedoch seit über hundert Jahren nichts an der Situation geändert. Wer die Informationsbroschüre beispielsweise der Düsseldorfer Kunstakademie liest, kann hier nur mit Unverständnis den Kopf schütteln. Arme Studierende fällt mir dazu nur ein.

Denn Kunst kommt von Können, auch wenn alle Kunstakademien in Deutschland dies aufgrund mangelnder Alternativen gerne anders verkaufen.

Wer's glaubt wird vielleicht selig, aber den Malerfürst Franz von Lenbach würden sie auch heute nicht davon überzeugen!

Franz von Lenbach - Clara Schumann (1878-79)
Pastell

Freitag, 7. August 2009

Anton von Werner (Teil 6)

Auf geht es zu den letzten vier Jahren der Biografie Anton von Werners, Erlebnisse und Eindrücke von 1870 bis 1890 und dem einmaligen Einblick in diese Zeit mit den Augen eines bedeutenden Künstlers.


Anton von Werner - Fünf Kopf - Studie zum Reichstagsbild (1889)
Öl auf Malpappe (51 x 70 cm)

1886

Arbeit ohne Ende

Über zu wenig Arbeit konnte sich von Werner nicht beklagen. Anfang des Jahres beendete er Bismarcks Version der Kaiserproklamation, arbeitet an der Krönung König Friedrich I für das Zeughaus und zeichnete Illustrationen zu Scheffels Werken, unter anderem seinem Gaudeamus. Außerdem waren Studien für ein neues Bismarck-Porträt notwendig. Langeweile kam also, wie immer, nicht auf.

Damen der Gesellschaft

In dieser Zeit lernte er zwei Schwestern kennen, die in den Wintermonaten ganz Berlin verzückten. Die Malerin Marie Kirschner und ihre Schwester Aloisia, welche unter dem Pseudonym Ossip Schubin bekannt war. Die Abende bei diesen Damen lockte von Werner und viele andere der kulturellen Elite Berlins an.


Anton von Werner - Ossip Schubin (1886)
Zeichnung

Weiterhin war die Donnerstagsgesellschaft bei Kaiserin Augusta ein Muss für den Künstler. In diesen Kreisen fühlte er sich wohl und verbrachte seine Abende mit Musik und Diskussionen. Die nachfolgende Skizze zeigt, mit welcher meisterhaften Leichtigkeit Anton von Werner mit nur wenigen Strichen die Atmosphäre solch eines Abends darstellen kann.

Anton von Werner - Donnerstag-Soiree bei Kaiserin Augusta (1886)
Zeichnung

Todesnachricht

Ein trauriges Ereignis überschattete diese glückliche Zeit. Sein langjähriger Freund Victor von Scheffel verstarb im April. Dessen Tod war ein schwerer Schlag für von Werner.
Zu diesem traurigen Anlass klangen ihm die Worte im Ohr, die Scheffel zum Tode seines Freundes Friedrich Eggers schrieb:
Es ist mir, als wäre ein Stück von mir selber begraben, denn wir haben unsere Studienjahre in idealer Liebe zur Kunst und idealer persönlicher Freundschaft verlebt.
100 Jahre ist es her

Dieser Verlust schlug mit voller Wucht auf die Psyche des Künstlers und von Werner war Wochen nicht in der Lage, dem anstehenden Großereignis seine normale, gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
Es galt, die Hundertjahrfeier der akademischen Ausstellungen in Berlin zu organisieren, denn vor exakt hundert Jahren hatte Friedrich II kurz vor seinem Tod diese öffentliche Ausstellung in Berlin ins Leben gerufen. Zu diesem Anlaß sollte die Ausstellung nicht nur künstlerisch hochklassig werden, sondern auch in einem angemessenen Rahmen stattfinden.

Man errichtete ein neues, prunkvolles Ausstellungsgebäude, welches der Vorderseite des Zeustempel von Olympia samt großer Freitreppe glich. Verfeinert wurde das Ganze mit
Reliefs und einem Halbrundbild von Pergamon.

Dieses glänzende Äußere zog bekannte Künstler des Auslands an, allen voran die Riege der englischen Malerelite, Frederic Leighton, John Everett Millais, Valentin Cameron Prinsep, Philip Hermogenes Calderon, Walter Crane, Edward Burne-Jones, Walter William Ouless, Edward Poynter, George Frederic Watts, James McNeill Whistler oder Lawrence Alma-Tadema.

Lawrance Alma Tadema - Expectations (1885)
Öl auf Leinwand (66,1 x 45 cm)

Walter William Ouless - Porträt des Maler Edward Armitage (1886)

Anton von Werner beteiligte sich mit drei Gemälden, Der Kongress in Berlin, Moltke vor Paris und Kriegsgefangen. Die Ausstellung zog die Massen an, so ist von 10000 bis 12000 Personen täglich die Rede.

Pergamonfest


Pergamonfest (1886) - Foto

Der Höhepunkt in den Herzen der Berliner Künstler war aber wohl ein anderes Ereignis, welches Stadtgeschichte schrieb.
Das große Pergamonfest des Vereins Berliner Künstler, an dem 1300 Kostümierte mitwirkten, um den Triumphzug des Königs Attalos und die Darbringung der Dankopfer auf der Terrasse vor dem Olympia-Zeustempel darzustellen. Die malerischen Massenbilder bei strahlendem Sonnenschein schwebten noch lange in den Köpfen der Beteiligten und sogar finanziell war dem Ganzen ein kleiner Erfolg beschieden.

Leighton, Mann von Welt


Edward von Steinle - Frederic Leighton und Enrico Gamba (1852)

Zum Ende der Ausstellung lernte er den großen Engländer Lord Frederic Leighton kennen, den er als Künstler hochschätze und als Mensch bewunderte.

Frederic Leighton - And the sea gave up the dead which were in it (1891-1892)
(228.6 cm)

Hier Anton von Werners Worte:
Bei dem ... anschließenden Festmahle machte ich die Bekanntschaft des berühmten Präsidenten der Londoner Royal Academy, Sir Frederic Leighton, der ... einen Trinkspruch ... in ebenso fließendem und dialektfreiem Deutsch erwiderte, wie ich es später noch öfter in seinen deutsch an mich geschriebenen Briefen zu bewundern Gelegenheit hatte.
Er war vor 44 Jahren in die Berliner Akademie eingetreten, dann längere Zeit Schüler von Eduard Steinle gewesen und gehörte zu den Bevorzugten, denen die Vorsehung zu dem höchsten Glück der Erdenkinder, einer bezaubernden
Persönlichkeit, und zur künstlerischen Begabung auch noch die köstliche Gabe der mühelosen Beherrschung mehrerer Sprachen in den Schoß geworfen hatte.
Leighton' ideal schöner Männerkopf, der so gar kein englische-nationales Gepräge trug, wird jedem, der ihn damals gesehen hat, unvergeßlich sein.
...
und besuchte ihn auch in London in seinem prächtigen Jungessellenheim im Holland-Park Road Nr.2 im Sommer 1891. In der Royal Academy Exhibition war
sein "Schlangenbändiger" in Marmor ausgestellt, und bei dem üblichen großen Empfang in der Akademie hatte ich die Gelegenheit, den Meister, den ich längst in seinen Werken als Maler und Bildhauer hochschätzte, nun auch in seiner Würde als Präsident zu bewundern, wie er mit der vollendeten Vornehmheit und Grazie eines Grandseigneurs die Honneurs der Akademie für die vornehme Welt Londons und zahllose Fremde machte.

Frederic Leighton - Music Lesson (1877)
Öl auf Leinwand (92,8 x 118,1 cm)

Wieder mal in Wannsee

Die Sommermonate verbrachte der Künstler wieder einmal in Wannsee.

Anton von Werner - Vor dem Seglerhaus in Wannsee

Neben seinen künstlerischen Arbeiten (Studien zu einem großen Porträt der Familie Mannheimer und dem Reiterporträt für Graf Douglas, wahrscheinlich ist dieser gemeint) erfährt man hier einiges über die aufblühende Region. Zu dieser Zeit errichteten viele Künstler, wie im Folgejahr auch von Werner selber, ihre Villen in dieser malerischen Gegend. Motor-Droschken und Autos gab es noch nicht, so dass eine himmlische Ruhe herrschte. Den Weg in die Stadt erleichterte die neu errichtete Bahn, was dazu führte, dass eine ganze Kompanie der arbeitenden Bevölkerung morgens gemütlich zum Bahnhof pilgerte, um ihrer Arbeit im hektischeren Berlin nachzugehen. Unter ihnen gelegentlich auch von Werner, wenn er seinen Urlaub aufgrund von dienstlichen Terminen in der Stadt unterbrechen musste.

Anton von Werner - Der 70. Geburtstag des Kommerzienrats Valentin Mannheimer (1887)
Öl auf Leinwand (101 x 143 cm)

1887

Reichstag

Zu Beginn des Jahres war von Werner mehrfach im Reichstag zu Gast, um die Gelegenheit zu nutzen, Studien für ein Porträt Bismarcks zu zeichnen.

Anton von Werner - Fürst Bismarck am Bundesratstisch (1888)
Öl auf Leinwand (155 x 115 cm)

Eine kleine Version dieses Porträts wurde später dem noch heute existierenden deutschen Club in Melbourne, im Rahmen der Weltausstellung 1888, geschenkt.

Macher


Wie kaum ein zweiter Künstler wurde von Werner als Macher angesehen, der das volle Vertrauen seiner Kollegen besaß. So wurde ihm 1887 der Vorsitz des Vereins Berliner Künstler und der Deutschen Kunstgenossenschaft angetragen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war er somit der wichtigste Künstler im deutschen Reich. Nicht angebiedert oder hochgeschleimt hat er sich, sondern wegen seiner brillanten Fähigkeiten als Organisator und Redner in diese Positionen gedrängt.

Verein gestärkt

Seine Zielsetzung im Verein Berliner Künstler war keine bescheidene. Er wollte das Mitspracherecht des Vereins gegenüber der Akademie stärken, die Ausstellungen besser vermarkten, die Verluste der letzten Jahre in Gewinne umwandeln und für den Verein bessere Räumlichkeiten finden.
All diese Ziele konnten unter seiner Schirmherrschaft in den folgenden Monaten und Jahren realisiert werden. Nicht immer mit vollem Beifall der Mitglieder, aber immerhin. So wurde das Vereinsvermögen 1891 aufgrund der vom Verein Berliner Künstler erstmals organisierten Akademieausstellung verdoppelt, seine Wiederwahl zum Vorsitzenden im nächsten Jahr jedoch mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossen.
Einige Jahre später legte er dann, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen, mit ruhigem Gewissen den Vorsitz des rundum professionalisierten Vereins nieder, den im Folgejahr 1895 Ernst Koerner antrat.

Das Ende der Welt kann kommen

Seine erste Arbeit als Vorsitzender der deutschen Kunstgenossenschaft war die Vorbereitung der Kunstabteilung der Weltausstellung in Melbourne im kommenden Jahr 1888. Eine Mammutaufgabe, die er, wie immer, mit Bravour bewältigte. So war am Eröffnungstag der Weltausstellung
der Zudrang des Publikums so stark, daß die metallenen Schutzstangen vor den Bildern eingedrückt wurden.
Jugendliche 90

Das Land stand Kopf. Der von vielen verehrte Kaiser Wilhelm I wurde 90 Jahre alt. Die Berliner Künstlerschaft war selbstverständlich voller Eifer beteiligt. Die Fassade der Akademie wurde geschmückt, Skulpturen errichtet, Friedrich Geselschap malte einen passenden Fries dazu. Das Architektenhaus schmückte ein Transparentgemälde Die Geburt Kaiser Wilhelms nach einem Entwurf von Ludwig Knaus und der Verein Berliner Künstler sendete eine von Anton von Werner gezeichnete Glückwunschadresse und ehrte den Tag mit einem ihrer Feste.


Anton von Werner - Glückwunschadresse des Vereins Berliner Künstler
zum 90 Geburtstag Kaiser Wilhelms (1887)

Königliches Bild

Zu dieser Zeit wandten sich in England lebende Deutsche an von Werner, um sein malerisches Können auch für das britische Empire zu gewinnen. Denn das 50-jährige Jubiläum der Thronbesteigung Königin Victorias stand im Juni an. Als Geschenk wünschte man sich ein Gemälde, dessen Inhalt die älteste Tochter Königin Victorias, Kronprinzessin Victoria
bestimmte.
... wie Prinz Heinrich mit seiner Braut im Familienkreise am Morgen des 22. März (Hinweis: dem Geburtstag seines Onkels Kaiser Wilhelm I) vom Kaiser empfangen wird.
Da die schlauen Herrschaften reichlich spät auf die Idee zu diesem Geschenk kamen, konnte Anton von Werner zu den Feierlichkeiten im Juni nur eine, wie er es nennt,
flüchtige Aquarellskizze des Bildes anfertigen, wobei alle Anforderungen an historische Richtigkeit der Kostüme und der Örtlichkeit unbeachtet bleiben musste, weil zu den nötigen Studien gar keine Zeit war.
Anton von Werner - Verlobung des Prinzen Heinrich am 90. Geburtstag Kaiser Wilhelm I - Farbskizze (1887)
Aquarell über Bleistift (63,0 x 92,5 cm)

Die notwendigen ausführlichen Studien wurde später nachgeholt

Anton von Werner - Figurenstudie Kronprinzessin Victoria (1887)
Bleistift und Rötel (46,2 x 30,6 cm)

und das vollendete Gemälde nach einigem hin und her und gewünschter Korrekturen erst im April 1889 vollendet werden.

Anton von Werner - Verlobung des Prinzen Heinrich am 90. Geburtstag Kaiser Wilhelm I - Farbskizze (1889)
Öl auf Leinwand (203 x 261 cm)

Delegiertentag

Als neuer Vorsitzender musste Anton von Werner natürlich zum Delegiertentag der deutschen Kunstgenossenschaft nach München reisen. Eine Aufgabe, die er zur Auffrischung seiner Kontakte mit befreundeten Malern nutzte.
So besuchte er Friedrich August von Kaulbach in seinem Atelier und bewunderte unter anderem dessen Fächermalereien und die unkomplizierte Art des Prinzregenten Luitpold, der zur gleichen Zeit das Atelier des Künstlers besuchte.

Friedrich August von Kaulbach - Oskar von Miller Porträt (1912)

Doch auch andere Kollegen wollten besucht sein.
Ich hatte noch Zeit gefunden, außer F.A. von Kaulbach auch Defregger, Albert Keller und J. Wenglein in ihren Ateliers zu besuchen, Bruno Piglheins Panorama "Golgatha" zu bewundern und einem höchst amüsanten Kellerfest der Kunstgenossen auf dem Hofbräuhaus beizuwohnen.
Bruno Piglhein - Jerusalem Panorama Ausschnitt (1886)

Bayerischer Urlaub

Als Urlaubsziel wurde dieses Jahr der südöstliche Zipfel der heutigen BRD auserkoren, Berchtesgaden.

Anton von Werner - In der Sommerfrische in Berchtesgaden (1887)
Zeichnung

Diese schöne Gegend sollte nicht nur Erholung bieten, sondern sein Skizzenbuch mit malerischen Motiven füllen. Und das tat es auch.

Anton von Werner - Berchtesgaden - Studie (1887)
Bleistift
Der malerisch-landschaftliche Reichtum der ganzen Gegend ist geradezu erdrückend. Es war in dieser Jahreszeit zwar alles noch zu üppig grün und reizte nicht gerade zum Malen, aber das Skizzenbuch war wenigstens auf allen Ausflügen, die ich mit den Meinen an den Königs- und Untersee, in die Ramsau, die Wimbach- und Ambachklamm, auf die Scharitzelalp und andere Ausflugspunkte täglich unternahm, stets zur Hand und füllte sich schnell, obgleich mein Aufenthalt mehr der Erholung als der Arbeit gewidmet sein sollte.

Anton von Werner - Kinderstudie in Berchtesgaden (1887)
Zeichnung

Da Chiemsee nicht allzu weit von Berchtesgaden entfernt war, nutze er die Gelegenheit zum Besuch des Schlosses Herrenchiemsee
Was ich hier in dem an einzelnen Stellen leider schon wieder zerfallenden Wunderbau an prachtvoller Überbietung des Versailler Originals sah, war geradezu verwirrend, blendend und ein glänzendes Zeugnis für die Leistungsfähigkeit der Münchener Künstler und Handwerker, die hier ganz im stillen ein Wunderwerk geschaffen hatten.
Weiter nach Frauenchiemsee,
dem allbekannten Studienplatz der Münchener Künstler, vor allem C. Raupps, der den Chiemsee und seine Leute in allen Stimmungen verherrlicht hat,

Karl Raupp - Ein sonniger Morgen am Chiemsee (76 x 139 cm)

begrüßte ich die Maler Felix Poffart, Wopfner, Beer und Koken, und auf dem Rückweg begegnete ich auf dem Landungssteg dem Prinz-Regenten in Begleitung seiner Schwester, der Herzogin von Modena, der mich in seiner gütig leutseligen Weise ansprach und mir die Verleihung des Maximilianordens, für den ich vom Ordenskapitel an Stelle des am 21. Juli 1886 verstorbenen Direktors C. v. Piloty vorgeschlagen war, ankündigte und dazu gratulierte.
Die Rückreise führte die Familie von Werner noch nach Salzburg, wo er neben der wundervollen Aussicht das Museum, die Burg und die Kirchen,
die mit ihren Barockaltären Adolf Menzel Stoff zu so vielen seiner meisterhaften Gouachen gegeben haben.
Kaiserliche Studien für Victoria

Das Gemälde für die Königin Victoria sollte, wie schon beschrieben, perfekt gelingen. Dazu wurden Anton von Werner im Oktober Studien bei Kaiser Wilhelm I in Baden, dem Kronprinzen in Baveno und dem badischen Großherzog in Darmstadt gewährt.

Anton von Werner - Studie Prinzess Margarethe und Sophie (1887)

Zur angenehmeren Gestaltung des Modellstehens sprachen der Künstler und sein Kaiser über Gott und die Welt und so alltäglich-menschlichem wie
, daß er in letzter Zeit einige Male über den Teppich gestolpert oder auf dem glatten Parkett ausgeglitten und hingefallen sei, aber ohne Schaden davon zu tragen, "das letzte Mal, obgleich ich den Degen an der Seite trug", und wie er mit Humor hinzufügte "weil ich von der Tournüre der Erbprinzessin von Meinigen, die ja jetzt glücklicherweise Mode sind, aufgehalten wurde und sanft abglitt, ehe ich den Boden erreichte".
oder er informierte den Kaiser mehr oder weniger über die neusten Gemälde und Denkmäler, die sein Antlitz tragen, wie zum Beispiel Rudolf Siemerings Siegesdenkmal für Leipzig
Bei dem mir wohlbekannten realistisch-militärischen Feingefühl des Kaisers hatte ich es vermieden, ihm zu berichten, daß er selbst an dem Denkmal sitzend, in einem in Wirklichkeit für den Deutschen Kaiser nicht vorhandenen Krönungs- oder Kaiserornat barhäuptig, mit einem Reichsapfel in der Hand, dargestellt sei, ich war überzeugt, daß ich ihm diesen Tag damit gründlich verderben würde.

Rudolf Siemering - Leipzig Siegesdenkmal (Foto von 1900)

Im Schlafgemach des Kaiser im Hotel Messmer verabschiedete man sich
als ich den Kaiser bat, sich in das nebenan befindliche Schlafzimmer zu bemühen und mir dort noch einige Augenblicke für die ganze Figur zu posieren. Es schneite und war im Arbeitszimmer des Kaiser sehr dunkel geworden, im Schlafzimmer war es noch etwas heller; das Zimmer war aber sehr schmal, so daß sich der Kaiser dicht vor seinem Bett stellen mußte, was mir übrigens für den Fall, daß seine Majestät unversehens ermüdete, eine große Beruhigung war, Er stand aber ganz stramm in etwas vorgebeugter Stellung, wie es für das Bild nötig war, während ich natürlich in fliegender Hast zeichnetet, und er war sehr überrascht, als ich schon nach kurzer Zeit mit der Meldung, daß ich fertig sei, meinen Dank aussprach.
Heisere Zeichen

Zur Erholung weilte der schon angeschlagene Kronprinz Friedrich mit seiner Familien in Baveno. Dort wurde er mit größtem Respekt als Ehrengast verehrt.

Anton von Werner - Villa Clara in Baveno (1887)
Zeichnung

So beschreibt von Werner seine Ankunft in Baveno am Tage des Geburtstags des Kronprinzen. Es war schon dunkel,
Pallanza, Intra und Baveno waren dem kronprinzlichen Geburtstage zu Ehren festlich illuminiert, Feuerwerk und Musik in allen Orten, glänzend erleuchtete mit Laub und Teppichen dekorierte Barken glitten unter den Klängen von Musik und Gesang an der Küste von Baveno hin und her, übertönt von dem Zischen und Prasseln der Raketen, Feuerräder und den Böllerschüssen des Feuerwerks, die ganze Natur, die Menschen, alles, alles jubelte, - und da oben von der Villa Clara in Baveno aus sollte der Liebling, der Siegfried des deutschen Volkes, diesem Jubel als ein dem Tode vorzeitig Geweihter zuschauen, in dem sicheren Bewußtsein, unrettbar dem unerbittlichen Verhängnis zuzueilen?! Ein furchtbarer Gedanke, der mich erschauern machte!
Wie es wirklich um dessen Gesundheit bestellt war, drang nicht nach außen. Er war braun gebrannt und gesund aussehend, nur eine starke Heiserkeit wurde von von Werner beunruhigend bemerkt, aber das dies Geschwür dem Kronprinzen im nächsten Jahr das Leben kosten sollte, glaubte er noch nicht. Warum auch, die besten Ärzte dieser Zeit waren uneinig, wie die Behandlung durchzuführen sei.

Anton von Werner - Figurenstudie Kronprinz Friedrich Wilhelm(1887)
Schwarze Kreide, gewischt und Rötel (35,1 x 24,9 cm)

Hoffnung schöpfte von Werner aufgrund früherer Erfahrungen zweier Kollegen. Hier ein Auszug aus einem Brief an seine Frau:
"Ja, wenn er nur annähernd so leidend wäre, wie seinerzeit Professor Bracht, so könnte man besorgt sein, - aber was schade im schlimmsten Falle selbst eine heisere oder belegte Stimme? Der alte Professor Eduard Bendemann ist Jahre lang vollkommen heiser gewesen und hat nach und nach seine Stimme wieder bekommen und Herr v. Hülsen (der Generalintendant) war immer heiser." Der Vergleich mit Professor Bracht fiel mir ein, weil dieser, als er vor fünf Jahren nach Berlin kam, an Halsentzündungen längere Zeit so schwer gelitten hatte, daß er sich in einer Nacht nur dadurch, daß er mutvoll einen Teelöffel in den Schlund hinabführte, vor dem Ersticken hatte bewahren können.
Anton von Werner war auch in Italien ein gern gesehener Gast der Kronprinzenfamilie und auf Wunsch der Kronprinzessin ließ er sein Cello (und verschiedene Akten, denn der fleißige Akademiedirektor fand auch dort keine Ruhe...) aus Berlin kommen, um die musikalischen Abende mit seinen Klängen zu verfeinern.

Den Zauber der Region beschreibt er mit einem kleinen Seitenhieb auf die moderne Kunstkritik seiner und leider auch noch unserer Zeit
Die Natur erstrahlte in der richtigen so oft gemalten und besungenen italienischen Abendbeleuchtung, die in moderner Zeit gern als "Kitsch" im Künstlerjargon bezeichnet wird und verpönt ist, - die liebe Natur kann es ja auch nicht jedermann recht machen.
Erzfeind in Aktion

Sein Erzfeind Max Jordan hatte wieder mal etwas Besonderes ausgeheckt. Zusammen mit Friedrich Geselschap stellte er im Senat der Akademie den Antrag einer Untersuchung über den ihrer Meinung nach verdächtig hohen Zuwachs der Schülerzahl der Hochschule der bildenden Künste. Diese sollten von 350 auf 250 reduziert werden. Natürlich nicht nach Meinung von Anton von Werner, der den Sachverhalt folgendermaßen sah:
Mich ekelte, und ich überließ es dem Direktorialassistenten Teschendorff, die Angelegenheit zu behandeln, deren Ergebnis war, daß die Schülerzahl zwangsweise herabgesetzt wurde und z.B. der Bestand von Brachts Landschafter-Abteilung, der im Jahresbericht von 1886/87 mit 44 Schülern fungiert, in dem von 1887/88 mit 16 erscheint.
Daß Geheimrat Jordan im Ernst annahm, durch die Maßregel der bedrohlichen Zunahme der deutschen Künstlerschaft für die Zukunft Einhalt tun zu können, fällt mir schwer zu glauben, denn er war doch ein kluger Mann und konnte nicht darüber im unklaren sein, daß diejenigen, die auf der Berliner Kunstakademie keinen Platz fänden, ihre Ausbildung an anderen Kunstakademien suchen würden oder in Privatateliers, wo der Nachweis genügender Begabung zudem nicht gefordert wird. Auch mußte er sich sagen, daß man wohl bei mangelhaftem Besuch einer Unterrichtsanstalt nach den schädlichen Ursachen dafür forscht, daß dies aber in dem entgegengesetzten Falle, bei stärkerem Besuch doch als etwas ungewöhnlich erscheinen mußte. Da überdies eine Schülerzahl von 350 für die Kunstakademie einer Millionenstadt wie Berlin, die in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufschwung nach allen Richtungen bin genommen hatte, nicht gerade überwältigend oder unerklärlich war, so erschien mir die Sache als eine jener kleinen Neckereien, mit denen mich Geheimrat Jordan im Laufe seiner amtlichen Tätigkeit wiederholt beglückt hat, einer Annahme, die er später selber bestätigte.

Anton von Werner - Geheimrat Dr. Max Jordan

Zum versöhnlichen Abschluss kam es zwischen diesen beiden bedeutenden Berliner Kunstfiguren, als Anton von Werner den Geheimrat,
dessen Kenntnisse und Fähigkeiten ich niemals unterschätzt habe
, kurz vor dessen Tode auf dem Bilde Der Enthüllung des Richard-Wagner Denkmals porträtiert hat.

Schlimmer kommt es immer

Das nach Jordan ein Mann die Museumslandschaft Berlins bestimmen sollte, der im Gegensatz zu Jordan die Nationalgalerie Richtung wertvollen Müllhaufen steuerte, konnte niemand ahnen. Hugo von Tschudi, den von Werner natürlich äußerst kritisch betrachtet.
In den Beratungen der Landeskunstkommission habe ich genügend erfahren, wie hilflos H. v. Tschudi gegenüber den künstlerischen Eigenschaften eines Kunstwerkes und ihrer Abschätzung stets war, und wie er lediglich einer ausgegebenen Parole zu folgen schien, der klassistischen vermutlich ebenso überzeugt wie der naturalistischen, impressionistischen oder futuristischen, wenn sie gerade Mode gewesen wäre. Bei den empfehlenden Äußerungen, mit denen er seine Vorschläge von Ankäufen für die Nationalgalerie begleitete, kam das stets zum Ausdruck, daß die der Kommission angehörigen Maler und Bildhauer den Herrn Galeriedirektor gelegentlich darauf aufmerksam machten, daß sie selbst wüßten, wie es hinter dem Ofen aussehe und seiner Belehrung nicht bedürften. Als er dann durch etwas gar zu tätliches Zugreifen an empfindlicher Stelle die Ankerkennung seiner Unfehlbarkeit zu erzwingen suchte und sich dabei vergriff (Hinweis: Die Werke vieler akademischen Maler kamen ins Depot , dies wurde aber auf kaiserlicher Anordnung hin wieder rückgängig gemacht) , wurde er von der Presse als Held und der eigentliche Schöpfer der Nationalgalerie gefeiert, die er durch Verstümmelung ihres Grundstocks, der Wagner'schen Gemäldesammlung und entgegen den testamentarischen Bestimmungen ihres Stifters beschädigt hat.
Von Tschudi war ein bedingungsloser Verfechter des Impressionismus, aber er tat von Werner am Ende doch ein wenig Leid, als von Tschudi nach dessen Tod von den allerneusten Trends des Kubismus, Futurismus und Expressionismus als einer der Ihren vereinnahmt wurde. Mit den Werken, die heute die Neue Nationalgalerie schmücken (siehe zum Beispiel die offizielle Bilderseite), wird sogar er nicht einverstanden gewesen sein. Werke, an die in einem Bilderladen jeder vorbeigehen würde, wenn sie nicht die Signatur Munchs, Picassos oder Dix tragen würden, werden als große Errungenschaften des frühen 20. Jahrhunderts verehrt.

Statt in Ausstellungen dilettantische Maler wie Ernst Ludwig Kirchner und Konsorten anzupreisen,


Ernst Ludwig Kirchner - Erna (1930)

sollten meiner Meinung nach dort wirkliche Künstler hängen, die aber leider in den Abstellkammern in Vergessenheit geraten sind (Link).

Martin von Feuerstein - Studienkopf (Kohlezeichnung mit Weiß erhöht)


Gabriel von Hackl - Vorbereitung zum Feste


Ludwig Glötzle - Golgatha

1888

Das tragische Jahr jedes treuen Monarchisten hatte begonnen. Die Zeichen ließen das folgende erkennen, aber das im Juni schon der dritte Kaiser den Thron betrat, kam doch überraschend.

Sensenmanns erster Streich

Im Januar war von Werner mit der Untermalung des Bildes für Königin Victoria beschäftigt und ein Berg von Organisationsarbeit für die kommenden drei internationalen Ausstellungen in Melbourne, Wien und München musste abgearbeitet werden.
Sein Verein Berliner Künstler ehrte ihm mit einem Fest, zu dem sein Freund Paul Meyerheim eine ansprechende Tischkarte zeichnetet.

Paul Meyerheim - Festkarte für ein Festessen für Anton von Werner am 4. Februar 1888 (1888)

In diesen ersten Tagen des Jahres war er wieder einmal wegen Studien zu Gast bei den Hohenzollern, dieses mal beim Prinzen Wilhelm.
Da traf die überraschende Nachricht vom Tode des Hohenzollernprinzen Ludwig von Baden ein, den von Werner als frische und liebenswürdige Persönlichkeit bezeichnete.

Sensenmanns zweiter Streich

Dies wurde jedoch überschattet von der rapide sich verschlechternden Situation Kaiser Wilhelm I. Das er nicht mehr lange Leben würde, war allen Beteiligten, auch dem Kaiser selber, klar.
Denn am Morgen des 9. März traf ein eiliger Brief bei von Werner ein, in dem er vertraulich aufgefordert wurde,
baldmöglichst hierher zu kommen, um eventuell eine Skizze anfertigen zu können.
Als er im königlichen Palais ankam, musste er auch schon ans Werk gehen, denn der Kaiser war gerade verstorben.
Dieser Wunsch der Skizze war nichts Außergewöhnliches zu dieser Zeit. So wurde von Werner schon Mitte der 60er Jahre nach Karlsruhe gerufen, um der Nachwelt einen letzten Eindruck von der verstorbenen Großherzogin Sophie zu geben.

In seinen letzten Worten soll der Kaiser sich, Militär und Politiker noch durch und durch, mit selbigen Themen beschäftigt haben. Als von Werner das schlichte Zimmer betrat, herrschte himmlische Ruhe. Er verkroch sich in eine Ecke nahe einer Lampe und zeichnetet den Kaiser auf seinem Totenbett, während im Zimmer die Trauernden des engsten Familienkreises ein und ausgingen.

Zu Hause angekommen begann von Werner direkt mit der Umsetzung einer Farbskizze, um die noch frischen letzten Eindrücke nicht verblassen zu lassen.

Anton von Werner - Kaiser Wilhelm auf dem Sterbelager (1888)

Der Kaiser würde später zur freien Anteilnahme drei Tage im Dom aufbewahrt. Eine extra für diesen Anlass installierte Brücke führte quer durch den Dom und erlaubte es bis zu 7000 Besuchern je Stunde, Abschied von ihrem Kaiser zu nehmen.
Mit der düsteren Dekoration der Kirche war von Werner nicht zufrieden, da ihm die positiven Akzente, die nur in Form der niedergelegten Kränze farblich angedeutet waren, fehlten. So hätte man seiner Meinung nach die Trauer über ein erfülltes, abgeschlossenes Leben, den angemessen, künstlerisch gestalteten Ausdruck verleihen können.

Anton von Werner - Aufbewahrung der Leiche Kaiser Wilhelms im Dom (1888)
Farbskizze

Ein Gothic-Anhänger unserer Tage sähe das wohl ganz anders. Denn der ganze Boden und die Seitenwände bis zu den Chorbrüstungen des Doms waren mit schwarzem Tuch bedeckt und dieser Eindruck einer Gruft wurde noch durch sechs schwarz überzogene Kandelabern verstärkt.

Und der Dritte folgt sogleich

Die Eindrücke der Trauer waren noch nicht verblasst, da erreichte am 14. Juni die Berliner die nächste Ankündigung eines baldigen, weiteren Verlustes. So machte sich Anton von Werner am nächsten Morgen von seinem neu bezogenen Landhaus in Wannsee Richtung Neues Palais auf, um genaueres zu erfahren. Der Sensenmann ließ nicht lange auf sich warten und der neue Kaiser Wilhelm II bat von Werner, seinen gerade verstorbenen Vater Friedrich III auf dem Sterbelager zu zeichnen.
und gab mir dazu einen vom Schreibtisch entnommenen schwarz umränderten Briefbogen und einen Bleistift; Prinz Heinrich meldete zwar, die Kaiserin Friedrich wünsche nicht, daß ihr verschlafener Gemahl jetzt noch porträtiert würde, ich tat es aber dennoch, nur für den Kaiser, und überreichte ihm das Blatt.


Anton von Werner - Kaiser Friedrich auf dem Sterbelager (1888)
Zeichnung

Einem anderen Wunsch der Kaiserin Friedrich musste von Werner aber Folge leisten. Dieses mal sollte er die Aufbewahrung der Leiche im Jaspissaal künstlerisch gestalten. Dekorateur war das Rundumtalent nun also geworden. Und, wie immer, machte er solches ganz oder gar nicht.
Auf Veranlassung des Direktors Dohme hatte man seitens des Hofmarschallamts bereits begonnen die Wände des schönen Raumes ... von oben bis unten mit schwarzem Stoff zu bekleiden, was in Verbindung mit der weißen von heiterem vergoldeten Rokoko-Rankenwerk umzogenen Decke des Saales einen künstlerisch geradezu schauerlichen Eindruck machte. Ich ließ die schwarzen Hüllen entfernen und durch eine andere Dekoration ersetzten, die keinen schauerlichen Eindruck hervorrief, besprach noch das Nötige für die Aufstellung des Sarges, der Pflanzendekoration usw. und zeichnete dann nochmals auf den mir durch Freiherrn v. Reischach überbrachten Wunsch der Kaiserin Friedrich den Verblichenen, der inzwischen einbalsamiert worden war.
Im Gespräch mit der Witwe des gerade verstorbenen Kaiser erfährt von Werner einiges über die Verzweiflung, mit der das Kaiserliche Paar den Attacken der Presse ausgesetzt war.
"Welcher Wahnsinn", rief sie wiederholt, " zu glauben, meine Sympathie für England ginge so weit, daß ich deshalb das kostbare Leben meines Mannes hätte aufs Spiel setzen können!"
Hoffnung am Horizont

Die Hoffnung, die man in den jungen Kaiser Wilhelm II setzte, war groß. Er galt schon früh als Freund und Förderer der Künste und dies sollte sich in seiner neuen Position bestätigen.

Zur Eröffnung des Reichstags lud der Kaiser von Werner ein, ihn in künstlerischer Hinsicht bei den Arrangements zur Seite zu stehen und später diesen historischen Augenblick in einem großen Gemälde festzuhalten.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1888)
Farbskizze- Öl auf Leinwand (103 x 153 cm)
Da die Feierlichkeiten mit allen Pomp vor sich gehen solle, so mußte der Weiße Saal des königlichen Schlosses ein festliches, dem hellen Tageslicht standhaltendes Gewand erhalten, dass zugleich der Trauer um die beiden dahingeschiedenen Kaiser den entsprechenden Ausdruck verlieh. Ich entwarf dafür Skizzen, traf die nötigen Anordnungen und versicherte mich für die Ausführung die Mitwirkung einiger unserer tüchtigsten bei den Akademikerfesten erprobten jungen Künstler, da ich in die Hoftapezierer nicht allzu großes Vertrauen setze.
Einem ersten Aquarell der Räumlichkeiten sollten viele weitere Studien, Entwurfsvarianten und Porträtsitzungen in den folgenden Jahren folgen, bis das Gemälde der Reichstagseröffnung endlich im Jahre 1893 vollendet werden konnte.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1893)
Öl auf Leinwand (387 x 642 cm)

Eines der ersten Porträts zu diesem Gemälde gab ihm der frisch gekürte Kaiser selber und von Werner war laut eigener Aussage damit wohl, nach dem großen Porträtmaler jener Zeit, Heinrich von Angeli, der zweite, dem dieses Privileg geben war.

Heinrich von Angeli - Rudolf von Slatin Pasha (1895)

Kaiser Wilhelm war von dem Dekorationstalent seines Akademiedirektors überzeugt. So bat er ihn, noch auf die Schnelle Änderungen an der Dekoration der am nächsten Tag stattfindenden Landtagseröffnung durchzuführen.
Von Werner fühlte sich in seiner Position als neuer Hofdekorateur geschmeichelt, auf Dauer wollte er diese zusätzliche Belastung aber nicht tragen.

Kaiserlicher Besuch

Im September ehrte ihn der Kaiser mit einem Besuch in seinem neuen Heim in Wannsee, um die bis dahin erstellten Skizzen zur Reichstagseröffnung bei einem Schwätzchen zu begutachten.

Anton von Werner - Kaiser Wilhelm II - Studie zum Reichstagsbild (1892)
Zeichnung
und äußerte auf meine Frage, welche Reichstagsabgeordnete ich auf dem Bilde anbringen solle, da ja doch für alle nicht genügend Platz sei: "Das überlasse ich Ihnen, Sie wissen darin ja ebenso gut Bescheid wie ich"
Bei von Werner hielt der Kaiser sich also, der sogar das Recht hatte, bei der Akademieausstellung über die Vergabe der Medaillen zu entscheiden, dann doch zurück.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1893) - Ausschnitt
Öl auf Leinwand (387 x 642 cm)

Nebenbei erfährt man ein paar nette Kommentare über einen von Anton von Werner geschätzten Kollegen, Carl Saltzmann.
und erzählte auch von seiner Fahrt nach St. Petersburg und den Studien, die C. Saltzmann dabei gemacht hatte, mit der ihm eigenen frischen Lebendigkeit. Seiner Hochschätzung für den mit urwüchsigem Humor begabten Künstler, der den Prinzen Heinrich bei seiner ersten Weltumseglung auf der "Olga" begleitet hatte und früher auch des Kaisers Lehrer gewesen war, gab er in ebenso lebhafter und liebenswürdiger Weise Ausdruck.

Carl Saltzmann - Magellanstraße mit der Korvette Prinz Adalbert (1888)
Öl auf Leinwand - (100 x 159 cm)

1889

Anton von Werner - Skizze zu eine Deckengemälde im Königlichen Schloss zu Berlin (1889)

Bienenstock

Was zu Beginn des Jahres 1889 auf dem Programm stand, ist nicht zu schwer zu erraten. Vollendung des Jubiläumsbildes für die Königin Victoria, Aufträge zu Porträts der Kaiser des Dreikaiserjahres


Anton von Werner - Standporträt Kaiser Friedrich III (1889)
Öl auf Leinwand (173 x 115 cm)

Anton von Werner - Standporträt Kaiser Wilhelm I (1889)
Öl auf Leinwand (173 x 115 cm)

(eines davon ein Porträt König Wilhelms vor dem Rathaus in Aachen 1865, welches seit kurzem wieder im Aachener Rathaus zu besichtigen ist, nachdem es Jahre unbeachtet im Abstellgleis des Luisenhospital hing)

Anton von Werner - Porträt König Wilhelm vor dem Rathaus in Aachen 1865
Farbskizze

und natürlich Porträtsitzungen für das Reichstagsbild. Sein Atelier war ein Bienenkorb der politischen Akteure des deutschen Reichs. Sie gingen ein und aus, teilweise kamen zwischen den Sitzungen gleich mehrere Abgeordnete zu ihm. So war sein Talent als Schnellmaler mal wieder gefragt. Mitglieder aller Parteien waren auf seinem Bild willkommen, aber für einen streng Konservativen gab es ein Tabu
mit Ausnahme der Sozialdemokratischen natürlich
Anton von Werner - Studie Graf Lerchenfeld-Kösering (18xx)

Eine der interessantesten Personen, die Anton von Werner hierbei kennenlernte, war der Zentrumsführer Ludwig Windthorst. Dieser traute dem Braten nicht ganz und erkundigte sich zu Beginn bei von Werner, ob der Kaiser wirklich nichts dagegen hat, dass er, Windhorst, auf dem Gemälde abgebildet sein durfte. Das hatte er nicht. Diesen Charakterkopf beschreibt von Werner im weiteren so:
Mit vielem Humor erzählte er dann, daß er oft mit Menzel verwechselt werde, mit dem er, soweit seine kleine Figur und sein stark entwickelter Schädel in Betracht kamen, in der Tat einige Ähnlichkeit hatte, und wie er Virchow, als dieser seinen Schädel auszumessen wünschte, erschrocken gefragt habe: "Um Gotteswillen, Herr Kollege, Sie wollen mich doch nicht trepanieren?" Der Windthorst war bekanntlich so kurzsichtig, daß er stets eines Führers bedurfte, natürlich nicht auf dem Gebiete der Politik, sondern nun bei seinen Ausgängen - und so sah er auch nichts von dem großen Bilde, obgleich ich ihn dicht vor die Leinwand gestellt hatte.
Das farbige Bild des Doktors Krüger zeigt beispielhaft die meisterhafte Porträt-Technik von Werners, die zur damaligen Zeit bescheiden als das bezeichnet wurde, was es war, nämlich eine Studie.

Anton von Werner - Figurenstudie Dr Daniel Christian Friedrich Krüger (1889)
Öl auf Malmappe (60 x 42 cm)

Kellers Apotheose

Ein Höhepunkt des Jahres war aus künstlerischer Sicht im Februar die Ausstellung des Monumentalgemälde Apotheose Kaiser Wilhelms des Siegreichen von Ferdinand Keller.
Wie schon im Bericht zu Keller beschrieben, fand dieses Gemälde nicht allseitige Zustimmung, der neue Kaiser war aber mit dem Bild seines Großvaters zufrieden
Seine Majestät äußerte sich sehr anerkennend über die glänzende virtuose Leistung, fand zwar, daß die Gestalten des Kronprinzen, des Prinzen Friedrich Karl, Bismarck's, Moltke's und Roon's in ihren modernen Uniformen seinem Gefühl nach nicht recht in die allegorische Darstellung paßten, befahl aber den Ankauf des Bildes und überwies es der Nationalgalerie.

Ferdinand Keller - Apotheose Kaiser Wilhelm der Siegreiche - Foto

Dem Verein Berliner Künstler war dies Werk eine extra Feier wert und man dankte dem anwesenden Künstler
für die hervorragende künstlerische Leistung.
Den Zeitgeschmack traf er aber nicht mehr mit seiner Apotheose. Kaum 60 bis 80 Besucher wollten dieses Werk im Uhrsaal der Akademie besichtigen. Grund hierfür war laut Kaiserin Augusta, dass die von dem Künstler gewählte Allegorie nicht ganz zu dem schlichten Sinn ihres Gatten passt und dies auch vom normalen Publikum so gesehen würde.

Guter Zweck veraltet

Bei der Beschreibung eines Abends bei der Kaiserin Augusta erfährt man ein interessantes Detail über die karitativen Aktionen der Akademie der Künste.

Früher wurde jährlich zur Weihnachtszeit, besucht vom Kaiserpaar, ein Weihnachtsfest veranstaltet, in dem mittels großer Transparentgemälde eine biblische Geschichte vorgeführt wurde. Die Einnahmen diese Veranstaltung galt den Hinterbliebenen verstorbener Künstler.

Diese extra für diesen Zweck gemalten Transparentgemälde sollen laut von Werner oft eine hervorragende Qualität besessen haben. Er erwähnt als besonders hervorzuhebende Werke Gustav Richter's Erweckung von Jairi Töchterlein, Bernhard Plockhorst's Moses zum Himmel getragen und drei von Adolph Menzel, Christus als Knabe bei den Pharisäern im Tempel, Adam und Eva und Christus, die Händler aus dem Tempel jagend, wobei ersteres
erweckte jedesmal, wenn der Vorhang sich hob, beim Publikum die größte Heiterkeit, wie mir Paul Meyerheim mitteilte, wohl wegen der durchaus nicht idealisierten Erscheinung der Dargestellten.
Die Zeiten wandeln sich und seit Jahren wurde dieses Fest, zum Leidwesen der Kaiserin, nicht mehr veranstaltet, da sich niemand mehr für diese Bilder interessierte und die Einnahmen die Kosten nicht mehr deckte. Dies war mal anders,
in den fünfziger und sechziger Jahre drängte sich das Publikum zu diesen Schaustellungen, ohne die, ebenso wie ohne den Weihnachtsmarkt im Lustgarten und die Weihnachtsausstellung bei Kroll, für den Berliner von damals richtige Weihnachten nicht denkbar waren.
Katastrophale Ausstellung

Nach dem großen Triumph der 1886er Kunstausstellung war den beiden nachfolgenden kein besonderer Erfolg vergönnt. Aber in diesem Jahr waren die Umstände eine Zumutung und die Veranstaltung, wäre es nach den Künstlern des Vereins Berliner Künstler gegangen, ganz abgesagt worden. Denn auf Order des Reichskanzlers Bismarck wurde das Landes-Ausstellungsgebäude einer Unfallverhütungsausstellung zugewiesen und den Künstler blieb nur das alte Kunst-Akademiegebäude unter den Linden. Ein, wie von Werner fand, unwürdiger Rahmen für das moderne Berlin.
Die ausländische Presse zog über die Ausstellung her und ohne die Abstandzahlung der Unfallverhütungs-Ausstellung wäre ein katastrophales Defizit entstanden.

Rat gefragt

Seine Ferien verbrachte der Meister mit Illustrationen zu Scheffel's Ekkehard, jenem Projekt, welches nie seine Vollendung erfahren wird.
Von Werner wurde oft als Berater in Fragen der Kunst engagiert, so auch zu dieser Zeit, als er einen Ausflug ins schöne Lübeck mit seiner Beurteilung einer dekorativen Ausmalung eines Treppenhauses im Rathaus kombinieren konnte. Abgelehnt wurde das ganze Vorhaben, da von Werner die Beleuchtung des Raumes für ein Mosaikbild als gänzlich ungeeignet erachtete.

Technisches Wunder

Die Weltausstellung, zum wiederholten Male in Paris, zog die Menschen wegen eines Projekts in ihren Bann, welches alle Anderen bei weitem überschattete. Der Eiffelturm. Dieser gigantische Turm beeindruckte auch von Werner und er beschrieb ihn als
in seiner Basis gigantischen Ungeheuers, das sich nachher mit seiner Spitze elegant wie eine zehnfach verlängerte Nadel der Cleopatra, ich möchte sagen heiter lächelnd in den blauen Himmel erhob.
Das Deutsche Reich nahm in diesem Jahr aus politischen Gründen nicht an der Weltausstellung teil, nur einzelne deutsche Künstler stellte auf eigene Faust ihre Werke aus. Von deren künstlerischer Qualität und den gebotenen Räumlichkeiten war von Werner nicht gerade begeistert.
unter ihnen Fritz v. Uhde, Walter Firle, Leibl und Franz Skarbina, sich bewogen gefühlt, in einem kleinen etwas dunklen Raum auszustellen, der aber ihren als neueste Errungenschaft des Pleinairismus bezeichneten Schöpfungen wenig zugute kam, denn die Bilder sahen alle trübe, schwarzgrau aus.

Fritz von Uhde - Heideprinzesschen (1889)
Öl auf Leinwand (140 x 111 cm)

Ebenfalls wenig gelungen erschien ihn das extra zu dieser Weltausstellung geschaffene Panorama le sciele 1789-1889 von Alfred Stevens und Henri Gervex, da ihm diese künstliche Zusammenstellung der Berühmtheiten und Ereignisse eines ganzen Jahrhunderts ungeeignet für ein Gemälde erschien.

Henri Gervex und Alfred Stevens - Ausschnitt zum Panorama
Geschichte des Jahrhunderts (1889)
Öl auf Leinwand

Von den Malern begeisterten ihn neben den bekannten Gesichtern der Franzosen und Spanier besonders
Dagnan-Bouveret mit seinen meisterhaft tiefempfundenen Bildern aus dem Volksleben der Bretagne

Pascal-Adolphe-Jean Dagnan-Bouveret - The Pardon in Brittany (1886)
Öl auf Leinwand (114,6 x 84,8 cm)

Arbeit oder Grippe

Daheim angekommen, begann er mit dem Aufzeichnen des Reichtagsbildes und der Arbeit an einem Porträt des Landschaftsministers Dr. Lucius von Ballhausen. Von diesem hörte er erstmal von der zu dieser Zeit in Europa kursierenden, durch das Wort Influenza bekannt gewordene Grippe. Diese soll laut Aussage des Ministers allein in St. Petersburg 130000 Menschen erfasst habe und in Deutschland waren Anfang Dezember 100000 Personen befallen.

Auch von Werner steckte sich an und musste seine Arbeit unterbrechen. Er war mit seinen 56 nicht mehr Jüngste und sein Arbeitspensum zollte immer öfter seinen Tribut. So berichtet er von einem durch Überanstrengung herbeigeführten Schreibkrampf, der ihn nach einigen Jahren zwang, das Zeichnen, besonders mit der Feder, für längere Zeit einzustellen. Aber noch lief alles glimpflich ab und er überstand die Grippe ohne Folgeschäden.
Weniger Glück hatte da ein guter Bekannter seiner Familie, der Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, Eduard Bendemann. Er erlag Ende Dezember dieser Krankheit.

1890

Weitere Verluste

Die Grippe machte auch vor dem Hohenzollernhaus nicht halt und nach kurzer Krankheit verstarb Kaiserin Augusta. Oder, wie von Werner im melancholischen Ton den Kreislauf der Zeit beschrieb:
Die Generation, die das neunzehnte Jahrhundert mitgeschaffen hatte, ging nach und nach zu Grabe, und die sich ihr gegenüber bis dahin als Junge gefühlt hatten, wurden nun die Alten.
Einen politischen Verlust bedeutete für manche die Entlassung Fürst Bismarcks als Reichskanzler. So auch für den Verein Berliner Künstler, der dem Kanzler ein Fest samt Glückwunschadresse zu seinem 75 Geburtstag widmete. Diese Entlassung war Tagesgespräch bei den Porträtsitzungen zum Reichstagsbild und von Werners
Kenntnis diplomatischer-staatsmännischen Waltens bereicherte und erweiterte sich dadurch nicht unwesentlich.
Grenzen überschreitendes Gemälde

Im April des Jahres begann von Werner mit der Fertigstellung des schon im Vorjahr mit den ersten Studien begonnenen Gemälde Kronprinz Friedrich Wilhelm an der Leiche des Generals Abel Douay, zu dem ihm der Kronprinz noch vor seinem Tod in Baveno schriftliche Notizen erstellt hatte.
Aufgrund der guten Vorbereitung gelang es von Werner, dieses Bild schon im Juli zu vollenden und zur Berliner Akademieausstellung einzureichen.

Anton von Werner - Teilstudie zum aufgebahrten General Abel Douay (1887)
Bleistift (24,5 x 32,8 cm)

Die Vorbereitungen reichten hierbei soweit, dass dem Künstler mit der Vermittlung eines französischen Offiziers von der Familie des verstorbenen Generals ein Porträt zur Verfügung gestellt wurde.

Mit welcher erfolgreichen Recherche er den anwesenden Militärarzt malte, sei hier genauer zitiert
Edouard Detaille teilte mir auf meine Anfrage in liebenswürdiger Weise, durch sorgfältige Handzeichnungen erläutert, das Nähere über die Uniform des französischen Militärarztes mit, der zugegen gewesen war, als der Kronprinz mit seinen Offizieren in das Zimmer trat, wo man die Leiche des gefallenen Generals niedergelegt hatte. Der Kronprinz und Mischke hatten mir Gesicht und Figur des Arztes, soweit sie diese in der Erinnerung hatten, beschrieben, ich hatte danach gemalt und war nicht wenig erstaunt, als ich nach vielen Jahren aus dem Inneren Frankreichs einen Brief erhielt, in welchem der Absender unter Beifügung seiner Photographie aus dem Jahre 1870, mir mitteilte, daß er der Arzt sei, der damals dabei gewesen war. Aus der Photographie ersah ich zu meiner Überraschung, daß sich diese mit seiner Erscheinung auf meinem Bilde ziemlich deckte, nur hatte ich einen Fehler gemacht, auf den er besonders hinwies: ich hatte ihm nur zwei Goldschnüre am Ärmelaufschlag gemalt, während er auf drei Anspruch hatte, weil er damals schon Oberarzt war! Im übrigen wünschte er von mir die Namen der den Kronprinzen begleitenden Offiziere zu erfahren, deren er sich genau erinnerte, welchem Wunsche ich gern entsprach.
Anton von Werner - Kronprinz Friedrich Wilhelm an der Leiche des Generals Abel Douay (1890)
Öl auf Leinwand (117 x 167 cm)

Die Kritik dieses Gemälde war zwiespältig, denn der Zeitgeist konnte mit solchen Erzählungen immer weniger anfangen. Das Bild wurde im Pariser Figaro oder im Berliner Tageblatt gelobt, in anderen Zeitungen aber gehörig verrissen,
weil es eine gemalte Novelle war und deshalb einige Berliner Blätter fachgemäß erklärten, "daß das Publikum wegen seiner Geschmacklosigkeit zu bedauern sei, weil es in dichten Haufen das Bild umstände, was freilich nicht erstaunlich sei, denn "Die Gartenlaube" habe ja auch Hundertausende von Abonnenten"
...
Die Kunstkritik stand in diesen Jahren übrigens im allgemeinen - mit wenigen Ausnahmen - auf dem Standpunkt des Nörgelns und des Witzemachens ... und es schienen nicht gerade Kräfte von der überlegenen Auffassung Paul Lindaus ... zu sein, die das von keinerlei Sachkenntnis getrübte Richteramt ausübten.
Reinfall und Hoffnung

Die Kunstausstellung des Jahres 1890 war wieder mal ein Reinfall, die Motivation unter den Künstler bestand jedoch, im kommenden Jahre alles besser zu machen und eine internationale Ausstellung auf die Beine zu stellen. Der Senat der Akademie lehnte dies ab und so stellte der Verein Berliner Künstler mit nur einer Gegenstimme den Antrag, auf eigenes Risiko dieses Mammutprojekt auf die Beine zu stellen. Voranschreitend natürlich Anton von Werner, der vorsorglich die Unterstützung des Kaiser gesichert hatte.

So konnte die Planung beginnen, welche alle bisher in Angriff genommenen Projekte des Vereins bei weitem überragte. Aber man war optimistisch und wollte seinem hohen Ansehen gerecht werden. Ein Ansehen, welches man im Jahre 1890 festigte, beispielsweise durch ein großes, öffentliches, orientalisches Kostümfest mit 2000 Beteiligten oder der vereinsinternen Nachfeier des 60 Geburtstag des hochverehrten Mitglieds Ludwig Knaus, zu der Adolph Menzel eine äußerst gelungen Tischkarte mit Motiven Knauscher Bilder gezeichnet haben soll.


Ludwig Knaus - Tanz unter den Lindenbäumen (1881)
Der Saal war durch junge Birken und entsprechende Dekorationen in das hessische Dorf Wittinghausen, dem Lieblingsstudienplatz des gefeierten Künstlers, umgewandelt worden, die Teilnehmer waren vorwiegend in hessischer Tracht erschienen, Julius Lohmeyer hatte ein hübsches Festspiel geschrieben und lebende Bilder wechselten mit Gesang und Tanz, es war eine Feier ganz dem schlichten Sinne des großen Künstlers und seinem Gefühle für häusliches Leben und Behagen entsprechend.
Im Weiteren ist von dem enormen Aufwand der auch politisch nicht ganz unbrisanten internationalen Ausstellung die Rede, dem diplomatischen und persönlichen Hin- und Her, vor allem in Bezug auf die französischen Künstler, welche aufgrund politischen Drucks aus Paris doch nicht teilnehmen durften.
Trotzdem war die Ausstellung im Jahre 1891 ein voller Erfolg und das Vermögen des Vereins verdoppelt. So konnte aus diesen Gewinnen endlich ein eigenes Künstlerhaus gebaut werden.

Professorenroulette

In diesem Jahr verlor Anton von Werner einen, wie er ihn nannte, treuen, aufrichtigen Freund, den Orientmaler Wilhelm Gentz, der sich bei seinem letzten längeren Studienaufenthalt in Tunis mit dem tödlichen Influenzavirus angesteckt hatte.

Wilhelm Gentz - Ein arabisches Lager -Ausschnitt (1870)
Öl auf Leinwand (57,5 x 103,5 cm)

Aufgrund von Rücktritten waren einige Professoren in diesem Jahr zu ersetzen, einer von ihnen wird in den höchsten Tönen von Anton von Werner gelobt. Es ist die Rede von einem seiner ersten Atelierschüler, dem Maler Max Koner
der sich als genialer Porträtmaler einen unvergeßlichen Namen gemacht hat
Max Koner - Kaiser Wilhelm II (1891)

Weniger schön war da die Beinahe-Entlassung des Professor der Aktklasse, Max Michael. Dem Kultusminister Gustav von Goßler war nahegelegt worden, die Entlassung dieses Professor zu fordern, da er einen nicht näher bezeichneten ungünstigen Einfluss auf die Schüler habe und sowieso zu alt sei. Dies konnte von Werner Gerechtigkeitssinn natürlich nicht stehen lassen
einen unserer ausgezeichnetsten und unermüdlichen Lehrer ... Ich konnte keinen Grund für diese überraschende Zumutung finden, weil sich die bei Professor Michael gemalten Akte einer allgemeinen Wertschätzung, auch im Ausland erfreuten, und ich auch nicht annehmen konnte, der Umstand, daß Professor Michael Jude war, haben den vorurteilsfreien Minister beeinflußt.
Da ich der vielleicht nicht ganz unzutreffenden Ansicht war, daß ich wohl der zunächst Berechtigte und Verpflichtete sei, der über den Einfluß der Professoren auf ihre Schüler ein Urteil haben müsse, so erklärte ich, ich würde die statuenmäßige Ausstellung der Schülerarbeiten so lange geöffnet lassen, bis der Herr Minister sie besichtigt und sich von dem erwähnten schlechten Einfluß überzeugt habe. Aber es kam wieder ganz anders. Denn ohne zu wissen, welche Arbeiten er vor sich habe, erging sich der Minister in den aufrichtigen Lobesäußerungen über die vielen nackten Männer und die vortrefflichen Kopien nach alten Meistern, die von Professor Michael's Schüler da ausgestellt waren.
Dies überzeugte den Minister Goßler und er nahm die Entlassung zurück.

Überbringer an die Nachwelt

Anton von Werner - Kultusminister von Goßler - Studie zum Reichstagsbild (1889)
Zeichnung

Vielleicht auch als Dank dafür positionierte von Werner ihn auf dem Reichstagsgemälde in günstiger Position, wofür er sich 1896 in einem Brief auf sehr nette Art bedankte:
... und ich bin auch sehr damit einverstanden, daß ich als ein Opfer ihres Pinsels der Nachwelt übermittelt werde. Sie und Fritz Werner sind m. W. die einzigen Maler, welche mich kunstgerecht zur Stecke gebracht haben. Bei F.W. erscheine ich auf dem Bild (Enthüllung des Luisendenkmals) in nebelhafter Ferne, Sie habe ich aber auf Ihrem Reichstagsbild wohlwollend in den Vordergrund geschoben und mir ein herrliches Gewand angezogen - was selbstverständlich meinen Familienmitgliedern sehr zusagt. Sie tragen also die Verantwortung für die Gestalt, in welcher ich der Nachwelt überliefert werde.
Helgoland anno dazumal

Seinen Urlaub verbrachte von Werner dieses Jahr auf Helgoland, jener Insel, die gerade erst an Deutschland abgetreten wurde. Zu jener Zeit war noch nichts von der hektischen Betriebsamkeit unserer Tage zu sehen. Kein Kurhaus weit und breit und die gesamte Insel erst in den Anfängen des Tourismus stehend.

Anton von Werner - Auf dem Oberland von Helgoland (1890)
und wie schön war es damals, durch den spärlichen Kartoffelacker da oben zu wandern, wo man sich wie auf dem Decke eines Riesenschiffes befand, rings umher, bis zum fernen Horizonte nur Luft und Wasser sah, in der Nähe höchstens einige angepflogte Schafe, und neben der alten Kirche die Gasse mit den niedlichen kleinen Häusern. Die Dächer konnte man mit der Hand erreichen, und man fragte sich staunend, wie und wo die Riesengestalten ihrer Bewohner durch die niedrige Haustüre kämen und überhaupt in diesen Liliputhäuschen Platz fänden.
Moltke

Der 90 Geburtstag des Generalfeldmarschall Moltke stand vor der Tür und, wie selbstverständlich, trat der Kaiser an Anton von Werner heran, um ihm den Auftrag zu einem Gemälde der kommenden Feierlichkeiten zu erteilen. Von Werner machte sich auf, um den Ort zu studieren und zeichnete während der Veranstaltung unzählige Skizzen.

Anton von Werner - Figurenstudie Moltke und Wilhelm II zu Moltkes 90 Geburtstag (1896)
Öl auf Malpappe (59 x 48 cm)

Er malte in den nachfolgenden Monaten und Jahren Porträts der beteiligen Personen.

Anton von Werner - Admiral Max von der Goltz -
Porträtstudie zum Bild des 90. Geburtstag Moltkes

Doch nicht nur das. Der Einfluss und das Vertrauen in von Werner war so groß, dass er die Dekoration des Saals delegieren und mal so nebenbei 30 Offiziere als Probeobjekte einteilen durfte
...., mit dem Rücken gegen die Fensterfront aufgestellen dachte, so daß ihre Gesichter vollkommen im Schatten lagen und eine Porträtdarstellung nahezu unmöglich wurde. Ich machte Graf Waldersee hierauf aufmerksam und schlug ihm vor, aus einer der nächsten Kasernen 30 Mann zu beordern, mit denen eine Probeausstellung gemacht werden könne. Graf Waldersee meinte: "Das können wir viel einfacher haben, so viele Offiziere haben wir hier im Hause, warten Sie einen Augenblick", und gab einer Ordonnanz den Auftrag. Nach wenigen Minuten eilten oder stürzten in sichtlicher Erregung die gewünschten dreißig Offiziere in den Saal, anscheinend die Verkündigung der Order zur Mobilmachung oder eines anderen wichtigen Ereignisses erwartend, einen Augenblick der Spannung, der sich in allgemeine Heiterkeit auflöste, als die Herren den Zweck ihrer Berufung erfuhren und in die Probestellungen einrückten.
Anton von Werner - Moltkes 90. Geburtstag (1896)
Öl auf Leinwand (320 x 497 cm)

Von Moltke war der Anblick des vollendeten Gemäldes nicht mehr vergönnt, da er im April des folgenden Jahres starb. Und wieder wurde von Werner erwählt, den Verstorbenen in seinem Totenbett zu zeichnen. Und so geschah es auch.

Anton von Werner - Generalfeldmarschall von Moltke auf dem Sterbelager (1891)

Enttäuschender Abschluss

Von Werner endet seiner Memoiren der Jahre 1870 bis 1890 mit einem Rückblick auf das von ihm und der Berliner Künstlerschaft Erreichte. Ihm war bewusst, das neue Zeiten angebrochen waren, die seine Kunst nicht mehr schätzten. Aber er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er lesen könnte, wie respektlos sein geliebter Verein Berliner Künstler heute über ihn redet (guckst du hier).

Hier also die abschließenden Worte eines der letzten großen, begnadeten Maler der deutschen Kunstlandschaft, einem Meister auf vielen Gebieten, vor dessen Pinsel die Dilettanten unserer Zeit, die keine gerade Linie zeichnen können, ehrfurchtsvoll aufblicken sollten, da er eine Fähigkeit besaß, die sie nicht besitzen. Mit wenig oder vielen Strichen kleine und große Dinge zu erzählen.

Anton von Werner - Die Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II (1893) - Ausschnitt
Öl auf Leinwand (387 x 642 cm)

Anton von Werner - Studien Pferdeköpfe (1884) - Skizzenbuch
Möchten sich diese Einrichtungen und Errungenschaften für die Berliner Künstlerschaft in dem Sinne bewähren, in welchem sie beabsichtigt waren und geschaffen wurden: zur Stärkung des Standesbewußtseins der Künstlerschaft als Träger idealer Bestrebungen und zu gegenseitiger Förderung auf materiellem Gebiete, - Gedanken und Ziele, die mir stets am Herzen lagen und für die ich allzeit eingetreten bin, so weit es in meinen Kräften stand.